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Serato Video Test

Serato Video stellt sich folgender Herausforderung:
Wenn es für Turntablisten darum geht, den musikalischen Schritt ins Bit-Zeitalter zu vollziehen, können sie auf eine respektable Auswahl an digitalen Vinyl-Systemen oder DJ-Controllern zurückgreifen. Ganz anders sieht die Sache aus, wenn Bewegtbild ins Spiel kommen soll, denn die meisten DVS-Systeme bieten von Haus aus keine Unterstützung für Video-Formate an. Als mit zunehmender Komplexität von Lichtpulten in den Achtzigern der Beruf des Light-Jockeys aufkam, der wiederum in der nächsten Dekade Unterstützung vom VJ bekam, hätte wohl kaum jemand gedacht, dass ein einzelner Performer irgendwann einmal in der Lage sein würde, Musik, Videoclips und Visual-FX über Timecode-Vinyls, DJ-Controller oder den Mixer zu steuern.

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Serato Video nimmt sich eben dieser Aufgaben an und legt den Fokus dabei auf ein einfaches Handling durch den DJ selbst. Mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von 213 Euro ist sein Hauptkonkurrent wohl Atomix Virtual DJ, welches als Download 291,81 Euro kostet und ebenfalls in der Lage ist, Bewegtbild über Timecode oder MIDI anzusteuern. Ansonsten ist der Markt, mit Ausnahme von klassischen VJ-Programmen eher dünn besiedelt.

DETAILS

Serato Video ist ein Plugin für Serato Scratch Live und Serato ITCH, das sich der Wiedergabe von Videoclips verschrieben hat und diese mit Effekten versehen kann, wobei sich Audio- und Video-Dateien frei kombinieren lassen. Das Ergebnis kann über einen zweiten Monitorausgang im Vollbildformat ausgespielt werden und der DJ wird zum VJ in doppelter Hinsicht: Zum Einen bezeichnet VJ ja das Profil des Video-Jockeys, aus der Taufe gehoben mit der Verbreitung von Clipshows und Musikfernsehsendern. Stellvertretend nenne ich an dieser Stelle mal Ray Cokes, Kristiane Backer, die „Housefrauen“ Galic und Christ – und vielleicht den Affen Ronny, der alten Hasen sicherlich aus seiner gleichnamigen Pop-Show noch ein Begriff sein dürfte. Beim Visual-Jockey hingegen geht es um die künstlerische Kreation von Live-Content in Form von Videoclips, Visual-FX und Animationen unter Zuhilfenahme einer Software wie Arkaos Grand-VJ, Resolume oder Cell DNA. Unser Testkandidat vereint beide Ansätze in einer DJ-typischen Arbeitsweise mit schlankem Workflow.
Das Produkt Video-SL erblickte vor knapp vier Jahren das Licht der Welt und wurde zunächst nur Nutzern eines Rane TTM57-Battlemixers zugänglich gemacht. Nach und nach erweiterten die Hersteller die Kompatibilität zur Rane-Produktpalette und mittlerweile „versteht sich“ der Nachfolger mit jeder zertifizierten ITCH- und Scratch Live-Hardware. Also zum Beispiel mit den DJ-Controllern Vestax VCI-300/380 sowie den Rane Mischpulten Rane Sixty Two und Sixty Eight, die mit entsprechenden MIDI-Funktionen ausgestattet sind. Ferner sind auch die USB-Audio-Interfaces Rane SL1-4 kompatibel. In letzten Fall sollten die Video-Funktionen mit einem MIDI-Controller ferngesteuert werden.

Erstkontakt
Die Bonedo-Test-Lizenz kam dank des deutschen Vertriebes Pro Audio Technik pünktlich zum Release-Date in Form einer E-Mail in mein Postfach geflattert. Aus diesem Grunde muss ich in diesem Test zwar auf eigene Packshots verzichten, doch auch hier hilft der kompetente Support im Nu mit den nachfolgenden Ablichtungen und genauen Angaben zum Umfang des handelsüblichen Lieferumfanges aus. Dieser enthält den Serato USB Stick mit der Serato Video Software für Mac OSX und Windows-PCs, speziellem Video Content und einer Bedienungsanleitung. Die minimalen Systemvoraussetzungen auf dem PC lauten: Windows 7 mit 2 GHz Core2Duo-CPU, 2 GB RAM und 5 GB freier Speicherplatz. Dazu verlangt es mindestens nach einer NVidia 8400 oder ATI 1650 Grafiklösung. Auf dem Mac wird OSX 10.6.8 vorausgesetzt.

