Avid HD Omni Test

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Mit der Vorstellung neuer Audio-Interfaces hat Avid vor geraumer Zeit die letzte Hardware ersetzt, auf der noch das alte Digidesign-Logo zu lesen war. Immerhin hatten die alten HD-Interfaces 192 und 96 I/O seit ihrer Vorstellung im Jahr 2002 schon einige Jährchen auf dem Buckel. Neben dem hier getesteten Omni I/O gibt es noch zwei weitere Modelle:

  • HD I/O: Es ähnelt dem alten 192 I/O nicht nur optisch, sondern auch aufgrund des grundsätzlichen Angebots an Ein- und Ausgängen. Es bietet natürlich trotzdem ein komplett neues, moderneres Konzept.
  • MADI I/O: Längst überfällig war ein MADI-fähiges Avid-Interface. Bis zu 64 Kanäle lassen sich über diese Schnittstelle digital übertragen. Dieses Interface richtet sich vor allem an sehr große Aufnahme- und Filmmisch-Studios.

Das Omni I/O ist komplett anders als alle bisherigen HD-Interfaces und bietet sich vor allen Dingen für kleinere Projekt-Studios an. Da die aktuellen Interfaces nicht nur für die großen HD- und HDX-Systeme, sondern auch für HD Native konzipiert sind, ist der Einstieg in die professionelle Pro-Tools-Liga so auch ein Stück günstiger geworden.

Fotostrecke: 4 Bilder Das HD Omni von vorn …

Im ersten Moment wirkt das Omni I/O wie ein aufpoliertes 003 Rack – ein kleines, aber feines System zum Mischen und Komponieren und für gelegentliche Aufnahmen einzelner Musiker oder Sänger. Durch die integrierten Mikrofon- und Instrumenten-Verstärker, den Kopfhörer-Ausgang und den Monitor-Controller wirkt es wie eine gewöhnliche Ein-Gerät-Lösung, die vor allen Dingen günstiger als die übrigen HD-Interfaces ist. Aber: Der erste Eindruck ist eine Sache, ein Praxistest am „lebenden Objekt“ eine andere. Einige Möglichkeiten des Systems kommen sogar erst richtig zur Geltung, wenn das Omni I/O in ein größeres HD-System eingebettet ist. Aber fangen wir von vorne an.
Wenn man ein HD-System mit dem Omni I/O als einzigem Interface betreibt, ist die Anzahl der gleichzeitig nutzbaren Ein- und Ausgänge sehr übersichtlich. Das liegt nicht daran, dass das Omni nur wenige Anschlüsse bietet. Die digitalen und analogen Eingänge summieren sich sogar auf 20 Mono-Eingänge. Welche Kombination man auch wählt, mehr als acht Kanäle gleichzeitig kann das Omni I/O nicht zum Computer liefern. Beim Kombinieren der verschiedenen Schnittstellen ist das Interface aber sehr flexibel. So lässt sich zum Beispiel ein Bouquet aus vier analogen, zwei AES/EBU-Kanälen und zwei weiteren über die ADAT-Schnittstelle vereinen.

