AKG K872 Reference Headphones Test

Praxis

Verwendungszweck

Als geschlossener Studiokopfhörer ist der AKG K872 zum Monitoring sowie für sämtliche Einsatzszenarien (Editieren, Programmieren, Musizieren, Musik hören) in lauter Umgebung prädestiniert. Inwieweit sich dieses Modell meines Erachtens auch für Mix und Mastering, wo man traditionell lieber auf offene Kopfhörer zurückgreift, einsetzen läßt, werde ich an späterer Stelle erörtern.

Tragekomfort

Der AKG K872 trägt sich viel angenehmer, als es das imposante Aussehen und vergleichsweise hohe Gewicht erwarten läßt.Vermutlich liegt dies an den großzügigen Auflageflächen sowie dem komfortablen Echtleder und dem luftigen Mesh-Gewebe des Kopfbandes. Obwohl ich aufgrund meiner Dwayne „The Rock“ Johnson-Frisur in diesem Punkt zu einem besonders sensiblen Personenkreis gehöre, habe ich kein Problem damit, den K872 mehrere Stunden zu tragen. 

Fotostrecke: 2 Bilder Atmungsaktives Mesh-Gewebe im Kopfband zur Erhöhung des Tragekomforts

Die Ohrmuscheln umschliessen meine Ohren großzügig, wobei es sich aufgrund der Bauart nicht so luftig anfühlt wie beim offenen Pendant. Den Sitz des K872 empfinde ich als ausreichend sicher für Studiotätigkeiten, allerdings nicht so felsenfest wie der ein- oder andere Monitoring-Kopfhörer mit geringerem Gewicht oder höherem Anpressdruck der Ohrmuscheln. Für einen mobilen Kopfhörer mit Angeber-Potential eignet sich der AKG-Kopfhörer in diesem Punkt eher nicht. Der Raster-Mechanismus zur Größeneinstellung funktioniert durch leichten Druck auf die mit AKG Enblem-verzierten „Knöpfe“ einwandfrei und ermöglicht somit ein problemloses Anpassen an die Größe des Kopfes. Weiterhin positiv ist die vergleichsweise kompakte LEMO-Steckverbindung. Durch sie entsteht gegenüber anderen Kopfhörermodellen mit auswechselbarem Kabel kein störender Körperschall in der Ohrmuschel. Häufig wird dieser unangenehme Effekt bei verschiedenen Modellen durch Berührungen des Steckers oder des steifen Kabelbereichs mit der Schulter oder dem Kragen hervorgerufen.

Fotostrecke: 2 Bilder Durch leichten Druck auf das AKG-Emblem läßt sich die Größe des Kopfhörers anpassen.

Klangtest mit verschiedenen Quellen

Der AKG K872 wurde für diesen Test an folgenden Kopfhörerausgängen und Verstärkern betrieben: iPad 4, UAD Apollo 8, SPL 2Control und Lake People G93. Neben diversen akustischen Experimenten (Sinus Sweeps, übliche DAW- Tätigkeiten) habe ich einen stilübergreifenden Mix eigener und fremder Produktionen über den AKG K872 angehört und analysiert.

