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MAM MB33 Retro Test

Mit dem MB33 Retro Analog-Synthesizer meldet sich die Firma MAM (Music And More) zurück. In den tiefen 90er Jahren, als die meisten anderen Synthesizer-Hersteller mit digitalen Workstations beschäftigt waren, brachte die Firma aus Fürth mehrere erschwingliche, analoge elektronische Instrumente auf den Markt, vornehmlich im 19-Zoll-Format. Mit Gerätschaften wie dem Freebass 383, dem ursprünglichen MB33 und dessen Nachfolger MB33 mkII, der Filterbank Warp 9, dem Vocoder VF-11 und dem Drum Synthesizer ADX1 besetzte MAM damals eine kleine, aber feine Nische, wobei insbesondere der MB33 (mkII) unter den zahlreichen TB-303-Clones der Neunziger einen festen Platz innehatte. Im Laufe des Siegeszugs der virtuell-analogen Synthesizer war die Firma dann plötzlich weg vom Fenster, der Fangemeinde verblieb nur der Gebrauchtmarkt als (schrumpfende) Bezugsquelle. Fast 20 Jahre nach dem Erscheinen des ersten MB33 sind analoge Synthesizer heute wieder in aller Munde, und … Filter-Sweeeeeeeep: auch MAM ist zurück!

Mit dem MAM MB33 Retro kommt ein analoger Synthesizer der 90er zurück.
Der MAM MB33 Retro klingt gut und macht Spaß – besonders vielseitig ist er aber nicht.


Mit dem neuen MB33 Retro orientiert MAM sich am oben genanntem Eigengewächs MB33 und präsentiert gleichzeitig den ersten Desktop Synthesizer der Firmengeschichte. Der MAM MB33 Retro ist monophon, vollkommen analog aufgebaut und orientiert sich mit seiner Struktur und seinem Sound an der berühmten Roland TB-303 Bassline aus dem Jahr 1983. In Bezug auf seine physischen Ausmaße ist der Synthesizer ein Winzling, und der Preis fällt mit knapp 140 Euro sehr Budget-freundlich aus. Mal sehen, wie viel Luft der MB33 Retro bewegen kann!

Details

Bei der Neuauflage ist MAM mit der Zeit gegangen und hat den Synthesizer nicht wie den Vorgänger in ein Rackgehäuse eingebaut, sondern in eine kleine Schachtel für den Desktop. Man lege fünf Tafeln weiße Schokolade übereinander und drapiere oben acht Katjes Katzenpfötchen, um mal einen Appetit anregenden Vergleich zu den Dimensionen meines Testkandidaten herzustellen. Mit den Abmaßen 14,75 x 8,5 x 4,9 cm und einem Gewicht von 430 Gramm ist der MAM MB33 Retro wirklich als klein und leicht zu beschreiben. Als Zubehör befinden sich ein externes 12V Netzteil und ein Faltblatt mit einer deutschen Kurzanleitung im Karton. Wer mehr lesen will, kann sich auf der Internetseite des Herstellers ein ausführlicheres Handbuch als PDF-Datei herunter laden.

Fotostrecke: 4 Bilder Die Neuauflage des MB33 ist ein kleiner Desktop-Synthesizer.

Bedienfeld

Auf dem Bedienfeld stehen die gleichen acht Potis für Parameter-Tweaks bereit wie beim ursprünglichen MB33. Die Regelmöglichkeiten orientieren sich am großen Vorbild Roland TB-303. Speicherplätze gibt es keine, die aktuellen Reglerstellungen entsprechen immer dem gerade eingestellten Sound.
ON-LED: leuchtet wenn der MB33 Retro eingeschaltet ist
TUNE: Feineinstellung der Tonhöhe um +/- 50 Cent
WAVE: Auswahl von Sägezahn- und/oder Rechteckschwingung, stufenlos mischbar (dies hat der MB33 Retro der TB-303 voraus!)
CUTOFF: Eckfrequenz des Tiefpassfilters mit 24dB/Okt. Flankensteilheit
RESONANCE: regelbare Filterresonanz ENV MOD: Intensität der Hüllkurve auf Filter Cutoff
ENV DECAY: bestimmt, wie schnell die Hüllkurve abfällt, Regelbereich 200ms – 2,5 Sekunden
ACCENT: Hiermit wird der für die TB-303 charakteristische Akzent simuliert. Bei MIDI Velocity Werten über 120 werden ENV MOD, CUTOFF und Lautstärke beeinflusst. Die Intensität kann stufenlos bestimmt werden.
VOLUME: Lautstärkeregler

Fotostrecke: 2 Bilder Das sparsame Bedienfeld besteht aus acht Drehpotis und zwei LEDs.

