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Marshall JVM410H Test

Stellt euch einmal vor, die Firma Marshall hätte es nie gegeben. Alleine optisch würde es auf den Rock´n´Roll-Bühnen dieser Welt ziemlich trostlos aussehen. Denkt man sich dann noch den Klang weg, bliebe von der Herrlichkeit klassischer Rock- Riffs nicht mehr viel übrig. Ich nenne nur mal eine kleine Auswahl: Smoke On The Water – Deep Purple, Whole Lotta Love – Led Zeppelin, Voodoo Chile – Jimi Hendrix, Sweet Child O´Mine – Guns´n´Roses, Hells Bells – AC/DC, Killing In The Name – Rage Against The Machine. Das alles ohne den Marshall-Sound??? Das geht ja mal gar nicht! Dabei war das Entwickeln und Herstellen von Gitarrenverstärkern mehr so eine Art Zufallsprodukt dieser Firma…

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Jim Marshall eröffnete 1960 seinen ersten Schlagzeugladen und baute nebenbei ab und zu Lautsprecherboxen für Musiker in seiner Garage. Doch wie es nun einmal so ist, hatten viele der Schlagzeuger, die sein Geschäft besuchten, ihre Gitarristen und Bassisten im Schlepptau, und so erweiterte Jim schon bald sein Sortiment und begann damit, eigene Gitarren-Amps auf Basis des Fender Bassman zu bauen. 1966 zauberte Jim schließlich den ersten Marshall-Meilenstein aus dem Hut, das legendäre Röhren-Topteil “JTM 45”. In Kooperation mit “The Who”-Gitarrist Pete Townshend, dem der Verstärker schlichtweg zu leise war, legte er noch einen drauf und präsentierte der Welt bereits kurze Zeit später das erste 100 Watt Topteil (JTM 45/100). Da Townshend mit dem Amp damals eine 8×12″ Box (!)  anfeuerte, erntete er nicht selten böse Blicke von seinen Roadies. Als Ergebnis daraus fackelte man bei Marshall nicht lang und halbierte die riesenhafte Box: die erste klassische 4×12″ Box war entstanden. Und genau aus diesem Grund bezeichnet man die Kombination aus zwei 4×12″ Boxen und einem Topteil auch als “Full Stack”.

Seit den Gründerjahren ist viel Zeit vergangen, und selbstverständlich wurde im Hause Marshall permanent an immer neuen Produkten gearbeitet. So entstanden weitere Meilensteine der Amp-History, aber natürlich auch Verstärker, an die sich heute kaum noch jemand erinnert. Man kann das Rad eben nicht permanent neu erfinden. Nicht ganz ohne Grund schwören viele Gitarristen auf die alten, schnörkellosen Marshall-Amps mit purer Röhrentechnologie. Druckvoll und unverwüstbar, der ideale Begleiter des Gitarristen “on the road”. Und genau diese Amps waren häufig auch beliebte Objekte für Modifikationen. Es wurden stärkere   Gain-Stufen eingebaut, die Center-Frequenz des Mittenbereichs tiefer gelegt, etc. – die “Amp-Friseure” hatten ihren Spaß mit den britischen Rock-Amps.

Marshall legt von jeher viel Wert auf die Interaktion mit praktizierenden Musikern und hatte stets ein offenes Ohr für ihre Wünsche. Dementsprechend wurden auch gängige Tuning-Maßnahmen an Original-Amps genau beobachtet und häufig in neueren Modellserien berücksichtigt. Mit den Amps der JVM-Serie holte Marshall 2007 schließlich zum großen Rundumschlag aus: Die neuen Amps bieten alles, was Gitarristen an Marshall schätzen (pure Röhrentechnologie, unterschiedliche Amp-Charakteristiken, einfache Bedienung) – in Kombination mit modernen Features wie Effekt-Loop, MIDI-Funktion, Recording Out, vier getrennt regelbaren Kanälen und programmierbaren Soundeinstellungen. Das alles klingt nach ganz großem Kino – ja geradezu Oscar-verdächtig. Lasst uns also Jury spielen und einen investigativen Blick hinter die Kulissen des 100 Watt Topteils JVM 410H wagen.

