Orange 4 Stroke 500 Test

Die Amp-Schmiede Orange ist seit ihrem fulminanten Relaunch in den 1990er-Jahren niemals müde geworden, Überraschungen auf den Markt zu schleudern, die weltweit für Begeisterung sorgen! Auch Bassisten profitieren stets von dem frischen Entdeckergeist der Briten, hinter dem vor allem Mastermind Clifford Cooper und der technische Direktor Adrian Emsley stehen – neben einem hoch engagiertem Team in der Orange-Zentrale nahe London. Die Company schätzt und pflegt die Nähe zu den Musikern, die sich für ihre Produkte entschieden haben, und aus dieser Symbiose entspringen letztendlich auch stets neue Ideen.

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… auf jeden Fall wohltuend von den Mittbewerbern am Markt ab!


Neben dem Vollröhren-Bassflaggschiff AD200B sorgte vor zwei Jahren der Class-A/B-Volltransistoramp “OB1” für Aufsehen, den mein werter Kollege Rainer Wind für bonedo getestet hat. Gegen den allgemeinen Trend, immer leichter werdende Class-D-Topteile zu entwickeln, entschied sich Orange bewusst dafür, der klassischen Tradition mit fettem Endstufentrafo zu folgen. Das ist zwar zwangsläufig mit höherem Gewicht verbunden, aber eben auch dem Versprechen, dafür wieder einen wesentlich wärmeren und fetteren Basston erzeugen zu können!
Nach der Einführung dieses Basstops legte sich das Entwicklungs-Team keineswegs schlafen, sondern schob – nicht einmal ein Jahr später – direkt ein weiteres Class-A/B-Topteil nach, dass auf der NAMM Show 2016 vorgestellt wurde und nun endlich auch in Deutschland erhältlich ist. Während die 500-Watt-Endstufe (optional ist auch eine 300-Watt-Version verfügbar!) identisch mit der des “OB1” ist, hat man vor allem an einer anders ausgelegten Vorstufe gearbeitet, die weitaus flexibler ist als alles, was man bis dato bei Orange so zu hören bekam.
War der OB1 vor allem Freunden von Overdrive-Sounds gewidmet, so wollte man nun einen Amp erschaffen, der jegliche Form von cleanen Klangfarben generieren kann. Die Rede ist vom “4 Stroke”. Ausgestattet ist das Topteil mit einem vierfachen semiparametrischen EQ und einem außerordentlich musikalisch ausgerichtetem Kompressor. Wir haben uns den 4 Stroke 500 – also die 500 Watt starke Version – für den Test ausgesucht. Schauen wir uns also einmal an, was der Orange 4 Stroke 500 so zu bieten hat.

Details

Das im Orange-eigenen Werk in China hergestellte Volltransistor-Topteil kommt in einem weiß lackierten Metallchassis im 19″-Rackformat in zwei Höheneinheiten. Die Frontblende ist bereits als Rackblende mit erweiterten Flügeln und entsprechenden Bohrungen gestaltet. Zwar ist das Gehäuse für einen Rackeinbau prädestiniert, kann allerdings auch bedenkenlos ohne Rack betrieben werden, denn vier Gummifüße sorgen für einen sicheren Stand auf jedem beliebigen Boxengehäuse.
Zum Tragen stehen allerdings lediglich die zwei frontseitig montierten Chromstahl-Rackbügel zur Verfügung – einen ordentlichen Tragegriff sucht man leider vergebens. Der eine oder andere wird daher durchaus die Anschaffung eines Rackgehäuses in Erwägung ziehen, wenn robusteres Road- und Bühnenhandling zu erwarten sind.
Die Abmessungen des Tops betragen 48 x 27 x 10,3 cm (inkl. Rackflügel, Rackbügel und Gummifüße), die Höhe entspricht damit zwei Höheneinheiten für den Rackeinbau. Wobei zu beachten ist, dass zur effizienten Kühlung idealerweise etwas mehr Platz einkalkuliert werden sollte. Zwar wurde im Amp ein leistungsstarker, temperaturgesteuerter Lüfter verbaut, und das komplette Chassis ist rundum mit Lüftungsschlitzen ausgestattet, doch zusätzlicher Ventilationsraum im Rack sorgt immer für eine noch effizientere Kühlung.
Mit knapp 10 kg Gewicht bewegt sich der Amp noch in einem tragefreundlichen Rahmen, der sich natürlich nicht mit der Federgewichtklasse von Class-D-Amps vergleichen lässt. Der Orange 4 Stroke 500 ist ein Class-A/B-Amp auf klassischer analoger Transistorbasis mit Ausgangstrafo, was zwangsläufig für mehr Gewicht sorgt. Im Vergleich zu leistungsidentischen oder sogar schwächeren Röhrentops ist das Gewicht des 4 Stroke 500 aber natürlich wesentlich angenehmer und die Abwesenheit von Röhrentechnologie garantiert dem Orange-Neuling kosteneffiziente Wartungsfreiheit bei durchaus röhrenverwandter Soundästhetik.