Anschlüsse

Die Rückseite des kleinen Kästchens ist mit folgenden Anschlüssen und Bedienelementen bestückt:
OUT: Audio-Ausgang (6,3mm Klinke, mono)
CUTOFF SCALE/OFFSET: Mit diesen Trimmern stellt man den Regelbereich des Cutoff-Potis ein. Der Offset-Trimmer bezieht sich auf die untere Grenzfrequenz des VCF, der Scale-Trimmer auf die obere Frequenz.
VCF IN: Eingang für externe Audiosignale in das Filter des MB33 Retro (mono)
MIDI IN: 5-pol DIN Anschluss für MIDI
MIDI CH: Einstellen des MIDI Kanals über ein „Mäuseklavier“ (DIP-Schalter)
DEMO/AUTOTUNE: manuell ausführbare Stimmungsüberprüfung des VCOs oder Abrufen einer intern gespeicherten Demosequenz … und nein, mit AUTOTUNE erzeugt man hier keine Cher-Vocals oder ähnliches!
12V AC: Anschlussbuchse für das externe Netzteil
Leider fehlt dem MB33 Retro die heute fast obligatorische USB-Buchse zur MIDI-Verbindung mit einer DAW ohne zusätzliches Interface. CV/Gate-Anschlussmöglichkeiten, die man ja inzwischen wieder bei vielen aktuellen Synths findet, sucht man ebenfalls vergeblich. Aber dafür stimmt der Preis!
Die MIDI-Implementation ist übrigens ebenfalls recht rudimentär. Der MB33 Retro kann nur MIDI-Notenbefehle verarbeiten (Note On, Note Off, Pitch und Velocity). Er lässt sich jedoch nicht mit MIDI Control Changes steuern und die Potis senden keine MIDI-Daten. Sein Tonumfang umfasst vier Oktaven (C0 bis C3).

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Praxis

Von der Verarbeitung her macht der MB33 Retro einen sehr guten Eindruck. Sein Gehäuse ist aus solidem Metall, die Potis sind gut verankert. Der Karton, in dem der Synthesizer geliefert wird, hat an den Poti-Oberseiten des Testgeräts leider etwas weiße Farbe hinterlassen, die man nicht einfach abwischen kann.
Ich verbinde das externe Netzteil mit dem MB33 Retro und die zwei LEDs auf dem Panel erleuchten. Zunächst führt mein Testkandidat einen Autotuning-Vorgang durch, der ein paar Sekunden andauert. Die obere LED erlischt und der Synthesizer ist betriebsbereit. Jetzt noch schnell ein MIDI-Kabel hervorgekramt, denn eine Anschlussmöglichkeit per USB gibt es ja nicht. Am rückseitigen DIP-Schalter Interface wähle ich den MIDI-Kanal aus, auf dem mein Masterkeyboard sendet, und los geht’s. Immer wenn der MB33 Retro eine MIDI-Note enpfängt, blinkt die obere LED.
Meine erste Amtshandlung besteht darin, den Demo-Song abzufeuern. Hier wird eine intern gespeicherte Sequenz von Noten abgespielt, die den Synthesizer triggert. Man kann, während die Demo-Sequenz läuft, am Klang schrauben und die Möglichkeiten des MB33 Retro austesten. Und das klang so:

Audio Samples
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Demosequenz

Das macht auf Anhieb Spaß und der Grundsound gefällt. Neben der offensichtlichen Nähe zur TB-303 erinnert mich der MB33 Retro etwas an den Desktop-Synthesizer Eowave Domino.
Wie bei fast allen Synthesizern sind auch beim MB33 Retro die Bausteine Schwingungsform und Filter-Einstellung maßgeblich bei der Klangkreation. Die interessanten Parameter sind hier für meinen Geschmack jedoch die Filter-Resonanz und die zwei Parameter der Filter Hüllkurve: ENV MOD und DECAY. Im Zusammenspiel mit der gut dosierbaren ACCENT-Funktion, die auf Noten mit Velocity-Werten über 120 reagiert, gelingen mir mit diesen drei Potis im Handumdrehen schicke Filter-Sweeps, akzentuierte Patterns oder dynamisch zirpende Resonanzfeedbacks. Unterm Strich, frische und kräftige Klänge. Also das, was man sich von so einer kleinen analogen Kiste verspricht.
Das Portamento (Slide) setzt immer ein, wenn man überlappende Noten bzw. zwei Noten gleichzeitig spielt. Dann wird auch die VCA Hüllkurve nicht ausgelöst. Zum Programmieren 303-typischer Sequenzen über MIDI ist das praktisch, beim Spielen über eine Tastatur aber eher speziell.

