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Workshop Songtexte schreiben lernen #3

3.1 – Strategien für den Fall, dass es mal nicht läuft

(Bild: © Shutterstock / Africa Studio)
(Bild: © Shutterstock / Africa Studio)


Man hat ja nicht immer einen Lauf, manchmal ist einfach Sand im Getriebe. Nicht selten kommt es vor, dass man beispielsweise mit ein paar guten Zeilen einen Anfang gefunden hat, dann aber nur schleppend bis gar nicht vorwärts kommt. Die Idee oder das Puzzle, das man umrisshaft im Kopf hatte, will einfach nicht (mehr) zusammenpassen und die anfängliche Inspiration weicht einem Stillstand im Kopf. Vor lauter ergebnisloser Grübelei läuft man Gefahr, eher schlechte Laune zu kriegen als mit seinem Text weiterzukommen. Und genau für diese Momente sollte man ein paar wirksame „Strategien“ zur Hand haben, die über solche Hürden hinweghelfen. Was also tun, wenn man „steckenbleibt“?
Rein praktisch gesehen dürfte zunächst ein entspanntes Verhältnis gegenüber den Erwartungen an sich selbst dabei helfen, schneller zu Erfolgserlebnissen zu kommen! Oder auch Misserfolge besser wegzustecken. Warum immer auf Anhieb gleich den Superhit schreiben wollen? Auch mit kleinen Schritten kann man einem großen Ziel näher kommen. Und letztlich sollte man niemals vergessen, dass es beim Schreiben von Songtexten um Musik und nicht um Denksport-Aufgaben geht. Ein guter Text kann in der Regel nicht durch maximale Konzentrationsanstrengung „gelöst“ werden! Er entsteht vielmehr in einem spielerischen, kreativen Prozess, Inspiration lässt sich nicht erzwingen, allenfalls herauslocken. Die Aufgabe des Texters ist es daher zunächst, diese Prozesse herbeizuführen. Das geht im besten Fall von ganz allein oder auch mit gewissen Methoden und Hilfsmitteln, die wir in diesem Workshop erörtern wollen.
Sasha, Simon Triebel und Bosse gewährten uns Einblicke in ihren “Erste-Hilfe-Kasten für Texter”. Darin befinden sich u.a. „Weglegen, ruhen lassen und später fertigmachen“, „den Blickwinkel ändern“, „Reinzoomen in Details“, den Text an seine Mitschreiber übergeben (sofern man im Team arbeitet), „einfach mal an die frische Luft gehen“ oder einen über den Durst trinken, um die „Schleusen zu öffnen“.

Simon Triebel

Was machst du, wenn du “festhängst” beim Schreiben?
Simon Triebel: “Es ist besonders dann immer gut, Situationen aus anderen Blickwinkeln zu betrachten, um seinen Kopf zu resetten. Es kann helfen, mehr auf kleine Details zu achten, die vielleicht gar nicht vordergründig die Geschichte erzählen. Vom Makrokosmos reinzoomen in den Mikrokosmos. Ein abstraktes Beispiel: Mal angenommen, die Geschichte spielt in einem Raum. Dann fallen einem erstmal die Standards ein wie: Man liegt auf dem Bett, der Fernseher läuft und so weiter. Ab einem gewissen Punkt ist es aber wichtig, tiefer zu gehen, genauere Details zu bringen, damit das Ganze anfängt zu leben. Zum Beispiel der knarrende Boden, beschlagene Scheiben, das Rauschen des Fernsehers, Bilder auf dem Tisch, irgendwelche Dosen, die auf dem Boden herumliegen. Hier kann man sich wirklich eine Kulisse ausmalen, auf die man dann beim eigentlichen Schreiben zurückgreifen kann. Das eben waren natürlich etwas ausgelutschte Beispiele, aber je echter die Details wirken, desto besser.”

