M-Audio Sputnik Test

M-Audio Sputnik: Das umschaltbare Tube-Mikrofon bei bonedo im Test – M-Audio ist ein Hersteller, welcher weniger für außergewöhnliche Boutique-Lösungen denn für solides Handwerkszeug zu einem nicht zu hohen Preis bekannt ist.

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Und während sich beim Kauf eines umschaltbaren Großmembran-Kondensatormikrofons gerne mehrere tausend Euro vom eigenen Konto Richtung Händler auf die Wanderschaft begeben (besonders, wenn das Mikrofon mit dem “Kostenfaktor Röhre” ausgestattet ist), kostet das Sputnik gerade einmal ein wenig mehr als einen halben Tausender.
Es gibt zwar schon Mikrofone mit den genannten Features für deutlich weniger als die Hälfte davon, doch soll es kein Geheimnis sein, dass ich kein großer Befürworter von derartigen Konstruktionen bin: In den meisten Fällen ist man mit einer festen Richtwirkung und einfacherer Elektronik deutlich besser beraten, wenn man nur wenig Geld zur Verfügung für ein Mikrofon hat. Doch wer weiß, vielleicht ist das Sputnik ja eine derartige Überraschung, wie es die namensgebenden sowjetischen Satelliten einst für die Weltöffentlichkeit waren?

Details

Agit-Prop

“Sputnik” als Aufhänger für Design und Namensgebung eines Mikrofons und seines Netzteils kann man irgendwie lustig finden, irgendwie albern oder einfach nur irgendwie. Mir entlockt es in Ermangelung des Erkennens eines Zusammenhangs zwischen einer durchs All fliegenden Blechbüchse und einem Werkzeug, mit dem man Audiomaterial in elektrische Spannung wandeln kann, nur ein ahnungsloses Achselzucken. Allerdings lässt der Hersteller den Namen nicht unkommentiert und erzählt im Handbuch kurz, was es mit dem ersten Satelliten der Menschheit auf sich hatte. Und: Den Namen kann man sich in jedem Fall besser merken, als wenn M-Audio das Ding “C1P12QM3” oder so genannt hätten. Und einen Grund, einen auffälligen Druck im Agit-Prop-Stil auf das Gehäuse des Netzteils zu bringen, hatten sie auch. Wo wir gerade bei diesem sind: Eine Fernumschaltung, wie es viele andere Röhrenmikros ermöglichen, bietet die Power Supply nicht – die Kapselverschaltung wird direkt am Mikrofonkorpus in den drei Hauptstufen Kugel, Niere und Acht vorgenommen. Bis auf das Stecken des Multipin-Mikrofonkabels und des 3pol-XLR-Kabels zum Preamp sowie das Aktivieren der Spannungsversorgung kann man als User am Netzteil nichts bewirken. 

Netzteil mit eindeutiger Sowjet-Optik.
Netzteil mit eindeutiger Sowjet-Optik.

Pad und HPF

Am Sputnik selbst gibt es zwei weitere Einstellmöglichkeiten. Zum einen lässt sich der Frequenzgang nach unten hin begrenzen, was mittels zweipoligem Hochpass mit einem -3dB-Durchlauf bei 80 Hz geschieht. Ansonsten befinden sich bei allen drei Richtcharakteristiken die Übertragungswerte zwischen 20 Hz und 20 kHz in einem Bereich von ± 1 dB (wenngleich die Grafiken im Manual und die Erfahrungen mit Großmembran-Kondensern eine deutlich andere Sprache sprechen). Zum anderen kann der maximale Schalldruckpegel per Pad von 132 auf 142 dB(SPL) erhöht werden. Bei den angegebenen Pegeln beträgt der Anteil der Verzerrungsprodukte am Gesamtsignal 0,5 %. Das Eigengeräusch des Mikrofons beträgt 18 Dezibel nach A-Bewertung, für ein Röhrenmikrofon ist dieser Wert nicht unüblich.

