Rupert Neve Designs 5254 Test

Mit dem RND 5254 hat auch der „echte Neve“ einen modernen Nachfolger des legendären 2254 aus dem Jahre 1969 geschaffen, weswegen er in die Rubrik Traditionalist fällt und innerhalb der blau-schwarzen Shelford-Serie von Rupert Neve Designs geführt wird

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Diese Serie beinhaltet den Shelford Channel sowie den “Shelford-Portico” 535 für das API-500-Format, wobei sich grundlegend alle drei am alten 2254 orientieren – Stereo ist aber nur der hier vorliegende 5254! Ferner prädestinieren ihn seine edlen VU-Meter und der variable Sidechain-Filter besser zum Mixen.

AMS Neve hingegen hat den authentischeren 2254/R in Mono sowie in abgewandelter Form als 33609 im Angebot. Aber auch der Neve-Clone-Meister Heritage Audio bietet mit dem nicht mehr produzierten 2264-Jr sowie dem deutlich günstigeren Successor Vergleichbares.

Und von UAD kam Ende letzten Jahres das entsprechende Plugin beziehungsweise die UAD Neve Dynamics Collection unters Volk, welche ich so gut fand, dass ich den hier vorliegenden Hardware-5254 blind gekauft hatte. In diesem Test erfahrt ihr, warum ich das nicht bereut habe.

Details

Aufwand, der sich lohnt

Der Rupert Neve Designs 5254 ist ein Dual-Mono-Kompressor der Shelford-Serie, was ursprüngliches Design des Jahres 1970 verspricht. Zur Gleichrichtung des Sidechain wird eine Diodenbrücke verwendet, die im Feedback arbeitet. Das und die Custom-Übertrager im Ein- und Ausgang sowie die Class-A-Verstärkung sorgen für den typischen edel-sämigen Klangcharakter.
Fotostrecke: 2 Bilder Unscheinbar, aber doch sehr edel: der Rupert Neve Designs 5254

Das Diode-Bridge-Verfahren ist theoretisch einfach, in der Praxis allerdings schwierig zu realisieren: Zum einen ist der nutzbare Arbeitsbereich der Dioden eng und somit dürfen Bauteilschwankungen nur minimal sein.

Zum anderen müssen sie mit geringen Pegel betrieben und symmetrisch ausgeführt werden. Und anschließend muss das stark gedämpfte Signal kräftig aufgeholt werden, was entsprechend hochwertige und rauscharme Gainstufen voraussetzt.

Fotostrecke: 2 Bilder Simpel, aber nur hochwertig umgesetzt wirklich sinnvoll: der Dioden-Brücken-Kompressor Neve 5254.

Es überrascht damit nicht, dass diese Bauweise, auch bekannt als Diodenring, tendenziell nur in hochpreisigen Geräten erfolgreich Anwendung findet. RND macht da leider keine Ausnahme und verlangt für seinen 1 HE großen und 4 kg schweren 19-Zoll-Kasten „Made in USA“ stolze 3700 Euro – und umgerechnet fast doppelt so viel wie für den 535 für das 500er Format.

AMS möchte für den 2254 in Mono aber auch 2059 Euro. Günstiger als ein Vintage 2254 sind die Remakes aber allemal.

Stereo 2254?

Das Vorbild des 5254 ist zweifelsohne der 2254, der als Limiter/Kompressor-Kassette für die ersten Neve-Pulte konzipiert wurde. In meinem UAD-Test des „virtuellen Originals“ stellte ich fest, dass mir der Limiter allerdings gar nicht mal so wichtig war, da er meine Klangformungen eher behinderte.

Das Werbefoto der Neve Dynamics von UAD – oben ist der echte 5254 in doppelter Ausführung zu sehen.
Das Werbefoto der Neve Dynamics von UAD – oben ist der echte 5254 in doppelter Ausführung zu sehen.

Der Rupert Neve Designs 5254 verzichtet witzigerweise auf gesondertes Limiting, gibt dem Kompressor aber durchaus Spielraum mit, um dem Verhalten bei Bedarf nahe zu kommen: Neben den typischen Ratios 1,5:1, 2:1, 3:1, 4:1, 6:1 kommt so auch eine härtere 8:1-Verdichtung hinzu.

