Hagstrom Retroscape H III SB Test

Praxis

Sound

Die Gitarre liegt mit einem Gewicht von knapp dreieinhalb Kilo im gesunden Bereich für eine Brettgitarre dieser Bauart. Die Bespielbarkeit ist dank des 15-Zoll-Radius und der 22 Medium-Jumbo-Bünde bis in die höchsten Lagen sehr angenehm, und Saitenziehen ist, wie schon erwähnt, kein Problem. Der Primärklang ist leicht mittig gefärbt und kommt etwas fragiler daher als der einer Stratocaster oder Telecaster. Der Grund ist der flache Winkel, mit dem die Saiten über das Rollentremolo geführt werden. Irgendwie erinnert das Ganze an die Jazzmaster, die allerdings weitaus stimmstabiler ist. Das Tremolo ist ab Werk freischwebend eingestellt und kommt nach Betätigung leider nicht wieder in die exakte Ausgangsposition zurück, wodurch sich die Gitarre sehr schnell verstimmt. Da helfen auch die Sustain-killende Roller-Bridge und die akkurat arbeitenden Mechaniken nicht weiter. Das einzige, was hier Abhilfe schaffen kann, ist, die Feder des Tremolos fester anzuziehen, damit es auf der Grundplatte aufliegt. Weiterer Vorteil diesen Maßnahme: Die Gitarre klingt besser und hat mehr Sustain. Wie es sich für eine Beatgitarre gehört, haben die eingebauten Singlecoils einen moderaten Output, wodurch man aber diesen typischen 60s Jangle-Sound gut hinbekommt.
Im ersten Beispiel hört man den Stegpickup am cleanen Gitarrenamp. Hier habe ich den Bass-Cut zwischendurch immer mal wieder aktiviert und wieder deaktiviert.

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Bridge-Pickup: clean – Bass Cut, abwechselnd Off/On

Hier noch ein cleanes Beispiel mit dem Bridge-Pickup und den verschiedenen Einstellungen der drei Tone-Schalter. Zuerst sind alle Schalter deaktiviert, dann kommt der Bass-Cut, gefolgt vom Mute bzw. Rhythm-Switch. Zum Schluss wird’s dann so richtig dumpf, wenn ich den Tone-Schalter aktiviere.

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Bridge-Pickup: normal – dann Bass Cut, dann Mute, dann Tone

Die Zwischenstellungen von Bridge/Mitte und Mitte/Hals erzeugen einen schönen silbrigen Sound.

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Bridge- und Mittlerer Pickup: clean Mittlerer und Neck-Pickup: clean

Der mittlere Pickup , der von vielen Gitarristen leider viel zu oft vernachlässigt wird, hat durchaus seine Qualitäten. Mit ihm sind schöne Gangster-Gitarrensounds möglich, die sich wegen der perfekten Unperfektion dieser Gitarre sehr authentisch präsentieren.

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Mittlerer Pickup: clean

Im folgenden Soundbeispiel hört ihr den Neckpickup im Zusammenspiel mit den cleanen Gitarrenamp. Im ersten Drittel ist der Sound unbeeinflusst. Im zweiten Drittel aktiviere ich den Mute-Schalter (Rhythm), wodurch das Signal deutlich leiser und etwas belegter klingt. Im letzten Teil kommt dann der Tone-Switch zum Einsatz, der für meinen Geschmack einfach zu viel des Guten tut, denn der Ton wird nicht nur total dumpf, sondern auch viel zu leise.

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Hals-Pickup: clean – erst normal, dann Muteschalter, dann Tone
Der authentische 60er-Jahre Jangle Sound ist für die Beatgitarre kein Problem.
Der authentische 60er-Jahre Jangle Sound ist für die Beatgitarre kein Problem.

Wegen der einzelnen Pickupschalter kann man bei der Hagstrom H III auch Steg- und Hals-Pickup zusammen aktivieren, was einen sehr coolen Telecaster/Jazzmaster-artigen Sound zur Folge hat. Clean gespielt erinnert mich diese Kombination an kalifornische Surfsounds und speziell an alte Beach-Boys-Hits.

