Telefunken AK-47 MkII Test

Hierzulande ist im Bereich der Tontechnik dieser Name etwas weniger von der magischen Aura umgeben, als es in den USA der Fall ist. „Telefunken“ wird dort in erster Linie mit alten Röhrenmikrofonschätzchen deutscher Produktion assoziiert, besonders dem ELA M 251 und dem U 47.

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Moment… U 47… ist das nicht ein Neumann? Genau, das U 47 ist eine Entwicklung von Neumann, die schlicht das Telefunken-Badge aufgedrückt bekam, das ELA M 251 hingegen ist eine eigenständige Entwicklung – allerdings durchgeführt und komplett gebaut von AKG in Wien. Dass dabei die berühmte CK-12-Kapsel zum Einsatz kam, ist sicher nur vorteilhaft und rückt das ELA-Mikro in die Nähe des AKG C 12.
Auch heute ist Telefunken im Bereich der Mikrofontechnik nicht viel mehr als ein Name, wenn auch ein gewichtiger. Nach der Gründung als „Telefunken USA“ in das heutige Telefunken Elektroakustik geändert – natürlich mit dem Recht, diesen Namen zu führen –, haben sich die Amerikaner aus Connecticut dem Bau hochwertiger Röhrenkondensatormikrofone verschrieben. So sind einerseits in der „Diamond Series“ sehr originalgetreue Nachbauten der U-, C- und ELA-Mikrofone entstanden, für die man allerdings sehr, sehr tiefe Taschen braucht: Fünfstellige Eurobeträge kennt man sonst höchstens von gut erhaltenen Originalen. Neben der neuesten Erweiterung des Produktportfolios auf dynamische Instrumenten- und Bühnen-Gesangsmikrofone, sind es die Eigenentwicklungen, wie das Copperhead, welche durchaus Erfolg haben. Das AK-47 entstammt der R-F-T-Serie. Die drei Buchstaben RFT stehen für die in ganz Osteuropa verbreiteten und geschätzten Produkte der DDR-Nachrichtenelektronik. Vielleicht rührt daher die Namensverwandtschaft mit dem russischen Tötungsgerät AK-47, über die ich mich im B.log schon ausgelassen habe. Ja, man hat schon das Gefühl, dass bei Telefunken Elektroakustik viel in einen Topf geworfen wird, was aus unserer Sicht getrennt sein sollte. Sei´s drum.
Das AK-47 MkII wird von Telefunken Elektroakustik als klanglich in der Nähe von Neumann U 47 und M 49 beworben. Beides übrigens sind Mikrofone, die mit der berühmten M7-Kapsel ausgestattet waren (das M 49 verwendete in späteren Produktionsdaten die K49-Kapsel). Da trifft es sich ja gut, dass ich ein Röhrenmikrofon besitze, welches eine „echte“ M7-Kapsel auf PVC-Basis nutzt: ein Microtech Gefell UM 92.1 S.  

Details

Kugel, Niere, Acht – und weitere Richtcharakteristiken

Ein großes Mikrofon in typischer Tubus-Form, externes Netzteil, Mehrpol-Kabel, einfache Spinne, Holzcase: Das sind die Bestandteile, die man erhält, wenn man das Telefunken AK-47 ersteht. Hinter dem klassischen, verchromten Metallgitter arbeitet eine mittenkontaktierte TK67D-Doppelmembrankapsel, die nach dem verbreiteten Braunmühl-Weber-Prinzip aufgebaut ist: Jede Membran dient für die jeweilige rückseitige als Laufzeitverlängerung, wodurch bei beiden einzeln betrachtet eine Nierencharakteristik entsteht. Die beiden Signale der Kapsel lassen sich am Speisenetzteil entweder mit identischer oder invertierter Polarität mischen, was im ersten Fall eine Kugel ergibt, im zweiten eine Acht. Zudem kann das Level der hinteren Membran verändert werden, sodass sich bei positiver Polarität verschiedene breite Nieren, bei negativer Super- und Hypernieren einstellen lassen. Insgesamt sind neun Richtcharakteristiken wählbar. 

Fotostrecke: 5 Bilder Die Signale der beiden Membranen lassen sich zu neun verschiedenen Richtcharakteristiken kombinieren.