Release- und Attackzeiten werden aber hier mit einem gemeinsamen Timing-Regler eingestellt, welcher sechs Positionen von Fast zu Slow inklusive Auto Mode kennt. Das Original kannte an dieser Stelle zwei ziemlich fixe Attackparameter und vier Releasezeiten, der AMS Neve nur die Releasezeiten – allerdings hat der auch einen Limiter.

Es gibt hier zwar einen Fast-Taster, der allerdings alle Timingkonstanten um jeweils 70 Prozent reduziert. Jede Timing-Postion weist damit ein unterschiedliches Regelverhalten von Attack und Release auf, die aber sowieso in Abhängigkeit zu Threshold und Ratio stehen.

Konkrete Zeitangaben sind nicht vorhanden und folgende Werte dienen mehr als grobe Orientierung; wobei der Attack von knackigen 250 μS bis 80 ms reicht, das Release wiederum von soliden 100 ms bis zu langsamen 2 s.

Dual-mono oder stereo nutzbar, dank Link auch mit gleichem Sidechain
Dual-mono oder stereo nutzbar, dank Link auch mit gleichem Sidechain

Topologiebedingt fällt die Aufholverstärkung (Gain) mit bis zu 20 dB entsprechend kräftig aus. Der Threshold lässt sich ferner von -25 bis +20 dB regeln, trotzdem handelt es sich eher um einen dezenten Verdichter als den typischen VCA-Prügelknaben. Bis hierin soweit also alles recht traditionell und durchaus vereinfacht organisiert.

Modern Extras

Zeitgemäß ist der flexible Sidechain und das Filter: Bässe können bei Bedarf von der Detektion mittels Hochpassfilter von 20 bis 250 Hz stufenlos ausgenommen werden. Weder der alte Neve, noch der neue AMS oder 535 kennen solch ein Feature per se, nur die UAD-Variante hat in der Software nachgeholfen.

Der Succesor von Heritage Audio hat allerdings auch einen Lowcut, aber nur fix mit 80/160 Hz. Der Fairness halber sollte man dem Succesor aber den zusätzlichen Sidechain Mid Boost sowie die beiden Low Cuts bei 3 und 5 kHz für das De-Essing zu Gute halten.

Der 5254 hat ebenfalls noch einen S/C-Insert zu bieten, falls man tiefer in den Detektorweg grätschen möchte, ferner lässt sich über den Return ein unabhängiger Sidechain zuführen. Der Blend-Regler dient dem Parallel Processing, auch bekannt als „New York Style Compression“.

Schlicht wie die Unit selbst ist auch der Verpackungsinhalt sowie das knappe, englische Handbuch.
Schlicht wie die Unit selbst ist auch der Verpackungsinhalt sowie das knappe, englische Handbuch.

Zwei schicke VU-Meter gehören selbstredend dazu und können unabhängig voneinander zwischen Output und Reduction mittels VU Select geschalten werden. Der beleuchtete Comp In ist der Bypass, wobei anzumerken gilt, dass es sich um keinen Hard Bypass handelt, weil lediglich der Kompressor (nicht aber die Übertrager) aus dem Signalweg genommen wird. Maximaler Input und Output liegen übrigens typisch bei +26,7 dBu.
Die Potis sind allesamt fein gerastert und ermöglichen einen guten Recall mit den 31 Positionen; nur Ratio und Timing sind echte Drehschalter mit fixen Positionen. Einen Stereo Link gibt es schlussendlich auch noch, wobei der ähnlich verwirrend wie beim MBC ausfällt, weil immer der am stärksten komprimierende Kanal die Kontrolle hat. Ansonsten alles in allem eine recht simple Bedienung mit klarem Layout, die wenig Spielraum für Fragezeichen lässt.

Praxis – Grob oder fein – was darf es sein ?!

Auch die Units der Shelford Serie von Rupert Neve Designs sind – wie alle Portico-Geräte – grazil und zurückhaltend designt. Ganz im Gegensatz zum dem klobigen Design von AMS Neve – wobei ich zugeben muss, dass mir das mehr zusagt. Schließlich handelt es sich um Arbeitsgeräte und da will man flink zulangen. Man kann aber auch andersherum argumentieren und sagen, dass der Rupert Neve Designs 5254 auch klanglich sehr feingeistig ist und man ihn besser wie ein Pianist und nicht wie ein Thrash-Metaller bedient.