Fotostrecke: 3 Bilder Rein optisch setzt sich das neue Orange-Topteil …

Wie es zum Selbstverständnis von Orange gehört, findet man auf dem Frontpanel stets nur das Nötigste. Der neue Orange 4 Stroke 500 macht einen sehr aufgeräumten Eindruck – wenngleich für Orange-Verhältnisse ungewöhnlich viele Regler zu erkennen sind! Farblich getrennt sind deutlich die Vorstufensektionen zu erkennen. Schwarz unterlegt mit weißen Potiknöpfen und ebenso weißen Piktogrammen und Beschriftungen liegt rechts die Klangregelung. Auch die Eingangsbuchse findet rechts außen Platz; darüber liegt ein Pad-Kippschalter zur optionalen Absenkung um -6dB des Eingangspegels.
Die aktive semiparametrische Vierband-Klangregelung beherbergt acht weiße Potis, die in zwei Viererreihen angeordnet sind. Jeweils zwei leicht diagonal versetzt übereinander liegende Paare dienen der Auswahl von Frequenzband (unten) und Boost-/Cut-Stärke (oben) des angewählten Frequenzbereiches. Während die untere Reihe also dazu dient, die EQ-Frequenzbänder anzuwählen, werden die ausgewählten Frequenzen mit der oberen Reihe angehoben bzw. abgesenkt.
Die vier Frequenzbereiche lauten (von rechts nach links):

  • Höhen: 550 – 5.500 Hz
  • Hochmitten: 250 – 2.500 Hz
  • Tiefmitten: 80 – 800 Hz
  • Bässe: 40 – 400 Hz

Man kann sich diese vier Frequenzbereiche sehr leicht merken, in dem man einfach die unteren Grenzfrequenzen 40, 80, 250 und 550 als Basis nimmt und dann jeweils mit 10 multipliziert. Auffällig ist, dass sich die Frequenzbereiche der vier Regler gegenseitig weit überlappen. Dies wurde bewusst so gestaltet und eröffnet einem interessante EQ-Möglichkeiten. Sollten die durchaus potenten +/- 18dB Boost oder Cut pro Frequenzband für einen anvisierten Sound nämlich dennoch nicht ausreichen, kann man zwei benachbarte EQ-Bereiche miteinander addieren/subtrahieren oder völlig neue interessante Kombinationen entdecken. Die Möglichkeiten sind sehr breit gefächert!
Dennoch funktioniert der EQ sehr intuitiv: Um die favorisierten EQ-Einstellungen zu finden, sind übrigens sämtliche Potis des Orange 4 Stroke 500 – inklusive Lautstärke und Kompressor – fein gerastert. Dabei ist die Wirkungsweise der Regler so effektiv, dass jedes einzelne Raster der Potis deutlich hörbare Veränderungen im Sound generiert.

Fotostrecke: 3 Bilder Die semiparametrische Vierband-Klangregelung des 4 Stroke 500 ist …

Weiter links liegt, orangefarben unterlegt, die Powerabteilung des Orange 4 Stroke 500. Sie ist deutlich erkennbar an den zwei übergroßen schwarzen Bakelitknöpfen, die zum einen für die Regulierung des Class-A-Kompressors und zum anderen für die Lautstärke zuständig sind. Es gibt nur einen einzigen Regler für die Lautstärke – klassischer könnte es wirklich kaum sein! Doch auch der Kompressor besitzt nur einen einzigen gerasterten Regler. Wie er sich auf den Sound auswirkt, untersuche ich später im Praxisteil dieses Tests.
Der Kompressor lässt sich auch mittels Fußschalter bedienen, welcher jedoch nicht im Lieferumfang enthalten ist. Allerdings kann jeder beliebige handelsübliche Latch-Schalter für diese Funktion verwendet werden, der an eine 6,3-mm-Klinkenbuchse neben dem Lautstärkeregler angeschlossen wird. Abgerundet wird das Frontdesign durch einen großen Netz-Kippschalter und darüber liegender orangefarbener Lampe.