(…) es kommt auch vor, dass ich einen Song, an dem ich nicht weiterkomme, mal drei Wochen liegen lasse. Danach höre ich ihn immer mit ganz anderen Ohren und weiß dann sofort, was zu tun ist. Das ist auch bei Demo-Abmischungen super, weil man sie mit etwas Abstand viel besser bewerten kann. Zumindest bilde ich mir das ein … (lacht)”

Bosse

Gibt es ein Patentrezept, in diese Phasen zu kommen, in denen es gut läuft?
Bosse: “Ich denke nicht, das passiert einfach. Obwohl ich sagen muss, dass ich auch ein Arbeitstier bin, auch oft schon früh anfange am Tag und mir sage: „So, Alter, jetzt mach mal was!“ Das kann dann schon gerne mal einige Stunden dauern, aber irgendwas kommt immer dabei herum. Auch wenn es in dem besagten Moment nicht weitergeht, ist man ja immer auch noch Jäger und Sammler. Sammeln heißt in dem Fall bei mir, dass ich mir Ideenzettel anlege mit Themen, die mich interessieren. Zum Beispiel: „Die Gesellschaft steht kurz vor dem Abgrund, weil alle gerade dabei sind, sich zu überarbeiten“. Ein Thema, über das man bestimmt 15 verschiedene Lieder schreiben könnte. Das schreibe ich mir dann auf, habe es mir dann sozusagen „gesichert“. Irgendwann bin ich dann vielleicht in der richtigen Situation, in der mir dazu Textideen kommen, und dann werde ich versuchen, einen Song darüber zu machen.”
Was machst du, wenn du festhängst, wenn du einen Anfang hast, aber einfach nicht weiterkommst?
Bosse: “Weglegen! Ich bin total der „Wegleger“. Das ist oft schwierig für meine Band, meinen Produzenten und meinen Manager, weil ich selbst immer nicht so richtig einschätzen kann, wann es denn fertig werden wird. Jetzt zum Beispiel ist es so, dass wir demnächst aufnehmen und ich bisher nur acht Lieder vorweisen kann, weil ich jetzt gerade dabei bin, das Weggelegte fertigzumachen. Ganz oft lege ich Lieder aber auch extra weg, ganz systematisch. Weil ich dann denke: Da ist ein guter Anfang gemacht und jetzt kann das noch etwas ruhen, wie ein guter Käse. Und irgendwann habe ich dann die Muße, es wirklich fertigzumachen.”

Sasha

Was machst du, wenn du festhängst, wenn du einfach nicht weiterkommst mit einem Text?
Sasha: “(überlegt) Da ich ja meistens nicht alleine bin beim Schreiben, gebe ich das dann an Ali, Robin oder auch andere Leute, mit denen ich zusammenarbeite, ab. Oder ich breche es ganz ab. Klar, es gibt Fälle, da kann es nützten, sich zu zwingen, aber – wie schon gesagt – Druck funktioniert bei mir nicht gut. Druck führt eher nur zu einer Bremse im Kopf, es kristallisiert sich dann alles zusammen und es läuft gar nichts mehr. Dann muss man dafür sorgen, dass der “Pfropfen sich wieder löst”. Zum Beispiel feiern gehen und schön einen ballern, dann ist man am nächsten Tag schön im Eimer und die Schleusen sind auf. Verkatert sein ist super zum Schreiben, finde ich. Ich glaube, ich schreibe die besten Lieder verkatert, da bin ich am emotionalsten, alles ist offen, der Kopf, das Herz. Manchmal ist man dann ja nur dull, aber wenn ich in so einem Zustand erstmal loslege, geht es meistens gut.”
“Auch eine gute Methode den Kopf freizukriegen ist, einfach mal rausgehen an die Luft, laufen, Sport machen. Das löst Blockaden! Das machen wir auch öfters, wenn wir stundenlang im Studio hocken, mit schmerzverzerrten Gesichtern und denken, “jetzt hab ich’s” – und dann kommt doch nichts. Wenn wir zum Beispiel auf Mallorca sind, gehen wir einfach mal ne Runde schwimmen, um danach neu starten zu können. Eine weitere Strategie kann auch sein, die Nummer erstmal weglegen und an anderen Songs arbeiten. Zu einem späteren Zeitpunkt fließen die Ideen dann oft wieder.” 
Gibt es da vielleicht bestimmte Techniken, Mittel und Wege, um in solche Zustände zu kommen, in denen es wieder fließt?
Sasha: “Nein, glaube ich nicht, so ein Zustand passiert. Oder auch nicht. Vielleicht könnte man es mit mentalem Training oder so versuchen, aber ich kann das bei mir nicht erzwingen. Wenn ich zum Beispiel mit den Jungs wegfahre zum Schreiben, sagen wir auch immer: Wenn nichts dabei herumkommt, ist es wurscht. Hauptsache, wir haben es gemacht, Druck bringt zumindest bei mir nichts. Zumindest nicht Druck von außen. Es gibt aber viele Leute, die unter Druck besser arbeiten können!”

