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Meinl Byzance Vintage Pure Light Rides Test

Die Vintage Pure Light Rides von Meinl sind eine logische Konsequenz des Wahns, dem die meisten Jazz- und einige Poptrommler verfallen sind. Es geht darum, das perfekte Becken zu finden – den heiligen Gral. Wie dieses zu klingen hat, darüber herrscht erstaunliche Einigkeit, die das große Spektrum an Rides nicht vermuten lässt. Die meisten Jazzer beispielsweise hätten gerne den Drumsound, den die Aufnahmen zu ‘Kind Of Blue’ so brilliant eingefangen haben. Ein altes Zildjian K-Ride ist dort zu hören. Heutzutage kostet ein solches über die Jahre extrem verknapptes Gut in akkuratem Zustand um die 1800 Euro. Eine dicke Schicht ‘Patina’, die den Rotz der letzten 50 Jahre auf dem Metall abbildet, ist sogar erwünscht! Diese dämpft dezent die modernen Spitzen im Klang und lässt sich tatsächlich nicht abwaschen, ohne dass der Reinigungsprozess zu einem total veränderten Sound führt.

Meinl_Vintage_Pure_Light_Rides_Totale


Meinl produziert mit den 22″ und 20″ großen Vintage Pure Light Rides ab jetzt Becken, die quasi aus Patina bestehen. Wahrscheinlich sehen wirkliche Vintage-Becken ähnlich aus, wenn man sie für 200 Jahre im Garten vergräbt. Wie diese klingen könnten, wenn der Ur-Urenkel den Schatz eines Tages hebt, davon vermittelt Meinl mit seinen vier Rides bereits einen ganz guten Eindruck. Wenn ich mir die beiden Instrumente genauer angucke, erinnern sie mich an die berühmte Himmelsscheibe von Nebra. Vielleicht bin ich derjenige, der endlich herausgefunden hat, warum die Nebralesen diese Scheibe vor tausenden von Jahren geschmiedet haben! Ich würde ja gerne mal draufhauen wollen.

Details

Ein entscheidender Unterschied zwischen echten Vintage Becken und den Vintage Pure Rides besteht darin, dass alte Becken erst natürlich ‘agen’ mussten, bevor sie den heute so teuren Sound produzieren konnten. Die nagelneuen Meinl-Cymbals sehen hingegen schon ab Werk so aus wie ein Weber-Grill nach drei Jahren Dauerbenutzung. Das Geheimnis ist, dass die Rundlinge schlicht einige wesentliche Bearbeitungsschritte nicht durchliefen. Auf der Oberfläche findet sich kein Abdrehmuster, kein Versiegelungsschutz und nur eine recht grobe Hämmerung. Das spart natürlich Kosten, was aber keinesfalls bedeutet, dass ein Käufer dafür weniger bezahlen muss.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Himmelsscheibe von Nebra? Nein, dies ist ein nagelneues und gleichzeitig uraltes Ride-Becken!

Mit stattlichen 576,00 € UVP liegt das Byzance Vintage Pure Light Ride in 22″ satt im oberen Preissegment und ist damit etwas teurer als ein modernes Zildjian K oder ein vergleichbares Ride von Sabian und liegt etwa gleichauf mit aktuellen Top-Range Paiste-Rides. Was eine solche Summe rechtfertigt, ist der Sound, über den ich im Praxisteil berichte. Wer Rostoptik mag – soviel kann ich hier schon verraten – und mit Fachbegriffen wie ‘morbider Charme’ oder ‘Used Look’ vertraut ist, für den sind die Meinl Byzance Vintage Pure Light Rides (ja, das ist der komplette Name…bitte einmal laut mitsprechen) genau die richtigen Accessoires. Immerhin beschreiben die Metallplatten eine runde Form und sind jeweils mit Kuppe und Aufhängungsloch ausgestattet. Gerade einmal 2380 Gramm Gewicht manövrieren das 22″ Große Pure Light Ride in jazzige Gefilde. Ist ein Becken so dünn, müsste für eine steifere Struktur mehr Spannung in das Metall gehämmert werden, was offensichtlich absichtlich unterblieben ist. Nicht ganz symmetrisch verläuft nämlich das Profil des 22 Zoll großen Modells, eine Seite hängt etwas träge herunter und vermittelt einen ähnlichen optischen Eindruck wie eine Acht in der Felge eines Fahrrades.

Fotostrecke: 2 Bilder Das 22 Zoll große Testbecken könnte einem Cowboy als Schlapphut dienen…. oder einem Fahrrad als Acht in der Felge

Das sehr dünne Material des Rides und eine ungleiche Verteilung der Materialmasse im Becken dürften hierfür ausschlaggebend sein. Derartige Werkstoleranzen sind wahrscheinlich an den meisten Ausführungen zu entdecken. Früher hätte es vehemente Beschwerden gehagelt, mittlerweile hat die Industrie jedoch mit dunklen und nahezu unbehandelten Becken einen neuen Standard etabliert, der durch seine besonderen klanglichen Vorzüge eine echte Daseinsberechtigung hat, auch wenn einige Exemplare dieses Genres einem Rohling mehr ähneln als einem ‘fertigen’ Becken.
Das 20″ große Byzance Vintage Pure Light Ride hat wesentlich weniger Mühen, das Eigengewicht von 2109 Gramm in Form zu halten. Im Verhältnis zu seiner Größe ist es etwas massiger und steifer.

