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Telefunken Elektroakustik AR-51 Test

Praxis

Herstellungsqualität

So, ich möchte zunächst einmal tief einatmen… also: Das Telefunken AR-51 ist nicht so verarbeitet, wie man es von einem Mikrofon der 2.000-Euro-Klasse erwarten kann und sollte. Zumal es sich mit einem wirklich großen Namen schmückt. Beispiele gibt es zahlreiche, das auffälligste ist sicher die lieblos und dadurch schräg angebrachte Pattern-Platte auf dem Netzteil. Ich frage mich tatsächlich, ob es in der Werkstatt kein Licht gab oder eine intergalaktische Raumkrümmung vorlag, die unsere physikalischen Grundgesetze und somit geometrische Beziehungen wie rechte Winkel und Parallelen aus den Angeln gehoben hat. Ok, das war jetzt polemisch, man könnte auch anführen, dass das den Sound nicht beeinflusst. Das stimmt, und ja, es gibt zahlreiche Beispiele für gruseliges Design und gruselige Built-Quality bei tontechnischen Geräten, die dennoch genial sind und zu Legenden wurden. Es gibt sicher Kunden, die auf ein schräges Blech pfeifen, denen es egal ist, dass das Gewinde, mit dem der große Tubus fixiert wird, schwer zu drehen ist, dass Oberflächen sehr einfach und hausbacken wirken und von der Fertigung nichts auch nur annähernd über das Mittelmaß hinausgeht. Wenn man allerdings derartige Toleranzen bezüglich Nachlässigkeiten auch für die Fertigung von Elektronik und Kapsel findet, ist das problematisch, spätestens die Qualitätskontrolle hätte dem Verantwortlichen das Netzteil um die Ohren hauen müssen. Man schaue sich im Vergleich vielleicht einfach mal ein Neumann oder ein Microtech Gefell an.

Fotostrecke: 3 Bilder Besonders gerade ist das nicht. Besonders schlimm natürlich auch nicht.

Fett

Gut, wäre dieser Punkt also erledigt. Ich freue mich, dass der Text sich nun einem erfreulicheren Thema widmen kann, nämlich dem Sound. Schließt man das Röhrenmikro an und schaltet das Signal des (warmen) AR-51 auf die Abhöre oder die Kopfhörer, wird man direkt vom dicken, kräftigen Sound des AR-51 begrüßt. Das ist wirklich ein massiger Klang, wie fetttriefendes Fleisch auf dem Grill – meine Herren! Es wird mit deutlich Farbe gearbeitet, was gehaltenen Vokalen zu einer enormen Griffigkeit verhilft, Konsonanten deutlich verdickt und Atmer wie Rauschanteile geradezu dreidimensional werden lässt. Nach einem kurzen Direktvergeich wird fast jeder wird dieses Mikrofon haben wollen. Das AR-51 ist ein echter Soundmaker. Die Höhen sind ebenfalls strukturiert und reich. Es gibt natürlich auch eine Kehrseite: Wenn die Farbe nicht passt, sich das aber erst im Mix herausstellt, ist man etwas gekniffen. Und ich finde die Abstimmung schon recht brutal: Die Soundbeispiele sind allesamt mit dem True Systems P-Solo Ribbon angefertigt, ein anderer Preamp wie ein Tube-Tech MP-1A oder ein Heritage `73 Jr. (also ein Neve 1073) sind für fast alle Anwendungen zu viel des Guten. Die Kette Heritage-Preamp, Heritage-EQ, 1176 und LA-2A habe ich ausprobiert, das war deutlich zu viel des Guten. Auch geht etwas an Detailreichtum verloren, besonders in den Höhen bei höheren Pegeln und geringen Abständen.  

Audio Samples
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Telefunken AR-51, 25 cm, N Telefunken AR-51, 25 cm, A Telefunken AR-51, 25 cm, K Telefunken AR-51, 25 cm, N, 45 Grad Telefunken AR-51, 25 cm, N, 90 Grad Telefunken AR-51, 60 cm, N Telefunken AR-51, 5 cm, N MG UM 92.1S, 25 cm, N MG UM 92.1S, 25 cm, A MG UM 92.1S, 25 cm, K MG UM 92.1S, 60 cm, N MG UM 92.1S, 5 cm, N Aston Origin, 25 cm Mojave MA-201FET, 25 cm

Richtcharakteristiken: Klassisch, aber stabil

Seine Qualitäten kann das Röhrenmikrofon besonders dann ausspielen, wenn man ihm nicht allzu nahe kommt: Unterhalb von 20 Zentimetern wird es sehr bassig und dort, im Frequenzkeller, auch etwas indifferent. Allerdings ist auch das durchaus “vintage”, denn straffe, kurze Bässe sind meist nicht das Metier klassischer Röhrenmikrofone. Schön und ebenfalls typisch sind die charakteristischen Eigenschaften der Richtcharakteristiken, vor allem die Bündelungen zu den hohen Frequenzen hin. Mit besonders auffälligen Einbrüchen muss man in den wichtigen Bereichen nicht rechnen, auch das unvermeidliche “Kraut und Rüben” der Frequenzgänge im Bereich der jeweiligen Off-Axis ist erfreulicherweise erstaunlich unauffällig. Dadurch klingen die Rauminformationen schön ausgewogen.

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MB sagt:

#1 - 23.10.2023 um 15:51 Uhr

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Klasse Artikel danke, super hilfreich Das ist genau das, was ich suche. Neutrale Mikrofone hab ich nämlich. Mir fehlt so ein Soundschwein für was fettes. Falls mein Röhrenvorverstärker zu viel ist, nehme ich halt meinen Isa, der wird da in jedem Fall damit funktionieren.

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