Tracktion Waveform 10 Test

Waveform 10 kommt mit sage und schreibe 62 (!) neuen Plugins daher. Dazu ist an vielen Stellen im Workflow geschraubt und verbessert worden. Ein Schnellzugriff-Fenster namens Acions UI, neue Edit- und Mix-Gruppen, Autotune Access und einige Auswahl- und Bearbeitungswerkzeuge sind dazugekommen. Wir haben diese und viele andere Neuerungen getestet.  Verbessert wurden auch der Multi-Sampler, die Plugin-Validierung und das Auto-Save-Verhalten.

Tracktion_Waveform_10_01_Aufmacher


Vor gut einem Jahr testeten wir Version 9und waren beeindruckt von der Fülle von Funktionen und Möglichkeiten für einen so günstigen Preis. Tracktion treibt die Entwicklung seiner DAW in hohem Tempo voran und hat ein gutes Jahr später bereits die nächste Version veröffentlicht. Waveform 10 bringt zwar mit dem riesigen Plugin-Paket von Airwindows, Autotune Access und Melodyne Essential einige neue Zusatzpakete mit, der Fokus liegt bei diesem Upgrade vor allem aber auf der Verbesserung des Workflows.

Details

Wie kann man sich gegen übermächtige Konkurrenz abheben? Wie findet man bei der Menge an Features, die jede DAWs von anderen abhebt, den Mittelweg zwischen Feature-Overload und einfallslosem Kopieren? Diese Frage muss sich jeder DAW-Hersteller stellen, sind es doch mittlerweile fast 20 DAWs, die sich auf dem Markt der elektronischen Musikproduktion tummeln. 
Fotostrecke: 2 Bilder Eine abgespeckte Version des Vocal-Tuners Autotune ist ebenso dabei…

Waveform 10 – What’s new?

Am Workflow einer DAW zu schrauben ist oft ein Drahtseilakt. Für das eine Feature wird sie besonders geliebt (Session View – Live, Playlisten – ProTools, Racks – Reason), für das Fehlen einer anderen verdammt (Comping – Live, Windows-kompatibel – Logic). 
Ein kleiner DAW-Hersteller wie Tracktion mit vergleichsweise geringem Marktanteil und noch im Aufbau begriffener Community ist da freier. Munter wird nachgeschoben, verändert und hinzugefügt, was man sich selbst überlegt oder bei der Konkurrenz abschaut. Die Liste der Neuerungen in Version 10 ist beachtlich:

  • Actions UI: Schnellzugriff deluxe. Nicht nur kann man in diesem neuen Arbeitsbereich oft genutzte Menübefehle und Werkzeuge ablegen, diesen kann man dann auch eigene Shortcuts zuweisen. 
  • Edit und Mix Gruppen: Spuren lassen sich gruppieren und damit ähnlich wie in Pro Tools synchron bearbeiten, muten oder pannen.
  • Clip-Auswahl: Mehrere Clips auf verschiedenen Spuren lassen sich jetzt auswählen, verschieben und verändern. 
  • Clip-Bearbeitung: Ein einzelner Clip lässt sich nun in einem separaten Fenster bearbeiten, mit dem ganzen Arrangement im Hauptfenster im Hintergrund.
  • Multi-Sampler: Mehr Stimmen (64), Drum Replacement, Voice Stealing und mehr Möglichkeiten beim Sample Capture (Audio systemweit direkt in den Sampler aufnehmen).
  • 62 neue Plugins (Artisan Collection): Basierend auf den vielfältigen Plugins der Firma Airwindows; mehr analogen Klangcharakter verspricht der Hersteller.
  • Groove Doctor: Wer das Audio-Quantisierungs-Tool Beat Detective aus Pro Tools kennt, wird sich mit dem Groove Doctor schnell anfreunden. Auch die Groove-Patterns von echten Drumloops lassen sich extrahieren und auf MIDI-Beats anwenden.
  • Neuer Synth: Subtractive. Ein subtrakiver Softsynth.
  • Autotune und Melodyne: Schon in der Basisversion für 119 Dollar sind die Basic-Versionen der zwei wichtigsten Vocal-Tuning-Plugins überhaupt enthalten: Autotune Access und Melodyne Essential. 
  • Stabilität: Ein neues Piugin-Validierungstool verspricht genauere Analyse von Plugins für Hersteller und Nutzer. Gerade, wenn man veraltete Plugins nutzt, sind Abstürze nicht selten. Dieses Tool hilft bei der Fehlersuche. Dazu kommt eine als „Constant Save“ bezeichnete Auto-Save-Funktion.

Und Action! – Die Action UI

Sobald der Browser geöffnet ist, findet man den Menüreiter “Actions”, wo früher “Properties” waren. Dieser reagiert kontextabhängig. Je nachdem, was ihr gerade angewählt habt, tauchen dort andere Schnellzugriffe auf. Diese lassen sich für alle Kontexte auch weiter anpassen und mit eigenen Keyboard-Shortcuts verbinden. 

