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Sire Marcus Miller V7 Vintage 5 WB Test

Es war schon eine kleine Sensation, als Superstar Marcus Miller und die Firma Fender vor wenigen Jahren die Scheidung einreichten. Gleichzeitig war jedermann gespannt, ob (und wenn ja: welchem) neuen Hersteller sich Herr Miller zuwenden würde. Zu aller Überraschung war dies dann kein Premium-Bassbauer, sondern die koreanische Company Sire, die industriell in großen Stückzahlen zu niedrigen Preisen in Indonesien fertigt. Aber vermutlich wird einer der berühmtesten Bassisten der Welt nicht seinen Namen auf ein Produkt schreiben, mit dessen Qualität oder Philosophie er nicht zufrieden ist. Daher überraschten auch die Marcus-Miller-Instrumente aus dem Hause Sire von Beginn an mit “viel Bass für wenig Geld”. Die günstigen Preise kommen übrigens laut Sire durch Prozessoptimierung, geringe Werbungskosten etc. und nicht durch Lohndumping und gierige Gewinnmaximierung zustande. Somit soll es keinen Anlass zu schlechtem Gewissen für den preisbewussten Käufer geben. Die interessanten Details zu dieser Philosophie, die ganz bescheiden “Revolution” genannt wird, kann man in einem persönlichen Statement des Firmenchefs auf der Sire-Webseite nachlesen. Bei den Marcus-Miller-Bässen gibt es nun eine Erweiterung der bisherigen Modellreihe um die sogenannte Vintage-Serie, wovon mir die fünfsaitige Version mit dem eindrucksvollen Namen “MM V7 Vintage 5 WB” vorliegt.

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Details

“White Blonde” nennt sich die Farbe meines Testbasses. Das ist ein helles Weiß, welches die Maserung des Sumpfesche-Bodies (Erle ist ebenfalls erhältlich!) noch dezent durchscheinen lässt. Ansonsten sieht man das, was man von einem aktivem Jazz Bass kennt: ein schwarzes Schlagbrett als Kontrast zum weißen Korpus, eine Control Plate mit den Reglern für die Dreiband-Elektronik, und auf der Rückseite zwei Batteriefächer, welche es ohne Werkzeug ermöglichen, die zwei Saftspender der 18-Volt-Elektronik im Handumdrehen zu wechseln.
Die Shapings des Korpus wurden eher dezent ausgeführt. Dies gilt sowohl für die Kante, die als Auflagefläche für die Anschlagshand dient, als auch für die Aussparung auf der Rückseite, welche der Brust (im Sitzen) oder dem Bauch (im Stehen) des Spielers Platz machen soll.

Fotostrecke: 4 Bilder Freunde des Vintage-Looks werden …

Hals und Griffbrett bestehen aus Ahorn und wurden angenehm dünn lackiert. Das Griffbrett wird, ganz 70er-like, von einem schwarzem Binding eingefasst. Die farblich passenden Block Inlays bestehen aus schwarzem Kunststoff ohne Muster. Das verbreitet schon etwas Isolierband-Flair, aber logischerweise muss an bestimmten Stellen gespart werden. Dies ist auch der richtige Platz dafür, denn solche Faktoren haben lediglich mit der Optik und nicht mit der Substanz des Instruments als solches zu tun.
“Typisch Jazz Bass” wurde der Hals mit dem Korpus vierfach verschraubt. Wie sämtliche Hardware inklusive der Pickups und der Elektronik stammen auch die Stimmmechaniken aus eigenem Hause – sie hören auf den Namen Sire Premium Open Gear. Auf dem Headstock haben sie eine 4:1-Aufteilung und arbeiten einwandfrei. Vorbildlich in dieser Preisklasse ist der Saiten-Niederhalter, der kurz nach dem Knochensattel alle Saiten nach unten drückt. Der dadurch erreichte steilere Winkel der Saiten erhöht den Druck auf den Sattel und fördert die Schwingungsübertragung. Ebenso werden auf diese Weise Schnarr-Geräusche in den ersten Bünden verhindert.

Fotostrecke: 4 Bilder Ein Ahorngriffbrett mit schwarzen Block Inlays und schwarzem Binding – klassisch!

