Lange Zeit mussten SSL-Freunde mit Computer-basierter DAW auf VST/AU und TDM-Emulationssoftware der israelischen Audioschmiede Waves zurückgreifen, bis – ja bis SSL selbst – jüngst die DAW-Zügel in die Hand nahm und Duende herausbrachte: ein DSP-gestütztes System, auf dem unter anderem die von den C-Serien Mischpulten bekannten Algorithmen liefen, die wiederum den Klang der XL 9000 K Analog-Konsole emulierten.
Doch nicht jeder Anwender ist unbedingt ein Freund von DSP-Systemen, die aus Herstellersicht zwar einen guten Kopierschutz darstellen, einen modernen Computer jedoch eher bremsen, statt ihn zu beschleunigen. Auch Mitbewerber TC Electronic hat dies erkannt und seine Powercore Plattform “ad acta” gelegt. Hinzu kam, dass zu den DSP-Duende Treibern nicht nur Gutes zu hören und zu lesen war, sodass sich die britische Firmenzentrale letztendlich komplett gegen das DSP-Relikt entschied. Duende, jetzt also vollkommen nativ? Wir sind gespannt.
Die gute Nachricht zuerst: Wer sich vor nicht allzu langer Zeit eine DSP-Version und weitere Duende Plug-ins zugelegt hat, bekommt die neue Hardware-freie Version kostenlos im Austausch, oder wie man im modernen Denglisch sagen würde, “ge-cross-graded”. Geld gibt’s nicht zurück, und auch der Weiterverkauf der alten Duende ist praktisch nutzlos. Weitere Information dazu gibt es hier!
All jene Anwender, die jetzt neu investieren, haben hingegen die Wahl, sich entweder individuell über den Online-Shop von SSL mit Einzellizenzen zu versorgen oder aber die im Fachhandel angebotenen und preislich vorteilhafteren Bundles zu erwerben. Gegenüber der alten Hardware-Version wurde der Preis dabei um rund ein Drittel gesenkt.
Zur Auswahl stehen das “Essential Bundle”, das die SSL-Klassiker EQ und Dynamics Channelstrip (mit E-Serie und G-Serie EQ-Charakteristik) sowie einen Stereo Buskompressor beinhaltet und preislich in etwa mit den Waves Plug-ins gleich auf ist, sowie das “Studio Bundle”, das den Inhalt um die Produkte X-EQ, X-Comp, Drumstrip und Vocalstrip erweitert.
Momentan nur einzeln erhältlich und damit auch für Bundles nur zusätzlich hinzu zu kaufen: das X-Verb genannte Reverb.
Klassischer SSL-Kanalzug mit zwei vollparametrischen Mittenbänder, jeweils einem halbparametrischen Hoch- und Tiefband, welches zwischen “Shelving” und “Glocke” umgeschaltet werden kann, einem Hoch- und einem Tiefpassfilter sowie einem Compressor mit Gate/Expander. Alle Effekte sind einzeln zuschaltbar. Als besonderes Schmankerl präsentiert sich die umschaltbare Charakteristik (“E-Series” und “G-Series”), die steilere Filterflanken für drastischere Eingriffe liefert.
Der Kompressor verfügt über zwei fest eingestellte Attack-Settings (“fast” und “normal”) und kann mit einem Threshold von -20dB bis +10dB angefahren werden. Die Ratio ist von “eins bis unendlich” regelbar und das Release von 0,1 s bis auf 4 s einstellbar. Außerdem lässt sich die Signalreihenfolge von EQ und Kompressor vertauschen, sowie das Filter und den EQ optional in den Sidechain des Kompressors schalten, um das Steuersignal bei Sidechain-Komprimierungen genauer definieren zu können. Eine Vorhörfunktion ist ebenfalls vorgesehen.
Bus-Compressor:
Der Bus-Kompressor schlechthin. Er stammt ursprünglich aus der Mastersumme der Solid State Logic SL 4000 G Series Console, macht aber auch in Subgruppen und auf Einzelsignalen wie Bass viel Spaß.
