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Musikerjobs. Zu viele gleichzeitige Anfragen – was sage ich zu, was besser ab?

Nein. Ein geläufiges Wort. Eigentlich. Jeder weiß, wie das Gegenteil von Ja ausgesprochen und geschrieben wird und dennoch tun sich viele von uns schwer, das Wort, gerade in Bezug auf Jobanfragen, zu benutzen: NEIN. Woran liegt das? Engagements für Musikerinnen oder Musiker kommen nie gleichmäßig. Entweder es sind zu wenige, oder sie kommen alle auf einmal. Wir stehen regelmäßig vor der Frage, was wir zu- und was wir besser absagen sollten. Doch für eine richtige Entscheidung gibt es Kriterien, die euch helfen, klarer und strukturierter den wirklichen Arbeitsaufwand mit eurer zeitlichen Verfügbarkeit abzuwägen.

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5 Gründe sich mit Jobs zu überladen

Als wir uns für diesen Artikel Gedanken gemacht haben, warum wir uns alle immer wieder mit Arbeit überladen, sind wir auf folgende fünf Gründe gekommen, wieso wir möglichst alle Jobangebote annehmen.

1. Die finanzielle Situation

Wie viel Geld brauche ich als Musiker im Monat?
Wir geben mehr Geld aus als reinkommt. Das hängt oft mit einer unrealistischen Kalkulation unserer monatlichen Fixkosten zusammen. Auch kleine Posten wie GEZ machen in der Summe einen großen Haufen. Aber hast du zum Beispiel in angemessener Größenordnung mit einberechnet was, wie viel und wo du isst? Bist du viel unterwegs (teuer) oder kannst du zu Hause kochen (billiger)? Ich habe mal einen Monat alle Ausgaben in ein kleines Buch eingetragen und war schockiert, wie viel Geld für “Außer-Haus-Essen”, sei es der Kaffee oder das Brötchen zwischendurch oder das Essengehen auf dem Job, sich da läppert. Generell gesagt: Egal, wie du lebst oder wovon: Alle deine Ausgaben müssen durch Einnahmen abgedeckt werden! Also kalkuliere genau: Brauchst du ca. 900 Euro monatlich oder eher 1600 Euro? Dementsprechend kannst du dann kalkulieren, wie viele Jobs du annehmen musst, um nicht im Minus zu landen.

2. Selbstbestätigung

Der frühe Vogel fängt den Wurm! Oder kann mich mal?
“Wie soll es schon sein? Viel zu tun, wie immer!”; “Seit drei Monaten mein erster freier Tag.”; “Mein letzter Urlaub war vor zwei Jahren.” – Diese Aussagen kennt jeder, entweder von sich selbst, oder aus seinem beruflichen oder persönlichen Umfeld. Ist euch schon mal aufgefallen, dass beim Aussprechen dieser Sätze auch immer etwas Stolz mitschwingt oder Genugtuung ausgedrückt wird?
Denn in unserer Gesellschaft ist immer noch weit verbreitet: Wer härter schuftet und weniger schläft, ist erfolgreicher. Womit sich für mich wiederum ein Widerspruch bildet: Erfolgreiche Menschen wissen doch auch, dass der Erfolg mit ihrer geistigen und körperlichen Gesundheit beginnt und endet. Und die hängt für mich maßgeblich von Schlaf, Ernährung und Sport ab. Lässt euch eure Arbeit keine Zeit mehr dafür, müsst ihr Jobs absagen. Und wenn das, wegen eurer Ausgaben, nicht geht, überdenkt eure Fixkosten damit ihr nicht irgendwann mit einem Burn Out total ausfallt.

3. Selbstverwirklichungszwang vs. Selbstoptimierungsdrang

Wem wollen wir eigentlich genügen?
Mal Hand aufs Herz, stellt euch beim nächsten Jobansturm einmal ehrlich folgende Fragen: Für wen oder was mache ich das, was ich mache? Für mich? Für meine Familie? Für die Menschen, die nicht an mich geglaubt haben? Für meine Rente? Für mehr Sicherheit und einen ruhigeren Schlaf? Für meinen “Marktwert/Image” bzw. den Eindruck, den die Musikbranche von mir hat? Oder für was ganz anderes? Und entscheidet danach.

4. Stress als Statussymbol

Reich, aber fertig
Wer hat die stärksten Augenringe? Wer hat kaum Off-Days? Bei wem ist Sport und genug Schlaf einfach nicht drin? Wie schon weiter oben kurz angerissen, definieren sich viele von uns nicht nur über das, was sie tun, sondern darüber, wie viel sie arbeiten. Eine höchst Besorgnis erregende Entwicklung, wie ich finde. Was hat das für einen Mehrwert, wenn ich mir zwar viel leisten kann, aber zu wenig Zeit für mich, Familie und Freunde habe? Wenn ich die Menschen, die mir am Herzen liegen, kaum sehen kann, weil ich nie richtig frei habe und immer arbeite? Überdenkt euer Statusdenken, stärkt euer Selbstbewusstsein und schraubt den Konsum runter. Ihr seid gut genug, so wie ihr seid. Keiner muss oder sollte sich ausschließlich über seinen Job identifizieren und erst recht nicht profilieren. 

