Kaum zu glauben, aber unsere allseits geliebte Paula feiert demnächst ihren Sechzigsten! Und man muss neidlos zugestehen, dass man ihr das überhaupt nicht ansieht. Keine Spur von Rente, im Gegenteil: Bei Bedarf gibt die reife Lady immer noch gerne Gas, spielt die Rampensau und verwandelt nicht selten die eine oder andere Bühne in ein Tollhaus. Lobeshymnen auf die rüstige Rock-Ikone haben wir schon des Öfteren vom Stapel gelassen, aber ob so ein langes Leben unbedingt ein Segen für den Hersteller sein muss, sei dahingestellt. Immerhin steht der mit seinem Schützling vor einem Problem, das alle erfolgreichen Künstler kennen: Je länger es her ist, dass man einen Hit hatte, desto schwieriger wird es, den Erfolg zu wiederholen.
Dieter Bohlen hat es eine zeitlang geschafft, denselben Song mehrmals erfolgreich zu einem Megaseller zu vermarkten, und prinzipiell gelingt genau das auch Gibson mit der Les Paul. Der Vergleich mag nicht unbedingt angebracht sein, aber vom Grundsatz her passt er. Wir von bonedo fühlen uns natürlich traditionell berufen, den neuen Varianten der alten Dame immer mal wieder auf den Zahn zu fühlen und herauszufinden, wo ein Lifting angesetzt wurde oder vielleicht sogar eine Verjüngungsmaßnahme Erfolg zeigt. Die Cherry Lady, die wir heute unter die Lupe nehmen, ist im Sinne ihrer Großmutter von 1957 ganz die Alte. Vorhang auf!
DETAILS
Korpus
Die Fünfziger waren nicht nur in Deutschland eine goldene Ära, auch bei E-Gitarren wurden die beliebtesten Modelle, egal ob von Fender oder Gibson, in dieser Blütezeit hergestellt. Der Name unseres Testinstrumentes verrät schon, dass man sich optisch und vor allem in Pickup-Bestückung und Bauweise an dieser Epoche orientiert. Und spätestens beim Entnehmen der Gitarre aus dem mitgelieferten Koffer herrscht Klarheit, denn ihr Gewicht entspricht dem einer typischen Les Paul. Dafür verantwortlich ist ein feines Stück Mahagoni, das im üblichen Les Paul Shaping mit einem Cutaway und einer Ahorndecke versehen ist und in diversen Lackierungen im Katalog steht.
Unsere Les Paul kommt im Cherry Sunburst Finish, meines Erachtens die Standardlackierung einer Paula – man sieht sie unter anderem bei Jimmy Page, Ace Frehley oder Tommy Thayer. Es gibt dieses Modell aber auch in Honey Burst, Desert Burst, Iced Tea, Light Burst, Chicago Blue, Wine Red und einfarbig in Gold Top und Ebony (schwarz). Zum Einsatz kommt Nitrolack, der bei jeder Les Paul traditionell von Hand aufgetragen wird, um ihr einen dem Vorbild ebenbürtigen Look zu geben. Ein cremefarbenes Binding (Vintage Creme) ziert den Korpusrand.
Bei der Korpuskonstruktion hat man es sozusagen mit einem entschlackten Body zu tun. Neun in den Korpus gefräste Löcher helfen, Gewicht zu sparen (Chambered), damit man auch hier wieder näher an die Vintage Les Pauls herankommt. Wie sich das auf das Schwingungsverhalten auswirkt, werden wir später im Praxisteil sehen und hören. Pickups, Hardware, Regler und Schalter finden sich an den gewohnten Positionen, vier Transparent Gold Speed-Knobs sind für die Volume- und Tone-Potis (2x Lautstärke, 2x Klang) der beiden Humbucker zuständig. Farblich passend zum Binding kommen das kleine Schlagbrett in Vintage White, Ring und Knopf des Toggle-Switch und die Rahmen für die Pickup-Kappen. Die Les Paul Traditional ist mit einer Tune-O-Matic Bridge mit Stoptailpiece aus verchromtem Zamak (Zink-Aluminium-Magnesium-Kupfer Legierung) bestückt. Jeder Saitenreiter kann zur Justierung der Oktavreinheit einzeln bewegt werden, in der Höhe wird die Bridge wie üblich an den beiden Achsen mit den dort sitzenden Rändelschrauben verstellt.