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3.2 – Hilfsmittel

8_Hilfsmittel

Kommen wir zum Teil der pragmatischen Helferlein wie Gedankenstützen, Ideen-Parkplätze, Nachschlagewerke oder “Inspirationsbeflügler”. Es gibt wohl kaum einen Menschen, der sich alles merken kann, der immer alles abrufbereit im Kopf hat und der immer in der richtigen Stimmung ist, kreativen Output zu produzieren. Warum sollte das also ausgerechnet bei den Songschreibern anders sein?! Eitelkeiten sind auch hier völlig fehl am Platz. Wer viel schreibt, braucht auch viele Ideen. Die findet man bekanntermaßen zwar überall – aber besonders oft dann nicht, wenn es darauf ankommt. Dafür sind dann Notizbücher, Diktiergeräte oder Laptops mit Mikrofon dankbare Helfer. Auch ein Reimlexikon kann durchaus einen Ausweg aus der Reimfalle aufzeigen oder auch ganz neue Ideen bringen. Ein Synonymwörterbuch kann den (temporär) begrenzten Wortschatz erweitern und eine Übersetzungsseite im Internet Unsicherheiten bei Wortbedeutungen und Aussprache beseitigen. Wer sich mit der englischen Grammatik generell unsicher sicher ist, kann seine Texte ja checken lassen. Über zwei Ecken kennt doch jeder eine/n englischen Muttersprachler/in – und auch das Internet bietet da viele gute Hilfen an. Manchmal reicht es sogar schon, wenn man einen englischen Satz, bei dem man sich nicht ganz sicher ist, einfach mal in seiner Lieblingssuchmaschine eingibt: Wenn er im Netz häufig auftaucht, kann er nicht ganz falsch sein …
Aber auch experimentelle Methoden führen zum Ziel! David Bowie, so der Mythos, soll sich beim Arbeiten an einigen Texten beispielsweise Wörter aus Zeitungen ausgeschnitten haben, um diese dann (wie ein Puzzle) neu zusammen zu setzen. Andere Autoren benutzen bei Inspirationsflauten gern die Technik, den Stift nicht abzusetzen und seitenweise aufzuschreiben, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Brainstorming in Stenografie Form, so in etwa. Nicht zuletzt soll auch die Technik des Kauderwelsch-Gesangs genannt werden. Wem zwar noch Ideen für Worte nicht aber für Melodien oder gesangliche Attitüden fehlen, der könnte es mal mit „na na na“ oder Fantasiesprache probieren. Muss man ja keinem vorspielen, es kann einem aber im Schreibeprozess helfen, den Song auch schon mal ohne Text weiterzuentwickeln.
Und auch Konventionen zu brechen, kann ein erfolgreicher Weg sein. Wenn auch nicht der Weg, der zwangsläufig zum Mainstream führen dürfte. (Was ja auch nicht immer das Ziel sein muss!). Till Huber fasst die Meinung Frank Spilkers, Sänger der Band „Die Sterne“, folgendermaßen zusammen:
„Wirkliche Größe, so Spilker sinngemäß, erreicht man nur in der Missachtung praktischer Anleitungen zum Songwriting.“
Zum Stichwort „Notizbuch“ fällt mir eine Anekdote ein, die ich im Magazin Waxpoetics (No 37) gelesen habe. Die Initialzündung zum Text von Michael Jackson Song „Man In The Mirror“ beruht auf einem Notizbucheintrag der Songschreiberin  Siedah Garrett, die diesen Song zusammen mit Glen Ballard schrieb (und auch Michael Jacksons Duett Partnerin in „I Just Can’t Stop Loving You“ war). In einer Songwriting Session mit dem Schreiber John Beasley, zwei Jahre bevor sie „Man In The Mirror“ schrieb, schnappte sie folgenden Satz auf, den Beasley zu einer Frau am Telefon sagte, die mit ihrem Anruf die Session unterbrach: „The man? What man? Oh, the man in the mirror“. Siedah Garrett notierte sich diese Zeile in ihrem Notizbuch. Zwei Jahre später erst, in einer Writing Session mit Glen Ballard, konnte sie sie verwenden. Beim Durchstöbern ihres Notizbuches stieß sie auf „ … the man in the mirror“, ein Bild, das auch gut für die Hinterfragung des eigenen Handelns stehen kann. Gepaart mit einer großen Ladung Welt-Rettungs-Schmonz ein perfektes Thema für den “King of Pop”! Sie schrieb daraufhin einen Songtext, die Worte strömten nur so aus ihr heraus, erzählt sie. Glen Ballard steuerte darauf die Akkorde dazu, sie sang die Melodie und der Song war in kürzester Zeit fertig.