Fotostrecke: 2 Bilder Drumloops können automatisch gesliced und in den Multi-Sampler geladen werden.

Mehr Plugins, mehr Instrumente

Tracktion hat sich mit Airwindows, der Einmannfirma von Chris Johnson, zusammengetan und 62 (!) seiner sehr beliebten Effekte für Waveform lizensiert. Optisch sind diese durch die Bank sehr schlicht gehalten, bringen aber teilweise sehr warmen, analogen Klangcharakter mit. Allein neun verschiedene Verzerrungseffekte und zwölf Kompressoren sind in der Artisan Collection enthalten. Auch fünfzehn der weithin so beliebten Emulationen von analogem Studio-Equipment wie „ToTape 5“ oder „Channel 5“ helfen dabei, analoge Wärme zu verbreiten.

Die Plugins von Airwindows ähneln sich alle sehr stark, was die Oberfläche betrifft.
Die Plugins von Airwindows ähneln sich alle sehr stark, was die Oberfläche betrifft.

Der in Version 9 dazugekommene Multi-Sampler wurde mit weiteren Funktionen bestückt. Die Beat-Replace-Funktion erlaubt es, ähnlich wie die Slicing- und Convert-to-MIDI-Funktionen in Ableton Live, einen Drumloop zu slicen und in einen Sampler zu laden, wo man dann einzelne Sounds austauschen und so den ursprünglichen Beat mit anderen Samples spielen kann. Auch die schon bekannte Aufnahmefunktion wurde verbessert: Man kann nicht nur das Audiosignal seines Systems direkt aufnehmen, sondern auch von einzelnen Spuren oder dem gesamten Projekt innerhalb von Waveform.

Audio Samples
0:00
01. Subtractive – Abacab
 02. Subtractive – Moogle Bass 03. Subtractive – Clouds 1 04. Subtractive – Modular Lead 05. Subtrative – Classic Mini LD (Delay FX deaktiviert)

Neben dem oben erwähnten Plugin-Paket ist ein auch ein neuer Softsynth mit an Bord: Subtrative. Das 4-Oszillator-Biest bringt viele Sounds mit, die an analoge Synthesizer und die üblichen Modulationsmöglichkeiten angelehnt sind. Weitere Verbesserungen: Die in Version 9 vorgestellten Modifiers wurden ebenso erweitert, wie die Racks, in denen sich verschiedene Effekte kombinieren lassen.

Praxis

Action UI in Action

Eigene Shortcuts vergeben zu können ist bei Leibe nichts Neues. Aber eigene Schnellzugriffe und Makrofunktionen erstellen zu können hingegen schon – eine Funktion, in die man sich nach der Einarbeitung zweifelslos verliebt. Die Action UI ist kontextsensitiv, das heißt, es werden je nachdem, ob ihr einen Audioclip, einen MIDI-Clip oder ein Plugin angewählt habt, andere Schnellzugriffe gezeigt. Unter diesen kann man dann noch Favoriten auswählen und sich nur noch diese anzeigen lassen. Quasi die „Collections“-Funktion von Ableton Live 10, nur eben mit Bearbeitungsfunktionen und nicht mit Plugins. Sehr nützlich.

Fotostrecke: 3 Bilder Das Actions UI passt sich immer dem Kontext an, zeigt also die Funktionen, die gerade am hilfreichsten sind. In diesem Fall ist ein MIDI-Clip angewählt.

Auch die Gruppierungsfunktion hilft im Arbeitsalltag sehr. Egal ob man eine Gruppe von Schlagzeugspuren (klassischerweise Kick, Snare, zwei Overhead-Spuren und diverse Raummikrofone) nur gemeinsam im Pegel verarbeiten oder phasengenau schneiden möchte – blitzschnell sind Gruppen angelegt. Pro-Tools-Nutzer werden sich ganz zu Hause fühlen in diesem Bereich. 
Stichwort Pro Tools: Eine beliebte Funktion in dem Recoring-Schwergewicht ist der Beat Detective. Mit ein paar wenigen Anpassungen lassen sich minimale Temposchwankungen bei einer Schlagzeugaufnahme quasi per Knopfdruck transientengenau schneiden und dann auch quantisieren. Diese Funktion gibt es jetzt in Waveform unter dem Namen „Groove Doctor“. Sie funktionierte im Test tadellos. Drums wurden sauber geschnitten, auf Wunsch geradegerückt und dann wieder als neuer Audioclip gerendert.

Audio Samples
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06. Drumloop Bypass
 07. Drumloop Airwindows Distortion FX 08. Drumloop Airwondows Compression FX 09. Drumloop Airwindows Emulation FX

Die Qual der Wahl – die „Range Selection“

Eine unscheinbare Neuerung ist das „Range Selection“-Tool. Mit gedrückter ALT- und SHIFT-Taste lassen sich, ganz dem Namen nach, ganze Bereich auswählen. Ein Beispiel: Ich möchte alle Clips zwischen Takt fünf und neun auf allen Spuren auswählen und diesen Bereich verschieben. Mit diesem Tool ist das nun möglich, im Test funktionierte es ohne Probleme.

