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Wes Audio Mimas Test

Der 1176-Klon Mimas des seit einigen Jahren recht erfolgreichen polnischen Herstellers Wes Audio wagt sich auf noch wenig ausgetretene Pfade und kombiniert seinen klassisch-analogen Signalweg mit digitaler Kontrolle. Angesichts zahlreicher 1176-Lookalikes und Originalrevisionen von UREI bzw. Universal Audio braucht es also gute Argumente für eine weitere Variante. Und diese hat Wes Audio in der Hinterhand. Das 500-Modul verspricht den legendären Analogsound mit der Bequemlichkeit eines Plug-ins zu verbinden. Mal schauen, ob und wie das funktioniert!

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Details

Mimas ist Teil der “ng 500”-Serie von Wes Audio, und dahinter verbirgt sich der “New Generation”-Standard für 500-Module mit einem erweiterten Connector. Darüber sollen sich in Verbindung mit einem Modulträger Zusatzfunktionen wie Recall und Fernsteuerung realisieren lassen, wobei die Kompatibilität mit bestehenden Racks/Modulträgern weitestgehend gewährleistet bleibt. Auch mit einer Standard-Lunchbox eines Drittanbieters lassen sich die Funktionen der ng-Module abrufen, dann aber über eine frontseitige Mini-USB-Buchse auf den Modulen selbst. Dazu später mehr.

Fotostrecke: 5 Bilder Mimas mit “New Generation”-Standard für 500-Module mit einem erweiterten Connector

Wes Audio verzichtete bei der Namensgebung auf 1176-Reminiszenzen. Dabei enthält Mimas einen analogen Signalweg, der sich bereits im Beta76-1176-Klon (sowie dessen Vorläufers) desselben Herstellers bewährt hat. Für den Einsatz in der 500-Kassette mussten allerdings einige Anpassungen vorgenommen werden. Die waren beispielsweise der speziellen Stromversorgung oder der geringen Baugröße der Module geschuldet. Nichtsdestotrotz verbirgt sich im sehr modern wirkenden Gehäuse eine klassische, überwiegend diskret aufgebaute analoge Interpretation des 1176-Konzepts. Diese basiert auf Carnhill-Übertragern am Ein-/Ausgang, was historisch eher Neve zuzuordnen ist, sowie auf einem diskreten analogen Operationsverstärker in der Ausgangsstufe sowie dem FET-Regelelement selbst. Einzig als Input-Buffer kommt mit dem NE5534 ein industrieller Standard-OpAmp zum Einsatz.

Ausstattung

Ein klassischer FET-Kompressor hat vier Standard-Bedienelemente: Input (mit festem Threshold), Output, Attack und Release, und hier macht auch der Mimas keine Ausnahme. Allerdings verfügt das Modul trotz seines analogen Signalwegs über eine digitale Steuerung. Dementsprechend handelt es sich bei den vier Knöpfen auch nicht um analoge Potenziometer, sondern um drehbare Encoder für die digitale Kontrollebene. Das fühlt sich in der Bedienung trotzdem ziemlich analog an.

Fotostrecke: 4 Bilder Input-Regler nebst VU/GR-Meter

Die Natur der digitalen Kontrolle bringt es mit sich, dass das Gerät bei den Schaltfunktionen überdurchschnittlich auftrumpfen kann. Mit kleinen Tipptastern steppt man durch die Parameter, ähnlich wie beim Distressor von Empirical Labs. Mimas bietet auf diesem Wege – komplett durch LEDs illustriert – die typischen Kompressionsraten 4:1, 8:1, 12:1 sowie 20:1. Auch auch an den All-Button-Modus, bei dem alle LEDs leuchten, wurde gedacht. Weiterhin verfügt das Modul über eine Link-Funktion zur Stereo-Verkopplung sowie über einen Relais-gestützten Bypass. Das Sidechain-Filter kann bei den Eckfrequenzen 60, 90 sowie 150 Hz aktiviert werden und die Drive-Funktion bietet Sättigungsprodukte.

