Anzeige

Sony ECM-100U und ECM-100N Test

Die Marke Sony kennt jeder. Handys, Laptops, Kameras und viele andere Produkte aus dem sogenannten Consumer-Electronics-Bereich hat der japanische Hersteller im Programm. Dass man eine Pro-Audio-Entwicklungsabteilung nebst zugehöriger Fertigungsstätte betreibt, wissen hingegen nur studiophile Insider.

Die beiden Mikrofone im Sortiment genießen zwar ein hohes Ansehen unter professionellen Anwendern, sind in Europa aber nur schwer zu bekommen. Eines dieser Modelle – das C800 Röhrenmikrofon – kostet zudem soviel wie ein Kleinwagen. Zur NAMM Show 2018 hat man nun drei nagelneue Schallwandler vorgestellt, welche nach dem Sony-eigenen „Hi-Res Audio“-Standard konzipiert wurden. Zum Test statteten uns zwei der Modelle, nämlich das Kugel-Mikro ECM-100N und das Nieren-Mikro ECM-100U, einen Besuch ab.Es gibt auch ein Hi-Res-Mikrofon mit umschaltbarer Charakteristik. Das Sony C-100 hatten wir schon getestet.
Hi-Res steht natürlich für High-Resolution, und man ist schnell geneigt, diese beiden Worte als übliche Marketingphrase abzutun. Wären da nicht die Datenblätter und Produktbeschreibungen, welche den Mikrofonen einen Frequenzgang bis hinauf zu 50.000 Hertz bescheinigen. Das ist jedoch noch nicht alles, denn die Übertragungskurve soll zudem weitgehend linear verlaufen. Maximaler Realismus und extrem schnell Transientenwiedergabe standen bei der Entwicklung im Lastenheft der Ingenieure. Kleinmembranstäbchen sind prädestiniert für die Aufnahme von Instrumenten. Daher habe ich die Testobjekte am Schlagzeug und an der Akustikgitarre auf Herz – Entschuldigung, Kugel – und Niere getestet.  

Details

Unscheinbar, kompakt und sehr gut verarbeitet

Äußerlich nahezu identisch präsentieren sich unsere beiden Testobjekte. Nur zwei Dinge deuten darauf hin, dass es sich technisch um ungleiche Zwillinge handelt. Da wäre zunächst der Buchstabe am Ende der Typenbezeichnung. N steht für Non-directional, also eine Kugelcharakteristik, U bedeutet Uni-directional, das Mikro „hört“ Nieren-förmig. Dies wiederum bedingt den einzigen optischen Unterschied, nämlich die typischen Schlitze im Kapselgehäuse. Zum Lieferumfang gehört – neben dem obligatorischen Papierkram – jeweils ein stabiles und sorgfältig verarbeitetes Transport-Etui, welches per Reißverschluss geöffnet und verschlossen wird. Neben dem Mikrofon finde ich noch einen Windschutz sowie eine einfache Halterung samt Verkleinerungsgewinde. Diese Gewinde geben übrigens einen ersten Vorgeschmack auf die exzellente Qualität. Denn statt schlichter, verchromter Standard-Versionen kommen hier aus dem Vollen gefräste, sehr handliche Exemplare aus Edelstahl zum Einsatz.
Die Schallwandler selbst könnten unscheinbarer kaum sein. Mit knappen zwei Zentimetern Durchmesser und 13 Zentimetern Länge fallen sie kompakter aus als viele andere Stäbchenmikrofone. Der schwarz lackierte Messingtubus beherbergt am vorderen Ende jeweils ein sich leicht verjüngendes Kapselgehäuse. Ein relativ grobmaschiges Metallgitter soll die Membran vor Außeneinwirkungen schützen. Unter diesem Gitter spannt sich allerdings noch ein wesentlich feineres Drahtgeflecht. Beide Mikrofone verfügen über einen einstufigen Low-Cut sowie über eine schaltbare Pegelabsenkung um minus zehn dB. Die entsprechenden Schieberegler sind versenkt im Gehäuse angebracht, um ein versehentliches Umschalten der Modi zu verhindern.

Fotostrecke: 5 Bilder Links ist das richtende ECM-100U zu sehen, rechts das N.