Fotostrecke: 2 Bilder Das Kompressor- und das Volumenpoti des Topteils liegen ganz links.

Erwartungsgemäß ist auch die Rückseite recht spartanisch aufgebaut: Links sitzt ein XLR-DI-Ausgang mit Groundlift-Schalter, daneben eine 6,3mm-Lineout-Buchse. Der DI-Ausgang greift das Signal hinter der Vorstufe ab – wohlgemerkt also nach der Klangregelung und auch nach dem Lautstärkeregler. So ist es auch unter der XLR-Buchse deutlich gekennzeichnet mit “Post EQ & Post Volume”. Interessanterweise gibt es keine Option, das unbearbeitete Signal vor der Vorstufe, also mit einer “pre-EQ”-Einstellung abzugreifen. Wichtig zu wissen ist es daher, dass jede Veränderung am Kompressor und dem Volumenregler sich auch auf das DI-Signal auswirkt. Vor allem ist diese Information relevant, wenn man während eines Auftritts die Lautstärke des Amps verändert: die Lautstärke verändert sich somit simultan auch über die PA!
Ein großzügiger Lüfter sitzt am Rücken des Gehäuses und ist erfreulicherweise temperaturgesteuert. Das heißt, er nimmt seinen Dienst erst dann an auf, wenn die Endstufe eine bestimmte Betriebstemperatur erreicht. Das tut sie bei geringer Leistungsanforderung – z.B. im Wohnzimmerbetrieb – nie. Folglich verhält sich der Orange 4 Stroke 500 in dezenter Leistungsumgebung wirklich extrem ruhig und geräuscharm.
Für den Anschluss der Boxen stehen zwei Speakonbuchsen bereit. Die minimale Gesamtimpedanz von 4 Ohm darf nicht unterschritten werden. Man kann also beispielsweise eine 4-Ohm-Box anschließen, eine einzelne 8-Ohm-Box oder zwei 8-Ohm-Boxen, die kombiniert im Parallelbetrieb 4 Ohm ergeben. Im 4-Ohm-Betrieb entfaltet der Amp seine volle Leistung von 500 Watt.

Fotostrecke: 4 Bilder Auch das Rear Panel des Amps hält nur das Nötigste bereit.

Die Netzanschlussbuchse ist kombiniert mit einer integrierten T4AL-Sicherung. Ein versenkter roter Schiebeschalter ermöglicht das Umschalten der Netzspannung von 220-240V auf 110-120V. Von diesem Schalter sollte man jedoch tunlichst die Finger lassen, sofern man nicht wirklich den Amp in ein Land mitnimmt, in welchem andere Netzspannungen vorliegen. Sollte man in diese Gelegenheit kommen, muss zuvor noch die vorinstallierte T4AL-Sicherung durch eine T8AL-Sicherung ersetzt werden. Und natürlich darf man auch nicht vergessen, die Sicherung nach der Rückkehr in die Heimat abermals zu tauschen!

