Technics SL-1210GR Test

Also doch: Technics präsentiert mit dem SL-1210GR den Nachfolger der grandiosen MKII-Baureihe. Und dieser Nachfolger hat es in sich, denn Technics konzipierte einen neuen Direktantrieb, was einen ruhigeren Gleichlauf beschert. Zudem wurde das Drehmoment subtil angehoben und ein paar Macken gehören der Vergangenheit an. Da Lagerbestände des Klassikers momentan für 2000 Euro gehandelt werden, wirken die vom Hersteller aufgerufenen 1499 Euro für den Thronfolger regelrecht moderat.

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Dennoch kommt man beim SL-1210GR auf den Preis von zwei bis drei Laufwerken anderer Hersteller, die sogar mit stärkerem Torque und weiterem Schnick-Schnack ausgestattet sind. Aber beim Plattenauflegen geht es nicht um den Wettlauf um das stärkste Drehmoment, sondern einzig allein um Qualität, Zuverlässigkeit, Handling und natürlich Klang. Wir prüfen, wie sich der Technics SL-1210GR in diesen Disziplinen schlägt.

Details

Als Technics verkündete, die Erfolgsgeschichte des Technics SL-1210 mit der GR-Version fortzuführen, füllte diese Nachricht etliche Threads, Blogs und News-Meldungen. Auch ich lebe seit 27 Jahren in einer festen Beziehung mit dem Technics-Klassiker und meine daher, alle Stärken und Schwächen zu kennen. Mein Testmodell ist wirklich schwarz, nicht Technics-braun, alternativ gibt es das Gerät in Silber als SL-1200GR. Die Oberfläche erinnert an die matt gebürsteten, robusten Faceplates der Rane-Mixer. Das Gehäuse ist dank zweischichtiger Chassis-Konstruktion aus einer festen Verbindung von BMC (Bulk Moulding Compound) und Aluminium-Druckguss sehr solide. Vibrationen und Erschütterungen fangen die neuen, ausdrehbaren Dämpfungsfüße mit speziellem Silikonkautschuk auf.

Fotostrecke: 2 Bilder SL-1210GR: matt gebürstete, schwarze Oberfläche.

Mit 11,5 Kilogramm bringt er fast das gleiche Gewicht auf die Waage wie das alte Modell. Somit spielt er neben den um ein Drittel schwereren Plattenspielern Pioneer DJ PLX-1000 und Denon DJ V12 Prime eher in der leichteren Liga. Dagegen wuchs er reichlich 10 Millimeter in der Höhe und 12 Millimeter in der Tiefe, sodass er nicht mehr in die Cases für den MKII passt.

Größeres Facelift

Von oben erkennt man sofort die Handschrift von Technics, die Optik zeigt sich klassisch. Die Änderungen stecken im Detail, denn die Japaner überarbeiteten etliche Bestandteile. Die Taster für Start/Stopp und die per LED beleuchtete Geschwindigkeit (33 und 45 RPM) wirken dank leicht abgerundeter Ecken noch edler. Dreht man am versenkten Netzschalter, leuchtet das Stroboskop in Blau. Auch die LED für den genullten Geschwindigkeitsregler ist farblich passend, nur die gedämpft ausfahrbare Lampe strahlt die Rille weiß und dank LED-Technik langlebiger an.
Der Flachbahnregler für die Geschwindigkeit gleitet weich über seine Bahn, sie ist mit dem Gehäuse buchstäblich aus einem Guss gefertigt. Darüber befindet sich der neue Umschalter für den Pitch, wahlweise acht oder sechzehn Prozent. Auf die eher unsinnigen 50 Prozent verzichtet Technics. Beim Blick auf die Tonarmaufhängung entdeckt man etliche Modifikationen: Der Bügel wurde etwas verbreitert, ebenso lässt sich die Arretierung für den Tonarmlift nun richtig festzurren, ohne sich nach einer gewissen Zeit oder beim Transport zu lösen. Die einstellbare Tonarmhöhe steht in Nullposition wirklich auf Minimum und nicht darunter, wie beim SL-1210 MKII. Der Tonarm glänzt aus Aluminium, auf klangverbesserndes, kaltgezogenes Magnesium wie beim doppelt so teuren SL-1200(G)AE wurde aus Kostengründen verzichtet. Am SME-Bajonett-Verschluss erlebe ich die gewohnte hohe Technics-Qualität: Stecken, drehen, sitzt!

Fotostrecke: 4 Bilder Leicht verändertes Design der Tasten.

