SSL Fusion Transformer Plugin Test

Nee, haben die nicht? Doch haben sie wirklich! Ich hatte es zwar schon gemutmaßt, vorstellen konnte ich es mir aber nicht, wie die „Fifth Colour of Fusion“ ernsthaft ein eigenständiges Plugin rechtfertigen könnte – schließlich wird sie nur von einer kleinen Taste an der Hardware repräsentiert.

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Aber hier ist er nun, der “1:1 gewickelte 600 Ohm Trafo mit geringer Dämpfung” aus dem Solid State Logic Fusion – als Plugin. Und damit heißt das letzte Plugin aus dem Zyklus: SSL Fusion Transformer Plugin. Und so viel sei verraten, es hat dann doch etwas mehr als nur einen Taster zu bieten!

DETAILS

SS(a)Lami-Taktik

Das SSL Fusion Transformer Plugin ist eine Art Sättigungs-Tool für die Formate VST(3), AU und AAX, das dem Ausgangsübertrager der SSL Fusion Hardware nachempfunden ist. Das Plugin bildet damit den krönenden Abschluss einer Reihe von Softwareprozessoren, die SSL Marketing-schlau über die letzten Monate scheibchenweise aka salamitaktikmäßig released haben.

Fotostrecke: 5 Bilder Der Transformer ist das letzte Plugin der Reihe, welche …

Kleine Physiknachhilfe

Übertrager, umgangssprachlich auch Trafos genannt, sind ein Sonderfall des klassischen Leistungstransformators und werden zur „leistungslosen“ breitbandigen Signalübertragung in der Audio- und Nachrichtentechnik genutzt. Qualität statt Leistung also. Im Prinzip sind es aber auch nur zwei Spulen, die sich den Kern teilen, und zwar hauptsächlich, um galvanisch zu trennen, Gleichspannungen zu unterbinden, Signale zu symmetrieren und vor allem aber, um Impedanzen anzupassen. 

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In High-End-Geräten zählen Übertrager mit zu den teuersten Bauteilen, weil sie hochwertig gebaut doch relativ aufwendig zu produzieren sind. Und sie haben Sound, auch wenn man sie so unauffällig wie möglich bauen möchte. Kaum eine Vintage-Unit kommt ohne sie aus – und obwohl man oft Röhren den edlen Sound nachsagt, sind es meist die Übertrager die für den „runden Sound“ verantwortlich sind. Der entsteht durch die Magnetisierungshysterese und die wiederum sorgt für sanfte Roll-Offs. Ein bisschen THD macht ein Übertrager zwar auch, wirkliche Sättigung geht aber meist nicht von ihm aus, das passiert überlicherweise in den vorangegangenen Ampstufen.

Fotostrecke: 3 Bilder Das schwarze Trafo-Symbol am Fusion packt den Übertrager in den Signalfluss.

Under the Hood

Obwohl im Übertrager grundsätzlich klangmäßig nicht viel passieren soll, ist die physikalische Wahrheit natürlich eine andere. Lundahl sagte dazu einmal: „If you can hear it, it’s not ours.“ Die authentische Simulation eines Übertrages im Grenzfall ist dennoch bei Weitem kein einfaches Unterfangen, ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass aktuelle Vintage-Plugins gerade an diesem Punkt scheitern.
Stumpfe Übertragungsverläufe modeln kann jeder, Nicht-Lineariäten können indes bisher nur genähert werden. Aber ich schweife ab, die Frage lautet eigentlich: Wie gut ist der Effekt hier und wie nah kommt das Plugin an die eigene Hardware? Dazu später mehr in der Praxis, jetzt erstmal weitere “Soft-Facts”.

More than a Button

Die Bedienung des Transformer Plugin ist pragmatisch umgesetzt: Da wäre zum einen das vom Fusion bekannte Trafosymbol, – Spule links, Spule rechts, verbunden durch einen Metallkern – was hier als Bypass-Taster dient. Spielerischer wird es mit dem Amount- und Shine-Regler, wobei AMOUNT der Sättigungskontrolle dient, der also eine Art Drive in den Übertrager hineinführt. An der echten Hardware wird dies schon von den vorherigen Instanzen geleistet, z. B. in Form von Pegelerhöhungen, weshalb ein solcher Regler an der Hardware nicht existent war.

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Der Rest ist „Extra-Schnulli“: Mit SHINE beispielsweise kann man den Höhenanteil dezent runter und hochschrauben. Der verhält sich dann nicht mehr ganz linear und ist auch ausgeprägter als bei einem echten Übertrager – insgesamt bleibt es hier aber recht homöopathisch. Das gilt für den LF EXTEND genauso, der bei Bedarf wiederum den typischen „Bassverlust“ eines Übertragers in der Sättigung kompensiert. Anders gesagt: Sein Einschalten deaktiviert die Simulation dieses Verhaltens, wobei man wieder klar sagen muss: Der Effekt ist deutlich hörbarer als bei echter Hardware und verhält sich dennoch recht dezent in seinen Auswirkungen. 
Input, Output Trim und ein praktischer Dry-Wet-Regler kommen hinzu, genau wie die obligatorischen I/O- und Drive-Lämpchen. Ein Eco-Taster für weniger CPU-Last wie bei den meisten anderen Fusion Plugins gibt es auch, sowie die seit dem letzten Release hinzugekommen und aktivierbaren Mousover-Infos, die bei den wenigen Parametern zwar kein Mensch braucht, genau wie im Übrigen die Presets, aber nun gut. Tut ja auch keinem weh.

