Studiostandards: Sprechermikrofone

Es gibt unzählige verschiedene Mikrofone, mit denen man die gesprochene Stimme aufnehmen kann. Genauer gesagt wäre es einfacher darzustellen, welche Mikros sich schlecht eignen, als welche prinzipiell geeignet sind – denn das sind die meisten.

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Inhalte
  1. Electro-Voice RE-20
  2. Shure SM7B
  3. Coles 4104
  4. Neumann U 87
  5. Schoeps Colette CMC64 etc.

Und dennoch haben sich einige Klassiker etabliert. Das sind höchst unterschiedliche Modelle mit sehr verschiedenen Konzepten und sehr unterschiedlichen Klangeigenschaften. Dass sich einige Mikrofone zum Studiostandard entwickelt haben, hat unter anderem ganz banale Gründe: Es gibt einige von ihnen schon lang – sehr lang.

Electro-Voice RE-20

Ein sehr bekanntes, oft verwendetes und markantes Sprechermikrofon ist das Tauchspulenmikrofon Electro-Voice RE-20 Dieses wird „top fire“ betrieben, wenngleich es einige Berichte, Fotos und Videos gibt, auf denen es wie ein typisches Großmembran-Kondensatormikrofon seitlich adressiert wird. Ein Clou des Mikrofons ist das „Variable Distance“-Prinzip. Der bei richtenden Mikros auftretende Nahbesprechungseffekt, der eine Bassanhebung bei kurzer Distanz zwischen Schallquelle und Mikrofon bewirkt, stört dann, wenn er sich durch nicht gleich bleibende Abstände ändert und somit das Klangbild variiert. Ein ausgeklügeltes akustisches System erlaubt es, dass das EV RE-20 recht verzeihend ist, wenn der Sprecher sich bewegt. Zudem ist es für ein dynamisches Mikrofon recht rauscharm und zuverlässig.
Klangeigenschaften EV RE-20: nicht zu bassig, für ein Tauchspulenmikrofon sehr etailliert, natürlich
Electro-Voice RE-20 im Test
Electro-Voice RE-20 im Thomann-Shop

Beliebtes, aufgrund von Variable-D wenig überbassendes Mikrofon
Beliebtes, aufgrund von Variable-D wenig überbassendes Mikrofon

Shure SM7 B und andere Unidyne-III-Mikros

In Europa ist das Shure SM7B ein Spätzünder, vor allem in den USA ist das große dynamische Mikrofon sehr bekannt und verbreitet – und eines der beliebtsten Radiosprecher-Mikrofone. Es besitzt einen praktischen Büge zur Aufhängung an einem Arm, wie er in Radiostationen gerne zum Einsatz kommt. Gerne wird von den elektrischen und akustischen Möglichkeiten zur Klangformung Gebrauch gemacht. So gibt es wie bei vielen anderen Mikrofonen ein Hochpassfilter, um ein zu bassiges Signal zu entschärfen. Allerdings ist die Gefahr nicht so groß wie beim nah verwandten Shure SM58, da schlichtweg ein Metallkäfig einen bestimmten Mindestabstand von Schallquelle zur Membran vorgibt. Ein weiteres Filter ist ein zuschaltbarer Präsenz-Boost. Beide sind auf der Rückseite schaltbar und lassen sich mit einer Blende verdecken. Das ist ein klarer Hinweis auf die professionelle Broadcast-Ausrichtung, da dort die Techniker verhindern wollen, dass Sprecher am Sound herum“pfuschen“ können. Eine weitere Eingriffsmöglichkeit ist die Verwendung unterschiedlich geformter Wind-/Poppschutze aus Schaumstoff. Fun Fact: Im Shure SM7B kommt die Unidyne-III-Kapsel zum Einsatz, die auch bei Shure SM58, Shure SM57 und sogar den 55er-Mikrofonen („Elvis-Mikros“) verwendet wird – alte Allrounder-Mikrofone, die es als Sprechermikrofone beinahe mit auf diese Liste geschafft hätten. Und noch ein Umstand, den nicht jeder kennt: Diese in den USA nicht nur vom jeweiligen Präsidenten benutzten Mikrofonpärchen sind Shure SM57! Mit dem Wind-/Poppschutz A2WS sind sie jedoch nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen.
Klangeigenschaften Shure SM7B: kernig, durchsetzungsfähig

Shure SM7B im Test
Shure SM7B im Thomann-Shop

Auf der Rückplatte des hier abgewandten SM7B erkennt man die Filtermöglichkeiten.
Auf der Rückplatte des hier abgewandten SM7B erkennt man die Filtermöglichkeiten.

