Eventide Princeton Digital Reverb 2016 Test

Die Zahl im Produktnamen des Eventide Princeton Digital Reverb 2016 ist nicht zufällig gewählt: Im Jahre 1982 stellte die Firma Eventide mit dem SP2016 eines der ersten digitalen Multieffektgeräte vor – in einer Zeit, in der man der Musikwelt noch häufig erklären musste, was „digital“ überhaupt bedeutet.

Auf der Bekanntheitsskala stand der SP2016 (SP steht übrigens für „Sound Processor“) immer im Schatten der Lexicon-Hallgeräte. Aber in diesem Schattendasein fand er seine ureigene Klangnische, denn nach und nach kristallisierte sich heraus, dass die SP2016-Anwender besonders gerne drei Algorithmen nutzen: den Stereo-Room, den Mono-Room und die Density-Plate. Immer wieder wurde hervorgehoben, wie einfach sich Signale, die mit diesen Algorithmen verhallt wurden, in den Mix integrieren lassen – und sind wir mal ehrlich: Was kann man von einem Hallgerät mehr erwarten, als dass es einem die ohnehin schwierige Arbeit der künstlichen „Ver-Räumlichung“ leichter macht?
Dann gingen die Jahre ins Land und irgendwann zum Jahrtausendwechsel musste sich der Entwickler der SP2016-Algorithmen, Tony Agnello, gedacht haben: Wäre doch schön, wenn man diese Reverb-Algorithmen auf den Stand den neuen Millenniums bringen könnte! Agnello, ehemals Eventide-Mitarbeiter (wo er unter anderem die Software der ersten Harmonizer entwickelt hat) gründet dazu gleich eine Firma: Princeton Digital. Und das erste Produkt dieser Firma wurde in Zusammenarbeit mit Eventide das Reverb 2016 – ein Hallgerät, das sich genau dieser drei legendären SP2016-Algorithmen annimmt. Die Reduktion auf lediglich drei Hallprogramme ist dabei Teil des Konzepts und basiert auf zwei – nach kurzem Nachdenken recht einleuchtenden – Annahmen. Annahme Nummer eins: Der Effekt, den man fast zu hundert Prozent in jedem Mix verwendet, ist der Reverb-Effekt und zwar vornehmlich zur Simulation von Räumlichkeit. Daraus folgt Annahme Nummer zwei: Wenn wir diesen Effekt schon so exklusiv nutzen, ist der Bedarf nach einem Hardware-Gerät, das diesen Effekt ebenso exklusiv bedient, sicherlich gegeben.

Details

Ausgepackt und angeschaut

Dem ersten, noch ausgeschalteten Anschein nach ist das Reverb 2016 ein klassisches, schlichtes 19“-Gerät: schwarzes Metallgehäuse, schwarze Drehknöpfe, weiße Beschriftung. Aber nach dem Einschalten begrüßt uns der Testkandidat während des knapp sieben Sekunden dauernden Bootvorgangs mit äußerst hellen „all lights on“ und die Frontplatte zeigt sich in all ihrer modernen LED-Pracht. Blickfang sind dabei die roten LED-Ringe um die sieben Drehregler. Erfrischend: Hier wurde mal ein Stück Hardware nach dem Vorbild von Plug-Ins designt und nicht umgekehrt. Die LED-Ringe sehen nicht nur richtig cool aus, sie geben uns einen schnellen optischen Rückschluss über die Reglerposition. Wer es genauer wissen möchte, der kann sich den aktuellen Wert über einen kurzen Druck auf den Drehknopf im Display anzeigen lassen. Alle Drehknöpfe bis auf die beiden (analogen) Ein- und Ausgangsregler sind nämlich digitale Encoder mit Push-Funktion: Einmal gedrückt wird wie eben erwähnt der nummerische Wert angezeigt. Dreht man im gedrückt gehaltenen Zustand, sind große Werte-Sprünge, also schnelle Änderungen möglich. Nach dem Loslassen kann man dann mit dem Feintuning weitermachen.

Die Position der LED-Ringe lässt sich schnell erfassen – und die Dinger sehen echt cool aus.

