Minimalismus – wie klappt das für Gitarristen?

Braucht es mehr?
Braucht es mehr?

Ich besitze: 1 E-Gitarre, 1 Akustikgitarre, 1 E-Bass, 2 Verstärker und 6 Effektpedale. Und ich würde sagen, mein Setup ist perfekt. Andere meinen: Damit komme ich nie ans Ziel. Was stimmt denn nun? Wie viel Equipment braucht ein Musiker zum Glücklichsein? So viel wie der Kollege vom internationalen Gearnews-Team? Ein paar Erfahrungswerte dazu.

Überfluss

Seit ich mein eigenes Geld verdiene, investiere ich aktiv in Musikinstrumente, vornehmlich E-Gitarren und Effekte. Das gipfelte dann am Ende in fast 20 verschiedene Big Muff Pi Pedale – davon alle bis auf eines im Schrank vergraben. Ein really nice to have.

Für mich war klar: Equipment > Essen. Ich lieh mir sogar zeitweise von Freunden Reis und Salz, damit ich trotz meiner Gear-Käufe überhaupt genug zu Essen hatte. Vermutlich war auch gedanklich Einiges falsch, wenn Toast mit Ketchup oder Tütenkartoffelbrei mit Knoblauchpulver am Sonntag das Highlight der Woche wurde. Gear wurde es trotzdem immer mehr, auch, als dann das Geld wieder sinnvoll in Essen investiert wurde.

Effekt Pedal Haufen Berg Sucht

Schöner Haufen Pedale

Über die Jahre gesellten sich Dutzende Instrumente, Hunderte Pedale und unzählbar viel Zubehör dazu. Eine ansehnliche Sammlung. Die acht Precis waren mein besonderer Stolz. Sie unterschieden sich in Holz, Baujahr oder Farbe – und die Preislage reichte von Squier bis Custom Shop. Klanglich und haptisch waren die Unterschiede dank Modifikation, Teiletausch und Selektion kaum mehr zu bemerken. Dazu kamen aber noch diverse Jazzmaster, Telecaster, Les Paul, Stratocaster … was der Musiker eben so braucht.

Effektpedale füllten Schubladen. Meist Zerrer, von billigster (aber brauchbarer) Stangenware bis sündhaft teurem Boutique oder Einzelanfertigungen. Amp im Proberaum, Amp im Wohnzimmer, Amp im Keller und natürlich ein Backup. Kabel, Pleks, Saitensätze und anderes Zubehör habe ich nie gezählt. Sagen wir, der Baumarkt-Alukoffer war mein bester Freund.

Effekt Pedal Regal Josh Scrott JHS

Josh Scott braucht sogar ein Pedal-Regal

Erkenntnis

Bevor Marie Kondo überhaupt ein bekannter Name war und der Hype losging, zerrüttete mich Jahre zuvor die Erkenntnis: Das brauche ich alles gar nicht. Ich hatte die extremen Privilegien, mich mit unbrauchbar viel Equipment einzudecken, spielen konnte ich aber eh nur ein Instrument gleichzeitig. Als Hobby-Musiker verdiente ich eh kein Geld mit der Musik direkt, warum hatte ich so viel Equipment?

Es ist eine gewisse Genugtuung, viel Equipment zu besitzen, ein Backup zu haben, die Möglichkeit, auf andere Pedale oder Amps auszuweichen. Ein bisschen Egopolitur, das Hobby als Vorwand. Einzelanfertigungen, angepasst an die eigene Vorliebe – das ist schon was. Am Ende war es mir aber zu wertvoll, um es mit zu Proben zu nehmen, im Studio war es dann mal dabei. Live? Nie! Könnte ja ein Wertverlust sein.

Irgendwann machte es dann Klick.

Effekt Pedal Regal Jef

Gitarrenregal – brauche ich das noch?

Ergebnis

Es fing schleichend an.

Ich verkaufte mehr Effektpedale und Instrumente als ich neu dazu kaufte. Ein ökonomisches Desaster. Psychisch fühlte es sich aber sehr gut an. Wie das Ende einer Reise. Beschränken aufs Wesentliche. Dabei setzte ich weder auf Masse, noch auf (hochbepreiste) Klasse, sondern auf das, was sich richtig anfühlte oder anhörte.