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GEHÄUSE UND OPTIK
Robustes, schwarzes Vinyl, ein goldenes Panel mit den typischen Poti-Knöpfen, dominiert von einem Logo, das seit Jahrzehnten den Look des Rock ‘n’ Roll entscheidend mitgeprägt hat – das Styling des neuen JVM 410H ist Marshall pur und weckt so schon auf den ersten Blick heimelige Gefühle! Aber auch die inneren Werte sind typisch Marshall: So finden die neun verbauten Röhren (5x ECC83, 4xEL34) und die aufwändige Elektronik des Amps auf einem hochwertigen Stahlchassis eine sichere Heimat. Neun Röhren! Auch die Klangerzeugung des Briten lässt sich also mit ruhigem Gewissen als traditionsbewusst bezeichnen!

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Das Panel fällt im Vergleich zu anderen Marshalls etwas höher aus – logisch, denn bei vier getrennt regelbaren Kanälen und sage und schreibe 28 Reglern müssen diese schon in zwei Ebenen untergebracht werden. Das klingt erst mal nach totalem Regler-Chaos, aber weit gefehlt, das Panel des JVM stellt sich sehr übersichtlich dar. Ganz links außen befinden sich die Schalter für Power und Standby. Rechts daneben hat die Master-Sektion mit vier Reglern Platz gefunden, gefolgt von der Reverb-Abteilung mit ebenfalls vier Regelmöglichkeiten. Weiter geht es dann mit den einzelnen Kanälen. Dort stehen für jeden Kanal fünf Regler zur Verfügung. Ganz rechts außen wartet die Eingangsbuchse auf Kundschaft.

Die Bedienoberfläche des JVM 410H teilt sich in sechs Einzel-Bereiche auf: Master, Reverb und die vier Kanäle (Clean, Crunch, OD1 und OD2). Ich werde sie mal, der Übersichtlichkeit  halber, einzeln vorstellen.

Master
Regler: Master 1, Master 2, Resonance, Presence.
Mit den Reglern Master 1 und Master 2 lässt sich die Gesamtlautstärke des Amps einstellen. Der Schalter in der Mitte der vier Regler bestimmt, welcher Master gerade aktiv ist. Da sich diese Funktion auch über das Fußboard steuern lässt, hat man so die Möglichkeit, beispielsweise Master 2 etwas lauter einzustellen und immer dann zu aktivieren, wenn man plant, ein Solo oder ein prägnantes Riff zum Besten zu geben.

Die Regler Resonance und Presence stellen im Prinzip eine Art Master-Klangregelung dar. Dabei ist Resonance für den Bass-Bereich und Presence für den Höhen-Bereich zuständig. Das ist ebenfalls sehr praktisch,  da man so den kompletten Amp-Sound auf das Klangverhalten den Raums abstimmen kann, in dem man gerade spielt und nicht in jedem einzelnen Kanal die Bässe herausdrehen muss, wenn es beispielsweise auf der Bühne wummert.

Reverb
Regler: RVB OD1, RVB OD2, RVB Crunch, RVB Clean
Der JVM kommt mit einem eingebauten Digital-Hall. Mit den vier Reglern der Reverb-Sektion lässt sich der Hall den einzelnen Kanälen hinzumischen. Die Qualität des Original (Röhren-)Signals wird dabei nicht beeinträchtigt! Bei Bedarf lässt sich der Hall mit einem separaten Schalter ein- und ausschalten. Der Amp “merkt” sich übrigens den jeweiligen Status des Halls, und beim nächsten Anwählen des Kanals ist der Reverb entsprechend aktiv oder nicht.