Praxis

Wie alle Rackmount-Topteile stellt auch der Orange 4 Stroke 500 den Käufer vor die Entscheidung “So lassen, wie es ist” oder “Doch lieber in ein Rack einbauen”. Positiv ist sicherlich, dass man bei einem Rackgehäuse selber darüber entscheiden kann, ob der zusätzliche Aufpreis für ein solches Gehäuse notwendig ist, statt vor vollendete teure Tatsachen gestellt zu werden. Das Gehäuse des Orange 4 Stroke 500 ist, wie bereits erwähnt, allemal stabil und robust genug für die Verwendung ohne Rack. Man kann den Amp auch relativ bequem an einem der Rackbügel tragen, wenngleich das doch bei längeren Distanzen schon irgendwann spürbar in die Finger schneidet. Ein seitlich angebrachter Koffergriff wäre hier durchaus hilfreich.
Einmal in Position auf der Box gebracht, steht der 10kg leichte Amp sehr solide und rutschfest und kein Bassgewitter der Welt vermag ihn mehr aus der Bahn zu vibrieren. Doch bevor das Gewitter hereinbricht, ist erst einmal geradezu himmlische Ruhe angesagt, denn das Einschalten des 500 Watt starken Aggregats wird von keinerlei Nebengeräuschen begleitet: kein Klicken, Klacken, Poppen, Husten, Plustern, Gurgeln oder Quieken ist zu vernehmen! Eine Einschaltverzögerung verhindert souverän sowohl das Einknicken des Stromnetzes, als auch jegliches unangenehmes Geräusch, welches bei diversen Amps auch schon einmal so laut sein kann, dass man um seine Speaker fürchtet. Auch das allseits bekannte Herausfliegen der Haussicherung bleibt einem sichtlich erspart.
Auch der integrierte Lüfter bleibt erst einmal aus, denn dieser meldet sich ja erst, wenn er benötigt wird. Erst wenn dem Amp wirklich stärkere Leistung abverlangt wird, setzt auch der Lüfter ein. “Geht doch”, murmele ich so vor mich hin, nachdem Lüfter ja häufig bei Amps einen der nervigsten Störfaktoren darstellen können.
Eine Routinebewegung, an die man sich gewöhnen muss, ist das Herunterdrehen des riesigen Lautstärkereglers auf Null, bevor man seinen Bass anschließt oder das Kabel zieht, denn der Orange 4 Stroke 500 besitzt leider keinen Mute-Schalter. Ich stehe dem etwas ambivalent gegenüber: Einerseits ist ein Mute-Schalter ja nicht unbedingt nötig, denn nahezu jeder Bassist verwendet ein Stimmgerät, mit dem man auch eine Mutefunktion ausführen kann. Und Bassisten mit mehreren Bässen verwenden häufig Switcher, die ebenfalls gemutet werden können. Dennoch wäre es sicher ganz nett, zumindest die Option einer Mute-Möglichkeit direkt am Amp zu haben. Andererseits ist der Lautstärkeregler derart opulent groß gestaltet, dass es wirklich einfach ist, die vorherige Einstellung visuell wiederzufinden.
Abgesehen davon ist die Haptik des Rasterpotis ein wahrer Genuss – und wer spielt nicht schon seit früher Kindheit gerne an großen Knöpfen? Ich persönlich habe im Verlauf des Tests niemals einen Mute-Schalter vermisst, und die puristische Orange-Philosophie, auf jeden nicht unbedingt notwendigen Schalter oder Regler aus dem Schaltkreis zu verzichten, kann ich ebenfalls gut nachvollziehen.

Tolle Optik und angenehm gerasterte Potis: der Umgang mit dem 4 Stroke 500 ist ein Genuss!
Tolle Optik und angenehm gerasterte Potis: der Umgang mit dem 4 Stroke 500 ist ein Genuss!