Searto_Video_Packshot

Anders als bei Traktor, Mixvibes oder VDJ ist es nicht möglich, die Grundvoraussetzung zur Installation von Serato Video – sprich die DJ-Programm-Umgebung – separat zu erwerben. Sie gibt es nur im Bundle mit einem Rane-Interface, Rane-Mixer oder einem 3rd-Party-Controller. Grundsätzlich sind die Programme ITCH und Scratch Live zwar kostenlos von der Herstellerwebsite zu laden und können zum Abspielen und Vorbereiten von Musik und Playlisten genutzt werden, jedoch funktionieren sie nur mit einem entsprechenden Dongle in vollem Umfang. Sie sind zudem, was die Freischaltung von Software-Features angeht, speziell auf die verabreichte Hardware zugeschnitten. Heißt im Klartext: Der Mixer Rane 57, sowie das Interface SL2 schalten lediglich zwei von maximal vier Decks frei, die dem SL4 und dem 68 vorbehalten sind, wobei die Videoplayer standardmäßig immer den Decks A/B zugeordnet werden. Der Controller VCI-300 muss ohne Effekte auskommen, sein Nachfolger VCI-380 hingegen kann auf ein wahres Arsenal an kreativen Zusatzfunktionen zugreifen. Davon weitestgehend unberührt ist allerdings das Video-Plugin. Bevor ich zur Tat schreiten kann, wandern Updates von knapp je 37 MB für ITCH und SSL, sowie ein schlankes Megabyte Plugin-Programmcode (zum Vergleich: Video-SL 1.2 war 16 MB groß) von der Internetseite auf meinen Rechner und nach Abnicken der Lizenzbestimmungen und der Installation ist die Video-Extension unter dem Reiter Plugins durch Eingabe der Seriennummer zu aktivieren.

Audiovisuelles Futter
Falls der Käufer noch keine Library mit Videoclips oder Visual-FX, 3-D-Animationen oder Grafiken auf seiner Festplatte zur Verfügung hat, gibt es auf der Herstellerwebsite Promo-Content in SD- und HD-Qualität zum kostenlosen Download, der für die ersten Übungen ausreichen sollte. Bei diesen Clips handelt es sich um zehn royalty-free Loops, die vom amerikanischen Grafik-Designer Mike Winkelmann (Beeple) speziell für Serato Video Kunden erstellt wurden. Aktuell sind die Beeple-Clips der einzige SV-Promo-Content auf serato.com, was in Zukunft gern noch ausgebaut werden könnte. Nach dem Download und Import finde ich das Material in der Seitenleiste des Scratch Live/ITCH Verzeichnisbaums unter „all Videos“, wo sämtliche Clips zu finden sind, die in die Musikbibliothek importiert wurden. Sollte der Anwender die iTunes-Bibliothek unter Serato nutzen, gehören auch die dort enthaltenen Filmchen dazu. Serato Video unterstützt die Formate avi, dv, flv, m4a, mov, mp4, mpg, mpeg und qtz, die Video-Codecs H.264, DV, MPEG4 und Motion JPEG A/B, sowie die Audio-Codecs AAC, MPR und PCM. Weitere Codecs wie DIVX und XVID gelten nicht unbedingt als inkompatibel, werden jedoch offiziell nicht unterstützt.
Softwareoberfläche
Grundsätzlich können Erweiterungen für Scratch Live oder ITCH als Plugins bei Bedarf aktiviert und deaktiviert werden. Woraufhin sie sich a) im Einsatz nahtlos in die Bedienoberfläche Scratch Lives integrieren und b) bei Deaktivierung eben keine Ressourcen ver(sch)wenden. Ähnlich, wie bei einem Standard-DJ Setup ist Serato Video auf der rechten und linken Seite je ein Deck zugeteilt, der Mixer sitzt im Zentrum. Das beim ersten Start als Floating-Window aufkommende Popup-Fenster zeigt, genau wie das zentrale Fenster, das gemixte Bildsignal so an, wie es später per HDMI oder einen zweiten Monitorweg auf den Beamer oder die angeschlossenen Screens gelangt. Die externe Vollbildausgabe wird in den Preferences aktiviert. Die beiden Fader für die Videotransparenz positionieren sich an den Außenflanken der Abspieleinheiten und können wahlweise zu einem MIDI-Fader verlinkt werden. Jedes Deck kann zwei Effekte simultan abfeuern, die ihrerseits über gesonderte Parameterregler und Einschaltknöpfe verfügen. Einen übergeordneten Bypass oder einen Boss-Regler zum gemeinschaftlichen Dirigieren pro Deck oder für den Master gibt es nicht. Der Crossfader parkt, sofern man auf das kleine „F“ unter dem Mixfenster gedrückt hat, wo man es von ihm erwartet. An den Enden sitzen zwei Buttons für automatisches Überblenden. Zwei weitere Schaltflächen blenden die Paletten für Image-FX und Text-FX ein, womit das komplette Arbeitswerkzeug dann wie im nachfolgenden Screenshot festgehalten aussieht und etwa einen Pixelbedarf von 1000 in der Breite und 320 in der Höhe aufruft. Für mein MacBook Late2009 mit seinen 1280 x 800 Bildpunkten ist das schon ziemlich groß. Anders sieht dies am HD-Screen des Winbooks aus. Enthält ein Clip eine Tonspur, wird dies durch ein rotes Icon dargestellt. Verlinkte Clips sind weiß gekennzeichnet. Zum bildverwurstenden Repertoire gehören aktuell knapp zwei Dutzend Überblendungen und über fünfzig Clip-FX. Effekt-Presets und Clip-Zuweisungen zu Audiodateien können fest zugeordnet und abgespeichert werden.