Pickups
Hier sind die klassischen Tonabnehmer nach dem 57er Vorbild am Werkeln. Ein Classic 57 sitzt am Hals und sorgt für den warmen Vintage-Sound, während ein Classic 57 Plus für etwas mehr Schmutz in der Stegposition zuständig ist. Auch sonst gibt es nicht viel Neues zu vermelden. Die zwei Pickups sind durch verchromte Kappen geschützt und bieten über einen 3-Weg-Toggle-Switch die Schaltvarianten Hals (Rhythm), Steg (Treble) oder in mittlerer Position beide zusammen. Jeder Tonabnehmer kann getrennt in Lautstärke und Klang geregelt werden.
Hals
Der Hals ist dem der 59er Les Paul nachempfunden, er besteht aus Mahagoni und hat ein aufgeleimtes Palisander-Griffbrett. Das Profil wird vom Hersteller als „rounded 50’s D“ bezeichnet und liegt gut in der Hand. Es lässt sich auch mit kleinen Fingern gut umgreifen und lädt zum Spielen ein. Ein gutes Zeichen, denn es signalisiert: Dich kenn ich, hier fühl ich mich zu Hause, wir werden eine schöne Zeit miteinander verbringen.
Auf dem Griffbrett sind 22 Medium Jumbo Frets verarbeitet, auch die oberen Lagen sind gut erreichbar. Der Gitarre kann man eine sehr gute Bespielbarkeit bescheinigen, nicht zuletzt wegen ihrer optimalen Werkseinstellung. Zur Orientierung auf dem Griffbrett dienen Trapez-Inlays und Dots an der Halskante. Am Übergang zur Kopfplatte sitzt ein Sattel aus Corian, laut Hersteller das ideale Material zum Übertragen von Ton und Saitenschwingung. Ganz in Schwarz folgt die um 17º geneigte Kopfplatte, bei der die Stimm-Mechaniken typischerweise an beiden Seiten angeordnet sind. Sie trägt unter dem Gibson-Schriftzug die Typenbezeichnung (Les Paul Model) und darunter die Kunststoffabdeckung des Halsstellstabes mit eingraviertem Instrumentennamen (Traditional). Die Kluson-Style Tone Pro Mechaniken arbeiten mit einer Übertragung von 16:1 und ihre tulpenfömigen Stimmknöpfe sind logischerweise auch als Tulip-Buttons bekannt.
PRAXIS
Praxis/Sound
Trocken (ohne Amp) angespielt macht die Les Paul Traditional schon einigen Krawall, vor allem klingt sie recht knackig, hat einen guten Attack und eine direkte Ansprache. Der 50’s Neck ist etwas klobiger als die schlankere Halsform der Sechziger-Modelle, aber es bedarf nur einer kurzen Eingewöhnungsphase und man weiß diesen Prügel zu schätzen: Er lässt sich exzellent bespielen! Dazu trägt die angenehm flache Saitenlage über das komplette Griffbrett bei, nichts scheppert, auch wenn man mal einen kräftigen Schlag loslässt. Die Bünde sind vorbildlich abgerichtet und poliert, es gibt keine überstehenden Kanten, und butterweiche Bendings und lockeres Fingervibrato sind absolut kein Problem.
Clean-Sound
Wir hören uns zuerst die drei Pickup-Einstellungen beim Cleansound an, um ein Gefühl für den Grundcharakter und Klang der Tonabnehmer zu erhalten. Die Classic 57 haben schon ordentlich Pfiff und Feuer unter der Haube. Der Ausgangspegel liegt im oberen Bereich, aber die Tonabnehmer sind keine Plattmacher, sondern übertragen den Ton in allen Dynamikstufen. Die erste Position (Halspickup) kommt angenehm warm und sehr ausgeglichen im Klangbild, die Bässe sind nicht überbetont. Schlägt man etwas härter an, wird der Klang auch entsprechend spitzer und die Höhen kommen stärker zum Vorschein.