Praxis

The Circle is Complete

Das war vielleicht ein Cliffhanger nach dem anderen, also kommen wir zur Sache: Die Plugins sind jetzt endlich alle beisammen und der SSL Fusion als Software-Emulation damit komplett. Die Plugins sind schick designt, gut bedienbar und das modulare Konzept mit Einzel-Plugins macht absolut Sinn: Warum den Signalfluss auch künstlich einschränken? Insofern: Alles richtig gemacht, SSL. 

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Nur, musste jedes Plugin tatsächlich so groß werden beziehungsweise so viel Bildschirmplatz verschwenden? Ich weiß es nicht. Rechnet man den Preis der Einzellizenzen zusammen, kommt man auf stolze 995 Euro. Und für das Doppelte gibt es die echte Hardware! Zwar gibt es regelmäßig krasse Schnapper für ausgewählte Plugins, das 3-für-2-Bundle und außerdem das Abo – aus User-Sicht allerdings trotzdem unnötig sperrig. 
In einem zukünftigen Feature werden wir ohnehin klären müssen, welche Plugin-Abos den besten Mehrwert bieten. So viel sei bereits verraten: Bei Slate und Plugin Alliance gibt es deutlich mehr Plugins für nicht viel mehr Geld pro Monat – ob man die alle wirklich braucht, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt. Ich für meinen Teil mag die übersichtliche SSL-Auswahl sehr, finde alle Plugins ausnahmslos gut, immer pragmatisch umgesetzt und in ihrer Selektion nicht redundant. 

Wie klingt´s?

Ich war mehr als skeptisch, aber das Trafo-Plugin klingt gut und fängt den subtilen Effekt eines Übertragers tatsächlich ein – und man kann im Plugin sogar übertreiben. Obwohl das Wort „Übertreiben“ selbst eigentlich schon die einzige Übertreibung ist, da sich der Effekt wirklich in Grenzen hält – aber manchmal macht eben genau dieser kleine Unterschied den feinen Unterschied. Erstmals waren so auch alle Teile des Fusions komplett nutzbar – und in dieser Umgebung fühlt sich der Trafo wohl, gerade in Kombination mit dem Vintage Drive sowie dem Violet EQ. Die drei machen gut dosiert schon wieder eine Menge aus und außerdem müde Mixe munter! 

Audio Samples
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Heavy Master – All In (Fusion Plugins + Limiter) Heavy Master – No Fusion but Limiter Heavy Master – Fusion no Limiter Heavy Master – no Fusion no Limiter (dry) Ambient – Real Fusion Ambient – Fusion Plugins Heavy – Real Trafo only Heavy – Plugin Trafo only

Hier und da gibt es kleinere Abweichungen in den Plugins, vor allen in der Nutzung. Ich musste den Violet EQ beispielsweise in zwei Instanzen nutzen, um den Fusion nachzubauen, da der Low-Cut vor dem Drive kommt. Die Nutzung der Hardware empfinde durchaus als flinker als mit den vielen Instanzen zu jonglieren, aber das ist mir so auch nur im direkten A/B meines Tests aufgefallen, was in der Praxis so sicherlich kaum vorkommen wird. Insofern war ich überrascht, wie verdammt ähnlich die Plugins zur Hardware klingen. Unterschiede sind natürlich auch in meiner restlichen Kette zu suchen, darunter meine MTI-Kabel, die UA X16 Wandler sowie meine X-Patch64 und die Origin. Es fehlt nicht viel, trotzdem wirkt die Hardware in den Nuancen runder, etwas detalierter gestaffelt und auch weniger gepresst bzw. anstrengend. So werden beispielsweise die Akustikgitarren im Ambient-Mix in der Hardware edel-glasiger. Ob das den ganze Aufwand Wert ist, muss jeder selbst entscheiden. Schön also, dass man die Wahl hat!

Fazit

SSL machte es spannend, aber nun ist die Katze vollständig aus dem Sack. Alle SSL Fusion Colours bzw. Plugins sind jetzt am Start und der finale Vergleich sagt ganz klar: Das ist praktisch dasselbe. Die Nutzung wird im DAW-Kontext durch die Einzelinstanzen flexibler, kostet aber auch ordentlich Bildschirmplatz. So ein 1:1 Fusion Plugin mit allen Farben auf einmal wäre durchaus noch ein nettes Gimmick! Preislich macht der Kauf von Einzellizenzen allerdings kaum Sinn, das ist viel zu teuer! Ich bin mir aber sicher, bald gibt es Deals – und dann heißt es: Zuschlagen! Oder ihr gebt euch das Abo, was durch die Fusions Plugins wirklich toll aufgewertet wurde. 

Pro
  • authentischer Sound
  • erweiterte Klangparameter
  • Vollständigkeit der Serie
Contra
  • hoher Preis der Einzellizenz
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Features
  • Simulation der Übertrager-Schaltung der SSL Fusion-Hardware
  • dezenter analogen Charakter
  • Shine verstärkt oder unterdrückt Höhen sowie feine Phasenverschiebungen
  • Amount regelt die Verstärkung der harmonischen Verzerrungen
  • Mix-Regler
  • LF Extend beseitigt Abschwächung der tiefen Frequenzen
  • ECO Mode reduziert Latenz und CPU-Belastung;
  • Ein- und Ausgang mit Pegelregelung und -anzeigen
  • plattformunabhängige Presetverwaltung und A/B-Vergleich
  • Undo / Redo-Unterstützung
Preis
  • 139,- Euro Straßenpreis (27.Januar 2022)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • authentischer Sound
  • erweiterte Klangparameter
  • Vollständigkeit der Serie
Contra
  • hoher Preis der Einzellizenz
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SSL Fusion Transformer Plugin Test
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