Clip- und Blend-FX
Der Crossfader kann mit mehr als 20 (!) unterschiedlichen Übergangseffekten aufwarten, zu denen rechenintensivere Vertreter wie Melt, Tiles oder Luma Key und weniger ressourcenhungrige Wipes, Slides oder die Box-Blenden zählen. Die Qualität und Auswahl der Blend-FX weiß zu gefallen.

Clip-FX lassen sich prinzipiell in drei Leistungsgruppen mit leichtem, mittleren und starkem Ressourcenverbrauch einteilen. Einfachere Rotationen, Farb- oder Zoom-Manipulationen zählen zu den bescheideneren Vertretern. Isolate Color, Anaglyphic 3D, UV-Paint, Brightness, Saturation, Contrast und Gamma sind schon etwas weniger genügsam und dem Mittelgewicht zuzurechnen, wo sich auch Luma Key, Posterize, Negative und Sepia ansiedeln. Color Photocopy, Emboss, Sharpen, Blur, Edge Detect, LED Billboard und Rotoscope gehören der leistungshungrigen Sorte an.

Text und Image-FX
Für bewegte Schriften steht ein spezieller Editor zur Verfügung, über den zunächst die Texteingabe erfolgt. Attribute wie Font, Größe, Farbe, Ausrichtung, Scroll, Zoom, Geschwindigkeit und Opazität passen Schriftbild und Bewegung dem gewünschten Zweck an. Speichert der DJ seine Arbeit nun mit einem aussagekräftigen Namen ab, steht dieser Texteffekt danach in der FX-Palette zur direkten Anwahl bereit. Änderungen im Nachhinein gehen kinderleicht von der Hand, denn es gilt lediglich, den betreffenden Eintrag auszuwählen, die Korrekturen vorzunehmen und erneut abzuspeichern. Texte lassen sich auf den rechten, den linken oder den Master-Kanal schicken. Etwas schade finde ich an dieser Stelle, dass es nicht möglich ist, komplette Textinhalte (rtf, txt, doc) zu laden. Auch ist der Editor mit einer Zeile von maximal 25 Zeichen etwas klein geraten, allerdings kann man ihn per Copy-Paste befüllen. Die Image-FX arbeiten in puncto FX-Parameter ähnlich, wobei sich Bilddateien selbstverständlich auf herkömmliche Weise laden lassen und es einen separaten Regler für die Größe der Grafik gibt.
Alles reine Einstellungssache
Einstellmöglichkeiten für das Ausgabeformat, Speicherzuweisungen und Qualitätseinstellungen für ein optimales Zusammenspiel zwischen Computer und Software verbergen sich hinter dem „Setup“-Button. Sehen wir einmal vom Autorisierungs-Panel mit der Seriennummer und dem EFX-Panel ab, welches anzeigt, ob es Restriktionen für die Grafik-Hardware gibt, verbleiben drei Reiter: Output legt die Rahmenbedingungen für die Ausgabe fest, angefangen mit dem Bildseitenverhältnis (4:3, 16:9) und der Qualität in fünf Stufen von poor bis best. Sollte während der Wiedergabe das Bild ruckeln, lässt sich an dieser Stelle die Ausgabegüte reduzieren. Im Bild festgehalten, sieht das so aus:

Fotostrecke: 3 Bilder Poor

Dann heißt es, dass Füllverfahren festzulegen. Preserve ändert erst einmal nix. Beim „Letterboxing“ bleiben die Proportionen erhalten und das Video wird an die Screen-Breite angepasst und gegebenenfalls oben und unten mit schwarzen Balken versehen, wohingegen Stretch den gesamten Bildschirm ausfüllt, was zwangsläufig zu optischen Verzerrungen führt. Als Arrangement stehen Output, Rechts-Links und Rechts-Output-Links zur Verfügung. Output stellt das gemischte Signal dar, Left-Right splittet das Ausgabefenster zweifach und füllt es zu gleichen Teilen mit dem Bild des linken und des rechten Decks. Die dritte Option besteht darin, das Mischsignal mit den beiden Originalen einzurahmen.

Zu guter Letzt lassen sich im Output-Window die vertikale Synchronisation, Frame Blending und Buffersize festlegen. Erstgenannte synchronisiert Seratos Framerate zum Monitor und verhindert somit eine Aktualisierung der Bilddaten während des Bildschirmaufbaus. Nummer Zwei sorgt dafür, dass Serato bei langsamen Abspielvorgängen zusätzliche Bilder einfügt, was die Wiedergabe weicher erscheinen lässt. Buffersize bestimmt, wieviel MB des Arbeitsspeichers für Seratos Video-Puffer reserviert werden soll. Aktuelle Informationen zu Framerates und Framebuffer finden sich im Infopanel. Im Control Tab lässt sich das Timing für den Auto-Crossfade und die Cursor-Blend-Funktion einrichten.

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PRAXIS

Mein Test erfolgt auf einem MacBook mit einem 2,13 GHz schnellen Core2Duo-Prozessor, 4 GB RAM und NVIDIA 9400 Chipsatzgrafik. Ein zweiter Testlauf fand auf einem HP Core i5 mit einer Taktfrequenz von 2,53 GHz sowie einem NVIDIA GT230m und 4 GB Arbeitsspeicher statt. Der 9400-er Chipsatz zwackt sich beim Apfel 256 MB vom installierten RAM ab und kann die CPU bei der Dekodierung entlasten, da der VP3 Videoprozessor in der Lage ist H.264, MPEG2 und VC1-Videos zu beschleunigen. Allerdings fallen, wie bereits zuvor erwähnt die Mgeg1/2-Codecs beim Plugin raus. Etwas besser sieht die Lage beim GT230 aus, denn er unterstützt die HD-Dekodierung direkt im Grafikchip (PureVideo HD mit VP4). Der VP4 Video Prozessor kann sich H.264, VC-1, MPEG-2 und jetzt auch MPEG-4, DivX oder xVID zur Brust nehmen. MPEG-1 wird nicht mehr unterstützt.
Sinnvollerweise erfolgt die Berechnung des Clip-Datenbestandes im Vorfeld. Pro Titel sind je nach Länge zwischen drei und sieben Sekunden zu veranschlagen (Musikclips, keine Titel mit Spielfilmlänge versteht sich). Kaum mehr Zeit als bei einem Audiofile, aber je nach Größe der Sammlung kann die Analyse schon eine Weile dauern. Ist das Footage dann korrekt ausgewertet, werden die Dateien wie herkömmliche Tracks behandelt und lassen sich spielen, spulen, scratchen, loopen und mit visuellen Effekten veredeln.
Weil jedoch nicht jeder Anwender die gleiche Hardware zur Verfügung hat, implementieren die Code-Spezialisten aus Neuseeland eine Abfrage in ihr Programm, die einzelne Effekte nur bei ausreichender Leistung der Grafikkarte freischaltet. Für unsere beiden Notebooks vor Ort gibt es keine Limitierungen. Anders ist dies bei Intel Chipsatzgrafiken wie dem X3100. Hier konnten wir eine Deaktivierung sämtlicher Video-Effekte ausmachen. Statt dessen waren nur Standardüberblendungen möglich. Das geht wohl nicht anders, wenn die Gesamtperformance und somit auch die Betriebssicherheit des Systems nicht einbrechen sollen.