Fotostrecke: 3 Bilder Alle Clips in der „Range“ können gemeinsam verschoben, ausgeschnitten und verändert werden.

Die vielen Effekte von AirWindows bringen die versprochene Wärme, das analoge Kratzen, das eventuell bei zu digitalen Sounds fehlen kann. Die Designentscheidung, den meisten der Plugins nicht viel mehr als einen Inputregler, manchmal noch einen zweiten zur Intensität und ansonsten nur Dry/Wet-Regler mitzugeben, macht es allerdings nicht immer leicht, bei jedem der Spielzeuge überhaupt genau rauszufinden, was es denn so mit dem Sound macht. Auch die Dokumentation schweigt sich hier darüber aus.

Fazit

Waveform wächst. Bei Version 10 angekommen ist deutlich zu sehen, dass es den Entwicklern ein Anliegen ist, hier eine echte Alternative zu den Großen anzubieten. Mit cleveren Features wie dem Action UI und den neuen Range-Selection-Tools wird die DAW immer benutzerfreundlicher und trickreicher. Auch die mitgelieferten Sounds und Instrumente machen echt Laune. Ein großes Aber muss man dem ganzen aber entgegensetzen: Grundsätzlich wirkt das Programm unfertig. Angefangen bei der lückenhaften Übersetzung, einer Benutzeroberfläche, die vor 20 Jahren vielleicht modern war, bis hin zu einem Handbuch und Videoanleitungen, die zwar das Grundsätzliche abdecken, aber gerade Neu- und Quereinsteiger an vielen Punkten ratlos zurücklassen können, ist Waveform eine DAW, die für ihre Unzulänglichkeiten entweder von einer kleinen Fangemeinde heißt geliebt oder von einer größeren ignoriert werden wird. Es wird ganz viel richtig gemacht in dem Programm, an einigen entscheidenden Punkten jedoch ist man scheinbar selbst noch nicht so ganz sicher, in welche Richtung es gehen soll. Wohin auch immer: Weiter so!

Pro
  • Actions UI: Vereinfachung des Workflows durch konfigurierbare Schnellzugriffe
  • Groove Doctor sehr nützlich bei Schlagzeugaufnahmen
  • Aufnahme im Multi-Sampler zum sofortigen Samplen von allem
  • Neue Slicing-Funktion zum schnellen Laden von Drumloops in den Multi-Sampler
  • Autotune Access und Melodyne Essential schon in der Basis-Version dabei
  • Gruppenbearbeitung
Contra
  • Übersetzung der Benutzeroberfläche unvollständig, teilweise Deutsch und Englisch gemischt
  • Handbuch deckt viele neue Funktionen nicht ab
  • Umständliche, wenig intuitive Benutzeroberfläche
Tracktion_Waveform_10_01_Aufmacher
Features
  • plattformübergreifende DAW
  • unbegrenzt Audio- und MIDI-Spuren
  • Multi-Sampler mit Aufnahmefunktion des System-Audios
  • 62 neue Plugins (Artisan Collection): Basierend auf Airwindows Plugins
  • Softsynth: Subtractive
  • Actions UI: Schnellzugriffe und eigene Makros
  • Edit und Mix Gruppen
  • Groove Doctor: Audio-Quantisierung
  • Constant-Save-Technology: Erweiterte Auto-Save-Funktion
  • Antares Autotune Access
  • Celemony Melodyne Essential
Systemvoraussetzungen
  • Mac OS X 10.10 (64 Bit) oder neuer,
  • Windows 7 (64 Bit) oder neuer
  • Linux Ubuntu 18.04 oder neuer,
  • 4 GB RAM, 400 MB Standardinstallation, 9 GB Vollinstallation
Preis
  • Waveform Basic: $119
  • Waveform Standard Pack: $259
  • Waveform Extreme Pack: $499
  • Waveform Basic Upgrade: $69
  • Waveform Standard Pack Upgrade: $199
  • Waveform Extreme Pack Upgrade: $369
Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • Actions UI: Vereinfachung des Workflows durch konfigurierbare Schnellzugriffe
  • Groove Doctor sehr nützlich bei Schlagzeugaufnahmen
  • Aufnahme im Multi-Sampler zum sofortigen Samplen von allem
  • Neue Slicing-Funktion zum schnellen Laden von Drumloops in den Multi-Sampler
  • Autotune Access und Melodyne Essential schon in der Basis-Version dabei
  • Gruppenbearbeitung
Contra
  • Übersetzung der Benutzeroberfläche unvollständig, teilweise Deutsch und Englisch gemischt
  • Handbuch deckt viele neue Funktionen nicht ab
  • Umständliche, wenig intuitive Benutzeroberfläche
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