Audio Samples
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Bass, verschiedene WAVE MIX Settings Bass, verschiedene WAVE MIX Settings, mit Resonanz Bass, ENV MOD Bass, Saw, Accent, Env Mod Bass, Square-Saw, Accent, Env Mod Filtersweeps Lead Dry Lead mit externem Delay und Kompressor Bass, Accent auf 1 und 3, Portamento Bass, Accent auf 1 und 3, Portamento, mit Sättigung durch externen Preamp

Deutlich wird aber auch, dass man recht schnell am Ende der Klangformungs-Fahnenstange ankommt. Die gängigen 303-Sounds liefert der MB33 Retro kraftvoll und durchsetzungsstark ab, darüber hinaus sind den klanglichen Möglichkeiten aber enge Grenzen gesetzt. Einem Einsatz als universeller Bass- und Lead-Synthesizer steht zum Beispiel im Weg, dass man kaum Zugriff auf Hüllkurven hat. Mit Ausnahme des Decay-Reglers (Regelbereich: 200ms bis 2,5 Sekunden), der auch nur zur Beeinflussung des Filters bereit steht, muss man sich mit den fest eingestellten und unveränderbaren Hüllkurvenwerten begnügen. Beim MB33 Retro geht es immer knackig zur Sache, denn ein regelbares Attack gibt es nicht. Auch Armaturen für Sustain und Release fehlen. Ein ausgelöster Ton nimmt daher immer (gemächlich aber) kontinuierlich in seiner Lautstärke ab, egal wie lange man die Taste seines Masterkeyboards gedrückt hält. Im Hinblick auf das 303-Erbe darf man dieses spartanische Konzept aber natürlich auch gerne als Stilmittel verstehen. “Retro” steht ja sogar im Namen, und zu einem günstigeren Preis kommt man klanglich kaum näher an die 303 heran.
Was dem Bayern jedoch komplett abgeht, ist der stilbildende Sequenzer seines japanischen Vorbilds. Als der MAM MB33 1996 erschien, lief alles über MIDI, die Studios waren stolz auf ihre Racks voller 19“-Expander und Sampler und Hardware-Sequenzer waren ziemlich abgemeldet. Im Jahr 2015 sieht das ein bisschen anders aus: Viele Elektronik-Producer und Live-Acts setzen wieder hauptsächlich auf Hardware und fast jeder Synthesizer hat heute wieder einen Sequenzer oder zumindest einen Arpeggiator an Bord. Der MB33 Retro muss sich heute mit Konkurrenten wie dem Korg volca bass (der sogar noch günstiger ist), den 303-Nachbauten rund um x0xb0x und Cyclone Analogic TT-303 Bass Bot und vielleicht auch mit dem Arturia MicroBrute messen, und da fehlt der Sequencer natürlich. Wer mit dem MB33 Retro live jammen möchte, muss ihn daher zum Beispiel mit einem Korg SQ-1 oder einem anderen Hardware-Sequenzer kombinieren.
Abschließend wäre noch der Audio-Eingang (mono) zu nennen, mit dem man den MB33 Retro auch zum Filtern externer Audiosignale nutzen kann. Klingt nicht übel, aber ich muss gestehen: Andere Filterbänke haben mich schon mehr begeistert. Insbesondere die Tatsache, dass der VCO des MB33 Retro automatisch deaktiviert ist, wenn man den Audio-Eingang benutzt, finde ich sehr schade. 

Audio Samples
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Externer Input: Drumloop
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Fazit

Der MAM MB33 Retro ist ein einfach gestrickter, kleiner, aber feiner Analog-Synthesizer, der sich mit seinen Parametern und seinem Sound stark an der berühmten Roland TB-303 orientiert. Raue, prägnante Bässe oder knackige, lebendige Sequenzen kann er richtig gut. Sein Filter quakt und zwitschert bei hohen Resonanzwerten und in Verbindung mit der Accent-Funktion sehr überzeugend. Massive Attack & Co. lassen grüßen. Drei, vier, fünf gute Sounds bekommt man raus aus diesem “Westentaschen-Synthesizer”, zu viel Varianz im Klang sollte man jedoch nicht von ihm erwarten. Dafür sind die Struktur und das Bedienkonzept einfach zu schlicht ausgelegt. Die Verarbeitung und das haptische Sound-Schrauber-Erlebnis darf man aber mit “top” bewerten. Musiker, die auf kräftige analoge Sounds und den Klang von 80er Jahre Bass-Synthesizern stehen, dürften am MB33 Retro ihre Freude haben und werden beim Preis von 139 Euro nicht lange zögern.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • sehr günstiger Preis
  • Klang des Filters und Filterresonanz
  • Schwingungsformen stufenlos überblendbar
  • gute Verarbeitung
Contra
  • klanglich nicht sehr vielseitig
  • kaum Zugriff auf Hüllkurven
  • keine USB-Schnittstelle
  • Regler senden und empfangen kein MIDI
  • keine Speicherplätze
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MAM MB33 Retro Test
Für 129,00€ bei
Der MAM MB33 Retro klingt gut und macht Spaß – besonders vielseitig ist er aber nicht.
Der MAM MB33 Retro klingt gut und macht Spaß – besonders vielseitig ist er aber nicht.
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