Position Nummer 2, die Kombination aus Hals- und Steg-Pickup, kommt erwartungsgemäß mit mehr Höhen aus den Speakern. Wir haben damit keinen weltbewegend neuen Sound, denn hier ist homogenes Klangverhalten zwischen den Tonabnehmern angesagt.
Beim Stegpickup geht es schon wesentlich höhenbetonter zur Sache, logisch. Aber auch sein Ausgangspegel legt noch eine Runde gratis dazu. Der Bridge-Pickup bringt den Amp dort schon leicht zum Zerren, wo beim Hals-Tonabnehmer noch keine roten Lämpchen leuchten. Das passiert aber auch erst bei heftigem Anschlag.
Muffige Jazz-Sounds gehen wunderbar mit dem Hals-Pickup, wenn man zusätzlich den Tone-Regler noch etwas zurückdreht. Beim folgenden Beispiel stand er auf 3.
Die Übertragung der Pickups ist erstklassig, da bleiben keine Wünsche offen. Man muss sich natürlich auch im Klaren darüber sein, dass jede Nuance und damit jede kleine Spielungenauigkeit übertragen wird. Aber gerade das macht es ja bei uns Gitarristen aus, die kleinen Ungereimtheiten im Ton, die man bei den großen Helden als „Original Style“ bezeichnet. Das ist hier möglich, und eine kleine Kostprobe dazu gibt es im nächsten Beispiel. Der Hals-Pickup ist angewählt, wieder mit voll aufgedrehtem Tone-Poti, und ich habe zuerst mit dem Daumen angeschlagen, dann mit der runden Seite und danach mit der Spitze des Picks. Der Klangunterschied ist sofort und sehr deutlich hörbar.

Crunch-Sound
Als Nächstes sind die dreckigen Töne an der Reihe, der Marshall Plexi ist schon vorgeglüht und freut sich auf ein Tänzchen mit der Cherry Lady. Und die Beiden harmonieren bestens. Mit einer leichten Verzerrung und guter Dosierung der Höhen bekommt man mit dem Hals-Pickup einen schmatzigen Dirty Rhythm Sound hin. Was mir besonders gut gefällt, ist der sehr knackige Bassbereich. Viele Les Pauls tendieren gerade dort zu einer eher muffigen Wiedergabe der tiefen Saiten, besonders bei kurzen Tönen mit perkussivem Attack. Das ist hier nicht der Fall, der Bassbereich wird sehr klar und straff wiedergegeben.
So weit, so gut. Jetzt noch ein paar Umdrehungen mehr Amp und wir hören uns das Resultat mit dem Steg-Pickup an. Hier gibt es auch nichts zu meckern, der Ton ist wesentlich bissiger und kitzelt einen angenehmen Zerrsound aus dem Verstärker, der aber immer gut mit den Fingern dosierbar ist. Exzellente Ansprache!
Dynamik-Verhalten
Ich hatte es zwar schon erwähnt, aber hier kommt noch einmal ein kleines Hörbeispiel zur erstklassigen Ansprache und Tonübertragung dieses Instrumentes. Das ist wirklich der Hammer, die Gitarre gehorcht und folgt dem Gitarristen auf Schritt und Tritt. In Verbindung mit einem sehr guten und dynamisch reagierenden Amp offenbart sich eine riesige Klangvielfalt. Hier ein kleiner Auszug, die Saiten wurden zuerst nur leicht mit den Fingern angeschlagen, dann hart mit dem Pick.
Ähnliches kann man natürlich auch mit dem Volume-Regler anstellen. Mit ihm ist der Verzerrungsgrad in Oldschool-Tradition exzellent regelbar. Der Regelweg des Potis ist angenehm feingängig und steuert die Verzerrung sehr nuancenreich. Beim nächsten Beispiel ist der Steg-Pickup in Einsatz, zuerst mit Volume auf 3, dann 10, und wieder zurück auf 3.
Auch die Wiedergabe von Akkorden bei hoher Verzerrung funktioniert einwandfrei, hier das übliche Beispiel zur korrekten Akkordwiedergabe. Die Akkorde E, G, D, A, E werden nacheinander bei hoher Verzerrung angeschlagen und sind als solche klar und deutlich zu erkennen. Auch der Anschlag der einzelnen Saiten beim letzten E-Akkord ist nicht matschig, jeder neue Anschlag wird mit sauberem Attack wiedergegeben.