5. Selbstlosigkeit, die keinem hilft

Gebrauchtwerden als Dope fürs Ego
Erst die anderen, dann ich. Also her mit der x-ten Unterrichtsvertretung oder Coverjob. Ganz ehrlich: Wenn man sich ständig um seine Mitmenschen kümmert und sorgt und dann erst schaut, wo man selbst bleibt, geht das nicht lange gut. Es macht zwar wissenschaftlich bewiesen glücklich, wenn man anderen Gutes tut, aber wenn die eigene Gesundheit aufgrund von Dauerstress unter dieser doch eher fragwürdigen Prioritätensetzung auf der Strecke bleibt, hat da keiner was von.

4 Tipps, wie ihr öfter mal einen Job absagen könnt

Checkt alle eintreffenden Anfragen mal nach folgenden Kriterien, bevor ihr euch für oder gegen ein Jobangebot entscheidet.

1. Musik – Menschen – Kohle – Kontakte – Auftragslage

Für die meisten von euch sicherlich nichts Neues: Denkt jede Jobanfrage in Ruhe und zu Ende durch. Diese vier Faktoren helfen euch dabei.

  • Was für Musik ist das? Wird reines Handwerk für einen Coverjob gefordert oder ist die Musik spannend, vielleicht ein neues Bandprojekt, und ihr könnt euch auch noch kreativ mit einbringen?
  • Kommt ihr mit den anderen Menschen, die beim Job mit dabei sind, klar?
  • Wie hoch ist die Bezahlung?
  • Welche neuen Kontakte könnt ihr euch durch die Jobzusage aufbauen?
  • Wie viel habt ihr gerade zu tun?

Wenn euch zu diesen vier Punkten noch Infos fehlen, fragt beim Auftraggeber nach. Eine objektivere und klarere Entscheidungshilfe gibt es meiner Meinung nach nicht. Danach könnt ihr euer “Ja, machen” oder “Nein, absagen” mit eurem Bauchgefühl abgleichen oder mit einer anderen Person besprechen. Wichtig ist, dass ihr zunächst allein eine Meinung oder Tendenz in euch entstehen lasst, sonst seid ihr zu beeinflussbar. Das ist deine Jobanfrage, deine Lebenszeit, dein Terminkalender und schließlich dein verdientes Geld – du entscheidest. Lasse bitte deinen Partner, deine Partnerin oder Bandmitglieder erst mal außen vor.

2. Zeitpunkt der Jobanfrage objektiv wahrnehmen

Es ist doch fast immer so: In einer eher ruhigeren (Arbeits-) Phase kommen vermehrt Jobanfragen rein. Die Folge: Mit dem Gefühl, dass das derzeitige Arbeitspensum gut zu bewerkstelligen ist, sagt man zu viel und zu unüberlegt zu. Vielleicht sind das bei dir Monate wie Januar oder Februar, vielleicht aber auch die Sommermonate Juni, Juli, August. Besonders gefährlich ist es, wenn gerade z. B. dein Unterrichtsjob pausiert und du dann wieder zwei bis drei Tage die Woche unterrichten musst, wenn die Jobs anstehen.

3. Plane Puffer ein!

Du hast vermutlich deine festen Jobs, wöchentliche Verpflichtungen, die an bestimmten Wochentagen und Zeiten stattfinden. Deine Zeit darüber hinaus kannst du dir frei einteilen. Bitte vergiss nicht, dass primäre Lebensbedürfnisse Zeit benötigen. Wir haben mal grob ausgerechnet, wie eine Woche so aussehen kann:
Eine Woche hat genau 168 Stunden, davon gehen 56 Stunden für den Schlaf drauf, 35 Stunden benötigst du für essen, duschen, Auto/Bahn fahren, einkaufen, etwa 40 Stunden arbeitest du, dann hättest du 37 Stunden übrig, die du z. B. für Partner/Partnerin, Freizeit, Sport oder eben mal mehr Arbeit verwenden kannst.
Überschätze diese Zeit nicht und plane einen zeitlichen Puffer ein. Es kommt immer irgendwas dazwischen. Was hat dir dein Handy neulich eigentlich für eine tägliche Bildschirmzeit angezeigt?

