Sennheiser MD 21 Test

Praxis

Berichterstatter nicht nur außerhalb des Studios

Sicher, im Grunde liegt der angedachte Haupteinsatzzweck des MD 21 außerhalb des Studios, doch stellt das ja kein Verbot dar. Im Gegenteil: Es gibt viele Einsatzgebiete, in denen eine dynamische Kugel hervorragende Arbeit leistet. Allen voran sind das Toms. Die schlechtere Kanaltrennung durch die geringere Richtwirkung kann dadurch kompensiert werden, dass man das MD 21 äußerst nah positioniert. Im Gegensatz zu Druckgradientenempfängern wird das Signal dann nicht basslastiger, sondern durch Druckstau und die sowieso vorhandene Präsenzanhebung deutlich attackreicher. Unter Umständen sogar so sehr, dass man nicht selten mit einem breiten EQ zwischen 5 und 10 kHz etwas für Ruhe sorgen muss.

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Bassdrum Schlagfell Bassdrum Resonanzfell Snare Hi-Hat

Angenehm anders

Wer die Werte des Sennheiser-Knubbels kennt, der weiß natürlich, dass er in den absoluten Höhen nicht zu viel erwarten sollte. Das Mikrofon ist generell recht warm, mittig und präsent – also “vintage”. Schwache Übertragungswerte oberhalb von 10 kHz lesen sich erst einmal schlecht, doch ist es oft genau das, was man in einer Mischung braucht (und was auch die alten ultra-teueren Kondensatorklassiker liefern!).
Einen kleinen Geheimtipp möchte ich noch loswerden: Das MD 21 ist ein geniales Dirtmike für das Drumkit! Positioniert man es nicht auf einem Stativ, sondern legt es wie “achtlos” einfach auf den Boden (Grenzflächeneffekt!) oder sogar in Raumecken, um die dortige Bassanhebung mitzunehmen, erhält man oft ein hervorragendes Füllsignal. Schwer komprimiert mit auffällig “saugender” Bewegung durch lange Releasezeiten – schon kommt ein bisschen mehr “Wuchtigkeit” ins Spiel. Wenn ich es aber richtig “kaputt” haben will, kommt mein Telefunken D77 zum Einsatz (das klingt allerdings nicht viel besser als das bekannte Joghurtbechertelefon).
Wer mit den üblichen Verdächtigen wie SM57 und MD 421 am Amp keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielen kann, der sollte auch dort einfach mal zum 21er greifen, denn dieses liefert eine deutliche und angenehme “Andersartigkeit”. Auch hier ist es insbesondere das Empfängerprinzip, das den Unterschied ausmacht. Es klingt allgemein etwas langsamer und “müder” als heutige, moderne Tauchspulenmikrofone – und schlicht und einfach nach “altem Mikro”. Im Direktvergleich wandert es leider oftmals sehr schnell wieder in seine Kiste, allerdings weniger aus Klang-, sondern eher aus Pegelgründen. Man sollte nicht vergessen, dass bei einer Kugel der Pegel des frontal eintreffenden Schalls geringer ist als bei allen anderen Charakteristiken. Also: Pegel anpassen zum Vergleich!  

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Picking Hits Chords Bass

Ein dynamisches Reportermikrofon für Gesang im Studio?

Warum nicht! An den Beispielen erkennt man sehr deutlich, dass hier ein Exot im Spiel ist, doch genau das kann es ja sein und im Shoot-Out vor der Vokalaufnahme gegen sündhaft teure Boutique-Röhren-Großmembrankondenser gewinnen. Im Beispiel verstärkt ein edler Röhren-Mikrofonvorverstärker, doch auch mit Neve-Pres, APIs und Konsorten ist ein MD 21 nicht zu verachten! Aufgrund des Druckstaus und des Frequenzgangs sollte man allerdings bei naher Besprechung die S- und T-Laute unter verschärfte Beobachtung stellen.

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Vocals Song

Klanglicher Weichensteller abseits vom HiFi-Sound

Wie man anhand des bisherigen Textes unschwer erkennt, ist das 21 eines meiner Lieblingsmikros. Wer nicht gerade als Kanaltrennungsfetischist gilt, sich die Zeit nimmt, vor der Aufnahme auch einfach mal etwas auszuprobieren, der kann mit dem süßen kleinen Sennheiser wichtige klangliche Weichen stellen. Von Hi-Fi ist das Kugelmikro durchaus etwas entfernt, allerdings soll das kein Makel sein. Die Frage nach dem Rauschen muss natürlich auch beantwortet werden. Anders als sonst bei bonedo üblich, können dies die Audiofiles nicht so gut leisten, denn für die Aufnahmen ist mein uraltes MD 21 zum Einsatz gekommen – die aktuelle Version ist deutlich “ruhiger” im Betrieb.  

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Stephan sagt:

#1 - 28.05.2021 um 08:26 Uhr

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Auf der Senmnheiser-History Seite wird das MD21 nicht mehr erwähnt.

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dorfbarde sagt:

#2 - 25.08.2022 um 16:21 Uhr

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Bekam vor kurzem ein MD21HN geschenkt, Bj. 1954, org. verpackt mit Bedienungsanleitung und Garantiekarte. Habe mir von Kai Hofstetter ein passendes Kabel anfertigen lassen. Jetzt bin ich gespannt, wie es klingen wird, wenn es nach der Sommerpause wieder in den Proberaum geht. Das Gefühl, ein fabrikneues, fast 70 Jahre altes Mikrofon in der Hand zu haben, ist unbeschreiblich!

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Nick Mavridis sagt:

#3 - 26.08.2022 um 11:28 Uhr

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Hallo Dorfbarde, das ist ja mal was! Ich bin jetzt ja ungefähr genauso gespannt! Gerne hier mitteilen, wie es war… Klar, eine dynamische Kugel hat ihre Eigenheiten, aber durchaus ihre Vorteile. Viel Spaß und Beste Grüße Nick

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