Wie klingen die unterschiedlichen Channelstrip-Varianten der Recording-Legende Neve 1073 – und worin unterscheiden sie sich? Diese Frage stellen sich nicht nur Hobby-Enthusiasten mit Blick aufs Portemonnaie. Erst kürzlich hatten wir den Behringer 1273 im Test, was mich an meinen Vergleich von 2018 erinnerte.

Schon damals war klar: Die günstigen Kopien klingen nicht so edel wie das Original. Inoffiziell habe ich mir notiert, dass sogar die UAD-Emulation überzeugender wirkte als die Hardware-Kopie – nur das Original konnte sich klar absetzen.


Ein Wermutstropfen im aktuellen Vergleich: Einen echten 1073 hatte ich nicht mehr griffbereit, und kurzfristig ließ sich auch keiner organisieren. Praktisch macht das jedoch kaum einen Unterschied: Wer das Budget für einen AMS Neve 1073 DPX hat, kann bedenkenlos zugreifen. Klanglich hervorragend, funktional überlegen und haptisch in einer anderen Liga. Dazu kommt ein besserer Werterhalt.
Fun Fact: Es existieren Vintage-Units, DIY-Projekte und Klone, die den aktuellen AMS-Neve-Modellen sogar überlegen sein können – allerdings sind sie schwer erhältlich und preislich dann ähnlich hoch angesiedelt. Stichwort: Heritage DMA-73.

Vorverstärkung und EQ: Der 1073 gehört zu den spannendsten Geräten der Tontechnik. Original, Clones und Plug-ins bedienen lernen!
Behringer 1273
Der Behringer 1273 ist der mit Abstand günstigste 1073-Clone und wirkt zunächst erstaunlich komplett. Anschlussseitig steht er dem Original kaum nach. Allerdings sind die vorderen und hinteren Buchsen intern durchgeschleift, sodass man nicht parallel anschließen sollte. Beim Original löst ein Umschalter dieses Problem eleganter.

Ein weiterer Unterschied liegt bei den Übertragern: Während AMS Neve, Warm Audio und Heritage Audio auf echte Carnhills setzen, geht Behringer einen anderen Weg. Dramatisch ist das nicht – schließlich hat Behringer mit dem Kauf von MIDAS schon vor Jahren jede Menge Know-How (und vermutlich auch Bauteile) ins Haus geholt.
Open up
Zudem lässt sich der Klangcharakter ohnehin selten auf ein einzelnes Bauteil reduzieren. Entscheidend ist das Gesamtkonzept – insofern dürfte der reine Tausch der Übertrager ohne weitergehende Anpassungen unter die Rubrik Experimentelles laufen.

Ein echter Nachteil ist indes die Belegung der Doppelpotis: Normalerweise regelt der äußere Ring die Frequenz und der innere Regler den Gain. Behringer dreht das Prinzip um – vermutlich aus rechtlichen Gründen. Praktisch bringt das jedoch nichts, im Gegenteil: Die weißen Markierungen auf den Chromringen sind besonders schlecht zu erkennen.
Auch die Schalter ohne Status-LEDs sind wenig benutzerfreundlich, da man sie kaum zwischen eingedrückt und nicht eingedrückt unterscheiden kann. Pluspunkte sammelt Behringer hingegen beim Innenaufbau, der sich absolut professionell und hochwertig präsentiert. Für den Preis eine Leistung für sich, deshalb sind die Schlampigkeitsfehler in der Planung umso ärgerlicher.

Behringer 1273
Pro: günstigster 1073-Nachbau überhaupt, im Prinzip ein Warm Audio Nachbau, erweitertes Höhenband
Contra: Doppelpotis vertauscht, Schalter schwer ablesbar, intern verbundene Anschlüsse


Warm Audio WA273-EQ
Warm Audio und Behringer orientieren sich nicht an der klassischen „Console Orientation“ von Neve, sondern setzen das Höhenband – racktypisch – nach rechts. Beide Hersteller erweitern zudem das High-Shelf von fixen 12 kHz auf wahlweise 10, 12 oder 16 kHz – deutlich flexibler.

Die Skalen des WA-273-EQ sitzen oberhalb der Doppelpotis und sind gut ablesbar. Wie der Behringer bringt auch Warm Audio zahlreiche Anschlüsse mit, inklusive Insert. Auf der Front gibt es indes nur XLR und keine Combobuchse für Line wie bei Behringer – allerdings sind die Mic-Ins hier allesamt mit Verriegelung!