4. Brutto- und Nettoarbeitszeiten bei Musikjobs

Ein Beispiel, das gut veranschaulicht, wie schnell uns Gagen blenden.
Du bekommst folgenden Anruf:
Covergig in zwei Wochen an einem Freitag auf einer Firmenfeier in Aschaffenburg. Zwei Partysets à 45 min. und ein Jazzdinnerset à 45min. Es gibt 450 Euro pro Person plus Kilometerpauschale und Hotelzimmer. Du wohnst in Leipzig, mit dem Gitarristen und Keyboarder hast du bereits gespielt, den Rest der Band kennst du nicht. Eine Probe gibt es nicht, beim Soundcheck werden zwei bis drei neue Songs aus dem Repertoire kurz angespielt. Das hört sich erstmal gut an.
Die Setlist bekommst du eine Woche vorher von den SängerInnen mit den passenden Tonarten zugeschickt. Die Hälfte der Songs hast du bereits gespielt, ein paar davon musst du kurz auffrischen. Zehn Songs kennst du, aber hast du noch nie gespielt und fünf Songs hast du bislang weder gehört noch gespielt. Du musst auf jeden Fall ein paar Stunden Vorbereitungszeit einplanen, dich zu Hause oder im Proberaum hinsetzen, damit du gut vorbereitet bist – auf der Fahrt zum Gig (du fährst die 410 km mit dem Auto, nimmst Sängerin und Keyboarder mit) oder beim Soundcheck hast du keine Möglichkeit dazu.
Rechnen wir einmal ganz nüchtern. 135 Minuten reine Netto Konzertzeit bedeuten aber 24 Stunden Brutto unterwegs sein, dass heißt, das ihr in dieser Zeit für andere Arbeit geblockt seid. Dazu kommen 5 Stunden Vorbereitung. Also landen wir bei 29 Stunden : 450,- Euro = 15,52 Euro Stundenlohn vor Steuer.
Ähnlich unrealistisch wäre es, wenn du die ständigen Leerlaufzeiten an einem Konzerttag für Büro-/Buchhaltungsarbeiten oder zur Vorbereitung anderer Gigs einkalkulierst. In der Regel wird das nichts. Wenn man allein reist, ist man schon aufgrund unvorhersehbarer Gründe wie Staus, Zugverspätungen oder Sonstigem oft ineffizienter in seiner Zeitgestaltung. Zu zweit oder in der Gruppe ist es noch schwieriger, sich auszuklinken und zu arbeiten.
Oder andersrum gesagt: Aus “Ich spiele abends einen Gig in Aschaffenburg” wird ein ganzer Tag. Daher ist es wichtig, dass ihr die Gage in das richtige Verhältnis zum Aufwand setzt und nicht nur die reine Arbeitszeit seht. Das liest und sagt sich natürlich immer viel besser. Und lässt sich auch besser vor sich selbst rechtfertigen. Aber letztendlich bist du bei einem Stundenlohn von 15 Euro, wenn du den gesamten zeitlichen Aufwand rechnest (Kommunikation im Vorfeld, Vorbereitungszeit für neue Songs, Hin- und Rückfahrt Leipzig-Aschaffenburg, Zeit vor Ort, Abbau / Zeit nach dem Konzert)!

Fazit

Es gibt viele Jobs, die versteckte Zeitfresser sind. Bei einem Subjob, egal ob für ein Konzert oder eine ganze Tour, weiß man ungefähr, was auf einen zeitlich zukommt und kann das schnell ins Verhältnis zum Honorar setzen. Bei einer Unterrichtsvertretung ist es ähnlich. Bei Tätigkeitsfeldern im Bereich Studio sieht das schon anders aus: Mixing, Mastering oder eine Produktion sind dynamische Jobs, die einen Arbeitsflussmodus voraussetzen und einen Prozess mit sich bringen. Hier lässt sich im Vorfeld nicht sagen, wie viele Stunden man tatsächlich daran sitzen und arbeiten wird, bis es das Siegel “fertig” bekommt.
Generell kann man also sagen: Jobs, die einmalig stattfinden und man abhaken kann (definierbarer Arbeitsaufwand), lassen sich leicht zusagen. Wenn einem die anderen, längerfristigen Jobs besser gefallen, muss man behutsamer abwägen und wirklich viel Wert auf das zwischenmenschliche Arbeiten legen. In der Regel zahlst du ja hier mit deiner Eigeninitiative, Engagement und vielleicht perfektionistischer Arbeitsmoral drauf.

  • Habe ich Zeit?
  • Habe ich da Bock drauf?
  • Brauche ich die Kohle?

Die Reihenfolge dieser Fragen ist hinfällig, da sich alle Fragen gleichzeitig stellen. Denn auch wenn man keine Zeit hat, kann man ja theoretisch noch an dem Grund drehen, dass man doch Zeit hat (je nach Honorar und Attraktivität des Jobs).
Es gibt so viele Abstufungen und Differenzierungen, die zwischen den Fragen stehen. Eigentlich musst du jedes Mal deine Entscheidung aufs Neue überdenken und treffen.

Und wann bemerkt ihr, dass dieser eine Job genau der eine zu viel war?

Wenn genügend Schlaf und Sport nicht in einen Tag passen, ist für uns der Tag zu voll.
Das ist unser persönlicher Maßstab. Jeder sollte seinen eigenen kennen(lernen) und sich dabei von nichts und niemandem beeinflussen lassen. Wie viel die Partnerin oder der beste Kumpel arbeitet, darf keine Rolle spielen. Jeder Mensch hat seine eigene körperliche und geistige Belastbarkeitsgrenze, einen individuellen Umgang mit Stress und eine andere mentale Stärke. Vergleichen verboten.

Wir wünschen euch weiterhin die privilegierte Position, überhaupt “Nein” sagen zu können und dann einen klaren Kopf um richtige Entscheidungen zu treffen. Damit ihr die (Lebens-) Freude an dem, was ihr am liebsten macht, nicht verliert.
Barbara & Catharina

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