Warum ich so weit aushole? Ich hatte etwas anderes erwartet und ging in unserer Kennenlernphase durch ein kleines Wechselbad der Gefühle. Das Ding hier ist nix für akustische Proleten, wie ich doch aber gern mal einer bin. Man muss genauer hinhören und könnte meinen, dass der 5254 gar nicht viel macht. Tut er auch nicht, wenn man ihn auf das technische Komprimieren reduziert oder maximale Kontrolle mit unabhängigem Attack und Release gewohnt ist.

Auf komplexem und dichtem Material empfand ich seinen einen Timing-Regler irgendwie sperrig, weil man den recht weit gestreuten Sweet Spot aus der Symbiose Ratio, Threshold und Timing förmlich nachlaufen muss. Ich musste viel herumprobieren und mir dann anderes Material besorgen, um meine Klangbeschreibung besser mit akustischen Beweisen zu unterfüttern.

Klang: Erhabenes Understatement

Der RND 5254 macht zweifellos alles edler – unscheinbar-zurückhaltend, aber gleichzeitig doch präsent mit den feinen Obertönen und frei von Nebengeräuschen.

Das Teil macht das Signal rund, voll und bringt ordentlich Gewicht rein, besonders mit seinen strammen Bässen. Selbst wenn alle Files schon gute Aufnahmen in ihrer Ausgangslage waren, klangen sie ohne den Neve 5254 dann doch vergleichsweise leblos.

Audio Samples
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Flatpick J45 – DRY Flatpick J45 – 5:1, MedFast, LowTHD Blues Pick – DRY Blues Pick – 3:1, MedFast / Neve MBC 2,5 dB GR max Funky Fender – DRY Funky Fender – 6:1, Fast Clean Fender – DRY Clean Fender – 4:1, Medium Heavy OD – DRY Heavy OD – 2:1, Fast, LowTHD Fingerstyle Jazzbass – DRY Fingerstyle Jazzbass – 6:1, Medium Slap Jazzbass – DRY Slap Jazzbass – 2:1, Medium, LowTHD Bassel Song  – DRY Bassel Song – 3:1, Auto Ephiphone – DRY Ephiphone – UAD Ephiphone – 5254

Das knackige Pfund im Bass ist lecker, dabei aber nie aufdringlich oder gar so dick wie bei einem 1073. Gutem Material wird die kalt-digitale Schärfe genommen und es wird zu einer sämigen Griffigkeit geformt. Entschuldigt also bitte das Klischee, aber: Es geht einfach immer der Vorhang auf. Als würde man ein feines Tuch vom Speaker ziehen.

Bässe, Vocals, luftige Drums – aber insbesondere Gitarren (akustische wie elektrische) profitieren damit ungemein und bekommen den heiligen Feenstaub, welchen man sich in dieser Preisklasse zweifelsohne wünscht. Das UAD-Plugin war zwar schon gut, aber hat genau diese Magie im Vergleich dann doch nicht gehabt.

Es fehlt zwar nicht viel, das geb ich zu, aber am Ende geht es genau um diese Millimeter. Weil man auf Grund der unterschiedlichen Parametrisierung jedoch nur schwierig ähnliche Regulierungen findet, habe ich mir den umfangreichen Vergleich gespart.

Audio Samples
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Stripped Rough Beat – Dry Stripped Rough Beat – 4:1 UltraFast Rough Beat – Dry Rough Beat – 6:1 MediumFast Nature Drums – Dry Nature Drums – Medium Nature Drums – Fast / 50% Parallel

Wenn man in einer Produktion jedes Teilsignal mit dem Neve 5254 beglückt, kann man anschließend durchaus ruhigen Gewissens in der Box mischen und trotzdem klingt es am Ende nach „Big Console“. Teilweise hatte ich sogar das Gefühl, insbesondere bei Einzelsignalen, man müsse nicht mal mehr den EQ bemühen, so gut hat alles gepasst. Hierbei war dann auch die Bedienung flink: Zwei, drei Mal dran gedreht und fertig! Technisch gesehen waren die Peaks dann nicht immer kleiner als im Ausgangsfile, sodass man es schon für sinnvoll erachten könnte, einen Limiter zu haben.