In medias res gehend, stelle ich umgehend fest, wie effektiv die Semiparametrik der Klangregelung greift. Eine gute Methode mit einer solchen Klangregelung zu arbeiten ist, alle vier Boost/Cut-Regler in die Neutralstellung zu versetzen und sich dann durch die vier Bandbereiche durchzuarbeiten. Ich beginne meistens mit den tiefen Mitten, dann kommen die hohen Mitten, danach die Bässe und zuletzt die Höhen. Am Ende nehme dann noch etwas Finetuning vor.
Während ja tiefe Mitten meistens angehoben werden, sieht man häufig eine Absenkung bei den oberen Mitten, die häufig nasal-topfig und unangenehm werden können. Die Auswahl der gewünschten Frequenz ist mit der Klangregelung dieses Topteils wirklich sehr einfach zu bewerkstelligen. Einfach den Boost/Cut-Regler eines der vier Frequenzbänder in Boost-Stellung bringen und mit dem darunterliegenden Frequenzregler durch die Frequenzen sweepen. Man hört dann ziemlich schnell, welche Frequenzen dem gewünschten Sound entgegenkommen oder eher stören. Auf diese Weise kann man auch sehr effektiv gegen unerwünschte Boxen-, Bühnen- oder Raumresonanzen angehen, wenngleich der Q-Faktor (also die Breite der angewählten Frequenzbereiche) beim Orange relativ breit ausgelegt zu sein scheint – und nicht so eng wie beispielsweise ein Notchfilter.
Der EQ ist jedoch irre effektiv und ich bin ziemlich aus dem Häuschen, wie potent die Rasterpotis greifen. Jeder Rasterklick bewirkt sofort hörbare Veränderungen! Die Raster sind dabei groß genug, um sich die Rasterpositionen merken zu können, aber auch klein genug, um nicht zu große Sprünge pro Klick zu generieren. Das ist wirklich super, denn man kann auf diese Weise sehr einfach A/B-Vergleiche zwischen den Positionen der Regler ausführen.
Die Tiefbässe des Orange 4 Stroke 500 sind opulent, sodass ich sie im Test nur dezent eingesetzt habe. In basslastigen Räumlichkeiten und natürlich abhängig von den verwendeten Boxen ist es sogar effektiver, die tiefen Frequenzen am EQ zu reduzieren und dafür nur die tiefen Mitten zu boosten (der Tiefmittenregler reicht schließlich bis 80 Hz, was ihn effektiv auch zu einem Bassregler machen kann!). Die beiden Tief- und Hochmittenbänder miteinander zu kombinieren, ist ebenfalls interessant bei diesem EQ, denn die Frequenzbereiche überlappen sich deutlich zwischen 250 und 800 Hz. Hier muss man einfach selber einmal Hand angelegt haben, um zu spüren, wie sich das auf den Sound auswirken kann.
Sensationell ist auch die Wirkung des Höhenreglers; hier bekommt der Amp seinen Glanz aufgesetzt. Auf mich wirkt das Ganze wie ein Presence-Regler eines Vollröhrenamps. Der Sound wird crisp, obertonreich und durchsetzungsstark, aber niemals harsch oder gar unangenehm. Auf der anderen Seite kann man ihn in Richtung Vintage wie bei einer passiven Tonblende am Bass sehr effizient abmildern und weich gestalten. Nach einer wirklich nur kurzen Eingewöhnungsphase lernt man diesen Vierband-EQ wirklich zu schätzen und lieben!
Die grundsätzliche Klangausrichtung des Orange 4 Stroke 500 ist “clean”. Ich muss dem Begriff “clean” bei diesem Amp allerdings attestieren, dass man dem noch weitere Attribute hinzufügen muss. Diese klingen vielleicht etwas abgedroschen, aber ich kann sie nur assoziieren mit den Worten “Wärme” und “Obertonreichtum”. Wüsste ich es nicht besser, ich würde bei einem Blindtest schwören, dass Röhren in diesem Amp schlummern.
Dieser Eindruck der generellen Soundästhetik – unabhängig von der Einstellung des EQ – wird noch einmal deutlich verstärkt, sobald man beginnt den Kompressor in den Signalweg zu blenden. Der Kompressor arbeitet deutlich anders, als ich es gewohnt bin, denn es existiert nur ein einziger Regler. Normalerweise arbeiten derart simpel aufgebaute Kompressoren lediglich mit einer Dynamikbeschneidung der Pegelspitzen und wirken sich ohne Lautstärkekompensation meistens in einer Reduzierung des Lautstärkepegels aus. Der Kompressor im Orange 4 Stroke 500 verhält sich jedoch entgegengesetzt: Dreht man ihn herein, so steigt auf der Lautstärkepegel. Will man den Pegel gleich halten, muss man also gleichzeitig mit dem Hereindrehen des Kompressors die Lautstärke am Volumeregler herunterdrehen. Diesen Kniff hat man innerhalb von Sekunden drauf!

Stolz prangt das Wappen der britischen Company auf der Gehäuseoberseite!
Stolz prangt das Wappen der britischen Company auf der Gehäuseoberseite!