Die Kanäle
Regler: Volume, Bass, Middle, Treble, Gain und der Mode-Schalter
Jeder Kanal kann in Klangregelung, Lautstärke und Verzerrungsgrad getrennt geregelt werden. Das ist bei vier Kanälen schon mal ein großes Plus. Doch die Techniker von der Insel haben noch einen drauf gesetzt. Jeder der vier Kanäle (Clean, Crunch, OD1, OD2) des Amps splittet sich nämlich in je drei Modi, wobei jeder von ihnen einen vollkommen autarken Grundsound liefert. Summa summarum stehen also 12  unterschiedliche Klangwelten zur Verfügung. Angewählt werden die Modes über die so genannten Mode-Schalter. Vier an der Zahl – für jeden Kanalzug einen. Trotz des opulenten Soundangebots hat Marshall das eigentliche “Auswahlverfahren” narrensicher gelöst. Ein farbiges Leuchten im Mode-Schalter des gerade aktiven Kanalzugs gibt Auskunft über den momentan scharfgeschalteten Modus (grün, orange, rot). Dabei ist jeder der zwölf Grundsounds des JVM ein echtes Unikat. Marshall erreicht dies auf eine grundehrliche Art und Weise, die zum grundsätzlich puristischen Ansatz der Klangerzeugung des JVM passt: Beim Umschalten der Modi werden komplette Schaltungslayouts geändert, Gain-Stufen zu- oder weggeschaltet und die Klangregelung im Signalweg verschoben bzw. in ihrer Funktion variiert. Das Ergebnis sind 12  Modes, die sich in ihrer jeweiligen Topologie (und damit auch in ihrem Klang und Verhalten) mitunter erheblich voneinander unterscheiden. Und genau dieser Ansatz bildet die Basis für die extreme Flexibilität des Amps – ganz ohne den “reinen” Weg zu verlassen. Der JVM bietet die typischen Röhrenschaltungen verschiedener Verstärker in einem einzigen Gerät – alles in purer Vollröhrentechnik realisiert!

RÜCKSEITE
Auch das Rear-Panel des JVM bietet mehr als nur den Standard. Los geht es mit nicht weniger als fünf Speaker-Anschlussbuchsen, die jedes erdenkliche Boxen-Setup unterstützen (1x 16 Ω, 1x 4 Ω, 2×8Ω, 1×8 Ω, 2×16Ω). Außerdem ist der Amp mit einem seriellen/parallelen Effektweg ausgestattet, der etliche praktische Zusatzfeatures bietet. Beispielsweise lässt sich der jeweilige Effektanteil mit einem MIX-Regler frei bestimmen. Steht der MIX-Regler auf WET, wird das komplette Signal durch den Effektweg geleitet. Der Effektweg arbeitet jetzt also quasi seriell. Je weiter man den Regler in Richtung DRY dreht, umso größer wird der Anteil des unbearbeiteten Direktsignals. Das macht es möglich, den Effektanteil frei zu bestimmen. Und da der Effekt “nur” zugemischt wird, kann man sich sicher sein, dass die Qualität des Hauptsignals nicht darunter leidet.

Ein separater +4dBu/-10dBV Schalter macht es möglich, den Effektweg so zu konfigurieren, dass er ein Signal liefert, das sowohl professionelles Equipment (+4dBu Einstellung), als auch Effekte auf Gitarren-Level bzw. Semi-Pro Equipment (z.B. Effektpedale, -10dBV Einstellung) optimal bedient. Bei Bedarf lässt sich der Effektweg mit Hilfe des FX Loop Tasters vom Frontpanel aus komplett aus dem Signalweg entfernen – und zwar rückstandslos per Hardware-Bypass. Der Amp ist außerdem in der Lage, den jeweiligen Status des parallelen FX-Weges für jedes der 12 Modi separat zu speichern. Das heißt, sobald man von einem Modus in den anderen schaltet, wird automatisch auch der letzte in diesem Mode gefahrene FX-Status wieder hergestellt.

