Nicht nur unter Gitarren und Amps gibt es Kultobjekte, die vielfach kopiert und nachgebaut werden, auch von Effektgerät-Legenden existieren unzählige mehr oder weniger gelungene Replikate. Und hier ist der Reflex bei allen Gitarristen gleich: Angesichts eines beliebigen Overdrive-Pedals in grüner Lackierung assoziiert unser Gitarrenhirn sofort den Verzerrer, der zu Beginn der 80er Jahre in Japan das Licht der Welt erblickte und zur Ikone unter den Pedaleffekten wurde: den Ibanez Tube Screamer.
Zwar bietet Ibanez das gute Stück wieder an – unter anderem auch in einer Version, die sich zu 100% am Original orientiert. Dennoch ist der „echte“ TS808 nach wie vor DIE Referenz in Sachen Overdrive-Sound, abzulesen an Ebay-Preisen, denn dort bringt ein gut erhaltenes Modell mitunter bis zu 400 Euro! Wesentlich günstiger kommt da unser heutiges Testgerät daher. Der Nobels ODR-1 hat zwar die Tubescreamer-Farbe und der Hersteller betitelt ihn mit Worten wie „The Legend“ oder „Green Dream Machine“, aber angesichts solcher Marketing-Parolen wollen wir die Bälle erst einmal flach halten und uns wie immer unser eigenes Urteil bilden. Also hinein mit dem Pedal in die unbarmherzigen Mühlen des bonedo-Tests – und wer sich so weit aus dem Fenster lehnt, der muss sich natürlich auch mit einem Original vergleichen lassen.
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DETAILS
Gehäuse/Optik
Der Zerrer macht einen stabilen Eindruck. Er kommt in der Standard Boss/Ibanez-Pedalgröße in einem grün lackierten Metallgehäuse. Die große Schaltfläche ist mit einer schwarzen Gummiauflage versehen, damit man beim Pedaltreten auch mit glattem Schuhwerk nicht abrutscht. Zwar kann auch die Unterseite mit einer Gummierung aufwarten, allerdings ist diese etwas zu hart ausgefallen, sodass das Pedal nicht wirklich rutschfest auf glatten Oberflächen steht.
Sehr sinnvoll und extrem zeitsparend im praktischen Einsatz ist die Positionierung des Batteriefachs oberhalb des Fußschalters, in dem die 9V-Blockbatterie hochkant platznimmt. Darüber parkt, leicht abgesetzt, das schwarz unterlegte Bedienfeld mit den drei Reglern und der jeweiligen silbernen Beschriftung von 0-10. Die Anschlüsse findet man auf der Frontseite.
Front/Anschlüsse
Neben den üblichen Buchsen für Eingang (Input) und Ausgang (Output) verfügt der ODR-1 außerdem über eine Klinkenbuchse mit der Aufschrift Remote. Hier kann das Pedal per Taster ferngesteuert werden, wenn man es zum Beispiel im Rack montieren möchte. Ansonsten gibt es noch den Anschluss für ein optionales Netzteil im Standard DC-Format. Das Pedal macht seiner grünen Farbe auch bezüglich des Stromverbrauchs alle Ehre, mit 11 mA ist es sehr sparsam, da kann man auch entspannt mit Batterien arbeiten.
Bedienung
Bei drei Reglern gibt es nicht viel Stress und man kann prinzipiell auch nichts verkehrt machen. Links außen lauert der Drive-Regler, mit dem der Verzerrungsgrad eingestellt wird, auf der entgegengesetzten Seite der Level-Regler, der die Einstellung der Endlautstärke übernimmt. In der Mitte bietet Spectrum die Möglichkeit, die Klangfarbe zu justieren. Bei vielen Verzerrern ist hier ein Tone-Poti zu finden, das die Höhen reguliert. Beim ODR-1 wird zusätzlich aber auch noch der Tief-Mittenbereich eingestellt. Dadurch ist die Auswirkung beim Drehen dieses Reglers etwas markanter. Das hören wir uns im Praxisteil noch etwas genauer an.
