Warm Audio WA76 Limiting Amplifier Test

Warm Audio WA76 Limiting Amplifier im bonedo-Test – Man kann den 1176 mit gutem Gewissen als populärsten Transistorkompressor aller Zeiten bezeichnen. Dieser glorreichen Historie fügt Warm Audio nun sein eigenes Kapitel hinzu.

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Zählt man alle Original-Einheiten (Vintage-Modelle und Reissues) sowie die zahlreichen Clones zusammen, die über die Jahrzehnte an den Mann gebracht wurden, dann kommt man auf eine recht hohe fünfstellige Zahl an 1176-Kompressoren, die sich im Umlauf befinden. Das ist für ein professionelles Dynamikwerkzeug eine extrem große Verbreitung. Neben den zahlreichen bekannten und weniger bekannten Engineers, die auf dieses Gerät schwören, ist dies auch ein eindruckvoller Beleg für die Leistungsfähigkeit und Vielseitigkeit, die dieses Teil zum Inbegriff des „Limiting Amplifiers“ gemacht haben.
Mitte/Ende der 60er-Jahre vom Universal-Audio-Tausendsassa Bill Putnam entwickelt und auf den Markt gebracht, war der 1176 einer der ersten Kompressoren überhaupt, die sich der damals noch jungen Transistortechnik bedienten. Dass das Gerät aus dem Stand ein Erfolg werden sollte, der sogar ein halbes Jahrhundert später noch Maßstäbe setzt, liegt wohl vor allem daran, dass Frank Sinatras Lieblingsengineer Putnam neben vielen anderen Talenten mit einem genialen Gehör gesegnet war – und sich einfach den Kompressor, den er haben wollte, selbst auf den Leib geschneidert hat.
Während der Original-1176 stets ein eher hochpreisiges Thema war, haben die Texaner von Warm Audio für einen Paukenschlag gesorgt, als sie jüngst ihre Version des Gerätes ankündigten. Denn zum einen haben die bisherigen WA-Prozessoren im Fahrwasser klassischer API-Designs viel Lob geerntet, vor allem aber war klar, dass der WA76 in einer ganz anderen Preisklasse antreten würde als sein Vorbild. Ein ausgewachsener 1176 zum Preis einer mittleren 500-Kassette – kann das denn sein? Wir schauen mal genauer hin!

Details

Mit dabei: „All Button Mode“

Zu den generellen Qualitäten und den grundsätzlichen Schaltungseigenschaften des 1176 muss man wohl nicht mehr viele Worte verlieren – vieles lässt sich auch in unserem Test des Universal Audio 1176LN nachlesen. Deswegen hier nur die wesentlichen Merkmale in aller gebotenen Kürze. Als Gerät mit fest eingestelltem Threshold verfügt auch der WA76 über Input- und Output-Potis. Dies weicht vom klassischen VCA-Schema ab (das es zur Einführung des Original-1176 noch nicht einmal gab…), ist aber ein sehr intuitives Verfahren, das eigentlich auch viel „musikalischer“ ist als die typischen Treshold/Gain-Parameter. Das restliche Layout ist bekannt: Vier Ratio-Schalter für die Kompressionsraten 4:1, 8:1, 12:1 sowie 20:1 (inklusive klassischem All-Button-Modus, wenn man alle Schalter gleichzeitig drückt), ein großes VU-Meter, das Gainreduktion und Ausgangspegel anzeigen kann, schließlich noch der Off-Schalter.  Trotz dieser überschaubaren Bedienelemente handelt es sich beim 1176 um ein Dynamikwerkzeug mit sehr vielseitigen Einsatzmöglichkeiten, eben ein echtes „Workhorse“. Das liegt zum einen daran, dass der „Limiting Amplifier“ von Haus aus eher zackig zu Werke geht, zu sehr robuster Kompression neigt und Peaks extrem zuverlässig in Schach hält, aber die recht hohen Kompressionsraten und die sauschnellen Regelzeiten in der Praxis durch das Feeback-Design des Gerätes abgemildert werden. Ein 1176 packt stets kräftig zu, aber eben niemals so spitz wie ein VCA-Kompressor mit Feed-Forward-Regelung. 

Fotostrecke: 4 Bilder Der WA76 bietet die bekannten vier Ratio-Presets und lässt sich auch im All-Button-Modus betreiben.