Itch_MAC

Controller, Rane-Mixer, Externa und Konsorten
Als wir Video-SL vor knapp zwei Jahren auf dem Prüfstand hatten, entschlossen wir uns, den Praxistest in Verbindung mit dem TTM57-SL durchzuführen, weil er dedizierte Video-Controls unter der Haube hatte. Da dieser aber seit dem Update auf die bereits ausführlich getestete Sixty-Palette (link Rane62, link Rane61) nicht mehr in den Regalen der Händler zu finden ist und heuer ja auch ITCH beglückt wird, sollen es diesmal der brandneue Vestax VCI-380 MIDI-Controller und der MIDI-fähige Pioneer DJM-850 mit einem SL3-Dongle richten. Bei der Kombination aus MIDI-Controller und dem kleinen 13-Zoll-MacBook entschied ich mich für den Demo-Content in der SD-Variante, wohl wissend, dass HD-Clips zu viel des Guten für meinen altgedienten Partygefährten wären. Was gut nachzuvollziehen ist, wenn man die Bitrate eines 720p-Videoclips (rund 70 MB/s) oder eines 1080p Full-HD-Streams (etwa 155 MB/s) und den durchschnittlichen konstanten Datendurchsatz aktueller Notebook-Festplatten von teilweise unter 40 MB/s dagegenhält. Die Ausgabe erfolgt über den zweiten Monitorweg im Fullscreen-Modus an einem externen LCD-Screen. Transparenzen sind von Haus aus den Channelfadern der Vestax-Konsole zugeordnet, Blend-FX dem Crossfader. Einen erweiterten Zugriff auf die Softwarefeatures (Typus, Intensity, Opacity, Parameter) gibt es nicht. Das Scratch-Gefühl mit den SD-Loops geht in Ordnung. Ob flinke, langsame oder zittrige Jogwheel-Schubser – die Übersetzung geschieht sehr schnell. Und sollte ein Visual-Clip doch einmal haken, läuft der Audiostrom im Deck ja trotzdem weiter, so dass es dem Partyvolk kaum auffallen sollte. Auch die m4v-Clips aus dem iTunes-Store machten mir im Test keine Probleme.
Bedauerlicherweise gibt es doch wesentliche Unterschiede zwischen dem SSL-Plugin und dem ITCH-Pendant hinsichtlich der Handhabe, und dabei meine ich nicht das direkte Handling einer Konsole und eines Turntable-Mixer-Verbundes mit Interface. Die steuerbaren Funktionen unter ITCH sind aktuell vom Controller abhängig, es gibt keine Lernfunktion und Serato offeriert keine Auswirkungen von Audio-FX auf das Videomaterial. Ihr habt richtig gelesen. Bei einem Preis von 213 Euro lässt mich dies aufhorchen.
Als Trostpflaster können Controlleristen sehr wohl die Audio-Reactive-FX einsetzen, die sich unter anderem am Bass, den Höhen oder dem Rhythmus orientieren. Dazu gesellen sich zwei Equalizer abhängige Effekte namens CSL und RGB. Da es ITCH an MIDI-Learn mangelt, dürfen wir bis auf Weiteres hier keine großen Veränderungen erwarten. Es sei denn, potentielle Dritthersteller bauen eine VFX-Control-Unit, die wie gehabt als kostenpflichtige Zusatzhardware in Erscheinung treten dürfte. Besser wäre es in meinen Augen, die „Herren“ würden sich von der No-Customization-Philosophie durch Implementierung eines MIDI-Editors trennen (und wenn nur für das 213-Euro-Plugin!), wie er bei der überwiegenden Mehrheit direkter Konkurrenten zum guten Ton gehört. Was mir ebenfalls zu denken gibt, ist der Umstand, dass sich zwar Musikclips über die Navigationselemente eines Controllers wie dem VCI-380 in die Decks befördern lassen, nicht jedoch Footage. Der Griff zu Tastatur und Maus ist somit Pflicht und nicht unbedingt goldener Nektar für die Performance. Ein paar Shift-Funktionen hier und da täten dem Workflow meines Erachtens nach gut.