Rein optisch ist er zwar als nur ein Kompressor wahrnehmbar, im Hintergrund arbeiten tatsächlich aber zwei Kompressoren in Reihe.
Mit den klassischen Parametern wie Threshold (+/- 20 dB), Make-Up (-5 dB bis + 15 dB), Attack (0,1ms, 0,3ms, 1ms, 3ms, 10ms, 30ms), Release (0,1s, 0,3s, 0,6s, 1,2s, Auto) und drei fixen Ratios (1:2, 1:4, 1:20 ) ausgestattet, bietet er aus bedientechnischer Sicht zwar keine Überraschungen, ist dementsprechend aber auch schnell konfiguriert.
Auf den überflüssigen Analog-Schalter der Waves Plug-ins, der analoges Rauschen hinzufügte, wurde konsequenterweise verzichtet. Denn mal ehrlich, wer bitte schaltet Rauschen hinzu?
X-EQ:
Der X-EQ ist im Gegensatz zu den traditionellen, musikalischen SSL EQs ein echter Rationalist: Zehn Bänder, davon sechs vollparametrisch, mit umfangreich verstellbaren Charakteristiken, jeweils ein High- und einen Low-Shelf, sowie ein HF- und ein LF-Cut-Filter mit weiteren Charakteristiken stehen in jeder Instanz zur Verfügung. Gewisse Ähnlichkeiten zum Algorithmix Classic Blue PEQ sind nicht zu leugnen.
Das analytische Gesamtbild wird optisch außerdem von einem Frequenz-Analyzer unterstützt. So ausgestattet ist von filigranen bis hin zu drastischen Eingriffen, nahezu alles möglich – außer Linear-Phase eben. Aber vielleicht gibt es ja bald auch eine Portierung des Algorithmix LinearPhase Red bzw. Orange PEQs.
3/3 … und hier die verschiedenen Filter-Charakteristiken
X-Comp:
Auch das X in X-Comp steht für moderne Klangbearbeitung ohne überflüssige Vintage-Look-Romantik: Neben den klassischen Kompressor-Parametern bietet er vor allem nette Visualisierungen und mit dem LF und HF Bleed auch eine nicht ganz alltägliche Schaltung, um Tiefen und Höhen unkomprimiert hinzu mischen zu können.
Drumstrip:
Ein weiterer Kanalzug, der – ganz praxisorientiert – die wichtigsten Züge der Schlaginstrumenten Bearbeitung vereinigt: ein komplexes Gate, für alle, die sich zu bequem zum Schneiden sind, ein Transienten-Shaper für mehr “Knack”, einen HF- und einen LF-Enhancer für mehr Wärme und Druck, sowie den Listen Mic “Alles-platt-Macher” Compressor. Die Reihenfolge der Module lässt sich dabei uneingeschränkt variieren, sogar Parallelbetrieb mit Mischungsverhältnis ist vorgesehen.
Vocalstrip:
Bei SSL arbeiten echte Pragmatiker: Der Vocalstrip bietet mit einem De-Esser, De-Ploser (De-Plop), Equalisation genannten Vocal-EQ mit einen Low-Cut, einmal Notch (hohes Q) und einmal Glocke (geringes Q), FFT-Analyzer und einem Compander genannten Compressor/Expander nahezu alles, was man sich für die Stimmenbearbeitung wünscht. Auch hier kann die Reihenfolge der Module nach Herzenslust getauscht werden.
X-Verb:
Der X-Verb ist ein umfangreicher algorithmischer Hallprozessor, der detaillierte Early Reflections und Reverb Einstellungen zulässt. Ohne an dieser Stelle nur annähernd auf seine Details einzugehen, sei bereits jetzt erwähnt, dass auch er A/B-Settings bietet, zwischen denen sogar stufenlos überblendet werden kann.
Alle Plug-ins, außer dem Reverb, liegen sowohl in Stereo- als auch in Mono-Versionen vor, so dass knappe Ressourcen geschont werden können.