Fotostrecke: 4 Bilder Auf der Vorderseite des Röhrenmikros schaltet man Vordämpfung und Filter.

Frequenzgänge

Die Richtdiagramme zeigen die für eine Doppelmembran-Konstruktion typischen Eigenschaften. So verliert die Niere ab dem Kilohertzbereich etwas an Konstanz und ähnelt die aus beiden Membransignalen verschaltete Kugel in den Höhen eher einer Acht (wohingehend eine “echte” Druckempfängerkugel zunehmend einer Niere ähnelt). Allen Frequenzgängen auf der 0°-Achse ist eine je nach Polar Pattern etwas voneinander abweichende Anhebung des Bereichs um etwa 12 kHz von bis zu 3 oder 4 dB sowie der dann der Membrangröße geschuldete rapide Abfall zur 20kHz-Marke hin gemein. Laut Manual wiederfährt der Übertragung bei 20 kHz nur eine Dämpfung von ein oder zwei Dezibelchen, das wäre auffällig wenig. Eine leichte Überhöhung findet man bei Kugel, Niere und Acht etwas unterhalb von einem halben Kilohertz.

Gruß aus der Vergangenheit

Der tonnenförmige Korpus mit dem Lollipop-Korb lässt optische Assoziationen mit dem CMV 563 mit M-Kapsel aufkommen, wie es vom Neumann-Nachfolgeunternehmen Microtech Gefell heute wieder produziert wird. Dieses System war jedoch nicht umschaltbar, verwendet aber ebenfalls mittenkontaktierte 1”-Membranen – allerdings auf PVC als Trägermaterial. Das Sputnik baut auf eine Braunmühl-Weber-Konstruktion mit goldbedampftem Mylar in drei Mikron Dicke, was heutzutage unter den Doppelmembranern die größte Verbreitung besitzt. 

Blick durch das Metallgitter auf die Kapsel
Blick durch das Metallgitter auf die Kapsel

Nicht vollständig genutzte Pentode

Schraubt man den soliden Messingtubus auf, bemerkt man, dass auf der Platine mit ordentlich dimensionierten Bauteilen in Thru-The-Hole-Technik gearbeitet wurde. Und, na klar, hier findet man auch den Glaskolben, der dem Mikrofon seine Gattungsbezeichnung “Röhrenmikrofon” schuldet. M-Audio verbaut eine sockellose Pentode mit acht Füßen, die jedoch wie so oft als Triode betrieben wird. Das Branding lautet 6205M, sogar der Firmenname M-Audio ist vom Hersteller der Röhre mit aufgedruckt worden. Die 6205-Röhren sind auch bekannt als EF-734 und werden nicht zuletzt wegen ihrer Robustheit und langen Haltbarkeit geschätzt. M-Audio lassen verlauten, die Miniaturröhre selektiert zu haben. Um ein wenig zu relativieren: Um Röhren an Stellen einzusetzen, die für das Audiosignal relevant sind, muss man diese zwingend selektieren. Einfach eine aus der Produktion herausgreifen, mündet allzu schnell in einer Katastrophe. 

Fotostrecke: 4 Bilder Da isse: Pentodenröhre 6205M

Das Sputnik kommt ein einem praktischen Koffer, welcher in Formaussparungen die mitgelieferte Spinne, eine Staubschutztasche, das Netzteil, 7pol-Kabel und Power Lead sowie natürlich das Mikrofon selbst beheimatet. Gut: Es gibt zum Sputnik ein wirklich ausführliches Handbuch.