Bosse

Benutzt du Hilfswerkzeuge wie Reimlexika, Wörterbücher, Diktiergerät, Notizbuch, Internetsuchmaschinen, Sonstiges …?
Bosse: “Kaum … also eigentlich benutze ich meinen Rechner wie ein Diktiergerät, nehme mich mit Garage Band oder Logic über das kleine eingebaute Mikro in meinem Laptop auf. Im Keller habe ich dann natürlich auch noch ein richtiges Mikro. Reimlexika benutze ich sowieso nicht, weil ich ja kaum reime.”

Benutzt du Platzhalterzeilen oder Kauderwelschgesang im Schreibe-Prozess?
Bosse: “Ja schon, obwohl die Ausbeute aus solchen Kauderwelsch-Ideen bei mir immer recht gering ist. Von zehn solcher Ideen landet vielleicht eine auf dem Album, wenn man es schafft, dann später einen guten Text darauf zu schreiben. Es sei denn, man hat schon einen Refrain und singt nur die Strophe als Platzhaltergesang. Dann weiß man ja schon, worum es geht. Aber der Weg „Erst Text, dann Musik“ wirft bei mir immer mehr ab.”

Sasha

Benutzt du neben deinem iPhone-Diktiergerät noch weitere Hilfsmittel?
Sasha: “Das Internet ist eine komfortable Hilfe, da gibst du Sachen ein und hast in wenigen Sekunden alle möglichen Möglichkeiten, die es gibt. Bei www.leo.org gibts Übersetzungen in beide Richtungen, auch Synonyme. Ich denke, das benutze ich am meisten. Oder für den Fall, dass man beim Reimen am Rande der Verzweiflung steht und wirklich gar nichts mehr geht, auch mal www.rhymer.com.”