Als Plug-in Standard stehen VST 2.4 und AU zur Verfügung, RTAS gibt es hingegen nur über Wrapper. Eine TDM-Versionen wird weiterhin nur von Waves angeboten.
Im Gegensatz zum DSP-Vorgänger erwies sich Duende Native bei der Installation als völlig unkompliziert und zu 100% funktionsfähig. Die Plug-ins waren schnell aktiviert, wobei das Autorisieren dabei sowohl lokal auf einem Rechner, als auch auf einem Codemeter USB-Dongle möglich ist. Das Codemeter ist eine Alternative zum Pace iLok und wird bereits von Firmen wir Propellerhead und Algorithmix verwendet.
Die Bedienoberfläche aller Plug-ins ist durchweg übersichtlich und logisch gestaltet, so dass der Blick entspannt auf dem Bildschirm bleiben kann und sich ein Blick ins Handbuch oft erübrigt. Gegenüber der vertikalen Ausrichtung des SSL Channels von Waves finde ich die horizontale Ausrichtung von SSL selbst viel angenehmer und übersichtlicher – auch weil die SSL Plug-ins eine Spur größer sind.
Als Vintage-Look Verneiner finde ich die neueren Plug-ins wie X-Comp und X-EQ persönlich natürlich viel schöner, aber das ist wie immer reine Geschmackssache. Dennoch hätte die Darstellung aller Plug-ins gerne etwas größer ausfallen können.
Einige Plug-ins bieten nette Zusatzfunktionen wie das A/B-ing, bei dem zwei verschiedene Plug-in Einstellungen gespeichert und miteinander verglichen werden können. An sich eine nette Sache, warum man diese Funktion aber nicht konsequenterweise auch in den Classic Plug-ins verbaut hat, bleibt ein Rätsel. Auch dass die Filterpunkte im Vocalstrip nicht zusätzlich in der Frequenzgang-Grafik verschiebbar sind, leuchtet nicht ganz ein.
Immerhin kann man aber das Mausrad zur Bedienung hinzuziehen. Auch das Feinjustieren mittels gleichzeitig gedrückter Shift-Taste ist möglich. Bei gedrückt gehaltener Strg-Taste hingegen springt der anvisierte Parameter „auf Klick“ in seine Default-Stellung, sprich Null, zurück. Bei dem X-EQ funktioniert die Shift-Taste in der Frequenzgang-Grafik übrigens als Umschalter zwischen Gain und Q-Anpassung (bei y-Bewegungen der Maus). Echt praktisch.
Genauso praktisch finde ich die “Spezial Plug-ins” wie Drum- und Vocalstrip. Obwohl die Namen einem schon gewisse Einsatzorte nahelegen, ist man natürlich auch hier gut beraten, umfangreich zu experimentieren. Den Drumstrip find ich z.B. auch auf Bässen gut, denn gerade frequenzabhängige Verzerrungen wirken hier manchmal Wunder. Das Funktionsangebot ist an sich zwar relativ knapp bemessen, dafür aber auch leicht verständlich und musikerfreundlich gehalten. Es gibt also keine Schalter und Regler, bei denen scheinbar nichts passiert.
Mit dem Vocalstrip kommt man an sich schon sehr weit. Dennoch sollte man nie in Preset-Routine verfallen, denn auch der EQ und Dynamics Channel machen sich bei Vocals verdammt gut. Wer die Wahl hat, hat die Qual …
Nichtsdestotrotz gefällt mir die Frequenzlimitierung des Vocalstrip-Filters nicht. Manchmal will man eben doch noch unter 200 Hz “notchen”. Und wenn einem dann der Software-Regler einen Strich durch die Rechnung macht, ist das natürlich irgendwie ärgerlich.
Andererseits hat man für solche Zwecke dann ja auch noch den X-EQ, der Parameter-seitig keine Wünsche offen löst. Seine zehn Bänder lassen auch aufwendigste Entzerrung zu, so dass man kaum nachgeschaltete Instanzen braucht. Die verschiedenen Charakteristiken sind eine nette Sonderfunktion, wobei jedoch sicherlich nicht jeder auf Anhieb die Unterschiede hören wird.
