Was auf der Leinwand glänzt, ist nicht immer auch geschichtlich sauber. Musiker-Biopics versprechen Einblicke in das Leben großer Ikonen, liefern aber oft eine Version, die mehr Show als Wahrheit ist. Doch wie viel Fiktion steckt wirklich hinter Freddie, Elton und Bowie? Zeit für einen genaueren Blick.

Adam Bielawski, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
Carl Lender, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
Bohemian Rhapsody: Der Queen-Mythos in Hochglanz
Kaum ein Musikfilm hat in den letzten Jahren so polarisiert wie Bohemian Rhapsody. Rami Malek spielt Freddie Mercury mit beeindruckender Bühnenpräsenz, das Bühnenbild sitzt, der Soundtrack sowieso. Und ja, das Live-Aid-Finale ist Gänsehaut pur. Aber wer genauer hinschaut, merkt: Die kreative Freiheit war hier teilweise größer als Freddies Schnurrbart.
Ein besonders kritischer Punkt: Der Film inszeniert Freddies Solo-Ambitionen als Verrat an der Band und gibt an, dass genau das zur Trennung von Queen geführt habe. Tatsächlich hatten Brian May (1983) und Roger Taylor (1977) bereits vor Freddie (1985) eigene Solo-Projekte gestartet. Seine Entscheidung war also weder überraschend noch der Auslöser für eine Krise. Im Gegenteil: Die Band war nie offiziell getrennt. Die Pause, die im Film dramatisch aufgeladen wird, war in Wahrheit nie das definitive Ende von Queen.
Auch die Darstellung von Freddies HIV-Diagnose ist zeitlich ungenau. Im Film wird sie vor dem legendären Live-Aid-Auftritt 1985 thematisiert, in Wirklichkeit erfuhr Mercury erst später davon. Nach der Diagnose im Jahr 1987 beschlossen Queen, so viel Musik wie möglich aufzunehmen, solange es noch ging. Sie produzierten The Miracle (1989) und Innuendo (1991), veröffentlichten mehrere Singles und drehten mindestens acht Musikvideos, bevor Freddies Gesundheitszustand keine weitere Arbeit mehr zuließ.
All diese Drehbuchentscheidungen mögen dramaturgisch wirken, verzerren aber die historische Wahrheit.
Fazit: Große Show, viel Herz, aber kein Dokumentarfilm.
Wahrheitsgehalt: 2.5/5 Punkten
Stardust: Bowie ohne Musik?
Ein Biopic über David Bowie, ohne David Bowies Musik. Klingt wie ein Film über Picasso ohne Farbe. Leider ist genau das Stardust. Weil die Rechte an Bowies Songs nicht freigegeben wurden, bleibt der Film über seine erste US-Tour ein seltsam zahnloser Versuch, eine Ikone zu porträtieren, ohne ihr Werk zeigen zu dürfen.
Johnny Flynn gibt sich sichtlich Mühe, Bowies Unsicherheit und die Entstehung der Ziggy-Stardust-Figur greifbar zu machen. Aber ohne die Musik wirkt das Ganze eher wie ein gut gemeintes Fanprojekt als ein ernstzunehmender Film. Bowie war ein Gesamtkunstwerk. Ihn auf Worte und Kleidung zu reduzieren, ist einfach zu wenig.
Fazit: Gute Absicht, mageres Ergebnis.
Wahrheitsgehalt: 2/5 Sterne
Rocketman: Der schrille Rausch des Elton John
Wo Bohemian Rhapsody auf Nummer sicher geht, lässt Rocketman die Zügel los. Das Biopic über Elton John ist kein klassischer Lebenslauf-Film, sondern ein musikalisches Fantasiestück, inklusive Gesangsnummern, Tanzszenen und psychedelischen Sequenzen. Taron Egerton spielt Elton nicht nur, er singt ihn auch und das gar nicht schlecht.
Der Film basiert auf Eltons eigener Perspektive. Das bedeutet: Er nimmt sich selbst auf die Schippe, verschweigt aber auch einiges nicht. Ja, manche Ereignisse sind zeitlich verschoben oder stilisiert, aber der emotionale Kern bleibt ehrlich. Sein Kampf mit Drogen, seine Unsicherheiten, seine komplizierte Kindheit, all das wird nicht beschönigt. Und genau das macht Rocketman trotz all der Übertreibung glaubwürdiger als manch trockene Biografie.
Fazit: Mutiger, bunter, ehrlicher als erwartet.
Wahrheitsgehalt: 4/5 Sterne
Wo endet die Wahrheit und warum ist das okay?
Natürlich darf ein Biopic nicht alles korrekt wiedergeben. Es ist kein Geschichtsunterricht, sondern Kino. Figuren werden verdichtet, Konflikte zugespitzt, Dialoge erfunden. Wichtig ist nicht nur, was gezeigt wird, sondern wie ehrlich es sich anfühlt. Wenn ein Film den Kern der Person trifft, darf die Timeline ruhig ein bisschen verbogen werden.
Problematisch wird es nur, wenn die Erzählung Legenden zementiert, die so nie stattgefunden haben, oder wenn der Film mehr PR für Plattenverkäufe ist als ein ernsthafter Blick auf das Leben hinter dem Ruhm.
Biopics sind kein Ersatz für eine gute Doku oder ein echtes Interview. Aber wenn sie gut gemacht sind, können sie uns Künstler näherbringen, deren Musik wir lieben. Nicht als makellose Helden, sondern als Menschen mit Brüchen. Und vielleicht ist das sogar spannender als die reine Wahrheit.