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Milab DC-196 Test

Ich erinnere mich, einmal eine kleine Wette gewonnen zu haben. Ein Student am SAE Institute war überzeugt, dass ich ihn auf den Arm nehmen will: Kondensator-Mikrofone mit eckigen Membranen seien ausgemachter Unfug, so seine Meinung. Vielleicht hätte ich diese Behauptungen nicht unbedingt an einem ersten April aufstellen müssen, doch für das Datum konnte ich nun wirklich genauso wenig wir für die Tatsache, dass jenseits des Kreises tatsächlich noch weitere geometrische Formen für Mikrofon-Membrane herhalten müssen. Um ehrlich zu sein, ich musste bei meinem Erstkontakt mit Mikros des schwedischen Herstellers Milab auch zweimal nachfragen, ob darin tatsächlich eine rechteckige Membran ihren Dienst verrichtet. 

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Hier wird jetzt also mit dem DC-196 das Mikrofon eines Herstellers getestet, der mir ohne sein aktives Dazutun einen Kasten Bier (der obligatorische Wetteinsatz!) beschert hat. Ob der Hersteller mit einer eckigen Membran verkrampft um Alleinstellungsmerkmale kämpft? Schließlich handelt es sich dabei um ein Konzept, das bei einigen wenigen Vorteilen haufenweise Nachteile mit sich bringt. Wie es um diese exotische Variante bestellt ist und ob sie klanglich Hand und Fuß hat, das musste der Exot im Rahmen des dritten Durchlaufs unserer beliebten Mikrofon-Teststrecke offenlegen.

Details

Rechteck-Membran: das Runde muss ins Eckige, oder wie?

Bevor ich euch mit der Beschreibung der üblichen Parameter eines Großmembran-Mikrofons auf die Folter spanne, fokussiere ich direkt auf das in seiner Form ungewöhnliche Bauteil: die Membran mit den vier Ecken. Äußerst selten ist das schon, aber um ein Novum handelt es sich nicht, denn die ersten Systeme in dieser geometrischen Form fanden sich schon in den fünfziger und sechziger Jahren in einigen Mikrofonkörben. Weil die Membran nicht rund ist, ist auch das Polar-Pattern nicht rotationssymmetrisch. Beim Ausblenden von Signalen ist somit auf der vertikalen Achse mehr “Platz” in der Off-Axis (dem “akustischen toten Winkel”). Diese dreidimensional sehr unterschiedliche Empfindlichkeit kann von hohem Nutzen sein: Durch Drehung des gesamten Mikrofons um den Membranmittelpunkt kann man etwa bei der Stimme mehr oder weniger Schall vom Körper mitnehmen, bei der Akustikgitarre das Verhältnis von Saiten zu Decke bestimmen oder am Drumkit benachbarte Instrumente stärker oder weniger stark ausblenden. Das alles ist möglich, ohne den Standort des Mikros zu verändern und erweist sich als äußerst praktisch, denkt man an Nahbesprechungseffekt, Diffusschallanteil und dergleichen.

Fotostrecke: 3 Bilder Die auffällige Rechteckmembran ist deutlich unter dem Mikrofonkorb erkennbar.

Optisch lässt sich ein Kleinmembran-Mikrofon vermuten, im Innern schlägt aber das Herz eines Großmembrans

Die in vielen Milab-Mikrofonen verwendete Doppelmembrankapsel hat ein Seitenverhältnis von etwa 2:1, wobei die längere Seite so viel misst wie viele runde Großmembranen im Durchmesser, nämlich ein Zoll. Weil die Breite einer Rechteck-Kapsel recht gering ist, kann ein solches Mikrofon in einem verblüffend kleinen Gehäuse untergebracht werden – einen hohen Korb vorausgesetzt. Nicht selten sorgt dies dafür, dass der Großmembran-Kondenser DC-196 versehentlich für ein Kleinmembran-Mikrofon gehalten wird. Bei einer Länge von 145 und einem Durchmesser von 30 Millimetern ist das auch nicht weiter verwunderlich. Für das Handling eines derart kleinen Mikrofons ergeben sich also durchaus Vorteile. Im Übrigen wird jeder Mikrofonständer dieser Welt das Fliegengewicht mit seinen 240 Gramm den meisten anderen Großmembranmikros vorziehen, denn diese sind fast alle deutlich schwerer.