Aber was ist den nun wirklich neu bzw. anders an der Vintage-Serie? Im Großen und Ganzen hat Sire versucht, noch authentischer Marcus Millers Arbeitsgerät nachzubilden. Ein sichtbares Merkmal ist der größere Abstand der beiden Pickups zueinander. Dies entspricht den Spezifikationen, welche Fender Jazz-Bässe in den 70er-Jahren hatten (Marcus Millers Bass ist bekanntlich Baujahr 1977). Der Bridge-Pickup ist um ein halbes Zoll (ca. 12,5 mm) weiter zur Brücke gewandert.
Dies hat natürlich auch klanglich Auswirkungen, zu denen wir später noch kommen. Auch die Brücke ist im Vergleich zur bisherigen Modellpalette im sprichwörtlichen Sinn “vintage”. Sie ähnelt dem klassischen Blechwinkel, den man von älteren Fender-Instrumenten kennt. Allerdings lassen sich beim Sire alle Saiten auch durch den Korpus einfädeln (String Through Body), um mehr Anpressdruck auf die Brücke zu erhalten.
Der dritte Vintage-Faktor ist der Enamel-Draht, der für das Wickeln des Hals-Pickups verwendet wird. Dies ist nämlich ebenfalls eine Besonderheit der 70er-Jahre und eine weitere Komponente für den authentischen Sound. Die Tonabnehmer hören daher auch auf den Namen “Marcus Vintage Jazz Pickups”.

Fotostrecke: 6 Bilder Der Stegtonabnehmer ist bei Sires Vintagemodellen weiter in Richtung Brücke gerückt, …

Die Elektronik hält eine Vielzahl von Möglichkeiten bereit. Zum einen kann man den Bass natürlich ganz klassisch passiv betreiben. In diesem Modus stehen ein Volumen-, ein Balance-Regler und eine passive Tonblende zur Gestaltung des Sounds parat.
Per Kippschalter kann man die Elektronik “aktivieren”. Sie umfasst Regler für Bässe Höhen und parametrische Mitten. Mit einem Doppelstock-Poti lässt sich stufenlos die Mittenfrequenz wählen, welche man dann anheben oder absenken kann. Eine kleine Besonderheit: die passive Tonblende funktioniert auch im Aktiv-Modus.
Das sind unterm Strich nicht wenige Optionen, die viel klangliche Flexibilität mit sich bringen. Für meinen persönlichen Geschmack wäre etwas weniger “mehr” gewesen. Fünf Potis und zwei davon sogar doppelt belegt zzgl. Kippschalter sind – gerade am Anfang – dann doch etwas unübersichtlich und in der Praxis etwas fummelig zu bedienen, da kaum Platz für die Finger zwischen den Reglern ist. Zudem neigt der untere Ring des Doppelstock-Potis dazu, sich schnell einmal mitzudrehen, wenn man den oberen Regler bewegt.

Fotostrecke: 6 Bilder Wer die aufwendige Elektronik aktivieren möchte, braucht nur diesen Minikippschalter umzulegen, …

Wer wahre Flexibilität sucht, der wird hier natürlich bestens bedient. Wer es gerne einfach hat, muss sich wohl oder übel erst etwas einarbeiten. Ein angenehmes Feature: die Elektronik arbeitet mit 18 Volt und neigt daher nicht so schnell zu Verzerrungen, falls man es mal mit dem Bass-Boost übertreibt!
Bevor es im Praxisteil ausführlich weitergeht, schauen wir uns den Sire MM V7 Vintage 5 für einen ersten Eindruck im folgenden Video an: 

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Praxis

Mein Test-Bass bringt 4,7 kg auf die Waage. Das ist zwar für einen Fünfsaiter noch nicht übermäßig viel, aber ein Fliegengewicht ist er damit auch nicht. Beim Üben, bei Studioarbeit im Sitzen oder bei kürzeren Gigs wird das sicherlich nicht negativ auffallen. Bei mehrstündigen Covergigs sieht das schon wieder anders aus! Sicherlich werden aber auch leichtere Exemplare des MM V7 Vintage zu finden sein.
Im Sitzen spielend ist eine dezente Kopflastigkeit zu spüren. Davon ist jedoch kaum ein Bass dieser Konstruktion gefeit. Im Stehen wiederum – und dafür wurde er ja hauptsächlich gebaut – balanciert er sich ohne mein Zutun gut in einer bequemen Position ein. Hier macht sich das Gewicht des Eschekorpus übrigens wiederum positiv bemerkbar.

