Stems erstellen mit dem Native Instruments Stem Creator Tool

Wer schon einmal einen eigenen Song produziert hat, weiß, dass sich dieser aus mehreren Einzelspuren zusammensetzt. Fasst man nun mehrere dieser Spuren zusammen und nimmt sie als eine neue wieder auf, spricht man von einer Stem. Oftmals werden mehrere Stems von einem Track hergestellt und in ein professionelles Mastering-Studio geschickt, um dort aus den Einzelteilen das perfekte Gesamtwerk mischen zu lassen. Native Instruments dachte sich, warum nehmen wir nicht ein Dateiformat, das mehrere Daten in einem Container abspeichert und DJs während eines Gigs Zugriff auf einzelne Instrumente gewährleistet?

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Gedacht, getan. Aus einer MP4 wird das neue Stem-Format. Es beinhaltet neben der Original-Stereospur, den Meta-Tags und dem Cover-Bild auch vier weitere, frei belegbare Audiospuren, die in der Regel natürlich aus vier Gruppenspuren des Original-Songs bestehen. Das Stems Creator Tool soll euch ferner dabei helfen, Kompression und Lautheit im Vergleich zum Master anzugleichen und das ganze Paket in eine fertige Datei zu packen.

Native Instrumemnts Stems Creator Tool
Native Instrumemnts Stems Creator Tool

Eines gleich vorweg: Native Instruments stellt die Nutzung des Dateiformates offen zur Verfügung, das heißt, dass Anwender und Hersteller keine Lizenzgebühren zur Verwendung der Stems-Technik zahlen müssen. Außer Traktor und Flow 8 Deck gibt es allerdings im Moment noch keine weiteren Programme, die dieses Format decodieren, also im vollen Umfang verwerten.
Eine MP4-Datei sollte eigentlich jedes aktuelle Betriebssystem von Hause aus abspielen können. Neuere Pioneer DJ CDJ-Player können dies ebenfalls. Aber auch hier wird lediglich der erste Stream – und das ist der Original-Titel – über die Lautsprecher hörbar. Wer indes eine Stems-kompatible DJ-Software und den dazugehörigen DJ-Controller besitzt, der Multitrack-Audiodateien kontrollieren kann, kommt in den Genuss, einzelne Spuren mehrerer Titel frei in einem DJ-Mix zu kombinieren. Somit entstehen Live neue Kreationen, vielleicht auch Remixes des gespielten Tracks. Wie das funktioniert, könnt ihr in unserem Traktor Crashkurs #4nachlesen. Mittlerweile erstellen etliche digitale Labels Tracks im Stems-Format, die ihr in den großen digitalen Läden (außer iTunes) zu einem etwas höheren Preis, verglichen mit MP3 oder unkomprimiertem WAV/AIFF, kaufen könnt. Der Preis eines Stems-Songs liegt zum Beispiel bei dem Download-Portal „whatpeopleplay.com“ bei 2,99 Euro. Derselbe Titel im MP3-Format kostet 1,39 Euro. Kodiert wird die Stems-Datei in 256 kbps AAC oder in ALAC (Apple Lossless Audio). Vorsicht! Letzteres ist nicht auf älteren Windows-Systemen abspielbar.
In der Praxis werden DJs mehr und mehr zum Live-Performer, denn Einzelspuren, teilweise sogar einzelne Instrumente, extrahieren sie aus einem Titel, aus dem in einem Mix mit Stems eines anderen Tracks etwas komplett Neues entsteht. Das Mixen mit Stems-Dateien macht definitiv viel Spaß und erweitert das Spektrum durch die einhergehende Flexibilität ungemein. Aber ist das noch die klassische Arbeit eines DJs? Und will ein Musikproduzent nicht, dass sein Gesamtwerk dem Publikum präsentiert wird, anstatt nur Fetzen davon? Das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden, also kommen wir nun zur Erstellung eines eigenen Stems-Tracks. 