Auf der linken Seite der Front finden wir alles, was mit den Ein- und Ausgangspegeln zu tun hat: Das wären zum einen die beiden Potentiometer zum Einpegeln von analogen Signalen und zum Einstellen der analogen Ausgangslautstärke. Damit man beim Einpegeln nicht im Blindflug arbeitet, gibt es eine fünfstufige LED-Kette, die das Eingangssignal von -40 dB bis zum internen „over“ anzeigt. Das Reverb 2016 akzeptiert analoge und digitale Eingangssignale, dazu findet man auf der Rückseite die entsprechenden Buchsen. Auf analoger Seite sind das zwei XLR-Buchsen und zwei 6,35 mm Klinkenbuchsen. Letztere sind ebenfalls symmetrisch ausgeführt. Falls das Umfeld kein ausreichend starkes +4dBu-Signal hergibt, kann die Eingangsempfindlichkeit mit einem Druckschalter an die berühmten -10 dBV („Consumer“) abgepasst werden. Die gleiche Kombi aus XLR-Buchsen und Klinkenbuchsen finden wir ein paar Zentimeter die Rückseite runter bei den Ausgängen, auch hier sind alle Anschlüsse wieder symmetrisch ausgeführt.

Alle Ausgänge sind symmetrisch ausgeführt, der Input-Level kann zwischen +4 dB und -10 dB umgeschaltet werden.

Neben den Ausgangsbuchsenn befindet sich die S/PDIF-Schnittstelle für die digitale Einbindung ins Studio. Das Reverb 2016 akzeptiert auf diesem Weg Sample-Raten von 44,1 bis 48 kHz und ist somit nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Mit einem Druckschalter über der LED-Kette aktiviert man die digitalen Ein- und Ausgänge. Wird mit dem, über der LED-Kette angebrachten Drucktaster die digitale Schnittstelle aktiviert, haben die analogen Potis natürlich Feierabend. Über dem Input-Regler gibt es noch eine kleine LED, die anzeigt, ob der ausgewählte Algorithmus stereotauglich ist oder nur ein Mono-Signal als Ausgangsmaterial zulässt. Das wird später interessant, wenn es um die einzelnen Algorithmen und ihre Besonderheiten geht.
In der weiteren Riege der Drucktaster findet sich ein mit „Kill“ beschrifteter Schalter: Das ist eine Art Solo-Schalter für die Hallfahne. Diese Funktion kann mit einem Fußschalter gesteuert werden, eine entsprechende Buchse befindet sich auf der Rückseite.

Der letzte der drei Druckschalter ist der Bypass-Schalter. Dessen Funktion ist zwar selbsterklärend, weist aber dennoch eine kleine Besonderheit auf: Man kann in den Systemeinstellungen zwischen einer analogen und einer digitalen Bypass-Variante umschalten. Hierzu im Praxisteil gleich mehr.
In Reihe der Bedienelemente folgen nach der Eingangssektion die sieben Dreh-Encoder, mit denen sich die verschiedenen Parameter der Reverb-Algorithmen einstellen lassen. Wie viele der sieben Parameter justiert werden könne, das unterscheidet sich von Algorithmus zu Algorithmus, bei Parametern die nicht geändert werden können bleibt der LED-Ring dunkel.

Fotostrecke: 2 Bilder Die linke Seite gehört der Eingangssektion des Reverb 2016…

Die Parameter

Die Regler für die Hall-Parameter heißen „Mix“, „Predelay“, „Decay (RT60)“, „Position“ und „Diffusion“. Dann folgt eine EQ-Sektion für Bässe und Höhen, mit der (im geringen Maße) die Hallfahne bearbeitet werden kann. Der Low-EQ ist ein Kuhschwanzfilter mit einem maximalen Boost von +4 dB und einer maximalen Dämpfung von -8 dB. Die Arbeitsfrequenz lässt sich zwischen 50 und 500 Hertz in 50-Hertz-Schritten einstellen. Der High-EQ ist ein High-Cut-Filter, die Höhen können zwischen 1kHz und 8 kHz um maximal 8 dB abgesenkt werden, die Schrittbreite liegt hier bei 500 Hertz.

Die EQ-Sektion mit Shelving-EQ für den Bass und High-Cut-Filter für die Höhen und rechts der Taster zum Auswählen der drei Algorithmen.