Praxis

Das Sputnik und sein Netzteil sind aus vernünftigen Materialien in ordentlichen Stärken hergestellt und ausreichend verarbeitet. Wichtiger als das letzte Quäntchen in der Verarbeitungsqualität ist aber die Funktionalität, daher ist es ein gutes Zeichen, dass das Metallrohr, welches das Innenleben des Sputnik mechanisch und elektromagnetisch schützt, kein “Bing” von sich gibt, wenn man es anklopft. Kein Witz: Manche anderen Gehäuse resonieren oder rappeln, das macht sich in Kapselnähe natürlich stark bemerkbar, vor allem, wenn keine oder nur eine schwache interne elastische Aufhängung vorhanden ist.

In Anbetracht von Ausstattung und Preis ordentlich verarbeitet: M-Audio Sputnik.
In Anbetracht von Ausstattung und Preis ordentlich verarbeitet: M-Audio Sputnik.

Sinnigerweise beginne ich Mikrofontests mit Vocals und in Nierencharakteristik bei mittlerem Abstand. Oh ja, es gibt eine leichte Tiefmittenbetonung. Dies kann je nach Signal kernig wirken und einen größeren Abstand ermöglichen, wenn man Nähe zeigen möchte, aber eine zu starke „Verbassung“ durch den Nahbesprechungseffekt fürchtet. Das ist gut. Auf der anderen Seite muss man vorsichtig sein, dass das Signal gerade bei Männerstimmen nicht zu dröhnig wird. Zudem wirkt die Anhebung ein bisschen al zu wenig “integrativer Bestandteil” des Signals, sondern ein wenig gewollt – aber kaum merklich. Geringere Abstände machen das Signal schnell etwas muffig, aber dennoch hält sich die Überbassung in Grenzen – zudem gibt es ein ordentliches Hochpassfilter. Weite Abstände stehen dem Sputnik besser zu Gesicht, hier kann das Mikrofon seine Qualitäten unter Beweis stellen. Es klingt dann besonders in den Höhen feiner und liefert ein Signal, welches besser “atmen” kann. 
Als letztes File im Player findet ihr eine bearbeitete Version der Vocals und zwei Signale, die über einen Hiwatt Custom DR504 und das Sputnik aufgenommen wurden.

Audio Samples
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Sputnik 10 cm, Niere Sputnik 30 cm, Niere Sputnik 50 cm, Niere Sputnik 10 cm, Niere, HPF Vocals, Gitarrenamp

Stellt man jedoch einen Vergleich mit einem deutlich hochwertigeren umschaltbaren Röhrenmikrofon an, in diesem Fall das Microtech Gefell UM 92.1S, werden die klanglichen Unterschiede deutlich: Das M-Audio Sputnik wirkt etwas kratzender und reibender und damit trotz seiner Überhöhung unterhalb der 1-kHz-Marke weniger rund und voluminös als das Gefell. Bemüht man einen Equalizer mit extremen Einstellungen, stößt man beim Sputnik deutlich schneller an seine Grenzen, auch die Verwendung schlechterer Preamps verzeiht das teurere Mikrofon besser. Aber dabei sollte man nicht vergessen: Für den Preis eines UM 92 kann man schließlich sechs Sputniks kaufen! Dass im Sputnik-Manual aber eine Nähe sowohl zu den beiden vielleicht legendärsten Großmembran-Röhrenmikros Neumann U 47 und AKG C12 hergestellt wird, erscheint mir aus konstruktiven wie klanglichen Gründen aber ein, nun, sagen wir “interessanter Standpunkt” zu sein.  

Audio Samples
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UM 91.2S 10 cm, Niere UM 91.2S 30 cm, Niere UM 91.2S 50 cm, Niere

Nicht begeistert kann man jedoch sein, wenn man hört, welche klanglichen Auswirkungen das Hinzufügen der rückseitigen Membran hat. Wird ihr Signal gleichphasig zugemischt, ergibt sich also die Kugel, dann fallen deutliche, schmale Kerben im Frequenzgang auf. Im Vergleich mit dem an der gleichen Stelle positionierten MG erkennt man, dass es sich nicht nur um Kammfiltereffekte durch Rückwürfe handelt. Weniger phasig und löchrig, aber schmalbrüstig und kalt klingt die Acht. Der bei vielen Mikros zu findende etwas präsentere Klangcharakter ist hier nicht zu finden. Gut, einerseits ist es natürlich vorteilhaft, charakterlich sehr unterschiedliche Klänge per Patternumschaltung erzeugen zu können, nur werden diese selten wünschenswert sein (und sind, mal etwas überspitzt formuliert, auch mit einem kurzen Delay zu realisieren).