Was dann allerdings geschieht, ist verblüffend: Im Gegensatz zu dem Phänomen vieler Onboard-Kompressoren bei Bassamps, bei denen der Sound einfach nur flacher und dynamisch begrenzt wird, wirkt sich der Compressor im Orange 4 Stroke 500 absolut bereichernd auf den Sound aus. Er wirkt deutlich lebendiger, wiederum hervorgerufen durch deutlich hervortretende Obertöne, wie man sie von Röhrenamps kennt, die kurz vor der hörbaren Verzerrung stehen. Schon bei einem geringen Regelweg des Kompressor-Potis bekommt der Sound richtig Fahrt, bleibt jedoch clean.
Erst wenn man den Regler richtig weit hereindreht und die Pegelspitzen deutlich abmildert, beginnt eine blaue LED neben dem Regler aufzublinken. Sie signalisiert damit den Sättigungsbereich, der auch in deutlich hörbaren Verzerrungen resultiert, die gleichfalls untypisch für einen Kompressor sind, sondern gemeinhin eher mit Röhrenverhalten assoziiert werden. Allerdings wirkt die Verzerrung klar “transistorisch” und im Gegensatz zum restlichen Klangverhalten des Orange 4 Stroke 500 weniger röhrenverwandt.
Wie gesagt: die Ausrichtung des Orange 4 Stroke 500 ist vorrangig clean. Für meinen Geschmack leistet der Kompressor seine besten Dienste und Soundeigenschaften in den ersten 50% seines Regelweges – dort ist er eine absolute Bereicherung für den Sound!
Kommen wir zur Leistung: Es ist schon merkwürdig, wie sehr wir uns an hohe Leistungsangaben gewöhnt haben. Bei 200 Watt fängt heutzutage schon so manch einer an, die Nase zu rümpfen, dabei reichen sie bei einem Röhrenamp locker aus, um die Eingeweide nach außen zu stülpen. Leistungsangaben von 1.200 Watt sind in der heutigen Zeit keine Seltenheit mehr und man sollte sich bewusst die Frage stellen, was “Lautheit” eigentlich bedeutet, wie wir sie empfinden und wie viel davon wir in der Praxis wirklich benötigen.
Ich erwähnte ja eingangs die Orange-Philosophie – zumindest so, wie ich sie persönlich interpretiere: “So viel wie nötig, so wenig wie möglich!”. Obwohl man das nicht auf die Leistung des Amps beziehen kann, so beziehe ich es auf das, was auf der Bühne passiert. Somit sollte klar sein, dass Leistung auch eine gewisse Sinngrenze erfahren kann, die man ab einem bestimmten Punkt auch nicht mehr mit “ausreichend Headroom” legitimieren kann. Ich kann guten Gewissens sagen: der Orange 4 Stroke 500 wird in allen erdenklichen Belangen sein Volumensoll locker erfüllen können, denn er ist wirklich sehr, sehr laut! Wer den Amp im Wohnzimmer einsetzen möchte, wird mitunter feststellen, dass die Lautstärke kaum zu bändigen ist. Selbst die ersten zwei Raster des Volumenreglers sorgen bereits für ein ausgiebiges Flattern der Hosenbeine. Man wird mitunter also eventuell die Lautstärke am Bass selbst zurückdrehen müssen, wenn man seine Nachbarn nicht verärgern möchte.

Der 4 Stroke 500 erreicht eine bei Orange nie dagewesene klangliche Flexibilität!
Der 4 Stroke 500 erreicht eine bei Orange nie dagewesene klangliche Flexibilität!

Die 500 Watt sollte man somit durchaus mit Sorgfalt einsetzen, womit ich meine, dass die Boxen auch in der Lage sein müssen, das Gebotene zu verkraften. Andernfalls empfehle ich den Griff zum leiseren 300er-Modell. Doch dieser Amp klingt nicht einfach nur laut, sondern er behält stets die Hoheit über einen runden, cleanen und obertonreichen Sound.
Diesen Klang liefert das Topteil auch über den integrierten DI-Ausgang. Wie bereits erwähnt, ist der DI-Out so geroutet, dass er das Signal hinter Klangregelung, Kompressor und Lautstärkeregler abgreift. Der DI verfügt über keine feste Pegelanhebung oder Absenkung (oft mit -10dB und +4dB angegeben), aber ich habe bei der Anpassung des DI-Pegels an den Input der DAW keine Probleme festgestellt. Die Pegel bewegen sich somit in praxisüblichen Toleranzgrenzen. So hören wir in den nun folgenden Soundbeispielen auch immer einen 50/50-Mix zwischen DI- und Speaker-Signal. In nahezu allen Beispielen ist auch der Kompressor dezent hinzugemischt.