Output-Panel

Der häufigste Grund für einen Werkstattbesuch waren bei der alten Serie die fest mit der Platine verlöteten Kabel. Der SL-1210GR besitzt nun eine zweigeteilte Steckerleiste zum Anschluss der beigelegten Kabel, die deutlich dicker und damit robuster als früher ausfallen. Cinch-Buchsen und Ground-Schraube befinden sich eingerückt an der Bodenunterseite. Zum Anschluss der Kabel muss man den Plattenspieler auf die Vorderseite und damit hochkant stellen. Nicht so beim Netzkabel, dessen Anschluss sich um 90 Grad gedreht direkt an der Rückseite des Plattenspielers befindet.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Cinch-Buchsen und Erdungsschraube sind versteckt.

Verbesserter Antrieb und Plattenteller

Mit dem Technics SL-1200G(AE) führte Technics einen Direktantriebsmotor ohne Eisenkern ein, von dem auch der GR profitiert. In der Mulde, dort wo der Plattenteller auf den Dorn gesetzt wird, sitzt eine Platine mit einem in einzelne Frames gegliederten Kreis. Die Polschuhe fehlen. Auch die Unterseite des schwereren Plattentellers ziert ein großer flacher Magnet. Dank dem Zwillingsrotoraufbau mit auf beiden Seiten des Stators angeordneten Rotormagneten gehört der ungleichmäßigere Lauf des Motors, Polruckeln genannt, der Vergangenheit an. Eine von Blu-Ray-Playern bekannte Antriebssteuerung checkt und korrigiert die Motorposition.
Die Unterseite des zweischichtigen Aluminium-Druckguss-Plattentellers wurde mit schwingungsdämpfendem Gummi beschichtet. Das soll Vibrationen und auf das Vinyl übertragbare Resonanzen eliminieren. Laut Technics wurde zudem die Form der Aluminium-Druckguss-Schicht verbessert, um Massenträgheit und Laufruhe zu optimieren. An der Rückseite des Platters sorgen Verstärkungsrippen für zusätzliche Steifigkeit. Auch die vergrößerte Berührungsfläche mit der schwingungsdämpfenden Gummischicht steigert die Dämpfung, die doppelt so hoch wie beim SL-1200MK5 sein soll.

Blick unter den Plattenteller.
Blick unter den Plattenteller.

Drehmoment- und Brake-Anpassung

Galten noch vor Jahren 1,5 kg/cm als Drehmoment-Limit, bieten einige Hersteller inzwischen den mehr als dreifachen Wert. Technics sträubt sich gegen dieses Rennen, denn Ultra-High-Torque verspricht kein besseres Handling, ganz im Gegenteil. Deswegen pimpt Technics den SL-1200GR auf maximal 2,2 kg/cm, in drei Stufen unterhalb des Plattentellers einstellbar. Darüber passe ich die Bremse aka Brake nach meiner Vorstellung in fünf Schritten an. Ebenfalls auf dem Chassis und damit unter dem Plattenteller versteckt sich ein USB-Anschluss, der aber lediglich zum Aufspielen neuer Firmware dient.
Der Technics SL-1200/1210GR wird neben der Bedienungsanleitung mit einer Abdeckhaube, Single-Adapter, Headshell samt Einrichtung zum Einstellen des Überhangs, Cinch-, Erdungs- und Netzkabel ausgeliefert. Ferner legt der Hersteller eine Gummimatte als Plattentellerunterlage fürs audiophile Vinyl-Abspielen bei. Der Technics SL-1210GR präsentiert sich erwachsener und ausgereifter denn je. Seine Optik wirkt sehr edel, aber auch extrem robust. In Kombination mit der ausgereiften Technologie ist man geneigt, die Präzision eines Schweizer Uhrwerks zu unterstellen. Ob sich das bewahrheitet, zeigt der Praxistest.

Fotostrecke: 2 Bilder Hier verstellt man die Bremsenstärke und das Drehmoment.

Praxis

Nachdem ich alle Kabel angeschlossen und den sehr massiven Plattenteller vorsichtig anhand seiner zwei Mulden in den Dorn eingefädelt habe, montiere ich an den Tonarm ein Ortofon Nightclub MKII Cocoon Edition. Beim Ausbalancieren des Tonarms zwecks optimaler Gewichtseinstellung stelle ich fest, dass der Technics bei einem Antiskating von null schön die Position hält. Zum Vergleich: Bei anderen DJ-Plattenspieler neuester Generation zeigt der Tonarm bei null Antiskating oft einen Hang zum Driften nach außen.
Den SL-1210GR verbinde ich mit dem Phono-Eingang meines Pioneer DJ DJM-S9. Da der Plattenspieler keinen Phono-Vorverstärker besitzt, fällt das Andocken an den Line-Eingang aus. Zudem verbinde ich einen Technics SL-1210M5G, ebenfalls samt Ortofon Nightclub MKII Cocoon, mit dem zweiten Phono-Kanal des Mixers. Auf beiden Plattenspielern liegt die gleiche Schallplatte für einen A/B-Klangvergleich auf.