Aber halt, welch ein Zufall, den hab ich hier im Rack in Form meines ebenfalls recht jungen Rupert Neve Designs MBC zur Hand, einem sehr hochwertigen AD-Konverter mit Limiter. Mit dessen Hilfe könnte ich solch kleine Ausreißer stilecht wegbügeln oder einfach clippen lassen; wen interessiert das schon. In den Beispielen hab ich jedenfalls immer mein Apollo X16 zum Ausspielen und den MBC ohne Transformer und ohne Limiter zur Aufnahme genutzt.

Nur in einem Beispiel hab ich tatsächlich den Limiter bei der Aufnahme eingesetzt, um das File anschließend in der Lautstärke besser matchen zu können. Das ist schon eine absolut traumhafte Kombination, wenn auch sicher nicht die günstigste, das gebe ich zu.

Meine "England"-Abteilung im Rack: RND 5254, RND MBC, Neve 1073 DPX und SSL Fusion.
Audio Samples
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Vox – Dry Vox – Seriell: 2-1 MedSlow LowTHD / 8:1 UltraFast HighTHD Vox – Seriell: 8:1 UltraFast HighTHD / 2-1 MedSlow LowTHD Vox – Another Seriell

Bei den Vocals habe ich spaßeshalber beide Monokanäle in Reihe geschalten, wobei der erste dann langsam und tief arbeitete, der andere flink sowie in den Spitzen und dann auch noch mal in umgedrehter Reihenfolge. Bekanntlich geht ja alles und das Ohr entscheidet. Cool wäre ein eigener Umschalter dafür zwar schon gewesen, aber sei es drum, über die Patchbay ging es auch. Und am Ende verhält es sich mit solchen Wünschen ein wenig wie bei der Frage, ob an einen Porsche ein Flügel gehört oder nicht. Ein Gentleman würde wohl aber immer verneinen.

Fazit

Der Rupert Neve Designs 5254 ist ein edler Feingeist, der in seinem Repertoire klanglich absolut überzeugt, falls man keine brutalen Slams oder die ganz dicken Pinselstriche erwartet. Absolut punktgenau abgestimmt und mehr braucht es für eine amtliche aktuelle Produktion nicht unbedingt, wenn der Schwerpunkt auf „akustisch und modern“ liegt. Insbesondere auf entsprechenden Einzelsignalen sowie durchaus auch auf luftigeren Summen wirkt er Wunder und klebt edel zusammen, ohne dass es auffällig komprimiert klingt. Genauso stolz wie sein Klang ist allerdings auch der Preis. Am besten einmal tief Luft holen und dann einfach machen, wenn man kann – bereuen wird man es nicht.

Pro

  • dezente Komprimierung mit edler Griffigkeit

  • feine Nuancen werden schön herausgearbeitet

  • absolut souverän auf akustischen Einzelsignalen

Contra


  • sehr hoher Preis

Features

  • Dual-Diode-Bridge-Kompressor
  • dual-mono bzw. stereo nutzbar

  • Eingangs- und Ausgangsübertrager
  • „Custom Wound“-Class-A-Lineverstärker

  • variables Sidechain-Filter und integrierte Parallelkompression

  • gerasterte Bedienelemente mit 31 Stufen

  • XLR-Ein- und Ausgänge, TS für Sidechain-Insert, Groundliftschalter
maximaler Ein- und Ausgangspegel: +26,7 dBu

  • Rauschen (22 Hz bis 22 kHz BW): -104 dBu
  • Frequenzgang (10 Hz bis 120 kHz): ±0,25 dB
  • THD+N @1 kHz @ Maximalpegel (22 Hz bis 22 kHz BW): 0,0008%
Compressor Noise Spezifikationen: Noise bei 0 dB Make-up Gain (22 Hz bis 22 kHz BW): -84,5 dBu, Noise bei +20 dB Make-up Gain (22 Hz bis 22 kHz BW): -64,5 dBu

  • Format: 19″/1 HE

  • Gewicht: ca. 4 kg

Preis

  • € 3690,– (Straßenpreis am 29.7.2021)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • dezente Komprimierung mit edler Griffigkeit

  • feine Nuancen werden schön herausgearbeitet

  • absolut souverän auf akustischen Einzelsignalen
Contra
  • sehr hoher Preis
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Rupert Neve Designs 5254 Test
Für 3.199,00€ bei
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