Simon Triebel

Benutzt du Hilfswerkzeuge beim Texten?
Simon Triebel: “Ich habe mehrere Notizbücher, in die ich viel hineinschreibe, eigentlich in jeder Tasche eins. Ich schreib da echt alles rein, was mir einfällt. Vieles davon ist auch echt Quatsch, aber ab und zu sind eben auch “Perlen” dabei. Notizbücher sind ein gutes Hilfsmittel, weil man sich viele Sachen, die einem so durch den Kopf schießen oder die man irgendwo aufschnappt, einfach nicht alle merken kann. Manchmal arbeite ich auch mit Zeilen aus meinen Notizbüchern, die schon einige Jahre alt sind. Damals, als ich sie schrieb, wusste ich noch nicht wirklich, wohin ich mit diesem Bild, dieser Aussage usw. wollte. Aber beim späteren Durchblättern können solche Zeilen auch wieder in einem ganz anderen Licht erscheinen.”
“Ich habe natürlich auch ein Reimwörterbuch herumliegen. Besonders bei Refrains sind oft bestimmte Zeilen sehr wichtig, man kann sie kaum umstellen und muss einen Reim für sie finden. Wenn ich dann stundenlang nicht weiterkomme, greife ich schon mal in letzter Instanz zum Reimwörterbuch. Man muss aber auch wissen, wie man so ein Hilfsmittel benutzt!  Wenn man einen genau passenden Reim nachschaut, findet man oft nur zehn Möglichkeiten und denkt, es gäbe nur diese Auswahl. Das kann einen dann sehr stark eingrenzen. Viel besser ist es, wenn man auch nach Halbreimen sucht, die dann natürlich in einer vielfachen Menge davon vorhanden sind. Wenn man Reimwörterbücher aber zu viel benutzt, bremst man damit auch seine Kreativität, man behindert unter Umständen sogar den eigenen Gedankenfluss. Für mich soll diese Hilfsmittel immer nur ein letztes Mittel sein.”
Was hältst du von Platzhaltergesang auf “na na na”, Vocalizing und Ähnlichem?
Simon Triebel: “Wenn ich auf Englisch texte, mache ich das häufiger. Aber auch im Deutschen hin und wieder. Zum Beispiel, wenn ich einen Refrain fertig habe und nach einer Strophe suche. Ich probiere dann gerne mit irgendwelchem Kauderwelsch so lange herum, bis es sich gut anfühlt. Das hört sich zwar nicht schön an, aber soll in diesem Moment einfach nur einen Zweck erfüllen: Ein Gefühl wiedergeben, das die Strophe haben wird. Bezüglich des Textes, der nun geschrieben werden muss, ist das eine sehr gute Hilfe. Vorspielen kann man solche Demos natürlich nur Leuten, die auch Musik machen (lacht). Fast jeder Songschreiber arbeitet eigentlich mit solchen Platzhaltern.”

Till Huber

Till Huber: „Ein Blick in die Ratgeberliteratur schafft Abhilfe. Das Geheimnis um die Qualität von Songtexten versucht der Autor und Musiker Masen Abou-Dakn mit seinem Ratgeber „Songtexte schreiben – Handwerk und Dramaturgie“ (erschienen im Autorenhaus Verlag) zu lüften”. (….) Zu viel Strategie beim Leute-Erreichen kann aber auch sehr leicht zu durchschauen sein. Obwohl Pop natürlich eine Form bezeichnet, die sich an standardisierten Verfahren des Massenmarkts abarbeitet, verurteilt Frank Spilker, Sänger der Hamburger Band Die Sterne, eine zu starke Standardisierung in Bezug auf das Songwriter-Handwerk. Spilker äußert auf seinem Solo-Album Vorbehalte gegenüber Pop-Akademien und Ratgebern für gutes Songwriting. In seinem Song „Antipopkurs“ werden sie kritisiert, wenn geraten wird: „Wenn du Geschichten erzählst, dann achte doch bitte darauf, nicht zu sehr darauf zu achten, dass du auch alles zu hundert Prozent selbst erlebt hast“ und „sei bitte vorsichtig, dass man dem Vortrag nicht anmerkt, wie wichtig dir der Inhalt ist, pass bitte nicht auf, ob du irgendwo aneckst, hör bitte auf, deine Gedanken klar zu strukturieren“ und schließlich „scheiß’ auf den Reim“.
“Wirkliche Größe, so Spilker sinngemäß, erreicht man nur in der Missachtung praktischer Anleitungen zum Songwriting – und Spilker, der sich in den 90er Jahren als Autor völlig neuartiger und eigenständiger Texte etablierte, kann sich eine solche Kritik erlauben. Gleichzeitig hat er sich mit Songs wie „Scheiß auf deutsche Texte“ stets gegen Vereinnahmungsversuche gewehrt.“

Reimlexika, Synonymwörterbücher oder auch Literatur zum Thema Texte- und Gedichteschreiben, Songwriting gibt es in Hülle und Fülle. Man möge hierfür einfach den Buchhändler seines Vertrauens oder die einschlägigen Internetkaufhäuser aufsuchen.