Doch das ist noch nicht alles, was der JVM in Sachen Effekteinbindung zu bieten hat. Der Amp kommt nämlich mit einem zweiten, passiven Effektweg, der vor den Master-Reglern sitzt. Dabei handelt es sich um einen seriellen Line-Level Effektweg, in dem ausschließlich professionelle High Headroom Geräte eingeschliffen werden sollten. Die Loop ist so konfiguriert, dass man über den Return-Eingang direkten Zugriff auf die Endstufe des JVM hat. Da die Preamp-Sektion des Amps dabei komplett umschifft wird, kann man so beispielsweise einen externen Preamp über die Endstufe des JVM laufen lassen. Mit Hilfe der BYPASS-Taste lässt sich auch der serielle Effektweg rückstandslos aus dem Signalweg entfernen. Anders als beim seriellen/parallelen Effektweg ist diese Option hier nicht programmierbar.

Ein weiteres praktisches Feature, das auf der Rückseite des Amps auf seinen Einsatz wartet, ist der Speaker-emulierte Line-Out. Das hier “gespendete” Signal ist elektronisch symmetriert und mit einer hochwertigen 4×12″ Lautsprechersimulation bearbeitet, so dass es sich ideal für alle Direkt-Recording und “Ins-Pult”-Situationen eignet. Cool ist, dass der Line-Out auch im Standby-Modus ein Signal liefert. Der Standby wirkt also nur auf die Endstufe, die gesamte Vorstufe bleibt voll funktionsfähig. Man kann seine Riffs folglich “ohne Ampsound und Box” aufnehmen – gerade im Homestudio eine feine Sache. Bevor man den Standby-Schalter zurück in die On-Position bringt, sollte man allerdings unbedingt sicherstellen, dass eine Box mit passender Impedanz angeschlossen ist. Sonst kann es rauchen! Die nächsten beiden Features der Rückseite stehen ganz im Zeichen von “MIDI”. Die MIDI In-Buchse dient dem Anschluss externen MIDI-Equipments. Eine Kopie des eingehenden Signals wird an die MIDI Through-Buchse weitergeleitet, so dass sich mehrere MIDI-Geräte hintereinander schalten lassen: Der JVM wird dabei ausschließlich MIDI-Daten empfangen und nicht MIDI-Daten generieren oder senden!

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FUSSBOARD, FX-LOOP UND MIDI
Ein Verstärker mit so vielen Kanälen und Funktionen braucht selbstverständlich eine Schaltzentrale, die die ultimative Kontrolle über die  angebotenen Sounds gewährleistet. Diese Macht liegt in Gestalt eines Fußboards vor mir, das frei Haus mit dem Amp geliefert wird.  Interessant ist, dass alle Presets und Informationen nicht im Amp selber, sondern im Board gespeichert und verwaltet werden. Eine clevere Sache, denn so hat man zum Beispiel die Möglichkeit, sein Fußboard an jeden anderen JVM anzuschließen und kann so auf die eigenen “Signature-Sounds” zurückgreifen. Ein weiterer Vorteil ist die Tatsache, dass sich das Fußboard trotz seiner umfangreichen Möglichkeiten mit einem normalen Mono-Gitarrenkabel an den Amp anschließen lässt. Sollte man sein Kabel also einmal vergessen haben oder auf einer Bühne kurzfristig eine größere Distanz zwischen Board und Amp überwinden müssen als gewohnt, kann jedes handelsübliche Standard-Monoklinkenkabel in (fast) beliebiger Länge eingesetzt werden. Ein tolle Idee, die sich im Musikeralltag schnell bewähren wird.

Mit dem 6-fach Fußschalter lassen sich komplette Sound-Settings abspeichern und dann ganz einfach per Fußkick wieder abrufen. Die Funktionsweise des Boards unterteilt sich in zwei Modi, “Preset Store” und “Switch Store” genannt. Im Preset Store Mode können sechs verschiedene Settings – jedes einzelne bestehend aus den Parametern Kanalwahl, Auswahl des aktiven Modus, Aktivierung des Reverb, des Effekt-Loop und die Wahl des Mastervolumens – den sechs Tastern des Stageboards zugeordnet und per Fußkick abgerufen werden – und zwar nach Belieben.