Nach den Encodern folgen die Bedienelemente für die Auswahl des Algorithmus. Das Reverb 2016 hat wie gesagt derer nur drei: Stereo-Room, Room, Plate. Allerdings einmal in der historischen Ausführung von 1982 und einmal in einer aufgepeppten „New“-Version. Die neuen Versionen unterscheiden sich vor allem durch die erweiterten Bearbeitungsmöglichkeiten der Algorithmen mit allen Parametern. Während sich zum Beispiel bei der „alten“ Plate lediglich Pre-Delay und Decay-Zeit ändern lassen, stehet einem bei der „New Plate“ die komplette Riege an Effektparametern zur Verfügung, inklusive EQ.

Fotostrecke: 2 Bilder Mix, Pre-Delay, Decay, Position, und Diffusion: Die fünf Parameter für das schnelle Reverb-Glück.

MIDI-Schnittstelle

Zur Datensicherung und zur Fernsteuerung finden wir eine MIDI-Schnittstelle mit einer In- und einer Out-Buchse. Über diese Schnittstelle lassen sich alle Parameter des Reverb 2016 über „MIDI Continuous Controller“ (kurz: MIDI CC) fernsteuern. Im Praxisteil gibt es ein Video, in dem ich an einem Gitarrensignal die Arbeitsweise der Parameter des Hallgeräts demonstriere. Die Werte-Änderungen in diesem Video sind via CC-Daten aus Pro-Tools heraus automatisiert. Steckt das Hallgerät in einem Rack und kann nicht vom Abhörplatz aus bedient werden, kann man mit einen normalen MIDI-Controller das Gerät auf diesem Weg fernsteuern. Über einen MIDI Dump-Befehl können über diese Schnittstelle auch die gespeicherten Presets auf den Rechner übertragen werden und natürlich auch wieder ans Reverb 2016 geschickt werden. Einem Total Recall steht also nichts im Wege.

Fotostrecke: 3 Bilder Die absolut hochwertige und saubere Verarbeitung zeigt sich auch im Innern.

Systemeinstellungen

Hier lassen sich ein paar grundlegende Einstellungen für das Gerät vornehmen, unter anderem kann der eben erwähnte MIDI-Dump aus dem Systemmenü heraus gestartet werden. Außerdem kann man Information über die Firmware-Version abrufen und die beiden verschiedenen Bypass-Varianten einstellen. Die Bedienungsanleitung schweigt sich hier zwar aus, aber der erste Menüeintrag in den Systemeinstellungen bezieht sich auf das Eingangssignal, dass der Reverb 2016-DSP verarbeitet. Der Mono-Room- und der Plate-Algorithmus können nur ein Mono-Eingangssignal verarbeiten, der Stereo-Room allerdings akzeptiert auch ein Stereo-Signal. Deshalb ist es sinnvoll, das Hallgerät auch über zwei Kanäle zu beschicken, dazu muss im Systemmenü eingestellt werden, dass beide Kanäle als Eingangssignal verarbeitet werden. Steht das Routing auf „Kanal 1“ („in1“ im Display), dann arbeitet auch der Stereo-Room nur mit einem Monosignal! Alle Stereo-Algorithmen sind aber „True Stereo“, erzeugen also für die linke und rechte Seite ein eigenständiges Hallsignal. Deshalb am besten die Eingänge auf „bth“ für „both“, also beide Eingänge umstellen.

Fotostrecke: 2 Bilder Das Display zeigt nach einem Tastendruck das eingestellte Routing. Es blinken abwechselnd kryptische Zeichen, die den angewählten Input zeigen: „in1“ steht für den linken Eingang, das Reverb 2016 kann in diesem Zustand nur Mono-Signale verarbeiten.

Presets

Die Werks-Presets teilen sich in zwei Gruppen auf: Preset eins bis 60 sind „100% wet“-Presets, die Nummer 61 bis 89 sind Varianten mit unterschiedlichen Mix-Werten. Die Plätze 90 bis 99 sind leer und können mit eigenen Einstellungen belegt werden, allerdings können all 99 Werks-Presets überschrieben werden. Sprich: dem Anwender stehen alle 99 Speicherplätze für eigene Kreationen zur Verfügung. Wie schon erwähnt, kann man via MIDI-Dump die Presets extern speichern und wieder auf das Gerät übertragen. Heutzutage würde man das vermutlich über eine USB-Schnittstelle mit entsprechender Software (oder einer App) oder einem Speicherkarten-Slot eleganter lösen.

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