EF 732

Ich liebe es, wenn man nicht Uhrmacherschraubendreher oder sonstiges Werkzeug benötigt, um an das Innere eines Mikrofons zu gelangen. So auch beim Telefunken: Das Innere ist zugänglich, indem der dicke, verchromte Ring am Fuß des AK-47 abgeschraubt und die schwere Metallhülse abgezogen wird. Hier gibt es nun einiges zu entdecken: Ein Röhrenmikrofon hat eine Röhre im Signalpfad, klar. Im Telefunken verrichtet eine EF 732 Subminiaturröhre ihren Dienst. Die auch als 5840 bekannte 6,3V-Pentode entstammt alten Neubeständen, ist also NOS („New Old Stock“). Der Klang einer Röhre ist mit der Kapsel stark für den Sound eines Mikrofons verantwortlich, aber unter den weiteren Bauteilen hat der Übertrager eine hohe Relevanz. Der BV8 ist nach seinem historischen, in einigen Neumännern verbauten Vorbild hergestellt, was das Telefunken AK-47 klanglich ebenfalls deutlich in deren Nähe rücken dürfte. 

Fotostrecke: 5 Bilder Die Subminiatur-Pentode ist eine NOS-Röhre.

Vintage-Technik, moderne Werte

Bis hierhin klingt alles sehr nach alter Technik. Das stimmt zwar prinzipiell, doch hat man zumindest die Daten ins neue Jahrtausend transportiert: Von 10,5 dB(A) können Besitzer eines echten Vintage-Röhrenmikros nur träumen. Wie die nervigerweise häufig verwendete Frequenzgangangabe „20 Hz – 20 kHz“ zu deuten ist, bleibt Telefunken durch Verschweigen des Pegelabfalls an diesen Stellen schuldig. Aber mal ganz ehrlich: Anders als bei Equipment wie Studiomonitoren und Kleinmembranmikrofonen ist das bei einem eindeutig „altertümlich“ ausgerichteten Tube-Mike auch herzlich egal. Hauptsache, es rauscht nicht wie Hulle. Und das tut es nicht nur auf dem Papier nicht, das sei schon mal an dieser Stelle verraten. Bei eher mittleren 16,5 mV/Pa Empfindlichkeit liegt die Zerrgrenze nicht irrsinnig hoch, doch sind 132 dB(SPL) für 1% THD keine Werte, die bei üblichem Einsatz Probleme bereiten könnten – zumal der Klirr dieses Mikrofons wahrscheinlich sooo schlecht nicht klingen wird, wenn er nicht gerade Überhand nimmt. „Max. SPL“ ist hingegen mit 125 dB(SPL) angegeben. Eine Angabe über THD+N fehlt dabei, doch sind 0,5% durchaus wahrscheinlich. Das spricht für einen sanften Anstieg der harmonischen Verzerrungsprodukte bei hohen Pegeln. Ich finde das gut!

Telefunken-Logo auf dem Netzteil
Telefunken-Logo auf dem Netzteil

Praxis

Spinnen sind teure Haustiere

Einfach und solide wirkt es, das Telefunken Elektroakustik AK-47 MkII. Das Mikrofon selbst wirkt klassisch, was nicht nur auf das Rauten-Emblem, sondern auch die schnörkellose Bauform zurückzuführen ist. Das muss ja nicht schlecht sein, sondern fällt ganz einfach unter Pragmatismus, wenn das 47er dadurch auch etwas hausbacken wirkt. Die Spinne allerdings fällt ab, degradiert sie doch den optischen Gesamteindruck deutlich. Das schaffen aber auch Schoeps, die ihr Studio-Gesangsmikrofon V4 U mit einer zwar funktionalen, doch stilistisch am anderen Ende des Spektrums angesiedelten elastischen Halterung anbieten. Böse Telefunken-Leute also? Bestimmt nicht. Denn wer nach Gründen sucht, darf sich bitte jetzt einmal die wirklich gut verarbeiteten Spinnen von Neumann ansehen, die zugehörigen Preise aufrufen und dann mit sich selbst ausmachen, ob er diese Preise zu zahlen bereit ist. Gute, schöne, langlebige Spinnen kosten eben viel Geld.