Im Switch Store Mode lässt sich alternativ auf jeden der sechs Fußtaster eine beliebige Schaltfunktion der Verstärkerfrontplatte spiegeln. Die gerade aktiven Funktionen werden dabei, korrespondierend mit der Frontplatte, auf dem Stageboard angezeigt. Der Amp reagiert jetzt also exakt so, als ob man den entsprechenden Frontpanel-Schalter direkt betätigen würde. Beide Modes lassen sich übrigens auch mischen, so wie dies in unserem Soundbeispiel gemacht ist.

Aber auch wer mit einem Multieffekt-Setup arbeitet, wird mit dem JVM seinen Spaß haben, denn der Amp ist auch über MIDI umschaltbar. Hier stehen 128 Einstellungen zur Verfügung. Das sollte reichen! Beim Programmwechsel merkt sich der Amp seinen aktuellen Status (Channel, Mode, Master, Reverb, FX), und der wird beim erneuten Anwählen der Programm-Nummer wieder aufgerufen. Auch hier ist die Programmierung ein Kinderspiel.

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PRAXIS

CLEAN CHANNEL
Schon wenn er einfach nur so dasteht, macht der JVM einen mächtigen Eindruck. Obwohl der Amp eine wahre Flut von Reglern anbietet, präsentiert sich sein Panel durchaus überschaubar. Trotzdem nimmt man die Hilfe des aufgeklebten Beiblatts, auf dem kurz beschrieben wird, wie man den Amp zu Beginn einstellen soll, gerne in Anspruch. Sehr gut geschrieben ist übrigens auch die Bedienungsanleitung, die den Gitarristen kurz und leicht verständlich über die vielfältigen Funktionen des Amps aufklärt. Aber jetzt geht es endlich ans Spielen. Die Basiseinstellungen sind, wie auf dem Beiblatt beschrieben, vorgenommen worden und wir tasten uns langsam von Clean nach OD2.
Wir beginnen mit dem „Green Mode“, dem „saubersten“ der drei Modi. Der Modus ist gleichzeitig auch der einzige, bei dem der Volume-Regler aus dem Signalweg entfernt wurde. Marshall hat hier ganz klar ein Auge auf amerikanische Vintage-Amps geworfen, die genauso aufgebaut sind. Dieser Mode klingt eigentlich schon fast mehr nach Fender als nach Marshall und bietet einen druckvollen Bassbereich und klare Höhen. Die Mitten sind etwas ausgedünnt. Erst bei fast voll aufgedrehtem Gain beginnt der Sound, ein wenig zu zerren. Hier ein Beispiel mit einer Strat.

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Clean Green

Weiter geht es mit dem „Orange Mode“ des Clean-Kanals. Durch das Addieren einer weiteren Gain-Stufe nach der Klangregelung erhält der Sound mehr Punch, und der Amp lässt sich einfacher übersteuern. Anders als im grünen Modus, der ohne Volume-Regler auskommt, ist der Regler im orangen Modus wieder funktionsfähig. Durch diese Anordnung lässt sich der Pegelunterschied des ultra-cleanen grünen Clean-Modus und seinem orange-roten Kollegen perfekt angleichen. Resultierend aus der, nach der Klangregelung platzierten, Gain-Stufe hat besonders die Einstellung der Mitten unmittelbare Auswirkungen auf das Gain-Verhalten. In diesem Modus lassen sich spielend leicht  warme, sanft angezerrte Blues-Sounds realisieren.

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Clean Orange Clean Red

Der „Red Mode“ macht seinem Namen alle Ehre und bringt schon eine ordentliche Zerre an den Start.
In der Anleitung zum Amp wird von einem „Pseudo Hi Gain“ gesprochen.
Wenn man hier mit einer Gitarre mit Humbucker-Pickups spielt, lässt sich ein bissiger Overdrive-Sound erzeugen. Der Gain-Regler muss aber schon weiter aufgedreht werden (im Hörbeispiel auf 15 Uhr).