Keine Angst: die leichte Kopflastigkeit ist weitaus weniger schlimm als auf diesem Bild!
Keine Angst: die leichte Kopflastigkeit ist weitaus weniger schlimm als auf diesem Bild!

Das Halsprofil würde ich als normales D bezeichnen – man hat angenehm was in der Hand, aber auch nicht zu viel, als dass man über Gebühr kämpfen müsste. Wer von einem Vier- auf einen Fünfsaiter umsatteln möchte und/oder auch nicht die größten Hände hat, wird sich hier schnell wie Zuhause fühlen.
Das Griffbrett besitzt einen leichten Radius, Angaben dazu habe ich allerdings auf der Sire-Homepage nicht gefunden. Gefühlt wurde hier ein Mittelweg zwischen dem stärkeren Radius eines 70er-Jazz-Basses und modernen, flachen Griffbrettern gewählt. Sehr gelungen ist die Abrichtung der Bünde. Bei komfortabler Saitenlage sind bis zum 20. Bund keinerlei Nebengeräusche zu hören. Da darf sich mach anderer Hersteller mit dreifachem Preis gerne mal eine Scheibe abschneiden! Will man die Halskrümmung verstellen, findet man den Zugang am Hals-Korpus-Übergang, ohne weitere Abdeckungen entfernen zu müssen.

Fotostrecke: 2 Bilder Akribische Bundabrichtung bis in die höchsten Lagen!

Aber kommen wir doch zum Klang! Zunächst höre ich mir den MM V7 einmal im klassischen Passivbetrieb an. Wie zu erwarten, liefert der Bridge-Pickup wunderbar knochige und trockene Fingerstyle-Sounds. Durch den Versatz in Richtung Brücke klingt er abermals etwas drahtiger und verfügt über mehr Präsenz in den Hochmitten. Für authentische Jaco-Sounds eignet sich sicherlich der 60er-Abstand der Tonabnehmer besser.
Der Sire macht aber dennoch eine ordentliche Figur, vor allem, wenn man die passive Tonblende zu Hilfe nimmt. Im Zusammenspiel mit dem Hals-Pickup ergibt sich der typische Jazz-Bass-Allroundsound “für alle Gelegenheiten” – egal, ob pizzicato oder geslappt. Auch hier hört man schön die 70er-Jahre-Note mit der typischen leichten Betonung der Hochmitten. Das ist durchaus der authentische und gewollte Sound der Jazz-Bässe aus dieser Zeit!

Dieser Sire Marcus Miller ermöglicht authentische 70er-Sounds - und das als Fünfsaiter!
Dieser Sire Marcus Miller ermöglicht authentische 70er-Sounds – und das als Fünfsaiter!

Der Halspickup liefert alleine ein ordentliches Fundament, das sich gut für Preci-ähnliche Rock-, Blues-, Soul- oder Motown-Sounds eignet. Auch hier entpuppt sich die Höhenblende als nützliches kleines Helferlein.

Audio Samples
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Beide Pickups Beide Pickups Hals-Pickup, Höhenblende: -50% Steg-Pickup, Höhenblende: -50%

“Aktiviert” man den MM V7, so ergibt sich eine enorme Bandbreite an Sounds, die vor allem in modernerem Kontext passen. Fettes Low End, knackige Höhen, mittenarme Sounds für R&B, geboostete Solopassagen oder Ähnliches ermöglicht einem der Bass von selbst, ohne den Amp bemühen zu müssen!

Günstig und gut: mit der Marcus-Miller-Serie haben Sire bei ihrer Kundschaft ins Schwarze getroffen!
Günstig und gut: mit der Marcus-Miller-Serie haben Sire bei ihrer Kundschaft ins Schwarze getroffen!