SSL
Scratch Live-User hingegen können, sollte ihnen die 56 x 56 x 24 (FX1*FX2*CFX = 75264) möglichen Ausgabe-Kombinationen nicht ausreichen, zusätzlich Audio-Effektprogramme auf das Videobild abfeuern. Besonders interessant fand ich hier Filter und Flanger sowie Delay und Echo. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass einige Vertreter, obwohl der Dry-Wet-Regler auf „Dry“ steht, bereits Bildveränderungen hervorrufen. Das liegt daran, dass die erweiterten Parameter mancher Presets schon eingestellt sind – unabhängig vom tatsächlichen Effektanteil. Dies hat zur Folge, dass der Effekt schon zuschlagen kann, wenn ihr auf den ON-Button drückt, obwohl der Dry-Wet in Nullstellung verharrt. Also Obacht!
Scratch Live, SL3-Interface, Pioneer DJM-850 und ein MIDI-Controller sollen mit dem eingangs erwähnten i5-Book die Performance unter Windows ausloten. Wie erwartet stellte sich heraus, dass keine Schwierigkeiten mit SD-Material aufkamen. Ich konnte sogar Clips mit 720p auf beiden Kanälen ohne große Probleme Cuejugglen, Loopen, Rollen und Slicen, auch wenn beim ersten Ansteuern oder Wechsel eines Slices durchaus mal ein Millisekündchen vergehen kann, was bei den Visuals nicht so stark ins Gewicht fällt, wie beim Musikvideo, dass lippensynchron laufen muss.  Kommt jedoch 1080p Full-HD ins Spiel, ist auch bei meinem Winbook der Ofen aus.

Setup_Serato_Win

MIDI-Getöse im Parterre
Die einfache Variante besteht darin, die MIDI-Send-Funktion des DJM-850 einzuschalten und SSLs Transparenz- und Transition Fader mit den entsprechenden Bedienelementen am Mixer zu verknüpfen und die Effektauswahl und Tweaks mittels Touchpad am Laptop vorzunehmen. Kein wirklich umwerfender Gedanke, wie ich finde…
Als Kommandozentrale für die Audio-FX könnte ich zum Beispiel meinen Vestax VFX1 nutzen, der nativ eingebunden wird, jedoch aufgrund der beschränkten Anzahl an Hardware-Elementen nur im begrenzten Maße die Funktionen des FX-Plugins ausreizt. Für die Auswahl der Video-FX und die Steuerung der Parameter im Videofenster muss daher eine andere Lösung her, so etwas wie der AKAI LPD8, da sich dieser auch als Sample-Player auf den weiteren Bänken verwenden lässt. Es stellte sich heraus, dass er zum Aktivieren der Effekte und zur Justierung der Parameter durchaus herhalten kann, aber in meinen Augen eher ungeeignet ist, um sich mit seinem kurzen Regelweg durch das Dickicht von über 50 Clip-Effekten zu schlagen. Die gezielte Anwahl wird somit zum Seiltanz. Anders ist es, wenn vier kompatible Encoder am MIDI-Controller verbaut sind, denn dann kann sich der DJ Schritt für Schritt vor und zurückhangeln. Hat Akais LPD8  aber nicht, also bleibt es beim „Tweaken“ und (De-)Aktivieren, die Auswahl geschieht am Laptop. Durchaus gangbar, wenn ihr das 50-Euro-Teilchen irgendwo rumliegen habt…
Bei Niederschrift dieser Zeilen kommt mir noch ein anderer Stratege in den Sinn, mit dem ich beim Video-SL Test seinerzeit viel Spaß hatte: Frei nach dem Motto, was lange währt, ist nicht verkehrt (oder so ähnlich), schließe ich Stantons SCS-3M und SCS-3D an, die wohl eines der kompetentesten und allumfassendsten 3rd-Party-Regelwerke für Scratch Live und Video-SL darstellten. Laut Beipackzettel übernimmt der SCS-3M Mixer im Global Mode Opazität, Fader und/oder Cue-Fx, Fokus-Selektion für die Videoslots und FX-Bypass 1-4. Im DJ-FX-Mode bedient er mit der oberen Fader-Reihe Auswahl und Parameter der Audio-FX 1-6. Im Video-SL-Modus sollen die inneren Slider die Effektparameter 1-4 dirigieren, mittels Shift-Button geschieht die Auswahl der Effekte. Leider stellte sich jedoch heraus, dass die Video-Befehle nicht mehr funktionieren, sodass ich hier manuell mappen musste. Die Lernfunktion zum Antrainieren der Befehle ist jedoch wirklich sehr einfach zu bedienen und in wenigen Schritten erklärt:
Schritt 1: Serato-Video starten
Schritt 2: MIDI-Button rechts oben betätigen
Schritt 3: Das zu steuernde Element in der grafischen Benutzeroberfläche auswählen
Schritt 4: Den gewünschte Regler an der Hardware betätigen. Fertig!
Richtig heftig wird’s, wenn ihr einen SCS-3D dazu nehmt, der Samples, Cues, Loops, Effektsteuerung und Browsing auch unter SSL 2.4.2 erlaubt. Alle Funktionen dieser Unit zu beschreiben, würde jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen. Ich verweise indes auf die nachfolgenden Screenshots. Die Bedienung klappt auf dem Mac prima, zudem sind die beiden Stantons vom Formfaktor sehr schlank ausgefallen (zusammen wie ein Tetrapack Milch) und somit eine interessante Option für reiselustige Scratch Live-Aktivisten.

Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass beim Windows-64-Bit-System Probleme mit den Stanton-Units auftauchten, denn die zum Betrieb nötige Software DaRouter zeigte sich nicht in der Lage, die beiden SCS-Controller in das mitgelieferte SSL-Preset einzuschleusen. Ein Test konnte hier adhoc nicht stattfinden, doch das ist nicht Serato anzulasten.
Bevor es nun ans Fazit geht, sei mir noch ein Hinweis erlaubt: Wer Serato Video vor dem Kauf zunächst einmal ausprobieren möchte, kann sich eine voll funktionsfähige und zeitlich nicht begrenzte Demo laden, deren Einschränkung in der deaktivierten Vollbildausgabe mit Wasserzeichen im Ausgabefenster liegt.

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FAZIT

Serato Video ist ein Plugin für Scratch Live und ITCH, das viele gängige Video-Formate abspielt, mit einer stattlichen Anzahl Clip- und Blend-Effekten auftrumpft und einen Editor für Texteffekte unter der Haube hat. Grundsätzlich lassen sich Videoclips, sei es mit oder ohne Tonspur, mit Bildeffekten versehen, scratchen, loopen und wahlfrei mit herkömmlichen Audiodateien kombinieren. Presets und Clip-Verknüpfungen dürfen zudem abgespeichert werden. Das Programm reiht sich nahtlos in die Host-Umgebung ein und kann bei Verwendung mit Scratch Live über Timecode-Vinyls oder -CDs und das MIDI-Protokoll bedient werden. Das Mapping-Verfahren unter SSL erschließt sich im Nu. Allerdings trübt der Platzbedarf des Plugins auf niedrig aufgelösten Screens und der Wechsel zwischen den einzelnen Erweiterungs-Tabs ein wenig den ansonsten gelungenen Workflow. Was ITCH angeht, kann mich Serato Video nicht wirklich überzeugen, weil es leider nur in Auszügen (aktuell Transparenz und Überblendung) über den DJ-Controller dirigiert werden kann, zudem gibt es kein MIDI-Learn und es lassen sich keine Audio-FX auf die Visuals abfeuern. Das kostet wertvolle Punkte. Die Performance der Software, die Größe und Qualität der Ausgabe (HD, SD..) und die Anzahl der Effekte sind abhängig von Leistungsfähigkeit des Rechners und können bei Bedarf angepasst werden. Serato Video lief auf den Testnotebooks mit SD-Futter stabil und flüssig. 720P-Files waren auf dem core i5 kein Problem, doch im Einzelfall kann ein vorheriger Testlauf nicht schaden. Zum Preis: 213 Euro UVP sind kein Wühltischangebot, vor allem für ITCH-User, die aktuell für mich nicht verständliche Einschnitte im Funktionsumfang und Workflow hinnehmen müssen. Viel Spaß hingegen bereitet das Clipmixing mit einem kompetenten MIDI-Controller unter Scratch Live, da die eigene Mixsession mit einem visuellen Feuerwerk unterstützt werden kann.

Searto_Video_Packshot
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