Kein Barrier Strip und kein Kaltgeräte-Eingang auf der Rückseite

Auf der Rückseite liegen die Audioanschlüsse an jeweils symmetrisch beschalteten XLR- und TRS-Buchsen an. Anders das aktuelle Universal-Audio-Reissue, welches mit der althergebrachten Klemmleiste und XLR, aber ohne Klinkenbuchsen daherkommt. Ein kleiner Schalter aktiviert eine Eingangsdämpfung von -23 dB aktiviert, was besonders im Zusammenspiel mit (sehr) ausgangsstarken Preamps vorteilhaft sein soll – ein Feature, das das Original so nicht bietet. Dafür muss man auf die Stereoverkoppelungsmöglichkeit des Originals verzichten.
Der WA76 verfügt über ein internes Netzteil, lediglich der der Netztrafo ist in einem Gehäuse des Typs „Wandwarze“ ausgelagert. Dies mag sogar einen Vorteil bieten, weil die Netzspannung weit von den sensiblen Audioschaltkreisen ferngehalten wird, ist konstruktiiv jedoch nicht ganz so schön, weil einfach weniger robust als ein herkömmlicher Kaltgeräte-Netzanschluss. Immerhin wurde an eine kleine Zugentlastung für das Kabel gedacht. 

Irgendwo musste gespart werden…

Der Look des WA76 sagt laut und deutlich „1176“, das Feel hingegen kann hier nicht ganz mithalten. Mit Blick auf den Endpreis wurden nämlich bei der Fertigung an einigen Stellen durchaus ein paar Abstriche gemacht. Das Gehäuseblech ist eher dünn und die Potikappen fühlen sich so billig an wie sie wahrscheinlich auch sind. Unterm Strich würde ich sagen, dass der WA76 ausreichend stabil ist, es sich hier also nicht um einen echten Minuspunkt handelt – doch wenn man das konstruktive Wunderwerk des Original-1176 gewohnt ist, dann fällt es einfach auf. Dass ein Großteil der UREI/Universal-Audio-Originale auch heute, je nach Baujahr 30 bis 50 Jahre später, immer noch seinen Dienst tut, liegt auch an ihrer grundsoliden Konstruktion. Ob man an einem WA76 in 50 Jahren immer noch die gleiche Freude hat, wage ich zu bezweifeln. Aber wie sehr dieser Punkt ins Gewicht fällt, das muss jeder selbst entscheiden. 

Fotostrecke: 4 Bilder Die Audioanschlüsse liegen alternativ als XLR- und Kinken-Buchsen an.

Cinemag-Übertrager!

Warm Audio hat bei den inneren Werten hingegen keineswegs gespart hat. Der Fokus liegt hier ganz klar darauf, einen hochwertigen und möglichst originalgetreuen Signalweg anzubieten, was Warm Audio in wesentlichen Punkten auch gelungen ist. So kommen beispielsweise Ein- und Ausgangsübertrager des Qualitätsherstellers Cinemag zum Einsatz. Die Schaltung des WA76 orientiert sich an der Class-A-Originalrevision D, also mithin einer der am meisten gesuchten 1176-Varianten.

Praxis

Der WA76 sieht aus wie ein 1176 und verhält sich prinzipiell auch so – so könnte man den praktischen Einsatz des Gerätes wohl zusammenfassen. Es lohnt sich dennoch, bei der Betrachtung etwas mehr ins Detail zu gehen, denn der Warm-Audio-Limiter hat ein paar ausgesprochen positive und auch einige nicht ganz so schöne Eigenschaften.

Bekanntes Bedienkonzept beim WA76
Bekanntes Bedienkonzept beim WA76

Gut ist erst einmal, dass man ohne Startschwierigkeiten loslegen kann. Das Layout eines Limiting Amplifiers des 1176-Typs dürfte den meisten Lesern hinreichend bekannt sein. Das bedeutet: Man muss nicht erst einmal die Bedienung eines völlig neuen Gerätes erlernen, sondern man direkt in die Vollen gehen. Dies funktioniert auch insofern recht gut, als dass der WA76 nicht nur aussieht wie das UA-Original, sondern in den Grundzügen auch die Charaktermerkmale eines solchen Gerätes gut erkennen lässt. Insbesondere das Regelverhalten ist ziemlich gut getroffen. Der Warm Audio liefert durchaus die typischen Klangresultate, die sich aus der eigentümlichen Abstimmung des 1176 ergeben: ultraschnelle Zeitkonstanten, recht heftige Ratio-Presets, bei alledem aber ein Feedback-Design, das hilft, ein allzu krasses Dynamik- und Hüllkurvenshaping etwas zu verrunden. Gleich, wie man solch einen Kompressor einstellt, man hat nie das Gefühl, dass er sein Regelverhalten dem Audiomaterial so brutal überstülpt wie mancher VCA-Kompressor. Auch wenn ein 1176 sehr zuverlässig Transienten hält, er gibt sich dabei nicht starr und rigide, sondern er „geht mit dem Audiomaterial mit“ – und diesen Effekt liefert auch der WA76. Das macht also auch diesen Kompressor grundsätzlich zu einem Arbeitspferd mit Anwendungsmöglichkeiten von den Leadvocals bis hin zum Drum Room. 