CRUNCH-CHANNEL
Jetzt wird es britisch! Beim Green Mode des Crunch-Kanals steht der klassische Marshall-Sound im Raum. Die Gain-Stufe liegt Marshall-typisch vor der Klangregelung, so dass sich das Frequenzverhalten bei höheren Verzerrungsgraden besser kontrollieren lässt. Der „Green Mode“ ist an den Sound des JTM45 Plexi Marshall angelehnt. Doppelte Gain-Stufe und danach die Klangregelung. Hierbei ist zu bemerken, dass der Wirkungsgrad der Klangregelung im Normalbereich liegt und die drei Klangregler breitbandig arbeiten, daher sind keine extremen EQ-Einstellungen möglich. Was aber bei der Konzeption dieses Verstärkers auch gar nicht nötig ist, denn dadurch wird das Einstellen des „richtigen“ Sounds kinderleicht. Am besten stellt man alle Höhen, Mitten und Bässe auf mittlere Position (12 Uhr), regelt den Gain nach Geschmack und verfeinert dann entsprechend die Klangregelung. So kann eigentlich nichts schief gehen, nicht zuletzt, weil die Grund-Sounds sehr gut gewählt sind und die Pegel der verschiedenen Modes innerhalb des Kanals sehr gut aufeinander abgestimmt wurden.

Audio Samples
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Crunch Green

Der „Orange Mode“ ist mit dem klassischen Hardrock-Topteil JCM 800 „2203“ vergleichbar – dreifache Gain-Stufe, Les Paul angeschlossen und Powerchords…bitteschön!

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Crunch Orange Crunch Red

Beim „Red Mode“ haben die Techniker sich selbst übertroffen. Die JCM 800 Serie wurde gerne von Amp-Tunern  überarbeitet. Durch entsprechende Modifikationen konnte man dem JCM 800 etwas Finetuning in Sachen Gain und Klang angedeihen lassen. Aber es geht auch einfacher: Der Red-Modus des JVM Crunch-Kanals liefert den Klang eines solchen aufgemotzten JCM 800 nämlich quasi von Natur aus. Da ich selbst im Besitz eines „getunten“ JCM 800 bin und den direkten Vergleich habe, kann ich die Qualität dieses Modus als sehr gut bezeichnen. Vor allem der Dynamik-Bereich und die Ansprache sind vorzüglich. Selbst bei voll aufgedrehtem Gain kann man einen Clean-Sound durch leichtes Anschlagen der Saiten erzeugen und im nächsten Moment mit einem harten Anschlag ein mächtiges Overdrive-Gewitter heraufbeschwören.

OD1-CHANNEL
Der „Green Mode“ des OD1-Channels ist dem eben besprochenen „Red Mode“ des Crunch-Channels sehr ähnlich. Dem Gitarristen soll so die Möglichkeit gegeben werden, jeweils eine andere Klangeinstellung für den nahezu identischen Grundsound vornehmen zu können. Macht Sinn!
Der „Orange Mode“ besitzt noch eine zusätzliche Gain-Stufe und kann wunderbar für Lead-Sounds benutzt werden. Was hierbei auffällt, ist das ausgezeichnete Durchsetzungsvermögen des Verstärkers. Obwohl der Gain-Regler nicht sehr hoch eingestellt ist, liefert der JVM einen druckvollen Sound mit gutem Sustain, der sich angenehm spielen lässt und sich im Bandkontext sehr gut durchzusetzen weiß. Gerade mit einer Les Paul bleiben die Töne wunderbar stehen und kippen allmählich, mit Obertönen angereichert, ins Feedback über. Man muss dazu den Verstärker auch nicht laut aufdrehen, die Bandkollegen werden sich bedanken.

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OD1 Green OD1 Orange

Weiter geht es mit dem „Red Mode“ des OD1-Channels. Hier wird noch eine Schippe Gain draufgepackt, allerdings klingt der Sound auch bei höheren Gain-Einstellungen nie matschig oder undefiniert. Besonders bei Riffs auf den tiefen Saiten ist das bei manchen Amps ein kritischer Bereich, nicht so beim JVM!

