Shure Beta 27 Test

Das Shure Beta 27 ist nun wirklich kein Mikrofon, welches sich auf besondere Art und Weise aus der Masse der Großmembran-Kondensatormikrofone hervortun könnte. Ich konnte diese Bauart in Shures Programm beim ersten Anblick vor einiger Zeit sogar erst nach dem Lesen des Herstellernamens den Vätern der SM-Mikrofonklassiker zuordnen.  

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Ich muss aber nicht befürchten, beim Testen einen durch Banalität ausgelösten Gähnkrampf zu bekommen: Das Mikrofon hat eine feste Supernieren-Charakteristik, was für ein Großmembran-Kondensatormikrofon recht selten ist, außerdem gibt es ein Low-Cut, dessen Stufen nicht nur die Eckfreqeuenz, sondern auch gleich die Flankensteilheit ändert.

DETAILS

Das Beta 27 sei in erster Linie für die Bühne geschaffen, heißt es bei Shure. Hält man den massiven Klotz in der Hand, weiß man, dass auch bei diesem Mikrofon die vielbeschworene Robustheit bestimmt nicht ausbleibt. Hier schon einmal vorab Schwarz auf Weiß: Das Beta 27 ist robust. Dazu trägt insbesondere der kräftige Metallkorpus mit dem um den Korb laufenden Bügel bei, das dicke Äußere Metallgeflecht wird voraussichtlich der oftmals im Livebetrieb nicht zu vermeidenden Bekanntschaft mit dem Bühnenboden oder dem Schlagzeugstock ausreichend viel entgegenzusetzen haben.    Vorne ist neben dem Vor- und Nachnamen des Mikrofons symbolisch die Richtcharakteristik Superniere aufgedruckt. Diese hat bekanntlich den Vorteil, im Vergleich zur Niere Schallquellen etwas besser zu isolieren, doch liegt die Off-Axis dafür nicht mittig auf der Rückseite, sondern bei 126° zu beiden Seiten.

Durch das Gitter und die dahinterliegende Gaze erkennt man die Membran, die ohne Mittenkontakt eingespannt wurde. Elektret kommt hier nicht zum Einsatz, denn die Wandlung beruht auf dem Echtkondensatorprinzip. Selbstredend muss dieses Kondensatormikrofon mit 48 Volt Phantomspeisung gefüttert werden.
Um den Frequenzgang zu zeichnen, konnte man bei Shure zwischen 80 Hz und 3 kHz zum Lineal greifen, darunter ist eine leichte Anhebung (!) verzeichnet. Bei 61 cm Messabstand sind die Auswirkungen des Nahbesprechungseffekts nur noch sehr gering, bei entsprechend näherer Schallquelle darf man sich also über viel “Wumms” freuen. Der Umgang mit dem weiteren Frequenzgemisch wird bestimmt von einer sanften Erhebung bis zu 10 Kilohertz, die von einer kleinen Delle unterbrochen ist. Oberhalb von 10 kHz geht es recht bestimmt dem Tal entgegen. 

Möchte man auf die Bassaufzeichnung Einfluss nehmen, hilft der rückseitige Schalter, welcher entweder den Frequenzgang unbeeinflusst lässt, als dreipoliges HPF bei 80 Hz wirkt oder – etwas gutmütiger – unterhalb von 115 Hz mit nur 6 dB/oct absenkt. Das Mikrofon rauscht mit moderaten 8,5 dB(A) und weist eine Empfindlichkeit von 14,1 mV/Pa auf, 1% Klirr wird bei 134 dB(SPL) erreicht. Um wirklich hohen Pegeln Einhalt zu gebieten, kann bei Bedarf ein Pad von 15 dB zugeschaltet werden.
Auf Spinne und Popschutz verzichten Shure. Zumindest ein ausreichender Popschutz ist – wie so oft heutzutage – um die Kapsel herum eingesetzt. Aber ich will ja nicht singen, ich will trommeln. Als Sonderzubehör gibt es einen externen Popschutz natürlich genauso wie einen Windschutz und den “ShureLock-Erschütterungs-Absorber mit Gummiisolierung A27SM” (…was für eine Produktbezeichnung!). Ich begnüge mich jedoch mit dem mitgelieferten Schraubgewinde und positioniere das Beta 27. Und das andere Beta 27 positioniere ich gleich mit, denn ich habe zwei erhalten.