Individuelle Frequenzdiagramme

Das per Phantomspeisung betriebene Mikrofon zeigt bezüglich seiner technischen Daten keinen so starken Individualismus wie bei der Auswahl der Membranform: Eine Empfindlichkeit von 21,5 mV/Pa bei 1 kHz, Rauschen von 12 dB(A) und das Erreichen einer Zerrung von 1% THD bei 132 dB SPL (ohne Pad) / 144 dB SPL (mit 12 dB Pad) entsprechen dem hochwertigen heutigen Standard. Ein Hochpassfilter findet man bei dem kleinen Mikrofon der Firma aus der Helsingborger Innenstadt allerdings nicht. Zwischenstufen der drei Richtcharakteristiken Kugel, Niere und Acht gibt es nicht. Der Blick in die Frequenzdiagramme zeigt vor dem recht flotten Abfall oberhalb von 15 kHz eine leichte Anhebung, die bei der Acht ein wenig tiefer angesetzt ist als bei den übrigen Charakteristiken. Jedes Mikrofon wird mit seinen individuell gemessenen Graphen ausgeliefert, Milab toleriert eine Abweichung von bis zu 2,5 dB nach oben oder unten.

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Praxis

Lebenslange Garantie

Mit diesem Mikrofon zu arbeiten ist wirklich spaßig, denn welchen Großmembran-Kondenser kann man schon komplett mit der Hand umschließen? Die Verarbeitung des nordischen Schallwandlers wirkt ordentlich und weckt eher Assoziationen zu schwedischen Automobilherstellern denn zu schwedischen Discounter-Möbelhäusern. Allerdings ist der Drehschalter zur Anwahl der Richtcharakteristik etwas wackelig. Schön, dass sich Milab vor vielen Jahren dazu entschieden hat, auf alle Produkte eine lebenslange Garantie zu geben, denn bei intensivem Gebrauch könnte ich mir vorstellen, dass das Testobjekt auf “Staatskosten” in ein paar Jahren wieder seine alte Heimat besuchen darf. Der Pad-Schalter lässt sich – einige Kleinmembran-Mikrofone waren da offenbar schlechtes Vorbild – nur sehr schwer betätigen, da er als kleiner Schiebeschalter ausgeführt ist, der im Grunde nach einem Kugelschreiber oder sonstigem Werkzeug verlangt.

Fotostrecke: 3 Bilder Der Vergleich mit dem iPhone zeigt die kompakte und handliche Bauweise des DC-196.

Frickelige Angelegenheit

Warum die elastische Aufhängung von vielen weiterhin “Spinne” genannt wird, könnte ich meinem Biologie studierenden ehemaligen WG-Mitbewohner bestimmt nicht verständlich machen. Sie sieht eher aus, als habe man in kindlicher Gefühllosigkeit einem armen Achtbeiner seine Beine … Aber lassen wir diese Grausamkeiten: Im Grunde sind es zwei kleine Gummiwülste, in die das Mikrofon hineingedrückt wird. Diese Bauform hat sich bei vielen Kleinmembranmikros bewährt. Dadurch ist die Aufhängung schön klein, doch ist eben dieser Vorgang des “Bestückens” der entbeinten Spinne mit dem DC-196 eine frickelige Angelegenheit für ungeduldige Grobmotoriker wie mich. Außerdem sollte man sich vorher überlegen, ob man die ebenso frickelige Operation des Schaltens der Dämpfung vornehmen möchte oder nicht – die elastische Aufhängung verdeckt diesen Schalter nämlich. Und das ist nämlich dämlich.

Mikrotest: Goldie, männliche Stimme
Mikrotest: Goldie, männliche Stimme

Der Klang ist…nun ja,…irgendwie “anders”

“Aha!” ist das erste Wort, das ich nach dem ersten Soundcheck von mir gebe, “Interessant!” das nächste. Ihr merkt: Überschwänglich geht irgendwie anders. Allerdings treffen diese beiden Worte im Grunde schon in das Bull´s Eye der Soundbeschreibung, denn der Klang des DC ist wirklich in erster Linie “anders”. Vor allem in den oberen Mitten zeigt sich ein unüblicher Charakter, den man vor allem bei Stimmen wie eine Textur wahrnimmt. Äußerst leichte, harmonische Verzerrungen sorgen dafür, dass wir einen Sound bekommen, den wir so noch nicht kennen. Sicher ist die Ursache dafür das rechteckige Häutchen, auf dem die modale Verteilung gänzlich anders ist als auf den üblicherweise runden Vertretern. Ringmodi wird man hier logischerweise kaum finden. Dieser Zusammenhang alleine macht das Milab zu einer möglichen Alternative im Studioalltag: Manchmal passt ein “Paradiesvogelsound” ja ganz genau!