Eine LED-Kette mit acht Segmenten zeigt wahlweise die Pegelreduktion oder den Ein-/Ausgangspegel an, und damit ist die Funktionalität der Kassette bereits umrissen. Fertigungstechnisch gibt es bis auf den – wieder einmal – ärgerlichen Punkt der zu hellen weißen LEDs rein gar nichts zu bemängeln. Das Modul wirkt edel und modern, es sieht trotz offener Bauform extrem robust aus, und mit den Carnhill-Übertragern wurde auch auf extreme Qualität bei den entscheidenen analogen Bauteilen geachtet.

Der berühmte All-Button-Modus ist natürlich mit an Bord
Der berühmte All-Button-Modus ist natürlich mit an Bord

Next Level

Erste Hinweise auf die “Next Level”-Bedienung liefern die beiden Preset-Buttons unten auf der Frontplatte. Mit diesen lassen sich zwei Settings abrufen, was eindrucksvoll illuminiert wird. Die Zustände der Dreh-Encoder werden durch LED-Kränze visualisiert, und wenn diese beim Preset-Wechsel umspringen, hat man eher den Eindruck vor einem Synthesizer zu sitzen, nicht aber vor einem 500-Modul.
Allerdings sind die weißen LED-Kränze zwar schön anzusehen, aber leider viel zu hell. In einer nicht durch gleißendes Tageslicht erhellten Regie überstrahlen sie nicht nur den Rest der Frontplatte, sondern sie blenden auch, wenn man im falschen Winkel hineinblickt. Hier wäre eine Dimmer-Funktion wünschenswert.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Encoder werden von weißen LED-Kränzen flankiert,…

Und jetzt der Clou: Ob über ein proprietäres “ng 500”-Rack oder die Mini-USB-Buchse: Das Modul kann per DAW über ein VST3/AU/AAX-Plug-in ferngesteuert werden. Die Verbindung ist einfach via USB herzustellen und funktioniert bidirektional. Das Plug-in steuert also einerseits die Hardware, aber auch die direkte Bedienung am Gerät lässt sich aufzeichnen. Es grenzt schon an Zauberei, wenn man im Plug-in-Fenster auf den Bypass-Button klickt und augenblicklich das Relais im Modul klicken hört.
Der einzige Schönheitsfehler dieses Setups ist, dass man bei Verwendung von Drittanbieter-Modulträgern das Mini-USB-Kabel vorm Rack hängen hat. Denn die Montage der USB-Buchse auf der Frontplatte ist unvermeidlich, da die Rückseite ja per Kontaktleiste dem 500-Standard genügen muss. Hat man Blut geleckt, kann jedoch ein “ng 500”-Rack von Wes Audio Linderung verschaffen.

Fotostrecke: 2 Bilder Es gibt auch zwei Preset-Buttons
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Praxis

Ich muss zugeben, dass ich bezüglich der USB-Fernsteuerung ein paar Berührungsängste hatte. Software installieren für den Test eines 500-Hardware-Moduls? Ein USB-Kabel vor dem Rack verlegen? Dies war mir unheimlich. Um so größer die Überraschung, dass Plug-in und Kassette auf Anhieb ordnungsgemäß miteinander kommunizierten. Wenig später dann ungläubiges Staunen, als sich die LED-Kränze des Moduls Plug-in-gesteuert in Bewegung setzen. Wenn das so gut klappt, möchte ich es für alle analogen Prozessoren haben!
Man mag diskutieren, ob eine Parameter-Automation bei einem 1176-Kompressor wirklich notwendig ist, aber die Vorteile überzeugen. Total recall? Auf Knopfdruck! Schnell ein paar unterschiedliche Settings vergleichen? Nur einen Mausklick entfernt! Das ist toll für den Workflow, zumal man hier das beste beider Welten serviert bekommt und auch an der Hardware mit beiden Händen eingreifen kann.

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Klingt gut?

Doch jetzt zum Knackpunkt: Wie klingt es? Einfache Antwort: ziemlich gut. Aufgrund der Erfahrungen des Herstellers mit dieser Schaltung und den verbauten Komponenten ist das keine große Überraschung. Durch alle Klangbeispiele zieht sich der straffe, klar konturierte Sound, den man von so einem Prozessor erwartet. Gerade auf Drums kann der Mimas seine muskulös-wuchtigen Eigenschaften ausfahren, die vor allem durch die rasend schnellen Zeitkonstanten beim Attack-Parameter definiert werden. Nicht umsonst taufte Bill Putnam sein Biest damals Limiting Amplifier!
Bewegt man sich bei Attack und Release im Bereich der kürzesten Werte, die sich wie beim Original nahe des Rechtsanschlages befinden, gelingen die typischen, wuchtigen Drums, bei denen die Raummikros zu explodieren scheinen. Lässt man den Attack langsam kommen, formen sich knackig-knallige Transienten, deren Durchschlagskraft man feinfühlig kontrollieren kann.