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OD1 Red

OD2-CHANNEL
Dieser Kanal ist dem OD1 sehr ähnlich, hat aber noch einen Hauch mehr Gain und eine modifizierte Klangregelung. Die Mittenfrequenz wurde von 650 Hz auf 500 Hz herabgesetzt und somit sind Hi Gain Lead- und Metal-Sounds möglich. Mir scheint es so, als haben die Techniker hier einen Blick in das Innere moderner amerikanischer Amps geworfen.
Um die Reaktion des Amps auf tiefer gestimmte Gitarren zu testen, habe ich für den Green Mode des OD2-Channels meine Bariton-Gitarre angeschlossen. Auch bei den tiefen Frequenzen ist der Marshall erste Sahne. Akkorde werden in tiefen Lagen problemlos übertragen – auch mit ordentlich Gain.

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OD2 Green

Hier ein Beispiel für den „Orange Mode“. Die Mitten wurden herausgedreht, Bässe und Höhen angehoben. Dieser Mode hat die typische „Metal-Säge“, allerdings ist der Verzerrungsgrad nicht so hoch wie bei den typischen Metal-Amps. Dies ist aber auch nicht notwendig, denn der JVM hat soviel Druck, dass man gar nicht auf die Idee kommt, nach mehr Verzerrung zu fragen

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OD2 Orange OD2 Red

Zum Abschluss noch ein Beispiel des Red Mode, der die höchste Gain-Stufe besitzt. Trotz hoher Verzerrung liefert der Amp auch hier noch einen klar definierten Ton, bei einem Nebengeräuschpegel, der absolut im Rahmen ist und nicht nach einem extrem eingestellten Noise-Gate schreit.

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FAZIT
So sehr ich auch nachdenke, ich finde nichts Negatives an diesem Amp. Die Basis-Sounds sind erstklassig, die Soundmöglichkeiten durch die vier Kanäle mit jeweils drei Modes (also 12 Grundsounds) phänomenal. Die Röhrenschaltung ermöglicht sehr dynamisches Spielen, der Amp bietet alle Klangnuancen, von warm über druckvoll bis hart und aggressiv. So ist von Blues bis Metal alles möglich. Oft haben Geräte, die eigentlich “alles können”, keinen richtigen Charakter und klingen auch irgendwie nachgemacht. Der JVM nicht! Jeder Sound hat seinen Charme, man könnte den Amp auch als “Best Of Marshall” bezeichnen. Die Ausstattung mit den vier getrennt regelbaren Kanälen, Master und Reverb ist ebenfalls ausgezeichnet. FX-Loop, MIDI-Funktion und das programmierbare Fußboard runden das Ganze noch ab. Dazu kommt die einfache, nahezu intuitive Bedienung. Beim JVM 410H hat Marshall ganze Arbeit geleistet und einen neuen Maßstab in der Oberklasse der Röhren-Amps gesetzt. Und das alles gibt es zu einem, in Relation zur Ausstattung, unglaublich moderaten Preis. Unbedingt antesten!

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Sound
  • Soundmöglichkeiten
  • Ausstattung (MIDI, Recording Out, Effekt-Loops)
  • alle vier Kanäle sind getrennt regelbar
Contra
Artikelbild
Marshall JVM410H Test
Für 1.399,00€ bei
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TECHNISCHE DATEN
  • Ausgangsleistung: 100 W RMS
  • Röhrenbestückung: 5x ECC 83, 4x EL 34
  • Gleichrichter: Röhrengleichrichtung
  • Bedienfeld: Volume, Bass, Middle, Treble, Gain, Reverb (4x – für jeden Kanal)
  • Master 1, Master 2, Resonance, Presence
  • Rückseite: Lautsprecher Buchse (5x), Send, Return, Level-Schalter, Mix-Regler (FX Loop),
  • Pre Amp Out, Power Amp In, Bypass-Schalter, Line Out, Footswitch, MIDI In, MIDI Through
  • Netzstecker
  • Abmessungen: 750 x 310 x 215 mm (B x H x T)
  • Gewicht: 22 kg
  • Lieferumfang: Fußboard, Klinkenkabel, Netzkabel
  • Preis: 1666,- Euro
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Profilbild von Willi Pringnitz

Willi Pringnitz sagt:

#1 - 17.09.2022 um 15:16 Uhr

0

sehr guter amp habe denn combo davon

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