Die EQs zeigen unter normalen Arbeitsbedingungen keinerlei Artefakte und “klingeln” selbst bei hohen Q-Faktoren überraschend wenig, wodurch sie sich auch für Mastering Anwendungen anbieten. Für die vollste Zufriedenheit hätte ich mir jedoch noch einen Linear-Phase EQ gewünscht.
Zum Thema Komprimierung muss man bei SSL eigentlich keine weiteren Worte verlieren, unzählige “SSL-Bus-Compressor-verdichtete” Nummer Eins Hits der letzten Jahrzehnte weltweit sowie zahlreiche Nachbaupläne des Kompressors im Netz sprechen eine klare Sprache. Und auch ich muss zugeben, dass der SSL Bus Compressor der von mir am häufigsten eingesetzte Effekt ist.
Der X-Comp ist hier eine tolle Ergänzung, da er noch subtiler, aber auch brachialer eingesetzt werden kann. Doch hört am besten selbst
Wie ihr sicherlich gemerkt habt, habe ich in einigen Beispielen als letztes Glied der Signalkette, den X-Verb, mit ins Spiel gebracht. Dieser algorithmische Reverb ist sehr umfangreich ausgestattet und lässt viele Detaileinstellungen zu. Ob man diese jedoch alle definieren will, ist eine andere Sache. Ich lob mir da meinen Softube TSAR-Reverb, der es auch mit unter zehn Parametern schafft, authentische Räume zu simulieren.
Insgesamt ist festzustellen, dass alle Plug-ins sehr sauber und transparent arbeiten – solange man das will. Auch bei drastischen Einstellungen kann SSL voll überzeugen. Besonders bei heftigerem Bassmaterial und schnellen Regelvorgängen neigen ja gerade Software-Kompressoren schnell zum Verzerren, nicht so die SSL Verdichter. Hier wird auf Weltniveau komprimiert.
Und das Wichtigste natürlich zum Schluss: Alle Plug-ins sind bei mir nicht ein einziges Mal abgestürzt. Zudem gehen sie sehr sparsam mit Ressourcen um – die DSP-Beschleunigung vermisst sicherlich keiner.
Gute Plug-in Arbeit erkennt man am Bypass-Schalter: Ist er gedrückt, sollte alles flach und irgendwie “unfertig” klingen, dann hat man alles richtig gemacht. Und genau hier zeigt sich die größte Stärke von SSL: Unauffälligkeit. Ist der Bypass-Schalter betätigt, weiß man, welche Wunder hier gerade vollbracht werden: Kraftvolle Eingriffe ins Frequenzgeschehen sind ohne Färbungen möglich. Dabei erfahren alle Signale eine gewisse Luftigkeit. Alle getesteten Plug-ins konnten in ihrer Qualität zu 100% überzeugen und haben in jedem gut sortierten Audio-Werkzeugkoffer absolute Daseinsberechtigung. Gerade die einsatzspezifischen Plug-ins wie Vocalstrip und Drumstrip sind echte Pragmatiker, die man, hat man sie erst einmal im Besitz, garantiert nicht mehr missen möchte. Die größten finanziellen Sparmöglichkeiten ergeben sich wie immer beim Kauf eines Bundles. In Anbetracht des Gegenwerts, den das “Studio Bundle” liefert, kann man sogar vom “Schnäppchen” sprechen – vor allem, wenn man bedenkt, dass Algorithmix für seinen Blue PEQ allein das selbe Geld verlangt. Kaufempfehlung!
PRO
SSL-Sound
transparent und hochwertig
flexibel und akribisch zugleich
läuft stabil & Ressourcen-schonend
Contra
Familienzugehörigkeit aller Plug-ins könnte bedientechnisch mehr vereinheitlicht werden
Features:
SSL DUENDE NATIVE BUNDLE
VST und AU Audio Plug-in Suite
Essential Bundle enthält: Classic SSL Channel Strip und Stereo Buskompressor
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