Audiobeispiele Drums:

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Original Long Attack, Short Release, 4:1 Short Attack, Short Release, 4:1 Short Attack, Short Release, All-Button-Modus

Audiobeispiele Bass:

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Original Medium Attack, Short Release, 4:1 Medium Attack, Short Release, 4:1, Sidechain-Filter 60 Hz Medium Attack, Short Release, 4:1, Sidechain-Filter 150 Hz

Überragend für Stimmen

Vocals schließlich erweisen sich einmal mehr als Paradedisziplin eines solchen Dynamikwerkzeugs. Nur wenige Kompressoren eignen sich so sehr als Vocal-Lautmacher wie ein 1176 und der Wes Audio meistert diese Aufgabe mit Bravour. Analog zu Drums und Bässen kann man mit dem Attack-Knopf wunderbar die Durchschlagskraft von Konsonanten formen. Ein korrekt eingestellter 1176 zählt zu den ganz wenigen Dynamics, bei denen man komprimierte Vocals nicht mit einem De-Esser glätten muss. Das Teil ist so schnell, dass es diesen Job gleich miterledigt!
Das Ganze funktioniert beim Mimas so effektiv und das Gerät hat so viele Reserven, dass man sich bisweilen bewusst zügeln muss. Die Linie zur Überkompression ist je nach Anwendungsfall fein Auch dieser Punkt spricht für den Kompressor – nicht dagegen.
Das einzige Wermutströpfchen ist der “All-Button”-Modus des Mimas. Normalerweise sorgt diese “absichtliche Fehlbedienung” beim 1176 für eine heftige, organisch schnaufende Effektkompression mit ganz charakteristischem Klang. Doch während man im übertragenden Sinne mit dem sämig-dicken Singsang einer Les Paul rechnet, spuckt der Mimas eher das perkussive Klingeln einer Stratocaster aus. Das klingt nicht schlecht und hat als Sound seine Berechtigung, aber an den Original-1176-All-Button-Modus erinnert es eher entfernt. Das sollte man wissen.

Audiobeispiele Vocals:

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Original Medium Attack, Short Release, 4:1 Long Attack, Short Release, 4:1 Short Attack, Short Release, 4:1

Hier könnt ihr den Mimas in einem kurzen Video in Aktion erleben:

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Mehr Informationen
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Fazit

Für den Preis eines runden Tausenders, so viel kostet normalerweise ein hochwertiges 500-Modul, erhält man einen sehr guten Gegenwert, selbst wenn man die digitale Steuerung außer Acht lässt. Der Mimas ist ein vielseitiger, gut klingender Kompressor, dem man in den meisten Situationen seine 1176-Provenienz auf Anhieb abkauft. Kommt die digitale Ebene ins Spiel, schwingt das Pendel ein gutes Stück weiter zugunsten des Wes-Audio-Comps aus. Ich hätte nicht erwartet, wie sehr ich die Plug-in-Fernsteuerung in wie kurzer Zeit zu schätzen gelernt habe. Wenn das die Zukunft hybrider Analog/Digitalprozessoren ist, dann bin ich froh, dass sie schon begonnen hat!

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Klangeigenschaften
  • Vielseitigkeit
  • Plug-in-Fernsteuerung
  • Einfache Bedienung trotz zahlreicher Zusatzfunktionen
  • Neuartiges Konzept
Contra
  • weiße LED-Kränze zu hell
  • All-Button-Modus weicht klanglich vom UREI-Original ab
Artikelbild
Wes Audio Mimas Test
Für 999,00€ bei
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Technische Spezifikationen
  • 1176-Style-Kompressor im 500-Format
  • Weitgehend diskret aufgebauter Signalweg
  • Carnhill-Übertrager
  • Digitale Kontrolle und Fernsteuerung via Plug-in
  • Sättigungsfunktion
  • Sidechain-Filter
  • Preis: EUR 1.046 (UVP)
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