Hi-Res Audio: Beide Mikrofone können Ultraschall aufzeichnen

Anders als viele hochpreisige Konkurrenten sind die ECM-100-Mikros mit vorpolarisierten Kapseln ausgestattet. Im Gegensatz zu Echtkondensator-Varianten wird die zum Betrieb notwendige Spannung mithilfe einer polarisierten Folie direkt auf die Kondensatorplatte aufgebracht. Es handelt sich also um sogenannte Back-Electret-Mikrofone. Was früher als minderwertig galt, ist heute so ausgereift, dass auch nach langjähriger Nutzung kein Spannungsabfall auftritt. Die technischen Daten beider Testkandidaten lassen sorgfältig entwickelte Komponenten vermuten. Heraussticht allerdings der außergewöhnlich weite Frequenzbereich, der sich von 20 Hertz bis 50.000 Hertz erstreckt. „Super, endlich ein Mikrofon für Delfine, diese Käuferschicht wurde viel zu lange vernachlässigt!“, waren meine ersten Gedanken dazu. Denn der Mensch ist lediglich in der Lage, Frequenzen zwischen 20 und maximal 20.000 Hertz wahrzunehmen, alles andere ist dann also unsinnig, oder? Sony ist da anderer Ansicht, und die physikalischen Erkenntnisse aus der Audiotechnik geben den Konstrukteuren recht. Hier geht es nämlich nicht um das tatsächliche Hören extrem hoher Frequenzen, sondern vielmehr um die Fähigkeit der Technik, Transienten extrem schnell und zeitgenau zu übertragen. Der Kollege Nick Mavridis hat die Thematik im Test des neuen Sony C-100 Großmembran-Mikrofons eingehend beleuchtet.

Fotostrecke: 3 Bilder Nichts Wichtiges fehlt: Hier seht ihr den Lieferumfang.

Hier kommt dann auch das „Hi-Res Audio“-Format ins Spiel, dessen Ansatz ein extrem realistisches Klangbild sein soll. Weniger spektakulär, aber immer noch sehr amtlich geht es bei den restlichen Werten zu. So kann das Kugel-Mikro 145 dB SPL verdauen. Die Nierenversion kommt auf 142 dB. Mit aktiviertem -10-dB-Pad erhöht sich die Schalldruckresistenz entsprechend. Auch der Dynamikbereich kann sich mit 124 dB (ECM-100N) und 121 dB (ECM-100U) durchaus sehen lassen, eine Schoeps MK4 kommt hier auf 132 dB. Auffällig ist der ungewöhnlich tief ansetzende Low-Cut, welcher mit 30 Hertz offenbar nur dafür ausgelegt ist, tieffrequentes Rumpeln aus der Aufnahme fernzuhalten. Zur Begrenzung des Nahbesprechungseffektes beim Nieren-Mikro taugt er offensichtlich nicht.

Fotostrecke: 11 Bilder Nochmal zum Vergleich: Das ist das Sony ECM-100Nu2026
Anzeige

Praxis

Präzise, musikalische Abbildung als Mono-Overheads

Zunächst einmal ist es natürlich etwas schade, dass jeweils nur eines der Mikrofone zum Test vorliegt, andererseits ist eine Beurteilung natürlich auch im Single-Modus möglich. Und so hänge ich die edlen Stäbchen im ersten Durchgang nacheinander über mein Drumset, wo sie sich als Mono-Overheads beweisen müssen. Die Schallquelle besteht aus meinem Sakae Trilogy Kit mit Aluminium-Snaredrum und Paiste-Traditionals-Becken, also eine gute Mischung aus modernem und leicht retro-mäßigem Sound. Als Referenzmikro für das ECM-100U dient mir ein Neumann KM184, welches mittlerweile als Klassiker bezeichnet werden kann und dementsprechend weit verbreitet ist. 

Sony-Stäbchen als Overhead währen der Aufnahmen

Die Spannung steigt also, denn schnelle Transienten kommen beim Drumset ja etliche vor – und genau hier soll sich der neue „Hi-Res Audio“-Ansatz schließlich besonders auszahlen. Und tatsächlich, es funktioniert! Das ECM-100U Nierenmikro klingt wirklich großartig über dem Schlagzeug. Offen, exakt und mit einer hervorragenden Tiefenstaffelung werden Becken und Trommeln abgebildet. Auffällig ist die genaue Abbildung des Verhältnisses aus Transient und Ausklang der Instrumente. Besonders Becken und Hi-Hats sind kritische Instrumente für Mikrofone, weil ihre Höhen schnell harsch oder brüchig klingen. Davon ist beim Sony-Nierenstäbchen nichts zu hören, im Gegenteil: Die Höhen werden so übertragen, wie sie auch im Raum klingen. Das Neumann ist im Vergleich keinesfalls schlecht, kann aber in Punkto Trennschärfe und Realismus nicht ganz mithalten, auch die Höhen wirken etwas weniger exakt. 