Nach und nach verschwanden die Bässe, die E-Gitarren, die Pedale. Es blieben: ein US-Preci, eine Mexiko-Jazzmaster, ein Bass-Amp, ein Gitarren-Combo und eine handvoll Effekte. Natürlich trauere ich manchmal manchen Pedalen hinterher. Eine 20-köpfige Muff-Sammlung gibt man nicht einfach mal so auf. All die Ratten, Klons, Tube Screamer … geblieben ist ausgerechnet eine DIY-Version des grünen Russen – die hat sich im Blindtest gegen die anderen Versionen an der einzigen Gitarre durchgesetzt.

Da sich alle Precis nahezu identisch spielten und auch auf Band sehr, sehr ähnlich klangen, habe ich mich einfach für den Schönsten entschieden. Sunburst und Vintage-weißes-Schlagbrett passt immer. Gleiches bei der E-Gitarre, konkret der Jazzmaster – haptisch und klanglich hat sich die RW Jazzmaster durchgesetzt. Optisch ist Alterung ab Werk nicht so mein Ding, aber da schon viele Kratzer durch mich dazukamen, ist sie recht individuell zusätzlich gealtert und es geht irgendwie in Ordnung. Interessant, dass ich ausgerechnet die sonst unbeliebte Mexiko-Fender behalten habe.

Ein Amp, eine E-Gitarre, ein E-Bass, eine Akustikgitarre, sechs Effektpedale. Jedes einzelne Stück davon wird jederzeit gebraucht und entspricht zu 100 % meinem Geschmack und das jetzt schon über Jahre ohne nennenswerte Veränderung im Setup. Bonafide Buffer*, Pure Boost*, Catalinbread DLS*, DIY Muff, Boutique Chorus – that’s it. Ein IR-Loader mit Poweramp-Emulation* zähle ich mal eher als Zubehör (und ganz nebenbei als meine Geheimwaffe). Für Bass brauche ich lediglich den TritonLab Sunburst Preamp.

Rob Scallon World Record Pedal Board

So fühlte sich mein Besitz irgendwann an

Besonders cool finde ich die fehlenden Möglichkeiten – klingt komisch, ich weiß.

Gitarre spielen? Dann nehme ich die Jazzmaster zur Hand. Bass? Der einzig verfügbare Preci steht bereit. Ich muss keine Gedanken daran verschwenden, ob ein Modell gerade passen könnte, muss nicht rumprobieren, mit dem Setup bekomme ich eigentlich alles hin, was ich in meiner Musikrichtung brauche. Es fühlt sich gut an. Und ganz ohne Modeling. Vielleicht bin ich auch durch die gleiche Denke zu Mixbus als DAW gekommen? Nutze, was du hast. Fokus nicht mehr aufs Equipment, sondern die Musik.

Viele (Hobby-) Musiker horten meiner Erfahrung nach nur halbgute Sachen, statt sich ein richtiges Instrument zu kaufen – das würde sogar dem Geldbeutel in die Hände spielen. Nur so eine Idee zum Nachahmen.

Erlaubt ist ja bekanntlich, was gefällt, (solange es im Bereich der Menschenrechte stattfindet). Ich würde meinen Weg nicht Minimalismus nennen, die Privillegien dafür erfülle ich aber auf jeden Fall. Mich hat der Schritt sehr weit gebracht, ich würde aber niemanden seine Sammlung absprechen wollen.

Dein Weg?

Wie ist es bei dir? Lebst du von der Musik und brauchst den entsprechenden Fuhrpark oder betreibst es als Hobby und BRAUCHST den entsprechenden Fuhrpark? Setzt du auf Masse oder Klasse – oder massenweise Klasse? 😉

Oder bist du Minimalist durch und durch? Vielleicht hast du auch nur (noch) eine Gitarre, einen Amp und keine Effekte? Oder gibst du dir die volle Dröhnung an Optionen und spielst Modeler-Amps und Effekte?

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