Flip One HD Test

Beim Auspacken des zigarettenschachtelgroßen Gerätes aus der edlen Verpackung wächst meine Skepsis trotz des sympathischen Gewichts und der edlen Metall- und Plastikverarbeitung. Wohlgemerkt, der Zwerg gibt vor, in HD aufzuzeichnen, hat dazu 8 GB an Bord und besitzt inklusive Batteriefachdeckel nur neun Knöpfe. Das ist für eine einfache Bedienung wegweisend, zumal auch die Bedienungsanweisung mit ganzen acht Seiten und vielen Bildern auskommt. Aber das erfahre ich erst später, denn ohne sie eines Blickes zu würdigen, lege ich zwei Mignon-Batterien ein, betätige den ON-OFF-Schalter und habe ein Bild auf dem 4,5 cm Monitor. Die darunter liegende rote Taste verrät international und ohne Worte, dass sie für die Aktivierung der Aufnahme zuständig ist, und schon zeigt mir eine Minuten-Sekunden-Anzeige an, dass ich aufnehme. Wow, schneller habe ich in meiner professionellen Karriere als Kameramann noch nicht gefilmt. Da wuchtest du die Profi-Kamera auf die Schulter, Geübte schalten auf dem Weg dahin schon das Gerät ein, das dann ein kleines Set-Up durchläuft und nach etwa vier Sekunden nehme ich auf. Das schafft die Flip One in weniger als zwei. Klarer Vorteil für den Schnappschuss!

Erstaunt bin ich auch beim Zoomen. Die Brennweitenveränderung ist nicht unbedingt der Hammer, aber mit Faktor zwei ganz ordentlich und ohne die Bildqualität maßgeblich zu beeinträchtigen. Also schwenke und zoome ich nach Herzenslust und laufe ein wenig herum – Flip One hält es in HD mit 1280 x 720 Pixeln fest, also in HD-Ready – aber leider nicht im europäischen PAL-Standard mit 25,  sondern im amerikanischen NTSC-Standard mit 30 Bildern pro Sekunde (fps = frame per second).
Dazu ein Wort: Sehen wird man den Unterschied nur auf den Monitoren, auf denen man auch sein Fernsehprogramm schaut. Auf den Monitoren für Computer fallen die fps nicht ins Gewicht. Die FLIP ONE ist also eine typische Videokamera für YouTube und Konsorten.
Zum Zoomen und Schwenken werde ich nachher noch ein  paar praktische Tipps geben, denn nicht alle Zuschauer halten beim Betrachten von Videos eine Spucktüte bereit.
Nun drücke ich auf STOP und schaue mir im Monitor meinen Film an. Gut, ich bin zufrieden. Und neben der Aufnahme befindet sich für alle Fälle die NG- (No Good!), also Papierkorb-Taste. Die Lautstärke lässt sich nur mit dem Multifunktionsbutton regeln und ich stelle erstaunt fest, dass der Sound gar nicht mal so schlecht ist, sogar besser als erwartet. Die Mikrofonierung der FLIP ONE scheint ganz gut zu sein.

Und  nun der Knaller: Wie ein Schweizer Messer flippt der USB-Stecker aus der Breitseite und verlangt nach einem Computer. Das ist nicht nur witzig, sondern garantiert auch eine schnelle Weiterverarbeitung! Ich hab es ausprobiert. Die Flip One hat Software für Windows und Mac an Bord, man kann anschauen, speichern, schneiden, archivieren und umgehend ins Internet stellen, ja selbst „eine DVD brennen“ ist eingebaut. Das Ganze in einer doch sehr beachtlichen Qualität und mit einem guten Sound. Importieren in Schnittprogramme ohne Probleme, alle Videodateien sind MP4-Standard.