Frequenzgang

Insgeheim hatte ich gehofft, im AKG K872 eine geschlossene Variante des K812 zu finden. Letzterer ist bezüglich seiner Wiedergabeeigenschaften nach meiner und auch vielen anderen Meinungen der Ausnahmekopfhörer der letzten Jahre. Die Frequenzwiedergabe des K872 klingt definitiv anders. Nach Rücksprache mit dem Vertrieb erfolgte diese Abstimmung mit voller Absicht in Zusammenarbeit mit amerikanischen Toningenieuren, um dem dortigen Markt gerecht zu werden. Was heißt das denn nun? Der 872er hat einen deutlich kräftigeren Bass als der K812, was sowohl den Oberbassbereich als auch den Subbass betrifft. Manch einem wird das mit Sicherheit gefallen, für professionelle Eingriffe in Mix und Mastering empfinde ich einen derart prominenten Bassbereich nicht als die beste Wahl. Dennoch ist positiv anzumerken, dass hier nichts „wummert“ oder undefiniert wiedergegeben wird. Bass-Impulse und Tonalitäten werden korrekt dargestellt, somit ist an der eigentlichen Qualität der Basswiedergabe nichts auszusetzen, wodurch sich der AKG K872 unter anderem zum Beat Programming empfiehlt. Die Wiedergabe des mittleren Frequenzbereichs leidet etwas unter dem dominanten Oberbass und unterstützt analytische Tätigkeiten wie beispielsweise Tonhöhenkorrekturen nicht in dem Maße, wie ich es von diesem Premium-Kopfhörer erwartet habe.
Und was gibt es über die Höhen zu berichten? Diese werden deutlich zurückhaltender abgebildet, als dies beim K812 der Fall ist und klingen für mein Empfinden etwas zu matt. Meine subjektiven Eindrücke zur Frequenzwiedergabe, die sich zugegebenermaßen nicht besonders schmeichelhaft für einen Kopfhörer dieser Preiskategorie lesen, sind zum Teil durch einen direkten Vergleich und Wechsel zum AKG K812,Audio-Technica ATH-M50, Superlux HD 660/330 sowie meinen Neumann-Monitoren KH120A entstanden. Nach einer längeren Hörphase relativieren sich diese Eindrücke, das Gehör „eicht“ sich quasi neu, wodurch sich zu guter Letzt ein subjektiv zufriedenstellendes Wiedergabeerlebnis mit dem AKG K872 einstellt. Meine persönliche Hoffnung auf eine möglichst lineare und analytische Wiedergabe hat sich allerdings nicht erfüllt.

Erstaunlicher Unterschied im Frequenzgang zum K812: AKG K872.
Erstaunlicher Unterschied im Frequenzgang zum K812: AKG K872.

Impulsverhalten

Profiliga: Der AKG K872 spielt frei von Kompressionartefakten, somit eignet er sich hervorragend für dynamische Eingriffe und deren Beurteilung. Aufgrund der milden Abbildung hoher Frequenzen gelangen Transienten nicht so kompromisslos ans Ohr wie beim 812er, was allerdings durchaus vorteilhaft bei lauten Monitoring-Anwendungen sein kann.

Räumliche Abbildung

In dieser Klangkategorie liegt die Stärke des K872. Erwartungsgemäß erreicht er nicht die geradezu dreiste Natürlichkeit seines Zwillings offener Bauart, überzeugt aber mit einer, für einen geschlossenen Kopfhörer beispiellos plastischen Darstellung und Tiefe. Zwar ist die Stereobühne vergleichsweise eng, als würde man den Kopfhörer an einem Verstärker mit Crossfeed-Funktion betreiben, jedoch wird hierdurch das Klanggeschehen viel natürlicher, also nicht extrem links und rechts und sogar im Kopf wahrgenommen. Hinzu kommt eine exzellente Tiefenstaffelung, welche beispielweise Gesang sehr plastisch und natürlich im Raum abbildet. Es würde mich nicht wundern, wenn aufgrund dieser Eigenschaft der ein- oder andere professionelle Sänger den AKG K872 für sich als Monitoring-Kopfhörer für den Recording-Einsatz entdeckt. Es fühlt sich sehr gut an, über den K872 zu singen, auch wenn es den meisten Lesern wahrscheinlich etwas bizarr erscheint, einen vierstelligen Eurobetrag zu diesem Zweck zu investieren.

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AK sagt:

#1 - 10.10.2023 um 22:06 Uhr

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Ich fand den AKG klanglich auch nicht so überzeugend. Unpraktisch ist, dass der KH vom Kopf rutscht, wenn man den Kopf neigt. Beim Einspielen von E-Gitarre ist das sehr störend. Man muss auch mal aufs Pedelboard schauen oder unten etwas ein- oder umstellen können, ohne dass der Kopfhörer vom Kopf rutscht. Der Clark Audio AEON 2 Closed-Back ist meines Erachtens die bessere Alternative. Zudem auch kompakter und zu einem günstigeren Preis. Beim AKG sind auch die Zubehörteile sehr teuer, beispielsweise €90 pro Kopfpolster, also €180 für beide Seiten.

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