Fotostrecke: 4 Bilder AK-47 MkII in der Spinne

Dickes Low-End

Schon bei größerem Besprechungsabstand wird deutlich, in welche klangliche Richtung das Telefunken marschiert: Es klingt fett. Oh ja. Deutlich ist zu hören, wie das Fundament eines Signals unterstützt wird. Das dicke Low-End gibt jedem Signal ordentlich Masse. Im absoluten Subbassbereich ist dies nicht ganz so auffällig wie im Grundtonbereich (vornehmlich männlicher) Stimmen: Die kräftige Übertragung auch oberhalb von 100 Hertz verleiht dem Signal schon bei einem halben Meter oder sogar einem ganzen Meter Abstand zur Kapsel eine gewisse Kernigkeit, die natürlich enorm wird, wenn man nah an die Schallquelle heranrückt. Und das ist schnell deutlich zu viel: Bei zehn Zentimetern wird das Signal indifferent und dröhnig – hier ist also beim Recording darauf zu achten. Natürlich sind für größere Abstände ordentlich klingende Räume relevant, allerdings treten hier zwei durchaus moderne Eigenschaften des AK-47 MkII positiv in Erscheinung, die Rauscharmut und die Möglichkeit, die Richtwirkung (und somit den Raumanteil) recht feinstufig zu regeln. 

Fotostrecke: 4 Bilder Das Telefunken-Logo verspricht Charakter. Den liefert es auch. Sehr viel davon sogar.

Übertrager wird deutlich

Dass das ganz offenbar nach deutschen Vorbildern konzipierte Röhrenmikrofon deutlich dicker – oder sagen wir ruhig: amerikanischer – klingt als die bekannten Vertreter ab der Mitte des letzten Jahrhunderts, ist sicherlich dem Geschmack der Kundschaft geschuldet. Ich finde, dass das AK-47 schon bei geringen Pegeln deutlich „heißer“ klingt, als es notwendig wäre. Bei lauten Stimmen ist es nach meiner Auffassung hingegen schnell zu viel des Guten. Das zeigt sich nicht nur an den beschriebenen Tiefen, sondern auch weiter oben: Den Übertrager kann man deutlich wahrnehmen. Auch bei gehaltenen Tönen ist das leichte Reiben zu vernehmen. Von diesem würde ich mir allerdings wünschen, dass es ein wenig mehr als Signalbestandteil wahrgenommen werden würde und weniger diesen etwas rauschigen „Bchchchch“-Charakter hätte.

Audio Samples
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Telefunken AK-47, Niere, 10 cm Telefunken AK-47, Niere, 40 cm Telefunken AK-47, Niere, 70 cm MG UM 92.1 S, Niere, 10 cm MG UM 92.1 S, Niere, 40 MG UM 92.1 S, Niere, 70 cm

Groß, mächtig, teuer

Nun, da gibt es kein Vertun: Hört man sich das Signal an, das vom AK ausgegeben wird, erzeugt das sofort einen anerkennenden Blick. Groß, mächtig und „teuer“ wird das Signal, allerdings gibt man schnell Möglichkeiten aus der Hand, die man gerne zu einem späteren Zeitpunkt regeln will. So sind alle Soundbeispiele mit dem ultracleanen und sehr schnellen True Systems P-Solo Ribbon aufgenommen. Schon mit den Trannys des Tube-Tech MP-1A, besonders aber mit einem heiß gefahrenen 1073-Neve und einem 1176 klingt es für fast alle Anwendungsfälle zu übertrieben. Und bei all dem dicken Soundcharakter verschleifen schnell die Transienten ein wenig zu viel und leidet die Transparenz. Aber nicht, dass ich hier im falschen Zusammenhang zitiert werde: Die Klangqualität des AK-47 entspricht definitiv einem 2000-Euro-Mikrofon. Es fehlt mir persönlich bei allem Charakter ein wenig die Tiefe, die Dreidimensionalität – also etwas von der Magie, die ein altes Neumann ausmacht, welche die beiden Neumann-Companies Microtech Gefell GmbH und Georg Neumann GmbH hervorragend in die Moderne gerettet haben. Und so ist es kein Wunder, dass das MG UM 92.1 S bezüglich der Auflösung, des Frequenzgangs und der Ausgewogenheit zwischen Charakter und Einsetzbarkeit merklich besser dasteht. Nun gut, es kostet auch einen weiteren Tausender mehr (glänzt aber darüber hinaus mit typisch deutscher Verarbeitungsqualität).