Nützliche Web-Adressen 

Wörterbücher/Synonyme
www.woxikon.de
www.leo.org
www.dict.cc

Reimwörterbücher
www.2rhyme.ch
www.reimemaschine.de
www.rhymer.com
www.woxikon.de

Songtext-Seiten im Netz sollte man mit Vorsicht genießen, oft handelt es sich um “user generated content”, der bekanntermaßen nicht immer ganz seriös ist. Wer sich trotzdem dort umschauen möchte, findet unter “Songtext” oder “Lyrics” + Interpret oder Songtitel eine Menge dieser Seiten

Verzeichnis (fast) aller jemals erschienenen Songs und Alben
www.discogs.com

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3.3 Ist das Texten erlernbar – oder mehr eine Frage der Begabung?

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Nicht jeder, der Gitarre spielt, kann auch Lieder komponieren. Nicht jeder, der lesen und schreiben kann, kann Bücher, Gedichte oder Songtexte verfassen. So stellt sich auch hier die Frage, ob man das kreative Schreiben überhaupt erlernen kann, oder ob man vor allem die künstlerische Gabe dazu haben muss. Die Antwort ist: Eine lyrische Grundbegabung sollte vorhanden sein und allein das Interesse daran, selbst Texte verfassen zu wollen, sollte in den meisten Fällen daraufhin deuten, dass ein solches Talent in einem schlummert. Hier gilt, wie auch bei allen anderen Dingen: Übung macht den Meister!  Und auch von „Meistern“, die es drauf haben, lernen zu wollen!

Till Huber

Till Huber: (über das Buch „Songtexte schreiben – Handwerk und Dramaturgie“ von Masen Abou-Dakn): “Man merkt, dass Abou-Dakn zuallererst aus der Praxis kommt, und so liegt seine Stärke vor allem darin, Songwriting als Handwerk zu vermitteln, das man erlernen kann. In diesem Punkt ist dem Mann unbedingt zuzustimmen: Die Fähigkeit, Songs zu schreiben muss man üben – kein Songschreiber wird als Genie geboren, auch wenn derartige Mythen gerne im Nachhinein gesponnen werden. Songwriter wie Dylan, Lennon oder McCartney mussten sich diese Fähigkeit aneignen, um den Geniestatus zu erlangen, den sie heute darstellen.”

Bosse

Ist Texten auch eine Übungssache, so wie zum Beispiel das Erlernen eines Instrumentes?
Bosse: “Ich glaube schon, dass man das erlernen kann. Im Prinzip geht es aber mehr darum, Bock darauf zu haben und einen Weg zu finden, WAS man sagen will und WIE man es sagen will. Und auch WIEVIEL man sagen will. (…)”

Hast du Vorbilder in Bezug auf Songtexte?

Bosse: “Da gibt es ein paar! Ich bin auf jeden Fall mit „Selig“ groß geworden, oder mit Rio Reiser. Wie wahrscheinlich viele Leute in meinem Alter. Es gibt viele Leute, die ich toll finde, zum Beispiel Judith von Wir Sind Helden, Kettcar, Niels Frevert und Peter Licht. Peter Licht ist, glaube ich, mein absoluter Liebling von allen, das liegt aber wahrscheinlich auch daran, dass das, was er macht, so komplett anders ist als mein Zeug. Eine große Spur mehr Kunst, intellektueller auch … Man muss bei dieser großen Masse an Einflüssen aber auch immer schauen, was man selbst möchte. Deswegen versuche ich immer, so wenig zu hören wie möglich. Nicht zu viel auf einmal oder auch nicht wochenlang das Gleiche, weil ich keine Lust habe, irgendeiner Sache nachzueifern. Besonders Texte muss man für sich allein hinkriegen.”