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PRAXIS
Direktvergleich mit TS808
Die meisten von euch wollen mit Sicherheit den Vergleich zum Original hören, der ja auch vom Hersteller propagiert wird. Also werde ich euch nicht lange auf die Folter spannen und den A/B-Vergleich direkt zu Beginn meines Praxis-Checks durchführen. Als Sparringspartner habe ich mir einen Ibanez TS808 besorgt, der in dieser Form aktuell im Handel erhältlich ist (Straßenpreis ca. 200 Euro). Um einen Einstieg in die Materie zu bekommen, habe ich die Regler beider Pedale in die 12 Uhr Position gebracht. Wichtig: Die angegebenen Werte in der Tabelle entsprechen der Anzeige am Pedal von 0 bis 10. Die 12 Uhr Position hat dabei den Wert 5.
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TS808 FlatODR-1 Flat
Gitarre
Drive
Spectrum
Level
Les Paul
5
5
5
Als „1:1-Kopie“ oder „Klon“ des Tube Screamers kann man den ODR-1 definitiv nicht bezeichnen. Wie man hören kann, ist hier ein klarer Soundunterschied vorhanden. Der ODR-1 hat einen etwas komprimierten Klang mit mehr Gain als der Tube Screamer, auch im Tiefmitten-Bereich ist beim ODR-1 mehr Boost vorhanden. Das liegt natürlich an der Position des Spectrum-Reglers, der ja auch diese Frequenzen mit anhebt. Den habe ich jetzt mal komplett zurückgedreht und auch den Zerrgrad etwas zurückgenommen. So bekommt man folgendes Ergebnis.
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NOBELSODR1Drive
Gitarre
Drive
Spectrum
Level
Les Paul
2
1
6
Trotz der Veränderung haben wir es immer noch mit einem hohen Bass-Anteil zu tun. Die Höhen werden logischerweise etwas reduziert, aber mit der Les Paul ist nach wie vor noch eine gute Verzerrung am Start.
Wer also hofft, einen Tube Screamer-Sound für etwas mehr als ein Viertel des Originalpreises zu bekommen, den muss ich leider enttäuschen. Dafür klingt der ODR-1 etwas zu wuchtig und komprimiert auch schon sehr stark. Das Original hingegen hat weniger Gain, ist auch bei Humbucker-Gitarren noch dynamischer in der Ansprache und klingt etwas höhenbetonter.
Aber das soll alles keine Wertung sein, sondern lediglich ein Vergleich, denn die Geschmäcker sind zum Glück verschieden und auch der Tube Screamer ist nicht die absolute Messlatte für ein Overdrive-Pedal. Viele interessiert halt der direkte Vergleich, und den haben wir damit abgehandelt. Der TS808 kann jetzt in die Mittagspause und wir widmen uns nun komplett dem ODR-1.
ODR-1 und Singlecoil-Gitarren
Eine Jugendsünde fällt mir in diesem Zusammenhang aber noch ein! Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich meinen TS808 in den 80ern verkauft habe, weil er im Team mit meiner Strat nicht genügend Zerre gebracht hat. Dieses Problem hat man mit dem ODR-1 natürlich nicht, denn er hat schon „von Natur aus“ etwas mehr Gain und mit den regelbaren tiefen Mitten kann man eine Singlecoil-Gitarre auch einigermaßen aufblasen. Das hören wir uns gleich mal an.
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Strat Drive
Gitarre
Drive
Spectrum
Level
Stratocaster
6
7
5
Kein schlechtes Ergebnis, wie ich finde! Der ODR-1 holt tatsächlich aus der eher Output-schwachen Singlecoil-Gitarre eine respektable Verzerrung heraus, und dabei ist auch noch reichlich Headroom vorhanden, denn der Drive-Regler steht erst auf 6. Allerdings sollte man in solchen Situationen etwas vorsichtiger mit dem Spectrum-Regler hantieren, denn bei höheren Werten klingen die tiefen Saiten etwas „wummerig“, besonders, wenn der Halspickup aktiv ist. Da wird das Ganze im tiefen Frequenzbereich doch sehr matschig. Hier ein Beispiel mit dem Halspickup der Strat, zuerst ohne ODR-1, dann mit.
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Low Drive
Gitarre
Drive
Spectrum
Level
Stratocaster
3
5
5,5
Gain
Wir gehen jetzt mal systematisch vor und erforschen die verschiedenen Facetten des Drive-Reglers und die damit verbundenen unterschiedlichen Verzerrungsbereiche. Das Ganze gibt es in fünf verschiedenen Einstellungen, Spectrum und Level bleiben dabei permanent in der mittleren Position.