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Praxis

Ein 22 Zoll großer Wackelpudding

Beim Trommeln wirken sich die beschriebenen Verarbeitungsbesonderheiten zunächst optisch auf überraschend heftige Weise auf das 22″ große Ride aus. Dieses wabert bei jedem Schlag wie ein Wackelpudding, was ein flüssiges Trommeln erstaunlicherweise allerdings nicht behindert. Erwartet hätte ich, dass diese massive Vibration den Stick bei Folgeschlägen unkontrolliert zurückwirft, wenn man halt gerade mal eine falsche Schwingungskurve erwischt. Dieser Effekt ist aber nicht zu beobachten, das Ride spielt sich hervorragend bei stets guter Stick-Kontrolle. Obwohl das Material relativ träge ist, wirft der Rebound den Stock in jedem Moment angenehm zurück und ermöglicht schnelle Ride-Figuren. Durch die dämpfende Wirkung der rauen Oberfläche schaukelt sich das große Vintage Pure Light Ride niemals auf. Ein sehr charaktervolles Grundröhren liegt unter jedem Schlag, egal wie stark dieser ist. Dieses Rauschen ist so komplex, wie es bei einem hochwertigen Jazz-Ride zu erwarten ist und verleiht dem Klang des Beckens eine musikalische Tiefe, die beinahe jedem Bandkontext guttun würde.

Audio Samples
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22 Zoll Ride, slow groove 22 Zoll Ride, straight groove 22 Zoll Ride, straight rolling groove 22 Zoll Ride, rolling groove 22 Zoll Ride, slow groove 22 Zoll Ride, solo

Auch schnelle Crashsounds lassen sich spielend leicht entlocken, indem man dem Bow mit halber Stocklänge einen überbrät oder dem Rand Kante gibt – das kurz eskalierende Rauschen schwillt genauso schnell ab, wie es entstanden ist. Ein butterweicher und fetter Sticking-Sound steht über Allem. Dieser ist zwar etwas matt und nicht sehr hochfrequent, fügt sich aber gut in den Gesamtklang des Metalls ein. Im Ergebnis liefert das Vintage Pure Light Ride in 22″ also einen dicken Ridesound sowie schnellen Crash, und sogar komplexe ‘China’-ähnliche oder an einen Gong erinnernde Sounds lassen sich ihm entlocken. Ich persönlich habe mehrere Jahre lang mit einem ähnlichen Becken in meiner Tasche auf zusätzliche Crashes verzichtet. “Wie, du spielst nur ein Becken?”. Ja! Mit diesem Multitalent geht’s.

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20“ Vintage Pure Light, und kein bisschen leiser

Das kleinere Becken im Test ist im Verhältnis zu seinem großen Bruder etwas beherrschter, kann aber mit einem ähnlich hochwertigen Soundkonzept aufwarten. Auch der Grundcharakter mit dem komplexen Wash ist vergleichbar und es öffnen sich durch den Klang ganze Palastsäle, Grotten, Kirchenschiffe, wenn man die Augen nur fest genug schließt.

Audio Samples
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20 Zoll Ride, Jazz 20 Zoll Ride, rolling Groove 22 und 20 Zoll Rides, Latin (erst 22, dann 20) 22 und 20 Zoll Rides, Straight (22, dann 20)
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Fazit

Der hohe Anschaffungspreis der Byzance Vintage Pure Light Rides ist gerechtfertigt, denn wer mutig genug ist, kann – nur mit diesem Becken bewaffnet – eine große Bandbreite an Klangeffekten simulieren, für die man normalerweise ein ganzes Cymbalset mit Chinas, Crashes und Gong benötigen würde. Richtig gut ist die Performance, wenn es um groovige Ride-Pattern geht, die sich auf beiden Becken sensationell leicht und facettenreich spielen lassen. Etwas dürftig sind die hohen Frequenzen des Sticksounds, dafür klingt der mit Stockspitze erzeugte Klick warm und trotzdem definiert – kein Wunder, die unbearbeitete Oberfläche dämpft den Sound des Beckens auf natürliche Weise stark vor. Unbedingt zu beachten ist, dass weiche Becken schnell Probleme mit schweren Sticks bekommen. Um den wirklich charaktervollen Sound vollumfassend genießen zu können, sollte man Jazzsticks benutzen, oder – so wie ich in den Soundfiles – gut gewichtete Vic Firth Peter Erskine Ride Sticks mit dünner Spitze. Wer sich diese hübschen Metallscheiben allerdings nur anschaffen möchte, um Sterne zu zählen, hat definitiv mehr zu tun als die Museumsbesucher in Nebra.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • komplexer, voller Klang
  • flexibel Einsetzbar
  • hochwertiger Sound
Contra
  • etwas matter Sticksound
Artikelbild
Meinl Byzance Vintage Pure Light Rides Test
Für 379,00€ bei
Meinl_22_Byzance_Vintage_Pure_Light_Ride_01
Technische Spezifikationen
  • Serie zugehörig: Byzance Vintage
  • Finish: roh, dunkel
  • Größen: 20 Zoll und 22 Zoll
  • Material: B20 Bronze
  • Gewichtsklasse: Medium Thin
  • Gewicht der Testbecken: 2109 (20 Zoll) bzw. 2380 Gramm (22 Zoll)
  • Preis 22″ VPLR: 576,00 € UVP
  • Preis 20″ VPLR: 435,00 € UVP
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LF sagt:

#1 - 20.11.2022 um 15:33 Uhr

0

Auf https://www.welt-kunstwerke.de/dietz-replik-himmelsscheibe-von-nebra-732390/?_n=ebefc74df4e9c7fcc7dc5b7a6a3eccf0 kann man die Scheibe von Nebra erwerben. Bin auf den Test gespannt :-)

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