Audio Samples
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WA76 Drum Room, Original WA76 Drum Room, 4:1, lange Attack, kurze Release WA76 Drum Room, 4:1, kurze Attack, kurze Release WA76 Drum Room, All-Button-Modus, kurze Attack, kurze Release WA76 E-Bass, Original WA76 E-Bass, 4:1, lange Attack, kurze Release WA76 E-Bass, 12:1, mittlere Attack, kurze Release WA76 E-Bass, Line-Amps Overdrive UA 1176LN Drum Room, 4:1, lange Attack, kurze Release UA 1176LN Drum Room, 4:1, kurze Attack, kurze Release UA 1176LN 4:1, lange Attack, kurze Release UA 1176LN E-Bass, 12:1, mittlere Attack, kurze Release

Auch wenn die Kompression selbst gut getroffen ist, der Grundklang des Gerätes kann leider in letzter Konsequenz mit dem Vorbild nicht mithalten. Ein 1176 klingt durchaus hell, muskulös, „vorwärts“ und manchmal auch ein bisschen aggressiv, aber in den allermeisten Fällen behält er doch eine smoothe Note, welche die zackige Kompression schön ausgleicht. Damit kann der WA76 aber nicht dienen: Im Direktvergleich klingt er mehr grainy, etwas bissiger und zweidimensionaler – liefert also ein Klangverhalten, dass ein Signal im Mix zwar nach vorne bringen kann aber dabei nicht unbedingt im audiophilen Sinne schöner macht. Dies sind zwar Nuancen, welche sich anhand der Klangbeispiele im Vergleich mit unseren Audiofiles zum UA-1176 gut nachvollziehen lassen, aber sie dürfen nicht unerwähnt bleiben.

Ebenso kann die Hardware des WA76 nicht rundum überzeugen, hier gibt es ein paar Ungereimtheiten: Ganz generell können insbesondere die Potis und Potikappen nicht verhehlen, dass bei der Fertigung doch sehr auf den Endpreis geschielt wurde. Das Input-Poti ist gerastert, das Output-Poti aber nicht. Die Attack/Release-Potis haben in der 12-Uhr-Position eine Rastung, welche beim Original so nicht vorkommt – und die dort auch keinen wirklichen Sinn macht. Klar, der niedrige Preis muss irgendwo herkommen, aber ich persönlich würde lieber 50 Euro mehr ausgeben und dann ein Gerät bekommen, das sich bei der Bedienung auch wirklich gut anfühlt.

Fazit

Die verständliche Kritik soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Straßenpreis unterhalb von 700 Euro ein geradezu sensationeller Preis ist für einen 1176-Kompressor, der noch dazu mit Cinemag-Übertragern ausgestattet ist. Der Warm Audio WA76 erledigt die wesentlichen Dinge, die man von einem Kompressor dieses Typs erwartet, mit mehr als ordentlicher Qualität. Dass man zu diesem Preis aber keinen exakten Klon mit sämtlichen Eigenschaften auf Augenhöhe des Originals erwarten darf, sollte auch selbstverständlich sein. Budgetbewusste Producer mit Faible für Charakter-Kompression sollten sich den WA76 also auf jeden Fall einmal genauer anschauen!

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Regelverhalten
  • Preis-Leistungsverhältnis
Contra
  • Fertigung/Gehäusequalität nicht auf High-End-Niveau
Artikelbild
Warm Audio WA76 Limiting Amplifier Test
Für 589,00€ bei
Warm Audio WA76: Budget-Version des populären Limiting Amplifiers
Warm Audio WA76: Budget-Version des populären Limiting Amplifiers
Technische Spezifikationen
  • sehr originalgetreuer Nachbau des UREI/Univerdal Audio 1176LN
  • vier Ratio-Settings plus All-Button-Modus
  • Cinemag-Übertrager
  • diskrete Class-A-Schaltung
  • Input/Output-Potis mit festem Threshold
  • Preis: € 772,– (UVP)
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Profilbild von Dux

Dux sagt:

#1 - 03.03.2015 um 01:30 Uhr

0

Ich muß widersprechen. Mechanisch ist das Gerät in Ordnung. In und Out Regler sind gleich gerastert, es gibt keine Mittelstellung beim Att. und Rel. Die Potis sind solide, der Klang fantastisch. Würde das Ding sofort wieder kaufen, überlege einen 2. anzuschaffen, im Net kann man Lösungen finden, sie zu koppeln. DIY.

Profilbild von Alex Abedi

Alex Abedi sagt:

#2 - 18.05.2015 um 00:52 Uhr

0

bei mir sind die rasterungen auch alle bei in und output gleich gerastert. auch ich liebe den klang. fegt jedes plugin aus meiner daw weg :)

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