Vor gut zehn Jahren brachte AMS Neve den 1073 DPX auf den Markt – einen modernen Channelstrip mit klassischen Werten, der den legendären Sound der 1073-Kassetten ins praktische 19-Zoll-Format überführte. Der Behringer 1273 verfolgt ein anderes Ziel: Er will genau diesen Edel-Fett-Sound für einen Bruchteil des Preises liefern. Statt britischer Manufaktur gibt’s nun also chinesische Großserie – kann das Klang-Ergebnis da mithalten?



Meistkopierter Preamp der Welt
Kaum ein Studioklassiker wurde so oft nachgebaut wie der Neve 1073. Warm Audio, Heritage Audio, Golden Age – alle versuchen sich seit Jahren am Mythos. Doch so radikal günstig wie Behringer war niemand. Und auch optisch geht der Konzern erstaunlich nah ans Original – denn der Ulli ist einfach frecher als all die anderen.
Funktionell gibt es nur wenige Unterschiede zum DPX: ein paar Taster sind anders beschriftet, einige Funktionen fehlen – doch bei einem Straßenpreis von 629 Euro (statt 3.200 € für das Original) stellt sich eher die Frage, was man überhaupt erwarten kann.
Verarbeitung & Aufbau Behringer 1273
Der Behringer 1273 ist ein 2-HE-Channelstrip mit zwei identischen Mono-Kanälen, also ein Dual-Mono-Preamp im klassischen 19-Zoll-Format. Anders als das Original ist er nicht besonders tief gebaut, wodurch er in so jedes Standardrack sowie ggfls. in den Reisekoffer passt. Ein IEC-Anschluss ermöglicht weltweite Stromversorgung.
An Bord sind vollständig diskrete Class-A-Verstärkerstufen, gekoppelt mit Ein- und Ausgangsübertragern von Midas – einer Behringer-Tochter mit eigenen Wurzeln in der britischen Tontechnik. Das Gewicht fällt moderat aus, die Verarbeitung ist solide, pragmatisch – aber natürlich auch nicht auf aller-feinsten Boutique-Niveau.
Traditionell sehr anschlussfreudig
Pro Kanal bietet der 1273 mehrere Ein- und Ausgänge, wobei diese hier allerdings intern verbunden sind und nicht vollständig umschaltbar wie beim Original sind. Soll heißen: XLR für Mic und TRS für Line kann man gleichzeitig anschließen und vorn auch umschalten.

Allerdings gibt es von jedem Anschluss jeweils vorn eine Buchs in der Combo Buchse sowie hinten auch eine eigenständige Buchse. An beide XLRs oder beide TRSs gleichzeitig etwas anschließen sollte man also nicht unbedingt. Das ist natürlich nicht so richtig Studio-mäßig, aber für zu Hause vollkommen in Ordnung.
Gain, Tone & Insert beim 1273
Mit bis zu 80 dB Gain ist der 1273 ein echtes Kraftpaket und lässt sich gern bewusst “angezerrt” nutzen. Der rote und gerasterte Gain-Drehregler liegt dabei angenehm in der Hand, daneben sitzt ein Tone-Schalter, welcher die Eingangsimpedanz des Übertragers zwischen 1200 und 300 Ohm umschaltet – ideal, um z.B. Bändchenmikrofone oder hochohmige Quellen optimal anzupassen bzw. mit dem Sound zu spielen. Ein zuschaltbaren Instrumenten-Eingang kommt ebenfalls hinzu.

Der schaltbare Insert erlaubt wiederum das Einschleifen externer Prozessoren, allerdings hier nur vor dem Equalizer. Der Anschluss des Inserts erfolgt rückseitig per symmetrischer Klinke. Phantomspeisung (+48 V) und Phasenumkehr sind ebenfalls vorhanden und schaltbar. Etwas unglücklich sind die Taster selbst: sie sind nicht beleuchtet und ihr eingedrückter/nicht-eingedrückter Zustand schwer zu unterscheiden.
Passiver EQ mit Charakter
Der 1273 setzt klassisch auf einen passiven 3-Band-EQ mit Induktionsspulen – ganz im Geiste des Originals. Die Bedienung erfolgt über konzentrische Doppel-Potis: Der innere Regler wählt die Einsatzfrequenz diskret, der Außenring steuert frei regelbar den Gain.
Die Gains sind nicht gerastert und fühlen sich auch etwas einfacher an. Ihr Nullpunkt liegt übrigen bei 12 Uhr und ist ohne Markierung. Die weißen Markierungen auf den Chrom-Ringen sind allerdings sehr schlecht zu erkennen.

Wie beim Neve beeinflussen sich die Bänder übrigens durch die induktive Schaltung leicht gegenseitig, was den EQ klanglich lebendig und auch organisch wirken lässt. Eine präzise dB-Angabe ist aber nicht möglich – ±16 bis ±18 dB sind jedoch realistisch. Jedes Band lässt sich außerdem über den Ring deaktivieren, genauso wie sich der gesamt EQ aus dem Signal nehmen lässt. Dieser Taster hat sogar eine LED – sehr gut!
Die Einsatz-Frequenzen des Equalizers im Detail
- Tiefen (Shelf): 35, 60, 110, 220 Hz
- Mitten (Bell): 360, 700, 1.600, 3.200, 4.800, 7.200 Hz
- Höhen (Shelf): 10.000, 12.000, 16.000 Hz
- Hochpassfilter: 50, 80, 160, 300 Hz (3. Ordnung)
Ausgang und Pegelanzeige
Ein eigenständiger Output-Level-Regler erlaubt die Nachjustierung des Pegels nach dem EQ – sinnvoll, um gezerrte Gain-Stufen abzufangen oder Signale perfekt auf den Wandler oder Band zu bringen. Eine siebenstufige LED-Kette visualisiert auch den Signalpegel pro Kanal.

This aint´no OG
Dem Connoisseur dürften es aufgefallen sein: Der Behringer 1273 ist kein 1:1-Klon vom 1073 DPX. Einige Funktionen fehlen einfach: etwa der Kopfhörerverstärker, die Digital-I/O-Optione sowie auch der Ground-Lift, das Pad und die Pre/Post-Umschaltung für den Insert. Wirklich kritisch ist das allerdings nichts. Etwas Schade ist indes die einfache Doppel-Belungung der Buchsen ohne Umschaltung – daran muss man einfach denken und ggfls. im Mietstudi entsprechend “idiotensicher” verkabeln.
Einige Dinge hat Behringer aber auch durchaus praktischer gedacht: Die EQ-Anordnung folgt beispielsweise dem modernen Layout (Bass links, Höhen rechts) anstatt dem historischen „Kassetten Stil“ von Neve. Auch der erweiterte High-Shelf mit seinen drei wählbaren Frequenzen ist ein Pluspunkt gegenüber dem starren 12-kHz-Band des Originals.