Die Vorbereitung des Tracks

Ich nutze für die Erstellung meines Minimal Techno Titels einen Mac Pro mit der DAW Ableton Live 9.5. Natürlich funktioniert das mit jeder anderen DAW in ähnlicher Weise. Zuerst muss ich natürlich einen Song komponieren und den Mix soweit finalisieren, dass ich das Premaster für einen folgenden Mastering-Prozess fertigstellen kann. Ist diese Stereo-Audiodatei aufgenommen, kreiere ich in Live vier Gruppen. Diese vier Gruppen stellen die vier Audiostreams dar, die ich neben dem Original-Master in die Stems-MP4 lege. Es bleibt mir überlassen, wie und was ich den Nutzern meines Stems zur Verfügung stelle. Üblicherweise sind elektronische Club- und Dance-Tracks in „Drums“, „Bass“, „Melody“ und „Vox“ aufgeteilt. Das ist für meinen Titel nicht machbar, da ich weder Gesang noch eine Melodie verwendet habe.
Ich entscheide mich für „Drums“, „Bass“, „Percussions“ und „FX“. Und los geht es mit dem Sortieren. Kick, Closed Offbeat Hihat, Hihat Add Ons, Clap und Shaker bilden meine Drums-Gruppe, die beiden Bassline-Spuren verschwinden in der Bass-Gruppe, die charakteristischen Hauptelemente und Percussion Sounds liegen in der Perc-Gruppe und die restlichen Spuren, also Atmosphären Sounds, Effekte, Sweeps und Noise-Crashes, kommen in die FX-Gruppe. Um den Überblick nicht zu verlieren, färbe ich die Gruppen analog der sich schon in etwa „eingebürgerten“ Stems-Farbgebung ein. An diese Farbgebung muss man sich nicht halten, ist aber, gerade wenn man sich am Markt mit eigenen Stems-Versionen etablieren will, von Vorteil. Der DJ verliert bei einer einheitlichen Farbgebung während des Auftritts nicht die Übersicht über die Spuren des Songs, beispielsweise Drums in rot, Bass in violett, Synths (oder Hauptinstrumente des Songs) in Grün und FX in Orange. 
Der Masterregler sollte bei dem folgenden Vorgang, also dem Export der Audiodateien, auf 0dB FS stehen und nicht mehr bewegt werden. Meinen Equalizer, der sich mit meinen Mastering-Einstellungen auf dem Masterkanal des Tracks befindet, deaktiviere ich während der Erstellung der Gruppenspuren nicht. Einzig die Dynamiksektion, die ich für den Mastering-Vorgang verwende, den Kompressor und Limiter schalte ich ab.
Der Headroom aller Gruppenspuren sollte -6 dB FS (das heißt: auf dem Masterkanal sollten alle Gruppenspuren zusammen nicht unbedingt über die -6 dB ausschlagen und auf keinen Fall übersteuern) nicht überschreiten, da ich ansonsten in dem Stem Creator Tool beim Zusammenmischen Übersteuerungsprobleme erhalte. Zusätzlich kann ein Kompressor und Limiter am Ende der Kette (wird später im Tool angewendet) besser arbeiten, wenn ich mehr Luft in dem Track lasse. Wichtig sind der exakt gleiche Startpunkt und die Länge des Stems, die mit dem Startpunkt und der Länge des Original-Masters übereinstimmen müssen.
Ist das getan, liegen mir fünf gleich große Audiofiles vor, die übrigens in höchstmöglicher Auflösung vorliegen dürfen, um eine verlustfreie Bearbeitung zu gewährleisten. Diese benötigen wir für eine Weiterverarbeitung im Stem Creator Tool.

Die Einteilung in Gruppen in Ableton Live 9.5
Die Einteilung in Gruppen in Ableton Live 9.5

Das Stem Creator Tool

Ladet euch die Software kostenlos auf der Stems-Website (http://www.stems-music.com) herunter. Die Installation der knapp 40 Megabyte großen Datei ist unkompliziert. Nach dem Starten des Stem Creators öffnet sich ein sehr übersichtlich gestaltetes dunkelgraues Fenster, auf dem die wichtigen Elemente zur Erstellung der Datei zu sehen sind. Das obere Drittel befasst sich mit den Meta-Tags des Songs und dem Cover-Bild. Darunter stechen die farbigen Slots der fünf Einzelspuren ins Auge und ein Player-Feld mit einem A/B-Schalter zum Vergleichen der originalen Masterspur und den zusammengemischten Stem-Daten.
Jetzt kommt die Mastering-Sektion für die Einzelspuren, die Dynamics-Sektion. Für unerfahrene Nutzer des Kompressor-Limiter-Gespanns gibt es eine Basic-Variante mit vier Presets „Punchy“, „Crisp“, „Flat“ und „Custom“, sodass für jede Art des Ausgangs-Audiomaterials die richtige Einstellung dabei sein wird. Ihr müsst lediglich, neben der Wahl des richtigen Presets, die Ein- und Ausgangslautstärke, das Mischungsverhältnis zwischen Original und bearbeitendem Sound (Dry/Wet) sowie den Threshold des Limiters, also wie stark sich der Effekt auf die Gesamtlautheit der Summe auswirken soll, einstellen. Anfänger unter euch müssen den Ohren vertrauen und durch ein Hin- und Herschalten zwischen Master und gemischten Stems in einem Vergleich das passende Preset aussuchen und gegebenenfalls einige Parameter angleichen.
Die Expert-Version dagegen erweitert die Parameter, auf die ihr zugreifen könnt. Die Kompressor-Einheit verfügt nun über einen Ein/Ausschalter, Ein-, Ausgangslautstärke, Dry/Wet, Ratio, Hochpass-Cutoff-Filter (ein Equalizer im Sidechain-Eingang des Kompressors zum Minimieren der Kompression bei Kick und Bass), Attack, Release und ein Threshold-Regler.
Der Limiter ist wie folgt aufgebaut: Ein/Ausschalter, Ein-, Ausgangslautstärke, Release, Threshold-Regler und ein Regler für die maximale Obergrenze der Ausgangslautstärke. Somit sollte für jedes Genre und Audiomaterial die richtige Einstellung vorgenommen werden können. Zu guter Letzt gibt es selbsterklärend einen Export- und einen Reset-Button. Schön wäre hier auch ein Mastering-Equalizer in den Profi-Einstellungen gewesen, denn während des Mastering-Vorgangs wird schon ab und an leicht an den Frequenzen gedreht. Professionelle Studios müssen deswegen die einzelnen Spuren getrennt voneinander vorab in einer anderen Software behandeln.
Meine fünf Spuren ziehe ich nun auf die jeweiligen Slots des Stem Creator Tools. Ich benenne die Slot-Beschreibung analog zu meinen Gruppennamen um und trage die Meta-Tags in die vorgegebenen Felder ein. Mein Cover bearbeite ich auf dem Mac in dem Fotoprogramm Affinity Photo (eine kostengünstigere Alternative zu Adobe Photoshop), das die im Download des Stem Creator Tools mitgelieferte PSD-Vorlage für ein Cover liest. Zwei Vorlagen stehen zur Auswahl: für das Tool und für den Shop. Wer die Stems-Audiodatei über einen Musikvertrieb oder direkt an einen Musikshop verdealt, sollte die größere Variante des Covers nehmen. Die Tool-Vorlage ist ausreichend für die abspielende Soft- und Hardware. In dieser Vorlage ist das Stems-Logo in drei Farben (rot, weiß und schwarz) enthalten. Ich exportiere mein Bild als PNG24 Grafikdatei und ziehe es per Drag’n’Drop auf die vorgegebene Fläche des Tools. Die Vorarbeit ist getan, aber die Wichtigste steht noch an: Das Angleichen der Stems an das Original-Master.
Presets finde ich nicht interessant, deswegen schalte ich den Dynamic-Bereich direkt in den Expert-Modus. Wobei ich sagen muss, dass man mit den Vorgaben auch recht einfach und mit einem hochwertigen Ergebnis zum Ziel gelangt. Für meinen Track „Broombeck – The Clapper (Stems Version)“ stelle ich den Kompressor wie folgt ein:

  • Input: +0,5
  • Dry/Wet: 50%
  • Output: +0,5
  • Ratio: 2.0
  • HP Cutoff: 245 Hz
  • Attack: 0,0057 sec
  • Release: 0,30 sec
  • Threshold: -7,4 dB 

Damit erhalte ich eine Gain Reduction von zirka 1 bis 2 Dezibel. Der Limiter arbeitet bei meinem Track wie folgt:

  • Release: 0,050 sec

Das ergibt eine Gain-Reduction von zirka 4 bis 5 Dezibel und im A/B-Vergleich zwischen Originaldatei und Stems-Endresultat ein „fast“ gleiches Ergebnis, das mein Ziel der Arbeit mit dem Stem Creator Tool ist.
Zu guter Letzt genügt ein Klick auf den Export-Button in der Ecke unten rechts und meine Broombeck_TheClapper_Stemsversion.stems.mp4 Datei wird erzeugt. Eventuell erstellte „json“ Dateien, die sich nach dem Export in demselben Ordner wie die Zieldatei befinden, sind nicht wichtig und können getrost gelöscht werden. Diese Dateien befinden sich ebenfalls in dem MP4-Container der Stems-Datei und enthalten die Metadaten des Gesamtpaketes.

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Native Instrumemnts Stems Creator Tool

Wie erwartet spielt iTunes diese Audiodatei ab und zu hören ist das Original-Master. Traktor und Flow 8 Deck decodieren die Stems in ihre Bestandteile. Meine Pioneer DJ CDJ-2000Nexus Player können ebenfalls mit der Datei umgehen. Der Mixsession mit der Stems-Datei meines Techno Tracks The Clapper steht also nichts mehr im Wege.

Fotostrecke: 4 Bilder Traktor DJ spielt Stems einwandfrei ab.

Wer den Track selbst einmal mit Traktor antesten möchte, nur zu: Die dazugehörige Stems-Datei schenke ich euch gegen ein Like dieses Artikels hier.
Viel Spaß damit
Broombeck

Herstellerlink: Native Instruments

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Profilbild von RIKAAR

RIKAAR sagt:

#1 - 09.08.2017 um 12:04 Uhr

0

Hi, also ich versuche vergeblich qualitativ hochwertige Stems in Windows herzustellen, vergebens, die Quali errinnert mich an die Anfangszeit von mp3 96 Kbps maximal...so etwas kann man keinem zumuten vor allem nicht mir selber...Was soll das sein ein Witz?Wer kann denn ernsthaft mit so etwas arbeiten?

    Profilbild von Matthias Heinstein

    Matthias Heinstein sagt:

    #1.1 - 15.12.2017 um 19:42 Uhr

    0

    ja und zwar ein ganz schlechter...um damit arbeiten zu können muss man einen mac haben. die dateien sind sogar auf dem mac noch in vorsintflutlicher 256 kbit aac qualität, also das würde ich selbst wenn ich digital auflegen würde niemals spielen. die windows version produziert mega schlechte files. das ist würd ich sagen ein absolutes armutszeugnis für NI.

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