Audio Samples
0:00
Sony ECM-100U, Overhead, solo Sony ECM-100U, Overhead, im Kit Neumann KM184, Overhead, solo Neumann KM184, Overhead, im Kit Sony ECM-100N, Overhead, solo Sony ECM-100N, Overhead, im Kit

Wie erwartet, klingt das Omni-Mikrofon ECM-100N räumlicher, Toms und Bassdrum besitzen mehr Tiefenanteile. Im Verbund mit den Close-Mics ergibt sich ein sehr plastischer, gleichzeitig fetter Drumsound. Beeindruckend ist hier, dass wiederum nichts verschwimmt und auch das Signal griffig bleibt. Der „Dosencharakter“ vieler anderer Kugelmikrofone ist nicht vorhanden.

Grandios klingt das ECM-100U auch an der Hi-Hat, die Schalter sind aber ein Ärgernis

Sehr deutlich zeigt sich der Charakter eines Mikrofons als Close-Mic an der Hi-Hat. Auch in dieser Anwendung darf das KM184 als professioneller Standard gelten und so muss es wiederum als Vergleichsmikro herhalten. Und es schlägt sich – wie erwartet – sehr passabel, kann aber auch hier nicht mit dem ECM-100U mitziehen. Denn das klingt einfach ungemein realistisch. Zunächst wirkt es präsenter, weil es die Höhen der Becken scheinbar lauter abbildet. Es wird allerdings schnell deutlich, dass hier Frequenzanteile zu hören sind, die ich auch im Raum beim Spielen genau so wahrnehme. Dadurch ergibt sich ein dreidimensionales Klangbild, was gleichzeitig sehr solide wirkt, ohne dass der Anschlagsklang aggressiv oder spitz klingen würde. Wären wir hier in einem Audioforum, würde sicherlich irgendwann der Begriff „seidig“ fallen. Gleichzeitig klingen Übersprechungen der anderen Instrumente einerseits leiser, andererseits sehr sauber. Eine Traumkombination in dieser Anwendung.
Allerdings gibt es auch eine Schattenseite, denn die versenkten Schalter für das Pad und den Low-Cut sind wenig bedienungsfreundlich ausgelegt. Dass man einen Stift zu Hilfe nehmen muss, ist dabei gar nicht das größte Problem. Ärgerlich ist der Umstand, dass man viel Kraft aufwenden muss, um die Schieber zu bewegen und es keine klare Rückmeldung darüber gibt, ob sie im gewünschten Modus eingerastet sind. In nahezu allen Lichtverhältnissen ist auch kaum zu erkennen, wo sie stehen. Hier sollte Sony nachbessern, denn ein zuverlässiges Umschalten in schwerer erreichbaren Positionen ist so ein nerviges Geduldsspiel.

Klassische Kleinmembran-Aufgabe: Hi-Hat-Recording
Audio Samples
0:00
Sony ECM-100U, Hi-Hat, solo Sony ECM-100U, Hi-Hat, im Kit Sony ECM-100U mit Lowcut, Hi-Hat, solo Sony ECM-100U mit Lowcut, Hi-Hat, im Kit Neumann KM184, Hi-Hat, solo Neumann KM184, Hi-Hat, im Kit

Detailreich und dreidimensional geht es auch an der Akustischen zu

Um die Testkandidaten auch an der akustischen Gitarre beurteilen zu können, habe ich mir wieder den Kollegen Michael Krummheuer eingeladen und ihn gebeten, möglichst identische Figuren zu spielen. Beim Picking zeigt sich die extrem schnelle Transientenwiedergabe der Sony-Mikrofone wieder besonders deutlich, das Anhören der Soundfiles macht wirklich Spaß. Was am Drumset bereits für ein sehr dreidimensionales Klangbild sorgte, arbeitet für die Akustische mindestens ebenso gut. Jedes Detail wird fast originalgetreu abgebildet, wozu natürlich auch die Griffgeräusche gehören. Das Neumann klingt wesentlich mittiger, mit weniger „Zing“ obenrum, gutmütiger.
Das ECM-100N Kugelmikrofon gibt sich räumlicher und untenrum etwas wärmer als die Nierenversion, „klebt“ aber genauso am musikalischen Geschehen. Mit eingeschaltetem Low Cut tut sich nur bei sehr genauem Hinhören über entsprechende Abhören beziehungsweise Kopfhörer etwas, was in Anbetracht der sehr niedrigen Cut-Off-Frequenz auch kein Wunder ist. Das unterschwellige Wummern eines mitklopfenden Gitarristenfußes auf Holzboden wird eliminiert, für weitergehende Eingriffe ins klangliche Geschehen ist die Schaltung nicht gedacht.