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Bridge- und Neck-Pickup: clean

Mit der Hagstrom H III kann man nicht nur clean spielen, sondern in gewissen Grenzen auch gut abrocken. Wegen der Gitarrenkonstruktion und den Singlecoils klingt es sehr rotzig und rau, also perfekt für kantige, knarzige Riffs. Metall ist aber definitiv nicht möglich, dazu sind die Pickups einfach nicht kräftig genug.

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Bridge-Pickup: High Gain – normal, dann Bass Cut

Wenn man Steg- und mittleren Tonabnehmer geneinsam aktiviert, bringt der Bass-Cut einen dezenten Trebleboost-Effekt, der mich entfernt an Brian May erinnert. Übrigens brummen die Singlecoils in den Zwischenpositionen nicht, weil die Spule des mittleren Pickups umgekehrt gewickelt ist und seine Magnete ebenfalls umgekehrt gepolt sind. Zuerst spiele ich das Riff im normalen Modus und dann mit aktiviertem Bass-Cut.

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Bridge- und Mittlerer Pickup: angezerrt – erst normal, dann Bass Cut

Mit viel Verzerrung gefällt mir der mittlere Tonabnehmer hier sehr gut.
Speziell Blueser könnten mit der Gitarre also durchaus ihren Spaß haben. Die bekanntesten Middle-Pickup User sind übrigens Stevie Ray Vaughan, Steve Winwood und Tommy Bolin.

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Mittlerer Pickup: High Gain

Die Saitentrennung beim Halspickup finde ich schon erstaunlich. Solche Sounds bekommt man mit hochgezüchteten Pickups nicht hin, weil der Ton einfach zu mittig und zu komprimiert wird. Allerdings muss man mit viel Gain auch viele Einstreuungen in Kauf nehmen. Aber wie sagt der Kölner so schön: Vun nix kütt nix.

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Neck-Pickup: High Gain
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Peter W. sagt:

#1 - 06.08.2023 um 21:38 Uhr

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Ich war neugierig auf die Gitarre,weil ich das alte Original aus den 1960er Jahren habe. Das Griffbrett ist griffiger und kräftiger als das Original und bis in hohe Lagen gut bespielbar.Elektronik ist wertig und funktioniert gut.Sounds sind fantastisch mit viel Twang und Knack in den Basssaiten und absolut brauchbar. Die Stimmung wird besser gehalten als bei so manchem namhafteren Hersteller auch dank Rollerbridge. Der ganz grosse Minuspunkt ist der Tremoloarm,der total schlackrig und wackelig ist .Die Halteschraube ist bei der Betätigung total überfordert und kann nicht dauerhaft fest arretiert werden. Der Saiten-und Federwiderstand sind konstruktionsbedingt hoch. Ich habe die Gitarre nur behalten da ich das Tremolo durch das alte ersetzen konnte.Die Originaltremolohalterung ist Schrott.Ich frag mich warum das keine Erwähnung im Review fand.

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    Peter W. sagt:

    #1.1 - 06.08.2023 um 21:50 Uhr

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    Weil ich es ein bisschen verwirrend geschrieben habe,das Tremolo aus der 60er Jahre Hagstrom ist am Tremoloarm und mit Schraube stabiler als von der Retroscape.Ich habe dies in die Retro eingebaut.

    Antwort auf #1 von Peter W.

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Mortadelo sagt:

#2 - 29.11.2023 um 11:42 Uhr

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Das mit dem Tremolo kann ich bestätigen, absolut suboptimal gelöst. Man kann den Tremoloarm allerdings schon arretieren. Dazu muss man minutenlang fummeln, bis man das Gewinde gefunden hat und dann kann man es mit einem 50cent Stück zudrehen. Da schlabbert zwar nichts wie oben erwähnt, aber der Jammerhaken ist absolut schwergängig und steht irgendwie immer im Weg. Macht keinen Spaß das Ding. Ansonsten ist die Gitarre, typisch Hagström, absolut genial und Top-Qualität. Wer Sixties-Sound mag, viel Twang und den entspr. Look mag, kann hier nichts falsch machen.

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