Tone Poti
Das Tone-Poti reagiert nicht extrem, es macht also den Höhenbereich nicht komplett dicht. Allerdings kann man schon den typischen weinenden Gitarrensound mit Steg-Pickup und zugedrehtem Tone-Regler erzeugen. Das Poti senkt den Frequenzbereich ab 2 kHz moderat ab, auch hier mit einem gleichmäßigen Regelweg.
Mid & HiGain Sounds
Ihr könnt es euch wahrscheinlich schon denken: Auch hier gibt es fünf fette Sterne für druckvollen Sound, vor allem im Bassbereich, und großartiges Sustain bei Leadsounds. Die Einfräsungen im Korpus zur Gewichtsverringerung hinterlassen keine negativen Spuren, der Ton klingt lange und sauber aus, so wie man es sich von einer Les Paul (und manch anderer Gitarre) wünscht. Hier ist ein Beispiel mit weit aufgedrehtem Gain am Hughes & Kettner Duotone.
Jetzt das volle Brett, noch mehr Zerre und das Tuning in Richtung Keller. Drop C ist angesagt, und auch bei solchen Spielchen zuckt die Les Paul nicht einmal mit der Wimper. Der Bassbereich wird auch bei Low Tunings präzise wiedergegeben, die Saite schlackert nicht und schnelles Riffing ist auf jeden Fall möglich. Vor allem ist die Obertonansprache ein Genuss. Man muss gar nicht hart mit dem Pick arbeiten, um Pinch Harmonics zu erzeugen.
FAZIT
Was für ein Volltreffer! Die Gibson Les Paul Traditional ist ein erstklassiges Instrument und jeden Cent wert. Das fängt bei der Verarbeitung an, die Einstellung von Oktavreinheit und Saitenlage ab Werk ist makellos, und hat man sie erst einmal in der Hand, möchte man sie nicht mehr loslassen. Schließt man sie dann noch an einen guten Verstärker an, ist der Tag gelaufen! Der Sound der beiden 57 Classic Pickups hat viel Pfund und Druck, eher spitz und knackig als träge und muffig, wie bei manch anderer Les Paul. Das Übertragungsverhalten der Tonabnehmer ist einzigartig, alle Spielnuancen kommen erstklassig zur Geltung und ermöglichen eine enorme Bandbreite, obwohl beide Pickups nahezu baugleich sind. Einsetzbar ist die gute Cherry Lady in allen musikalischen Sparten. Wer das nötige Geld hat und auf der Suche nach einer Gitarre fürs Leben ist, der sollte die Les Paul Traditional unbedingt antesten.
- Verarbeitung
- Sound
- Tonansprache
- Klangwiedergabe
- –


- Hersteller: Gibson
- Model: Les Paul Traditional HCS
- Finish: Heritage Cherry Sunburst
- Korpus: Mahagoni
- Hals: Mahagoni
- Profil: Rounded 50’s D
- Griffbrett: Palisander
- Halsbr.Sattel: 43 mm
- Halsbr. 12.Bd.: 53 mm
- Halsdicke 5. Bund: 25 mm
- Mensur: 628 mm
- Bünde: 22
- Mechaniken: Kluson Style Tone Pros, Tulip Buttons
- Pickups: 57 Classic (Hals), Classic 57 Plus (Steg)
- Regler: 2x Volume, 2x Tone
- Brücke: Nashville Tune O’ Matic, Stop Tailpiece
- Gewicht: 4,3 kg
- Zubehör: Koffer
- Preis: 1899,00 Euro
Dino sagt:
#1 - 14.09.2013 um 01:12 Uhr
Gibt es einen Unterschied zum 2012 Modell? Im Bericht steht leider nicht, um welches Jahrgangsmodell es sich hier handelt.
Guido (bonedo) sagt:
#2 - 14.09.2013 um 11:08 Uhr
Hallo Dino,
es ist ein 2011er Modell (auf dem Foto der Kopfplattenrückseite zu sehen).
Viele Grüße, Guido
n sagt:
#3 - 12.09.2014 um 18:22 Uhr
schlechter text