Die Pencil Mics machen sich gut an der Akustikgitarre.
Audio Samples
0:00
Sony ECM-100U, Akustikgitarre Picking Sony ECM-100U mit Lowcut, Akustikgitarre Picking Neumann KM184, Akustikgitarre Picking Sony ECM-100N, Akustikgitarre Picking Sony ECM-100N mit Lowcut, Akustikgitarre Picking

Beim Strumming treten die unterschiedlichen Charaktere der beiden Testobjekte am deutlichsten zutage. Hier wirkt das ECM-100N gutmütiger und runder als das 100U, der Körper der Gitarre wird stärker betont. Beim Nierenmodell geht es drahtiger zu, ohne dass das Ergebnis ins Harte oder Scharfe abdriften würde. Im Vergleich dazu macht das KM184 einen mittigeren, leicht nöligen Eindruck, was auch daran liegt, dass es nicht mit den Details aufwarten kann, die die Sonys auszeichnen. Wie immer ist es hier natürlich eine Frage des Geschmacks und der Anwendung, wieviel Realismus einer Aufnahme guttut. Wer sein Spiel allerdings möglichst naturgetreu aufzeichnen möchte, ist mit den beiden Sony-Stäbchen sehr gut bedient.

Audio Samples
0:00
Sony ECM-100U, Akustikgitarre Strumming Sony ECM-100U mit Lowcut, Akustikgitarre Strumming Neumann KM184, Akustikgitarre Strumming Sony ECM-100N, Akustikgitarre Strumming Sony ECM-100N mit Lowcut, Akustikgitarre Strumming
Anzeige

Fazit

Nein, günstig sind unsere heutigen Testkandidaten nicht. Knappe Tausend Euro für ein einzelnes Kleinmembranstäbchen dürfte sich außerhalb der meisten Homerecording-Budgets bewegen, und auch professionelle Anwender gehen in dieser Preisklasse vor dem Kauf erst einmal in sich. Allerdings können sowohl das ECM-100U Nieren- als auch das ECM-100N Omni-Mikrofon mit Qualitäten überzeugen, die sie in die erlesene Riege der besten Modelle ihres Metiers katapultieren. Auch ohne über eine komplette „Sony Hi-Res Audio“-Signalkette zu verfügen, liefern die Mikros einen sehr realistischen Klang, der mit extrem natürlicher, schneller Transienten-Wiedergabe und einem sensationellen Höhenbereich überzeugt. Auch jenseits der Einsprechachse liefert das ECM-100U verfärbungsfreie Signale, Übersprechungen gestalten sich damit mix-freundlich. In Anbetracht der sonstigen Qualitäten nerven allerdings die schlecht konzipierten, schwergängigen und schlecht ablesbaren Schalter. Das sollte allerdings niemanden davon abhalten, diese tollen Mikros im eigenen Umfeld auszuchecken.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • natürlicher, extrem detaillierter Klang
  • hervorragende Höhenabbildung
  • extrem schnelle Transientenwiedergabe
  • sehr gute Verarbeitung
Contra
  • schwergängige, wenig konkret einrastende Pad- und Low-Cut-Schalter
Artikelbild
Sony ECM-100U und ECM-100N Test
Features und Spezifikationen
  • Technische Spezifikationen
  • Hersteller: Sony
  • Bezeichnung: ECM-100U und ECM-100N
  • Wandlerprinzip: Kondensator (extern polarisiert)
  • Richtcharakteristik: Niere (ECM-100U), Kugel (ECM-100N)
  • Frequenzgang: 20-50.000 Hz
  • Finish: Messinggehäuse, mattschwarz lackiert
  • Ausgang: XLR
  • Besonderheiten: nach „Sony Hi-Res Audio“-Standard konzipiert
  • Abmessungen: 18,1 x 3,6 (mit Laser) Zentimeter
  • Gewicht: 130 Gramm
  • Zubehör: Transport-Case mit Reißverschluss, Halterung, EU-Verkleinerungsgewinde, Windschutz, Anleitung
  • Herkunftsland: Japan
  • Preis pro Stück: € 999,– (Straßenpreis am 28.05.2018)
Hot or Not
?
Sony_ECM_100N_100U_Review_4 Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • Fender American Professional Classic Telecaster | Classic Sounds with Modern Feel | Sound Demo
  • Country Rock Riffing with the American Professional Classic Telecaster!
  • Epiphone IGC Hummingbird Deluxe EC | NOT a Reissue! | Sound Demo