Audio Samples
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Country Slapping Chords Pick & Palm Mute Harmonics Pick Heavy Pick Heavy & Kompressor Solo

Fazit

Um mich der Worte der Marketingabteilung von Orange zu bedienen: “Wir haben einen sehr einfachen Job, denn wir können unsere Produkte für sich selbst sprechen lassen!” Der Orange 4 Stroke 500 hat in der Tat viel “zu sagen” – er ist für mich nicht weniger als der bislang größte Wurf am Bassfirmament aus der britischen Ampschmiede! Der 4 Stroke 500 liefert alles, was man für einen soliden, warmen, druckvollen und leistungsstarken Basssound benötigt. Das Konzept “back to the roots” mit analoger Class-A/B-Transistortechnik scheint hier voll aufzugehen. Nach werbewirksamen Nebenschauplätzen, wie Einschleifweg, Mute-Schalter, Filter-Schalter, Preshape-EQ-Kurven, multiplen Kanälen, mehrfach gegliederten Vorstufensektionen oder schlichten Gimmick-Features, wird man bei diesem Puristen vergebens suchen. Das Leben mit dem Orange 4 Stroke 500 wird hingegen immer ein sehr einfaches und unkompliziertes sein!
Die super effektive vierfach-Semiparametrik ermöglicht die Realisation nahezu jeden Soundwunsches. Auf der klangästhetischen Ebene bleibt der Amp vorrangig clean, aber niemals klinisch. Im Gegenteil: der Sound wirkt stets reich, rund, warm und was man sonst noch an klischeebesetzten Attributen finden mag, die allgemein eigentlich für Röhrenverstärker verwendet werden. Mich persönlich haut der Orange 4 Stroke 500 nicht nur aufgrund seiner Leistung vom Hocker, denn er ist definitiv der am besten klingende Transistoramp, der mir bislang zu Ohren gekommen ist! Auf jeden Fall ein Kandidat für meine private Einkaufsliste. Unbedingt antesten!

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • hochwertige Class-A/B-Analog-Transistortechnik
  • gute Verarbeitung
  • klares und simples Design
  • keinerlei Ein- und Ausschaltgeräusche
  • vierfach semiparametrischer EQ, +/- 18dB Boost/Cut für effektive Klangformung
  • überzeugende Performance bei Sound und Leistung
  • einfacher, musikalisch sinnvoller Kompressor mit reichem Obertonverhalten
  • alle Potentiomenter mit Rastern ausgestattet
  • temperaturgesteuerter Lüfter
  • hohe Rauscharmut
Contra
  • Fußschalter für Kompressor nicht im Lieferumfang enthalten
  • kein Mute-Schalter
  • DI-Ausgang ohne Pre-EQ-Option
Artikelbild
Orange 4 Stroke 500 Test
Für 599,00€ bei
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… auf jeden Fall wohltuend von den Mittbewerbern am Markt ab!
Technische Spezifikationen
  • Hersteller: Orange Amps
  • Modell: 4 Stroke 500 analoges Class A/B Transistor-Basstop
  • Herstellungsland: China
  • Bauform: 19“, 2 HE
  • Leistung: 500 Watt @ 4 Ohm
  • Regler/Schalter: Volume, Compressor, EQ, Power
  • Klangregelung: Vierband-Semiparametrik, +/- 18dB Boost/Cut, Höhen: 550 – 5.500 Hz, Hohe Mitten: 250 – 2500 Hz, Tiefe Mitten: 80 – 800 Hz; Bässe: 40 – 400 Hz
  • Ein-/Ausgänge: Input-Klinke mit -6dB PAD-Schalter, Footswitch (Klinke), 2 x Speakon Out, Line-Out (Klinke), Balanced Out XLR mit Groundlift-Schalter, Netzanschluss
  • Maße: 48 x 27 x 10,3 cm (inkl. Rackflügel, Rackbügel und Gummifüße)
  • Gewicht: 10,2 kg
  • Preis: 1.212,61 Euro (UVP)
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