PRAXIS

Ich entscheide mich für eine “ordnungsgemäße” Stereoanordnung anstelle wahllos hingestellter Overheads. Nach einigem Ausprobieren entscheide ich mich für ein äquivalentstereophones Verfahren, welches auch von den Kesseln einiges an Pegel abbekommt. Das “Stereo-180”-Array nutzt Supernieren mit einem enormen Öffnungswinkel (67,5°) und einer im Gegenzug erstaunlich geringen Basis von 4,6 cm. Wie bei Großmembranern nicht unüblich, ist es auch kaum möglich, die Kapselmitten näher aneinander zu bekommen, denn schließlich ist da ja noch ein Korb um die Herzstücke der Mikros herum. Ein vernünftiges XY fällt mit diesen Mikros also aus, denn vor allem bei geringem Besprechungsabstand sollten die Kapseln einander viel näher sein, um Laufzeitdifferenzen zu vermeiden. Mit Supernieren eine Overhead-Mikrofonierung zu gestalten, das ist zugegebenermaßen eher unüblich. Eine schmale Richtcharakteristik bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass man dadurch nur kleine Aufnahmewinkel erzielen könnte. Dennoch ist es sinnvoll, sich nicht allzu riesige Schießbuden vorzunehmen, da einem ansonsten die bei den hohen Frequenzen stärkere Richtwirkung zum Verhängnis werden könnte – die Tage der Riesen-Drumkits sind aber bis auf Ausnahmen glücklicherweise gezählt.

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Overheads

Eine dicke Medaille verdienen die Ingenieure bei Shure für die Leistung, das Beta 27 sowohl äußerst moderat rauschend als auch reichlich pegelfest gestaltet zu haben. Mit dem Pad ausgestattet, funktioniert die “Dicke Beta” auch im übelsten Gefechtslärm tadellos. Supernieren klingen meist “härter” und “fokussierter” als Nieren. Das 27 verfügt ja über verhaltene Boosts in den Höhen, allerdings nimmt ein kleiner Dip bei etwa 7 kHz dem Signal ein wenig von der Schärfe. Das Ergebnis ist ein zwar sehr klares und durchsetzungsstarkes Signal, von Attributen wie “kratzig” und “nervend” ist es aber weit entfernt. Nach unten ist das Spektrum erstaunlich weit für einen Druckgradienenempfänger. Es ist daher zwingend nötig, das Signal dort ein wenig moderieren zu können. Mit den beiden eingangs beschriebenen Möglichkeiten, den Bassbereich zu beschneiden, ist das Beta hinlänglich flexibel ausgestattet. Schlagzeugsignale sind Veränderungen im Passband nach einer Filterung gegenüber meist recht unempfindlich, aber auch das steilere Filter arbeitet ohne jegliche Auffälligkeiten. Dass keine Spinne im Lieferumfang ist, sei verziehen, denn die Trittschalldämpfung funktioniert sehr gut.

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steiles HPF bei 80 Hz flaches HPF bei 115 Hz HPF aus

Ich habe das Beta 27 auch kurz mit den für Großmembranern klassischen Signalen Gesang und Sprache getestet, obwohl ich mich in dieser Testreihe auf Schlagzeuganwendung beschränken wollte. Es kann durchaus eine Alternative darstellen, zumal reine Supernierenkapseln großen Membranformats wirklich selten sind, da diese Charakteristik üblicherweise aus den beiden Membransignalen einer Braunmühl-Weber-Kombination generiert wird. Sehr “deutsch” aussprechende Sänger und Sprecher werden trotz der kleinen Frequenzgang-Einkerbung im S-Bereich am Umgang des Beta mit harten Konsonanten schnell verzweifeln können. Wessen Stimme jedoch zu breit und sanft ist, für den kann das 27 genau das richtige Werkzeug sein.

FAZIT

Findet man stetige Verwendung für ein Großmembran-Kondensatormikrofon mit fester Supernierencharakteristik, ist die Anschaffung eines Shure Beta 27 wirklich eine Überlegung wert. Das Mikrofon klingt nicht zu hart und “eckig”, ist ausreichend pegelfest und gleichzeitig rauscht es nur sehr verhalten. Zudem ist es wirklich robust – es ist eben ein Shure aus der Beta-Serie. Das zweistufige Hochpassfilter ist absolut sinnvoll und wird auch bei nicht allzu naher Besprechung durchaus häufig eingesetzt werden.

Pro
  • rauscharm, trotzdem ordentlich übersteuerungsfest
  • breiter Frequenzgang
  • sinnvolle Wahlmöglichkeiten bei der Tiefenabsenkung
Contra
    Shure_Beta_271
    Technische Spezifikationen
    • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
    • Richtcharakteristik: Superniere
    • Wandlerprinzip: Kondensator (nicht vorpolarisiert)
    • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
    • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz (ohne Angabe des Toleranzbereichs)
    • Übertragungsfaktor: 14,1 mV/Pa
    • Eigenrauschen: 8,5 dB (A-bewertet)
    • maximaler Schalldruckpegel: 134 dB SPL (1% THD)
    • Pad: 15 dB
    • Hochpassfilter: Off, 115 Hz mit 6 dB/oct oder 80 Hz mit 18 dB/oct
    • Ausgang: XLR male
    • Preis: € 474,81 (UVP)
    Unser Fazit:
    4,5 / 5
    Pro
    • rauscharm, trotzdem ordentlich übersteuerungsfest
    • breiter Frequenzgang
    • sinnvolle Wahlmöglichkeiten bei der Tiefenabsenkung
    Contra
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    Shure Beta 27 Test
    Für 455,00€ bei
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