Coles 4104 

Jeder kennt die ausladenden RCA-Bändchenmikrofone aus alten amerikanischen Filmen. Es gibt sie wieder sehr originalgetreu von Wes Dooleys Firma AEA, es ist aber selten, dass diese Mikros heutzutage wirklich für Sprache genutzt werden. Anders das Coles 4104: Das kauzige 4104 stammt von der (natürlich englischen…) Firma, die für das nicht minder kauzige 4038 verantwortlich zeichnet. Das Coles 4104 muss in der Hand gehalten werden, ein Formstück wird zwischen Oberlippe und Nase gehalten, um einen immer gleichen Einsprechabstand und -winkel zu erhalten. Das sorgt bei einem Achter-Bändchen natürlich für einen enormen Nahbesprechungseffekt. Geliebt wird es von Kommentatoren auch außerhalb des Studios in Sprecherkabinen im Sport und im Außenbereich, weil es auch sehr windunempfindlich ist.
Klangeigenschaften Coles 4104: weich, warm, intim, „staubig“
Coles 4104 im Thomann-Shop

Neumann U 87

Für viele ist das Neumann U 87 das Mikrofon für Sprache schlechthin. Es ist auch kaum zu beziffern, wie viele Radiosendungen, Hörspiele und Filmsynchronisationen mit diesem Großmembran-Kondensatormikrofon bestritten wurden. Zwar sind Kondensatormikrofone durch die sehr leichte Membran deutlich detaillierter als Tauchspulenmikrofone, aber als Großmembraner sind sie meist nicht so höhenreich wie Kleinmembraner. Die Verbreitung von Tauchspulenmikrofonen zeigt jedoch, dass es nicht unbedingt auf das letzte, klare Detail und ein riesiges Spektrum ankommt, wenn Sprache aufgenommen oder gesendet werden soll.Das U 87 ist quasi ein „Vorbild“ für sehr viele andere Großmembran-Kondensatormikrofone XLINKX, die insgesamt durchaus unterschiedlich klingen können. Als angenehm empfunden wird bei vielen derartigen Mikrofonen, dass die Schärfe ein wenig zurückgenommen ist – hier unterscheiden sich grob Instrumental- von Sprach-/Vocal-Mikrofonen.
Klangeigenschaften Neumann U 87: hoch detailliert, neutral
Neumann U 87 im Test
Neumann U 87 im Thomann-Shop

Bekannter Anblick (und oft kopiert): Neumann U 87 mit Spinne
Bekannter Anblick (und oft kopiert): Neumann U 87 mit Spinne

Schoeps Colette CMC64 und andere Kleinmembran-Kondensatormikrofone

Als Sprechermikrofone eignen sich auch Kleinmembran-Kondensatormikrofone. Besonders Schoeps’ Colette- und CCM-Serie ist hier zu nennen, denn sie waren lange beispielsweise allabendlich in der Tagesschau zu sehen und sind weiterhin auch sehr verbreitet im Broadcast und in hochwertigen Konferenzanlagen. Schoeps-Mikrofone zählen zu den natürlichsten Mikrofonen. Schoeps ist für seine Kugeln sehr geschätzt, die richtenden Mikrofone zählen unter Tontechnikern aber zu den neutralsten verfügbaren Wandlern dieser Gattung.
Aus dem Bundestag und verschiedenen Landtagen bekannt sind die KEM-Mikrofone von Microtech Gefell. Dieses mit Kleinmembran-Kondensatorkapseln bestückte Array besitzt horizontal betrachtet eine Niere, vertikal aber eine Keule. Das erlaubt es, dass sich Sprecher horizontal hin- und herbewegen, der Klang aber möglichst gleich bleibt. Besonders für mikrofon-ungeübte Sprecher kann das wichtig sein, wird aber eher in Konferenzen und weniger im Studio benutzt. Entwickelt und gefertigt wird das KEM in der thüringischen Kleinstadt Gefell – wo übrigens auch das Georg-Neumann-Museum steht. Dort ist auch ein KEM-Prototyp ausgestellt.
Klangeigenschaften Schoeps Colette CMC64: äußerst neutral, immens detailliert
Schoeps Colette Test
Schoeps Colette im Thomann-Shop

Modulares Schoeps-Kleinmembranmikro mit Windschutz
Modulares Schoeps-Kleinmembranmikro mit Windschutz

Vergleich von 9 Broadcastmikrofonen mit Tauchspulentechnik:

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