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Gain 2Gain 4Gain 6Gain 8Gain 10
Gitarre
Drive
Spectrum
Level
Stratocaster
2-4-6-8-10
5
5
Der Verzerrungsgrad lässt sich gut dosieren und relativ linear einstellen. Dabei passiert in jedem Setting tatsächlich auch etwas – sehr gut! Leider tritt bei höheren Gain-Einstellungen auch der Bass-Bereich weiter in den Vordergrund, was dann letztendlich zu einer etwas undeutlichen Wiedergabe der tiefen Saiten führt.
Der maximale Zerrgrad des ODR-1 klingt selbstverständlich mit einer Gitarre mit höherem Output noch eine Spur härter. Hier das Beispiel mit der Les Paul.
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Max. Gain LP
Gitarre
Drive
Spectrum
Level
Les Paul
10
5
5
Spectrum
Mithilfe des Spectrum-Reglers lassen sich einige Klangvariationen aus dem Pedal herauskitzeln. Das Ganze funktioniert wesentlich effektiver als ein herkömmlicher Tone-Regler, denn auch der Verzerrungsgrad reagiert auf die jeweilige Einstellung. Nimmt man ihn ganz zurück, ist der Ton sehr weich und zahm – sehr gut für angezerrte Blues-Sounds geeignet.
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Blues LP
Gitarre
Drive
Spectrum
Level
Les Paul
5
0
6
Das andere Extrem bekommt man mit voll aufgedrehtem Spectrum. Hier geht es schon fast in die Metal-Ecke, vor allem, wenn der Drive-Regler ebenfalls voll aufgedreht wird.
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Metal SG
Gitarre
Drive
Spectrum
Level
SG
10
10
5
Dynamische Ansprache
Kommen wir zur Dynamik. Damit ist gemeint, wie weit sich die Verzerrung mit dem Anschlag oder dem Volume-Regler an der Gitarre steuern lässt. Für viele Gitarristen ist genau das ein wichtiges Kriterium für die Güte eines Overdrive-Pedals. Der ODR-1 liegt in dieser Disziplin im mittleren Bereich. In Schulnoten ausgedrückt würde ich ihm eine 3+ geben. Zwar nimmt die Verzerrung ab, wenn man mit den Fingern anschlägt, der Pegel ist aber trotzdem schon recht hoch. Wenn dann hart mit dem Pick reingehauen wird, fährt das Pedal in die Kompression und es kommt für mein Empfinden zu wenig Power. Der ODR-1 reagiert hier also eher wie ein Distortion-Pedal.
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Dyna Pick
Gitarre
Drive
Spectrum
Level
Stratocaster
7
6
6
In der zweiten Dynamik-Disziplin, wenn der Verzerrungsgrad mit dem Volumen-Regler an der Gitarre gesteuert werden soll, macht der ODR-1 eine gute Figur. Nimmt man den Regler zurück, hat der Ton nur noch eine leichte Verzerrung, dreht man dann auf, gibt es das volle Brett. Beim nächsten Beispiel hört ihr eine Tele zuerst mit Volume fast komplett abgedreht, dann voll auf.
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Dyna Poti
Gitarre
Drive
Spectrum
Level
Telecaster
7
6
6
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FAZIT
Ich würde den Nobels ODR-1 nicht als reines Overdrive-Pedal bezeichnen, sondern eher als ein Mittelding aus Overdrive und Distortion. Er hat wesentlich mehr Dampf und legt sogar mit einer Singlecoil-Gitarre ein amtliches Zerrbrett aufs Parkett. Dank des effektiv arbeitenden Spectrum-Reglers kann man von Natur aus etwas dünner klingenden Gitarren mehr Fülle im Sound verleihen und von Blues bis (fast) Metal nahezu alle Zerr-Spektren abdecken. Leider ist das Ganze mitunter etwas schwierig einzustellen, denn beim Zurückdrehen des Potis wird der Sound durch die abgeschwächten Tiefmitten dünner und auch die Höhen gehen zurück. Ansonsten zeigt der Overdrive in der Ansprache eher das Kompressionsverhalten eines Distortion-Pedals. Ich würde den ODR-1 den Gitarristen empfehlen, die ein Overdrive-Pedal mit etwas mehr Gain-Reserven für ihre Single-Coil-Klampfe benötigen. Das Preis/Leistungsverhältnis ist in Ordnung.
Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
Gain, Verzerrungsgrad recht hoch für ein Overdrive Pedal
Gut geeignet, um Singlecoil-Gitarren fetter zu machen
Stabiles, roadtaugliches Gehäuse
Contra
Matschiger Bassbereich bei höherer Verzerrung
Klangregelung
Starkes Kompressionsverhalten für ein Overdrive-Pedal
Danke Thomas, informativer Test. Ich habe mir das Teil (ODR-1) vor 2 Wochen gekauft und habe es seitdem täglich in Dauergebrauch (Üben, Sessions und Auftritte).Ich betreibe es mit einem 18 Volt Netzteil (wie alle meine Pedale).Ich habe es ausserdem in Ruhe mit meinen 11 anderen Overdrive Pedalen verglichen (teilweise viermal so teuer).Fazit: Nobels ODR-1 gefällt mir sehr gut. Es klingt eben besonders ("saftig"). Sanfter Blues bis "Black Hole Sun" by Soundgarden (im Bass soll es drücken) klingt fein in meinen Ohren. Die Klangregelung finde ich besonders gelungen!!! Preisleistungsverhältnis sind einmalig...nenn' mir ein besserers Pedal für den Preis?Salomonisch sagtest du ja: alles Geschmackssache ...stimmt ;-) LG, Michel
Ein exakter Klon des TS808 will das Odr-1 ja auch gar nicht sein, die Schaltung hat schob Abweichungen. Noch vielseitiger ist der ODR-S mit 3-Band EQ, mit dem man ein wesentlich breiteres Feld abdecken kann, als mit einem simplen TS.Das mit den Reglern auf 12 Uhr zum vergleichen ist ziemlicher Quatsch, denn die Regelcharakteristik verschiedener Potis unterscheidet sich nunmal extrem. Selbst wenn zB "log" draufsteht, verstehen die Hersteller darunter recht unterschiedliche Kurven. Aussagekräftig wäre es, wenn man Maxima und Minima vergleicht und Aussagen darüber macht, ob sich zB eher der Low-Gain oder der Hicg-Gain Bereich sensibler einstellen lässt.
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Michel de Berlin (Facebook) sagt:
#1 - 22.07.2011 um 18:43 Uhr
Danke Thomas, informativer Test.
Ich habe mir das Teil (ODR-1) vor 2 Wochen gekauft und habe es seitdem täglich in Dauergebrauch (Üben, Sessions und Auftritte).Ich betreibe es mit einem 18 Volt Netzteil (wie alle meine Pedale).Ich habe es ausserdem in Ruhe mit meinen 11 anderen Overdrive Pedalen verglichen (teilweise viermal so teuer).Fazit: Nobels ODR-1 gefällt mir sehr gut. Es klingt eben besonders ("saftig"). Sanfter Blues bis "Black Hole Sun" by Soundgarden (im Bass soll es drücken) klingt fein in meinen Ohren. Die Klangregelung finde ich besonders gelungen!!!
Preisleistungsverhältnis sind einmalig...nenn' mir ein besserers Pedal für den Preis?Salomonisch sagtest du ja: alles Geschmackssache ...stimmt ;-) LG, Michel
Linsenpuppe sagt:
#2 - 13.10.2011 um 14:35 Uhr
Ein exakter Klon des TS808 will das Odr-1 ja auch gar nicht sein, die Schaltung hat schob Abweichungen. Noch vielseitiger ist der ODR-S mit 3-Band EQ, mit dem man ein wesentlich breiteres Feld abdecken kann, als mit einem simplen TS.Das mit den Reglern auf 12 Uhr zum vergleichen ist ziemlicher Quatsch, denn die Regelcharakteristik verschiedener Potis unterscheidet sich nunmal extrem. Selbst wenn zB "log" draufsteht, verstehen die Hersteller darunter recht unterschiedliche Kurven. Aussagekräftig wäre es, wenn man Maxima und Minima vergleicht und Aussagen darüber macht, ob sich zB eher der Low-Gain oder der Hicg-Gain Bereich sensibler einstellen lässt.