Die Elektronik, welche ebenso ein Eigenbau Sires ist, braucht den Vergleich mit verschiedenen Mitbewerbern nicht zu scheuen und macht einen wirklich soliden Job. Sicherlich gibt es Bässe, die noch transparenter auflösen, edler klingen und alles noch ein bisschen besser können ‑ aber wohl nicht zu diesem Preis. In der Praxis, nämlich in der Band oder im Mix, gehen diese feinen Nuancen auch gerne unter. Spätestens wenn man neben einem Drummer steht, egalisieren sich viele Hunderte (oder oft Tausende) Euro Aufpreis zu manch teurerem Mitbewerber meiner Erfahrung nach ohnehin ganz schnell. Die Idee des MM V7 ist eher, einen bodenständigen Allrounder zu bieten, der unaufgeregt seinen Job macht und nebenbei noch sehr flexibel ist.

Audio Samples
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Beide Pickups, Bass: +30 %, Mitten: -30% Beide Pickups, Bass: +30 %, Mitten: -50%, Höhen: +30%
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Fazit

Der Sire MM V7 5 Vintage ist ein solides Arbeitsgerät, bei welchem die Substanz absolut stimmt. Natürlich muss bei diesem unglaublichen Preis irgendwo gespart werden, doch das geschieht hier sinnvoller Weise an den Stellen, die lediglich die Optik betreffen – oder die Komponenten, die keinen oder wenig Einfluss auf den Sound des Instruments haben. Günstige Block-Inlays, ein zweilagiges anstelle eines dreilagigen Schlagbretts … das sind Dinge, auf die man als Player problemlos verzichten kann. Stattdessen stimmt aber die Basis des Instruments, auf die es letztlich ankommt. Vor allem Verarbeitung und Bespielbarkeit waren bei meinem Testbass hervorragend. Er liefert eine breite Palette an authentischen 70’s-Jazz-Bass-Sounds, die zwar nicht zum edelsten gehören, was der Markt zu bieten hat, aber in der Praxis ganz wunderbar funktionieren und in dieser Preisklasse absolut bemerkenswert sind. Ganz wie das Vorbild ist der Sire ein echtes “Workhorse” und Allrounder – frei von Allüren und zu einem erstaunlich günstigen Preis! Das Vorbild ist nämlich bekanntlich auch kein hochpreisiges Instrument aus dem Custom Shop, sondern Marcus Millers 1977er Jazz Bass, der damals ein einfaches Instrument von der Stange war.

Pro:
  • authentische 70’s-Sounds
  • hohe Flexibilität durch die Elektronik
  • tolle Verarbeitung
  • gutes Preis-Leistungsverhältnis
Contra:
  • recht hohes Gewicht
  • mitdrehende Doppelstock-Potis der Elektronik
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Dieser Sire Marcus Miller ermöglicht authentische 70er-Sounds – und das als Fünfsaiter!
Technische Spezifikationen
  • Hersteller: Sire
  • Modell: Sire Marcus Miller V7 Vintage 5 WB
  • Herstellungsland: Indonesien
  • Mensur: 34 Zoll, Longscale
  • Korpus: Sumpfesche
  • Hals: geschraubt, Ahorn/Ahorn, 20 Bünde
  • Hardware: Sire
  • Tonabnehmer: 2 x Sire Marcus Vintage Jazz Pickup
  • Elektronik: Sire Marcus Heritage 3
  • Sattel: Knochen, 46 mm Breite
  • 18V-Stromversorgung
  • Gewicht: ca. 4,7 kg
  • Preis: 649,- Euro
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • authentische 70’s-Sounds
  • hohe Flexibilität durch die Elektronik
  • tolle Verarbeitung
  • gutes Preis-Leistungsverhältnis
Contra
  • recht hohes Gewicht
  • mitdrehende Doppelstock-Potis der Elektronik
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Sire Marcus Miller V7 Vintage 5 WB Test
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Steff Madman Meyer the Indian sagt:

#1 - 18.02.2023 um 10:45 Uhr

0

Hab den V7 Vintage Swamp Ash-5 NT 2 Habe den Hals durch einen original Fender Hals ersetzt und Seymour Duncan Tonabnehmer drin, jetzt ist der unschlagbar!

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