Faszinierend auch die Mini-HDMI Buchse an der Seite. Hier kann man jeden moderneren HD-Ready LCD, Plasma oder LED-Monitor anschließen und die kleinen Filmchen in bestechender HD-Qualität bestaunen. Der alte „Q“ von James Bond könnte vor Neid platzen, die Neue ja nicht so…
Dabei ist der Kurs der Flip One alles andere als astronomisch – laut Hersteller liegt der Preis bei 169 Euro – aber bekanntermaßen geht es manchmal auch billiger.
Aber was hat das mit uns Musikern zu tun? Also, ich stelle mir vor, du hast eine Band, der neue Song ist fertig und die Fans sollen ihn hören und auch sehen, wie ihr den Titel performt. Also, ab auf YouTube! Mit der Flip One ist das sofort möglich.
Nimm ein einfaches Mikrofonstativ, denn am Boden der Flip One befindet sich ein Befestigungsgewinde für 1/8 Zoll. Das Ganze so aufstellen, dass die Band zu sehen ist, auf Start drücken und los geht’s. Ist der Song im Kasten, auf STOP drücken und rüber zum Rechner. Flip One einstecken, am Anfang und Ende alles Überflüssige abschneiden, mit der Flip One-Software Titel fertigen, YouTube anmelden und hochladen. Wenige Minuten später kann die Welt euren Song in Bild und Ton und sogar in HD bestaunen! Mehr geht nicht auf dem ersten Weg zum Ruhm.
Etwas versiertere Zeitgenossen nehmen den Mix mit professionellen Geräten auf und schneiden für einen besseren Sound die Musikdatei darunter. Kleiner Tipp: Am Anfang einmal eine „Klappe“ betätigen und auf die Klappe den Ton synchronisieren. So machen es die Profis!
Noch ein paar Tipps. Wer dreht und Wert darauf legt, dass es gut aussieht, der sollte ein paar einfache goldene Regel befolgen. Nicht wackeln! Nicht zoomen! Nicht schwenken! Ruhig halten! Bisschen planen …  Wer unbedingt zoomen muss: Erst einmal überlegen, wo der Zoom hingehen soll. Dann auf das Anfangsbild des Schwenks gehen, Start drücken, drei Sekunden das Bild stehen lassen, dann schwenken in der für richtig befundenen Geschwindigkeit, im anvisierten Endbild stehen bleiben und mindestens noch 5 Sekunden weiterlaufen lassen. Wer das alles uncool findet, der darf gerne wackeln, zoomen, zittern, mitgehen, schräg halten, Kamera in die Luft werfen und auffangen und was es sonst noch gibt. Aber immer daran denken, dass nicht unbedingt alles neu ist, was einem gerade einfällt und man selbst für äußerst kreativ hält, und wenn etwas neu ist, muss es nicht unbedingt gut sein. Aber erlaubt ist zuerst einmal, was gefällt.
Für diejenigen, die gedrehtes Material professionell mit einem Schnittprogramm bearbeiten wollen, habe ich folgende Erfahrungen machen können: Erstens wird immer gesagt, dass das Wandeln der Dateien kein Problem ist. Glaubt mir – es ist immer eines! Mal zittert das Bild, mal sind die Farben durcheinander, dann stimmt das Seitenverhältnis nicht, die Framerate gibt Rätsel auf, unerwünschte Linie tauchen auf und vieles mehr. Das geht nicht nur Amateuren so – auch Profis leiden unter den vielfachen Einstellmöglichkeiten für Videodateien, was sicherlich daran liegt, dass sich die Industrie auf keinen eindeutigen Standard einigen kann. Man denke nur an die Schlacht zwischen Mac und Microsoft. Deshalb kann ich eigentlich nur empfehlen, das Ausgangsmaterial natürlich zu bearbeiten. Dazu hat der FLIP ONE den kostbaren HDMI-Ausgang der das Abgreifen des Audio- und Videosignales problemlos ermöglicht. Vorausgesetzt, man hat die entsprechende Möglichkeit, über die HDMI-Schnittstelle zu digitalisieren. So kann man das gedreht Material wesentlich besser und kreativer verarbeiten und beste Ergebnisse für die Vorführung erreichen.
Sinnvolles Zubehör ist also neben den Batterien ein Mini-HDMI-HDMI-Kabel.
Ausprobiert haben wir die Flip One bei der charmanten Yasmin K. in der Hamburger „Sichtbar“ am 19. Februar: Dazu der Vergleich mit einer 30mal teureren Videokamera in HDV (1440×1080 Pixel) und einem zusätzlichen digitalen Audiorecorder: Was mich tatsächlich erstaunt, ist die Bildqualität der Flip One. Ich hatte ehrlich gesagt damit gerechnet, dass sie bei dem geringen Licht in die Knie geht – tut sie aber nicht. Kompliment!

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