Der Sound klingt sehr verhalten

Allerdings gibt es durchaus Einschränkungen: Die oft gebrauchte Aussage “klingt größer als es ist” trifft hier nicht zu, denn das Milab wirkt trotz seiner eigentlich großen Membranfläche nicht wirklich ausgewachsen. Im Gegenteil: Im Vergleich zu den vielen anderen Mikrofonen, die wir in unserer Teststrecke vor Sänger und Sängerin gestellt hatten, klang das DC mit Abstand am verhaltensten. Bei gleichem Abstand scheint es indirekter und “weiter weg”, eine Eigenart, die auch per Gain nicht auszumerzen ist. In den absoluten Höhen ist es schwach und geradezu lustlos. Bei höheren Pegeln – auffällig im Nahbereich – fängt es zu stark und plötzlich zu verdichten an. Immerhin ist es sehr unanfällig für Popp-Laute.

Audio Samples
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30 cm, weiblich 10 cm, männlich 30 cm, männlich
Audio Samples
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Acht, weiblich Kugel, weiblich Acht, männlich Kugel, männlich

Tendenziell für Akustikgitarren zu empfehlen

Es scheint also seine Gründe zu haben, dass alle anderen Großmembran-Kondenser mit runder Membranform arbeiten. Obwohl ich gestehen muss, dass ich bei der Arbeit mit Mikrofonen durchaus ein Freund von allem bin, was unüblich und quasi “off-the road” ist. Vielleicht würde ich in manchen Recordingsituationen das DC-196 einfach aufstellen wollen, vielleicht ist es dann genau der Sound, den der Mix braucht. Allerdings ist diese Chance verhältnismäßig gering und das Mikro für diesen Einsatz auch nicht preiswert genug. Mir ist außerdem nicht ganz klar, wieso dieses Gerät auch als Gesangsmikrofon beworben wird. An Instrumenten, die klanglich nicht absolut pur übertragen werden müssen, kann es bestimmt eher ein gute Figur machen. Und dabei denke ich ganz deutlich an Akustikgitarren.

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Das Milab DC-196 ist definitiv ein Spezialist, im positiven wie im negativen Sinne. Eindeutig positiv ist die Tatsache, dass man mit eckigen Membranen auf akustischer Ebene Lösungen finden kann, die “Rundlinge” aufgrund ihrer ausgeprägten rotationssymmetrischen Richtcharakteristik nicht bieten können. Zudem lässt sich ein derartig kleines Großmembran-Mikrofon hervorragend handhaben. Bezüglich der generellen Verarbeitungsqualität können eigentlich gute Noten vergeben werden, allerdings trübt der wackelige Charakteristik-Wahlschalter genauso das Bild wie der in der Bedienung sehr anstrengende Padschalter und die wirklich unüberlegte Spinne, die genau diese Vordämpfung verdeckt. Klanglich ist das DC ein Exot und bestimmt nicht das Mikrofon, das sich einen Stammplatz auf den Mikrofonstativen der Gesangskabinen und Aufnahmeräumen dieser Welt erstreiten kann. Es klingt schon deutlich “kleiner” und schwächer als die meisten seiner Kollegen von der runden Fraktion. Als Sonderling und besonders als Problemlöser bei Instrumentalaufnahmen ist es aber eine durchaus erwägenswerte Erweiterung eines größeren Fundus.