Auf der Ausgangsseite ist das Omni I/O nicht minder gut bestückt, muss aber mit ähnlichen Einschränkungen leben: 10 unabhängige Ausgänge stehen zur Verfügung, und da ist der Kopfhörerausgang schon mitgerechnet. Nicht verschwiegen werden sollte an dieser Stelle, dass Pro Tools die Möglichkeit bietet, Output-Pfade an mehreren physikalischen Ausgängen zu spiegeln („mirror output“).
Physikalisch bietet das Omni I/O also reichlich Schnittstellen, obwohl es nur mit einer Höheneinheit im Rack auskommt. Es gibt zum Beispiel acht analoge Eingangsbuchsen, von denen sich jedoch sechs einen Stereo-Input-Pfad zu Pro Tools teilen müssen. Diese Eingänge tauchen als „Analog 1-2“ in Pro Tools auf. Welche Buchsen das Signal in Pro Tools führen, lässt sich mit einem Schalter auf der Frontseite bestimmen. Zur Auswahl stehen die beiden XLR-/Klinke-Kombi-Buchsen auf der Vorderseite des Gehäuses, das XLR-Pärchen auf der Rückseite und ein weiteres Paar symmetrische Klinkenbuchsen auf der Rückseite. Die XLR-Buchsen leiten das Signal zu digital gesteuerten Mikrofonvorverstärkern und sobald ein entsprechendes Kabel auf der Frontseite angeschlossen wird, ist der rückseitige Anschluss deaktiviert – eine sinnvolle Maßnahme. Die Kombibuchsen der Frontseite sind aber auch als hochohmige Eingänge für E-Gitarren nutzbar.
Die Mikrofonvorverstärker werden mit ein paar Knöpfen und einem Endlosdrehregler bedient. Ein kleines Display zeigt an, welchen der beiden Preamps man gerade einstellt und den Wert der aktuellen Verstärkung. Bis zu 65 dB Verstärkung lassen sich erreichen. Einer der Schalter schaltet die 48-Volt-Phantomspeisung ein und aus, ein anderer kann die Verstärkung um 20 dB (Pad) absenken und ein weiterer schaltet ein Hochpassfilter bei 85 Hz hinzu. Für Stereo-Aufnahmen lassen sich die Einstellungen beider Preamps verkoppeln (Link). Um den zweiten Kanal zu bearbeiten, muss man den Endlosdrehregler drücken, um wieder auf den ersten zurückzukehren, ist ein erneuter Druck nötig.
Überraschenderweise hat man auch darauf verzichtet, die Mikrofonvorverstärker aus Pro Tools steuerbar zu machen. Obwohl das mit dem Avid Pre ja bereits wunderbar funktioniert – schade. Hinter Vorverstärker und Hochpass bieten die ersten beiden Eingänge jedoch immerhin einen Insert (jeweils zwei symmetrische Klinkenbuchsen pro Kanal), um beispielsweise einen analogen Kompressor oder EQ in das aufzunehmende Signal einzuschleifen. Am Ende der Eingangskette gibt es die Möglichkeit, einen Limiter als Schutz vor digitalen Verzerrungen einzuschalten. Die Einstellungen hören auf die Namen Soft Clip und Curve, dazu später mehr.

Über den Setup-Button auf der rechten Gehäusehälfte lassen sich die meisten Basis-Einstellungen vornehmen: Vom Factory Reset über die Clock-Quelle bis zur oben erwähnten Lüfterschaltung ist alles wichtige im Programm. Manche Einstellungen stehen aber nur zur Verfügung, wenn Pro Tools nicht läuft. So wird zum Beispiel die Sampling-Rate in der Pro-Tools-Session festgelegt und das Omni automatisch entsprechend eingestellt.
Die anderen Eingänge sind etwas weniger komplex: Es gibt ein weiteres Paar analoger Klinkeneingänge, einen AES/EBU- und einen koaxialen S/PDIF-Eingang sowie zwei optische Toslink-Eingänge, die als achtkanaliger ADAT- oder als zweikanaliger S/PDIF-Eingang verwendet werden können.
Auf der Ausgangsseite stehen zwei D-Sub-Buchsen zur Verfügung. Die eine liefert acht analoge, die andere acht digitale (AES/EBU) Ausgänge. Um diese Ausgänge mit XLR-Steckern zu nutzen, ist die Anschaffung einer entsprechenden Kabelpeitsche (zirka 120 Euro für eine gute Qualität) zu budgetieren. Außerdem gibt es zwei Toslink-Ausgänge, zwei weitere analoge Ausgänge (als symmetrische Klinken ausgeführt) und den Kopfhörerausgang an der Frontseite. Das macht insgesamt 36 physikalische Ausgänge (bei Verwendung von Sampling-Rates bis 48 kHz ), es können aber wie gesagt nur acht unabhängige Ausgänge verwendet werden, plus Cue-Pfad, der sich allerdings nur auf den Kopfhörer routen lässt. In gewisser Weise symbolisieren die LED-Meters auf der Frontseite die Einschränkung: Sie zeigen für die Ein- oder Ausgänge die Pegel der acht Kanäle an. Übrigens: Auch beim neuen Interface HD I/O oder dem alten 192 I/O lassen sich nicht alle physikalischen Anschlüsse gleichzeitig verwenden. Hier liegt die Begrenzung allerdings bei 16 gleichzeitig nutzbaren Ein- und Ausgängen.