Audio Samples
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Sputnik 30 cm, Acht Sputnik 30 cm, Kugel Sputnik 30 cm, Niere UM 91.2S 30 cm, Acht UM 91.2S 30 cm, Kugel

Dynamisch geht das Sputnik für ein Mikrofon dieser Ausstattung und Preisklasse in Ordnung. Wirklich zu zerren beginnt das Röhrenmikrofon erst nach einer recht gemütlichen Sättigungsphase, die per Pad schließlich auch weiter nach oben verschoben werden kann. Auf starke, kurze Pegelanstiege reagiert das Kondensatormikrofon bisweilen nicht ganz so linear, wie man es sich wünschen würde. Jede Bearbeitung mit einem Kompressor greift aber deutlich drastischer ein. Unproblematisch ist das Röhrenmikro bei Popplauten, mit scharfen Konsonanten muss man bei manchen Stimmen etwas behutsam sein.

Das Mikrofon klingt mit dieser Einstellung deutlich am besten.
Das Mikrofon klingt mit dieser Einstellung deutlich am besten.

Fazit

Es gibt halt keine Wunder. Auch wenn der erste Satellit, den die Menschheit in den Orbit gebracht hat, als solches angesehen wurde, er war „schnöde“ Ingenieursleistung. Mit dem M-Audio Sputnik verhält es sich vergleichbar, bietet es doch im Grunde das, was man von einem umschaltbaren Röhrenmikrofon für 500 Euro verlangen kann, aber eben keine Wunder. Insofern sollte man gar nicht erst damit beginnen, Vergleiche zu aktuellen Top-Notch-Mikrofonen oder gar weltbekannten Klassikern zu bemühen. Das Sputnik liefert ordentliche Qualität, wenngleich ich vor einer Anschaffung immer dazu raten würde, zu überprüfen, welche Anforderungen man an ein Werkzeug hat und was für Eigenschaften man sich verspricht. Im konkreten Fall: Muss es Röhre sein? Muss es umschaltbar sein? Wenn man diese Fragen wirklich mit “Ja” beantworten kann und kein höheres Budget verfügbar ist, sollte man sich das Sputnik einmal kommen lassen. 

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • preiswert
  • mit HPF, Pad und Patternumschaltung umfangreich ausgestattet
Contra
  • Klangcharakter von Kugel und Acht
Artikelbild
M-Audio Sputnik Test
Für 222,00€ bei
Wer das M-Audio Sputnik anschafft, muss Abstriche beim Klang der seltener genutzten Richtcharakteristiken machen.
Wer das M-Audio Sputnik anschafft, muss Abstriche beim Klang der seltener genutzten Richtcharakteristiken machen.
TECHNISCHE SPEZIFIKATIONEN
  • Membrangröße: groß (1”)
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Kugel, Niere, Acht einstellbar
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz (±1 dB) (lt. Handbuch
  • Übertragungsfaktor: 30 mV/Pa
  • Eigengeräuschpegel: 18 dB(A)
  • maximaler Schalldruckpegel: 132 dB SPL
  • Röhre: 6502M Pentode, als Triode verschaltet
  • Ausgang: 3-pol-XLR am Netzteil
  • Lieferumfang: Koffer, Spinne, Netzteil, Multipin-Kabel, Tasche
  • Preis: € 699,-(UVP)
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In Anbetracht von Ausstattung und Preis ordentlich verarbeitet: M-Audio Sputnik.

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