Sasha

Kann man das Texten lernen, so wie ein Instrument, oder ist das eine kreative Begabung, die man entweder hat oder nicht?
Sasha: “Beides geht. Es gibt die Fleißarbeiter, die sich ein gutes Wissen um Kniffe & Tricks durch reine Übung und gutes Zuhören angeeignet haben. Denn üben kann man es, genau wie das Singen. (…) Beim Texten ist es so, glaube ich, dass man eine kreative Grundbegabung braucht, um wirklich gute Songs zu schreiben. Man muss Schnittstelle sein, die vieles miteinander verbinden kann. Am besten ist aber eine Kombination von Fleiß und Begabung.”

Wer textet gut, hast du Vorbilder diesbezüglich?
Sasha: “Ich bin großer Fan der Band “The Feeling”, die machen schöne, einfache Texte und sagen viel damit. Oder auch Jason Mraz, eine Zeile aus “I’m Yours”, in der er beschreibt, wie er vorm Spiegel steht und sich seine Zunge anguckt, finde ich super: “I’ve been spending way too long checking my tongue in the mirror, and bending over backwards just to see it clearer”. Das finde ich so schön unprätentiös: Ein Typ steht vorm Spiegel, guckt sich seine Zunge an, macht ein bescheuertes Gesicht, lacht und geht weg. Das finde ich smart, so etwas zu schreiben.”

Simon Triebel

Beschäftigst du dich viel mit den Songtexten anderer Künstler?
Simon Triebel: “Auf jeden Fall! Gerade im Deutschen, aber auch im Englischen. Aber im Deutschen natürlich noch viel intensiver, ich habe da viel eher eine konkrete Meinung dazu. Und dadurch, dass man das nun schon eine Weile macht, hört man auch oft sofort Füllzeilen. Ich höre einfach, da ist demjenigen jetzt gerade nichts Besseres eingefallen. So etwas fällt mir auf, weil ich es von mir selbst kenne. Auf der anderen Seite gibt es positive Beispiele wie “Anna” von Freundeskreis, wo mich einfach jeder Satz kriegt und dieses Kopfkino einsetzt, du siehst jedes Bild vor dir, auch “Der Weg” von Grönemeyer fand ich unfassbar berührend!”

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3.4 Was macht einen guten Texter aus?

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Simon Triebel

Was sind wichtige Merkmale, die einen guten Textschreiber ausmachen?

  • Ein gutes Gespür für Ehrlichkeit. Es ist sehr wichtig, dass die Musik 100%ig zum Text passt, mehr noch, dass sie mit ihm verschmilzt. So bekommt ein Lied Tiefe und Glaubhaftigkeit.
  • Mit ungewöhnlichen Bildern spielen zu können.
  • Gegensätze unter einen Hut zu bekommen.
  • Mit wenigen Worten viel zu sagen – das meiste passiert zwischenden Zeilen!

Sasha

Was macht eine(n) gute(n) Texter(in) aus?
Man muss Dinge verbinden können, als Texter bist du die Schnittstelle zwischen Musik und Konsument. Der Text muss immer mit der Musik zusammen eine Einheit ergeben und darf auf keinen Fall herausfallen. Ja, manchmal reicht es sogar auch aus, wenn der Text einfach nur nicht stört. (…) Aber es kann auch genau umgekehrt sein, dass der Text das Lied noch einmal um eine ganze Schippe aufwertet. Das ist die große Aufgabe des Texters!

Bosse

Zum Abschluss bitte noch drei Stichworte: Was macht eine/n gute/n Texter/in aus
Ehrlichkeit, Witz, Melancholie.

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(Bild: © Shutterstock / Africa Studio)

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