Performance

Wer stets mit Technics-Plattenspielern auflegt, fühlt sich beim SL-1210GR wie im Heimathafen. Alles funktioniert wie gewohnt, nur etwas besser. Wurde dem Flaggschiff SL-1200G(AE) noch eine zu kurze Spindel nachgesagt, welche die Phasenkorrektur beim Mixing erschwerte, ist der Dorn beim GR-Modell schön lang. Um Bremse und Torque anzupassen, bedarf es unbedingt der Bedienungsanleitung. Es gibt pro Funktion zwei Taster, um den Wert anzupassen.
Beim ersten Drücken eines Tasters wird die aktuelle Einstellung durch Blinken angezeigt. Wenn man währenddessen den Taster erneut drückt, verändert sich der Wert und die neue Einstellung wird wiederum durch Blinken bestätigt. Nach zwei Sekunden ist der Plattenteller wieder startklar.

Die Legende lebt: Technics SL-1210GR
Die Legende lebt: Technics SL-1210GR

Egal ob mit stärkstem oder schwächstem Drehmoment, der Plattenteller lässt sich mit der Hand sehr gut bändigen. Ein großer Vorteil, wenn man für die Phasenkorrektur gern den Plattenteller anschiebt oder bremst. Es bedarf etwas gefühlvollen Drucks – und der Teller hört auf jeden Handgriff. Für mich ein Grund, warum ich einem Torque von 4,5 kg/cm die kalte Schulter zeigen würde.
Der qualitativ hochwertige Aluminium-Tonarm samt Metallaufhängung begünstigt nicht nur eine sehr stabile Spurtreue, sondern auch geringere Einstreuungen, die vor allem mit einem DVS das Timecode-Signal weniger verunreinigen. Beim Auflegen der Hand auf den massiven Plattenteller gibt dieser ordentlich Kontra, sodass auch beim Scratchen die Nadel in der Spur bleibt.
Dank dem neuen Motor wird dem SL-1210GR ein besserer Gleichlauf nachgesagt, was mir als grobmotorischem DJ nicht auf Anhieb auffällt. Audiophile, die das Gras wachsen hören, werden dies gewiss mit mehr Enthusiasmus aufnehmen. Hinsichtlich der Gleichlaufschwankung bleibt er, wie alle anderen DJ-Plattenspieler, den 0,025 Prozent treu. Auch das sogenannte Rumpeln liegt auf identischem Niveau des Klassikers: 78 dB.

Technics SL-1210GR Klang

Was gibt es Besseres, als den Herausforderer mit dem Vorbild zu vergleichen? SL-1210GR und SL-1210M5G spielen dazu die gleiche Platte mit identischen Systemen ab. Im Audiobeispiel wechselt alle vier Takte die Quelle, beginnend mit dem Technics SL-1210M5G.

Audio Samples
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Technics SL-1210GR VS Technics SL1210M5G

Man hört keinen markanten Unterschied. Beide klingen sehr transparent, ohne dass sich ein Modell in den Vordergrund spielt. Wer tatsächlich akustisch eine Schippe drauflegen möchte, muss zum 2000 Euro teureren High-End-Modell (G)AE greifen.

Fazit

Wer sich für den neuen Technics SL-1200/1210GR entscheidet, wird keinesfalls enttäuscht. Sein äußerst robustes, resonanzentkoppeltes Chassis samt Plattenteller, die sehr hochwertige Verarbeitung kombiniert mit der klassischen, auch oft kopierten Optik setzen Maßstäbe. Technisch geht er mit der Zeit und setzt Akzente: Ein neuer kernloser Direktantrieb sorgt für besseren Gleichlauf, das Drehmoment steigt moderat auf einen gut zu handelnden Wert. Zudem ist auch die Bremse einstellbar. Sein Tonarm plus dessen Aufhängung bieten Qualität und Klang, bei denen andere DJ-Plattenspieler kaum mithalten können. 1499 Euro sind kein Pappenstiel, aber Qualität zahlt sich bekanntermaßen aus.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • hochwertigste Verarbeitung
  • exzellente Vibrationsdämpfung
  • toller Klang
  • Spurtreue
Contra
  • Preis
Artikelbild
Technics SL-1210GR Test
Technics SL-1210GR DJ-Turntable, die Legende lebt!
Technics SL-1210GR DJ-Turntable, die Legende lebt!
Features:
  • eisenloser Direktantriebsmotor mit präziser Motorsteuerung
  • robuste Gehäusekonstruktion
  • vibrationsabsorbierender Plattenteller
  • Dämpfungsfüße aus Silikonkautschuk
  • Pitch: ±8 %, ±16 %
  • Geschwindigkeiten: 33⅓, 45, 78 RPM
  • Gleichlaufschwankung: 0,025 % W.R.M.S.
  • Rumpeln: 78 dB
  • Start-Drehmoment: 2,2 kg/cm
  • Startzeit: 0,7 Sekunden (bei 33⅓ RPM)
  • S-förmiger Aluminium-Tonarm
  • Ausgang: 1 x Cinch (Phono)
  • Abmessungen (B x H x T): 453 x 173 x 372 mm
  • Gewicht: 11,5 kg
  • Zubehör: Plattenteller, Gummimatte, Abdeckhaube, Head-Shell, Überhangeinstelleinrichtung, Auflagegewicht plus Zusatzgewicht, Single-Puck-Adapter, Cinch-, Erdungs- und Netzkabel, Bedienungsanleitung
  • Preis: 1499 Euro
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Profilbild von Daniel Fritschi