Rückseitig gibt es neben XLR auch Klinkenbuchsen, dazu eine Aussteuerungs-Anzeige am Ausgang sowie als einziger im Test auch einen Ground-Lift-Schalter.
Live ist das alles definitiv von Vorteil! Beim Behringer sind wiederum die Klinken hinten mit dem Gehäuse verschraubt, was sie in der Praxis haltbarer macht – sollte man Klinke nutzen. Ansonsten ist das alles ziemlich die gleiche Soße. Wobei, nicht ganz: Der DI-Eingang an der Front ist wiederum nur beim Warm und Heritage verschraubt.
Der WA-273-EQ ist ferner das tiefste Gerät im Vergleich, setzt wie Behringer auf einen IEC-Stromanschluss und internationale Spannung – und bietet damit insgesamt die funktionalste Ausstattung.

Dennoch reicht auch er nicht an das Luxus-Niveau des Originals heran, das u. a. ein umschaltbares Meter, flexiblen Insert und einen zuweisbaren Kopfhörerausgang bietet. Von den Digital-Optionen ganz zu schweigen. Der Warm fühlte sich außerdem nicht wesentlich robuster als der Behringer an.
Warm Audio WA273-EQ
Pro: funktionalster 1073-Nachbau, erweitertes Höhenband, Ground-Lift
Contra: kein Pre/Post-schaltbarer Insert, kein HP-Out





Heritage Audio HA-73 EQX2 Elite
Heritage Audio orientiert sich am stärksten am klassischen Original: Das Höhenband bleibt fix bei 12 kHz und sitzt links. Außerdem dreht man nach rechts raus und nach links rein. Immerhin sind nicht noch die Schriften um 90° verdreht…
Auf zusätzliche Features wie Front-Inputs, Klinkenbuchsen oder gar Insert verzichtet man komplett – der Channel wirkt dadurch aufgeräumt und klarer strukturiert.

Was ich sagen will: Natürlich ist ein Insert cool, aber wenn er nicht symmetrisch und Pre/Post-EQ umschaltbar wie beim Original ist, dann ist er eben auch nur halb so cool. Selbst der konsequente Verzicht auf Klinke sowie die ausschließliche Verwendung von XLR auf der Rückseite ist positiv zu bewerben.
Jedoch verzichtet Heritage wie auch Behringer auf die XLR-Verriegelung, was hinter dem Rack natürlich mehr nerven kann als vorn an der Front. Im Studio dennoch alles weniger relevant als Live.
Tone und Lo-Z
Die Rückseite bietet immerhin umschaltbare Mic- und Line-Eingänge, der frontseitige DI schaltet wiederum automatisch um und benötigt keinen zusätzlichen Taster wie Behringer und Warm.
Die Lo-Z-Funktion erlaubt es wie bei den Mitbewerbern, eine Anpassung der Eingangsimpedanz (1,2 kOhm / 300 Ohm) vorzunehmen. Bei Heritage ist diese korrekt benannt, während Warm Audio und Behringer den Trendnamen „Tone“ nutzen.

Ein Kritikpunkt ist die EQ-Beschriftung am unteren Rand, die im normalen Rackbetrieb eher schwer lesbar ist, ferner ist die Ausrichtung des EQs für “unbelastete Neuanfänger” durchaus ungewöhnlich bis nervig, aber beherrschbar. Sollte man sich das Teil indes in einer Art Mastering-Konsole schräg vor einbauen wollen, wird man dieses Layout durchaus schätzen.

Das externe Netzteil ist Geschmackssache: Einerseits reduziert es Einstreuungen, andererseits ist es weniger komfortabel. Zudem fehlen Ground-Lift und Level-Meter. Die Taster fühlen sich indes besser an und die Doppel-Potis klacken auch straffer, ja sogar die Chrom-Ringe sind matter!
Weniger ist hier mehr – der HA-73 EQX2 verzichtet auf halbherzige Features und konzentriert sich auf das Wesentliche.
Herritage Audio HA-73 EQX2
Pro: puristischer 1073-Nachbau, rundester Sound
Contra: kein Insert, kein Meter, teuer als der Rest





Tabellarische Übersicht
Behringer 1273 | Warm Audio WA-273-EQ | Heritage Audio HA-73 EQX2 Elite | |
Layout / Orientation | Höhenband rechts, Doppelpotis vertauscht (Gain/Ring) | Höhenband rechts, klassische Orientierung für Rack | Höhenband links (Original-Style) |
High-EQ | 10 / 12 / 16 kHz | 10 / 12 / 16 kHz | fix bei 12 kHz |
Mid-Bell, Low-Shelf & Low-Cut | identisch | identisch | identisch |
Insert | Ja, aber eingeschränkt | Ja, aber eingeschränkt | Nein |
Metering | LED-Aussteuerungsanzeige | LED-Aussteuerungsanzeige | kein Meter |
Stromversorgung | Intern, IEC | Intern, IEC | externes Netzteil |
Klangcharakter | Druckvoll, Bass stark, Höhen teils schrill | Typischer Neve-Charakter, etwas aggressiver & harscher | Warm, klassisch, solide Preamp-Qualität |
Preis / Wertung | 💰 günstigster 1073-Clone | ⚡️ funktional am stärksten | 🎯 puristisch |