Polar-Patterns stabil

Interessant zu beobachten ist, wie sehr stabil das Polar-Pattern des Telefunken ist. Im Beispiel ausschließlich mit der vorderen Kapsel durchgeführt (also mit Nierencharakteristik), zeigt sich eine für die Größe der Membran durchaus erstaunliche Konstanz selbst in den Höhen. Wirklich stark auffällige Nasen und Einbrüche sind nicht zu vermerken. Das ist einerseits durchaus angenehm, andererseits so gar nicht vintage. Viele alte Großmembraner besitzen durchaus kreative Pegelfrequenzgänge, wenn sich die Schallquelle aus dem Hauptaufsprechbereich herausbewegt. Ein leichtes Ringen und Klingeln der Raumrückwürfe, die für gewissen Glanz sorgen können, findet man natürlich auch nicht – das kann man jetzt schade finden oder gut, das ist definitiv Geschmackssache. 

Audio Samples
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Telefunken AK-47, Kugel, 40 cm Telefunken AK-47, Niere, 40 cm Telefunken AK-47, Acht, 40 cm Telefunken AK-47, Niere, 40 cm, 45 Grad Telefunken AK-47, Niere, 40 cm, 90 Grad MG UM 92.1 S, Kugel, 40 cm MG UM 92.1 S, Niere, 40 cm MG UM 92.1 S, Acht, 40 cm

Ebenfalls sehr neuzeitlich ist die Tatsache, dass sich die Charaktereigenschaften des AK-47mkII nicht allzu stark mit der Richtcharakteristik ändern, sondern recht konstant bleiben. Die wichtigste Änderung bezieht sich vielleicht auf die Acht, die ein wenig mittiger/präsenter wirkt und eine leichte Tendenz rum Klingeln zeigt. Ich finde, die Figure-of-Eight klingt am meisten nach „vintage“.

Fazit

Das Telefunken Elektroakustik AK-47 MkII ist ein wirklich ordentliches, charaktervolles Röhrenmikrofon mit umschaltbarer Richtcharakteristik. Es liefert ein Signal mit hohem Wiedererkennungswert, welches einigen Signalen gut stehen wird und sich im Mix durchsetzen kann. Nur ist es eines nicht: ein Ersatz für ein echtes deutsches Vintage-Röhrenmikro, genauso wird es kein Ersatz für Telefunkens edle U-Nachbauten sein. Dass man für diese das Fünffache des Preises für ein AK-47 MkII berappen muss, wird sich sicher auch klanglich zeigen. Es bleibt: Das getestete Telefunken wird seinem Preis gerecht, bietet vernünftigen Aufbau mit guten Komponenten, ist aber kein „Wunder“ auf dem Markt.  

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • sehr ausgeprägte Tiefen
  • auffälliger Charakter
  • stabile Richtwirkung
Contra
  • durch starken Klangcharakter etwas eingeschränkt
Artikelbild
Telefunken AK-47 MkII Test
Für 2.139,00€ bei
Telefunken_Elektroakustik_AK_47_MKII_Roehrenmikro_7

Features und Spezifikationen

  • Membrangröße: groß (1“)
  • Empfängerprinzip: Doppelmembran-Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Kugel, Niere, Acht und sechs Zwischenstufen
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz (ohne weitere Angabe)
  • Übertragungsfaktor: 16,5 mV/Pa
  • THD+N: 10,5 dB(A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 1% THD bei 132 dB(SPL)
  • Pad: –
  • Hochpassfilter: –
  • Besonderheit: NOS-Röhre
  • Lieferumfang: Spinne, Netzteil, Kabel, Holzschatulle
  • Preis: € 1983,– (UVP)
Hot or Not
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Die Signale der beiden Membranen lassen sich zu neun verschiedenen Richtcharakteristiken kombinieren.

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Profilbild von Bc Bogey

Bc Bogey sagt:

#1 - 11.12.2015 um 12:40 Uhr

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Hi Nickes, schöner Test, wie immer. Bekomme ein endorsement von einer neuen mic company aus GB, Lust, die Dinger mit mir gemeinsam anzutesten? (Nein, kennst du noch nicht, aber Sound On Sound schaltet bereits Anzeigen. Sieht--und klingt hoffentlich--vielversprechend [aus].) Meld dich doch mal unter BCB@voiceintheattic.com. Gruß, B/C

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