Daniel Fritschi sagt:

#1 - 13.01.2020 um 13:33 Uhr

0

Wer mal versucht hat mit dem Technics SL-1210GR aufzulegen weiss, er ist vollkommen untauglich fürs Beatmatching.
Die interne Elektronik versucht jegliche Einflussname durch manuelles abbremsen oder anschieben beim Beatmatching auszugleichen. Man kann DJs nicht ausdrücklich genug vor dem Einsatz beim auflegen abraten.
Bitte korrigiert diesen Test!
Bei Amazona.de ist diese zunächst ebenfalls nicht im Test aufgefallen, doch man hat es anschließend im Test ergänzt."UPDATE ENDE 2018: Erwischt wurden wir ein wenig später, als ein Freund und DJ-Kollege, der seit mehr als einer Dekade mit Platten spielt mit zwei GR zuhause verzweifelnd um Hilfe rief. Manuelles Beatmatching, es machte ihn wahnsinnig. Die Frage kam auf, ob es der Pitch sein könnte. Aber warum? Nein, nach vielen Ideen kann es das nicht sein, etwas anderes fiel auf und wurde sofort klar: Die hochgelobte Motorkontrollsteuerung mag den Hi-Fi-Enthusiasten glücklich machen, den DJ nicht. Wieso? Nun, die extrem präzise Kontrolle der Drehgeschwindigkeit ist schön und gut, doch was passiert, wenn eine manuelle Einwirkung auf den Plattenteller stattfindet? Was, wenn der DJ den Plattenteller mit der Hand ein wenig bremst oder abschiebt? Bei einem MK bisher passiert nichts. Der Motor läuft unbeeindruckt weiter und man kann mit einem solchen Eingriff den Beat anpassen. Der GR jedoch ist technisch versiert, stellt diese Veränderung umgehend fest und wir durch Abbremsen des Motors oder durch Ausüben von mehr Kraft versuchen dieser Auswirkung von außen entgegen zu wirken. Im Klartext: Der DJ bremst, der Motor beschleunigt. Mir selbst ist es im Test nicht aufgefallen. Vielleicht, weil ich man es erst beim längeren Spielen merkt, vielleicht, weil ich nur einen GR stehen hatte und nicht zwei, oder vielleicht auch, weil es nicht jedem auffällt. Wie auch immer, man muss leider sagen, dass diese Kontrollsteuerung wunderschön ist, für DJs jedoch leider Mist. Und zwar so großer Mist, dass man dies abschalten können müsste. Hier hat Technics leider einen Bock geschossen, gepennt beim Wechsel von den Hi-Fi G-Modellen zum GR oder den GR zu wenigen oder keinem DJ vor die Hände gestellt über einen ausreichenden Zeitraum."

    Profilbild von Dirk Duske

    Dirk Duske sagt:

    #1.1 - 13.01.2020 um 20:43 Uhr

    0

    Lieber Daniel,zunächst vielen Dank für deinen Kommentar. Ich gebe ich dir zum Teil recht, denn im Vergleich zum MK2-Modell geht Pitch-Bending am Plattenteller etwas schwerer von der Hand. Da das Drehmoment der SL-1200/10GR nur 2,2 kg/cm beziffert, wird dies vermutlich die genannte Stabilisierung verursachen. Trotzdem würde ich nicht behaupten, dass das Beatmatching generell nicht geht. Ich habe soeben gleich mal ein paar Platten aufgelegt, denn ich bin selbst im Besitz zweier GR-Modelle. Wer vom MK2 kommt, muss sich zunächst etwas daran gewöhnen, aber Beatmatching funktioniert trotzdem, genauso wie das Pitch Riding.Beste Grüße
    Dirk

    Antwort auf #1 von Daniel Fritschi

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