Unser Fazit:
3 / 5
Pro
  • Baugröße äußerst praktisch
  • nicht rotationssymmetrische Richtcharakteristik sehr hilfreich
  • eigenständiger Klangcharakter gut für Sonderlösungen
Contra
  • elastische Aufhängung verdeckt Pad-Schalter
  • Klang gewöhnungsbedürftig und sehr speziell – als Standardmikrofon ungeeignet
  • schwache Höhendarstellung
  • indirekter, verhaltener Gesamtsound
Artikelbild
Milab DC-196 Test
Milab_DC196_13FIN
Technische Spezifikationen
  • Empfängerprinzip: 2 x Druckgradientenempfänger (mit Laufzeitglied), rechteckige Membranen
  • Richtcharakteristik: Kugel, Niere, Acht
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz (keine Toleranzangabe)
  • Übertragungsfaktor: 21,5 mV/PA (+/- 1 dB)
  • THD+N: 12 dB (A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 132 dB SPL (1 % THD)
  • Pad: -12 dB
  • Ausgang: XLR
  • Preis: EUR 998,- (UVP)
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Profilbild von RakArt

RakArt sagt:

#1 - 25.08.2015 um 10:12 Uhr

0

Über Mikrofone redet es sich fast so wie über Rotwein.... Was der eine als "schwache Höhendarstellung wahrnimmt, bezeichnet der andere als "natürlich" oder "seidige Höhen". Ich habe zwei DC196 bei einer Aufnahme für DECCA (Klavier und Gesang) benutzt, nachdem ich sie im Studio gegen meine zwei Brauner VM1´s getestet habe. Jetzt lässt sich meine Erfahrung nicht auf jede Stimme übertragen, aber die Brauner klangen sofort "spektakulärer", fast schon als ob die Höhen schön bearbeitet wären. Leider war es aber nicht meine Stimme, die ich wiedererkannt habe, sondern eine auf Dauer fast schon nervige Färbung. Für einen 3 Minuten Popsong, in dem die Stimme sich durch einen Mix durchsetzen muss wahrscheinlich sogar ganz ok; für eine gesamte Lied CD dann aber zu penetrant. Ich war echt schockiert, daß die 900€ Milabs einfach natürlicher klangen als die mehr als viermal so teueren Brauner. Teurer ist doch eigentlich immer besser, oder...?
Die Milabs klangen deutlich angenehmer und entsprachen viel mehr dem Klang der sich vor dem Mikrofon abgespielt hat. Unspektakulär spektakulär würde ich sagen. Musikerkollegen und befreundete Toningenieure haben diese "Natürlichkeit" immer wieder bestätigt. Klavier, Cembalo, Cello und Geige wurden inzwischen mit den DC´s aufgenommen und für mich sind sind sie durchaus den Brauner Phantom AE´s vorzuziehen, die bisher zur Instrumentenabnahme verwendet wurden.
Soweit meine Erfahrungen mit den Milabs. Ich kann nur jedem empfehlen sich Zeit zu nehmen und jedes neue Mikrofon ausgiebig anzuhören. Wieviele "Sterne" ein Mikrofon in Tests bekommt muss nicht unbedingt immer der eigenen Wahrnehmung entsprechen.

    Profilbild von Nick (Redaktion Recording)

    Nick (Redaktion Recording) sagt:

    #1.1 - 25.08.2015 um 17:12 Uhr

    0

    Halo RakArt,vielen Dank für den Kommentar. Ja, über Rotwein lässt sich auch vortrefflich reden. Es stimmt absolut, was dem einen seine Eule, ist dem anderen seine Nachtigall. Und so muss bei Bewertungen, die sich nicht ausschließlich auf konkrete technische oder sonstige Kriterien zurückführen lassen (Haltbarkeit, manche technische Werte etc.) klar sein, dass es für manchen eben doch gut geeignet sein kann. Es ist also genau richtig, eine Kaufentscheidung nicht ausschließlich an der Meinung eines anderen festzumachen. Wichtig ist zu wissen: Was benötige ich für mein Vorhaben? Ein Testbericht und auch eine Sternchenbewertung dienen dann als Vorabinformation. Und durch nichts zu ersetzen ist die eigene Erfahrung mit verschiedenen Mikros, sowie das Kennenlernen. Vor diesem Hintergrund: Stimmt, teuer ist natürlich nicht immer besser, das erfährt man dann, wenn man den teuren Sportflitzer im Gelände ausfahren will oder damit den Samstagseinkauf nach Hause bringen möchte (den ganzen Rotwein!). Zum Milab: Das Konzept von Milab, Pearl und mittlerweile ja auch Audio-Technica mit den bei uns getesteten 5040 und 5045 ist nach wie vor hochinteressant.Beste Grüße,
    Nick Mavridis (Redaktion Recording)

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