Im I/O-Setup sind die Einschränkungen beim Ausgangs-Routing gut abzulesen. Die als Monitor-Pfad festgelegten Ausgänge Analog 1-2 stehen nicht weiter zur Verfügung.
Im I/O-Setup sind die Einschränkungen beim Ausgangs-Routing gut abzulesen. Die als Monitor-Pfad festgelegten Ausgänge Analog 1-2 stehen nicht weiter zur Verfügung.

Monitoring und der Mixer
Auch wenn man es optisch kaum vermutet: Omni I/O ist auch ein ordentlicher Monitor-Controller. Um das zu erforschen, ist ein Besuch im Pro Tools Hardware Setup erforderlich. Dort gibt es zwei zusätzliche Karteireiter für Omni I/O, nämlich „Monitor“ und „Mixer“. Verwendet man einen physikalischen Ausgang als Monitor, indem man ihn im Hardware-Setup entsprechend zuweist, steht dieser Ausgang im I/O-Setup nicht zur Verfügung. Diese Logik wirkt vielleicht im ersten Moment verwirrend, beugt aber Routingkonflikten vor. Wer mit kleinem Besteck arbeiten möchte, kann zum Beispiel die Klinkenausgänge Analog 1-2 mit einem Paar Aktivlautsprechern verbinden und fertig ist die Abhörzentrale. Zur Lautstärkeregelung dient der kleine Endlosdrehregler in der rechten Gehäusehälfte. Neben diesem Hauptpfad lässt sich noch ein alternativer „Alt“ einrichten, um zum Beispiel ein weiteres Lautsprecherpärchen anzuschließen. Betätigt man die mit „Alt“ betitelte Taste am Omni I/O, wird der Hauptabhörstrang stummgeschaltet und das alternative Abhörsystem über den Endlosdrehregler in der Lautstärke gesteuert – praktisch.
Aber Omni I/O kann noch viel mehr: Der Monitoring-Pfad kann nämlich bis zu acht (7.1-Setup) Kanäle umfassen und bietet alle üblichen Surround-Formate an. Zusätzlich lassen sich diese Surround-Pfade downmixen („fold down“), etwa von 5.1 auf Stereo. Auf diesem Gebiet ist Omni I/O ein echter Spezialist und erspart Nutzern, die in Surround-Formaten produzieren, die Anschaffung eines speziellen Surround-Monitor-Controllers.  

Fotostrecke: 2 Bilder Der Monitor-Controller im Omni I/O …

Der integrierte Mixer ist natürlich nicht nur sinnvoll, um Audioquellen wie CD-Player oder ähnliches hörbar zu machen, obwohl der Computer ausgeschaltet ist. Für ein HD-Native-System handelt es sich dabei um den Low-Latency-Pfad für das Monitoring bei der Aufnahme, so kennt man es auch von vielen anderen Herstellern. Trotzdem bietet er ein nettes Extra: Angeschlossene Geräte müssen nicht einmal im I/O-Setup konfiguriert sein und können trotzdem über den Mischer hörbar gemacht werden.

Der integrierte Kopfhörerverstärker hat im I/O-Setup einen eigenen Pfad („Cue“) und kann im Mixer für jeden Kanal einzeln aktiviert werden. Damit man beim Low-Latency-Monitoring das Eingangssignal auch wirklich hört, muss im Mixer die mit „HP“ betitelte Schaltfläche aktiviert werden. Ein vorkonfiguriertes Talkback gibt es im Mixer leider nicht, das muss man bei Bedarf selbst im Pro-Tools-Mixer einrichten.  

Schlicht und unauffällig wie bei anderen Herstellern auch: der Input-Mixer.
Schlicht und unauffällig wie bei anderen Herstellern auch: der Input-Mixer.
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