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Manley Force Test

Der neue Vierfach-Mikrofonvorverstärker Manley Force ist bei bonedo zum Test eingetroffen – unser Testgerät trägt die Seriennummer 001.

Manley_Force_Preamp_1

Auf der NAMM 2015 wurde der Röhren-Preamp angekündigt, auf der Musikmesse 2015 war das erste Gerät in Europa zu bewundern – und wir durften es direkt einsacken. Es geht gewiss nicht um irgendeinen Tube-Pre, sondern um ein Gerät eines mehr als renommierten Herstellers:
Manley genießt seinen hervorragenden Ruf vor allem wegen seines EQs Massive Passive, aber auch der Slam! und das Reference Gold, ein Großmembran-Kondensatormikrofon, sind äußerst angesehene Werkzeuge bei professionellen Tontechnikern weltweit. Dass nun vier Preamp-Kanäle zum zwar nicht günstigen, aber immerhin nicht exorbitant hohen Preis angeboten werden, macht natürlich neugierig!

Details

Viermal das Gleiche

Der Force kommt im nicht gerade grazilen Gewand: Die massige Frontplatte des 2HE/19“-Gehäuses ist eine klare Aussage. Optisch voneinander getrennt sind die vier identisch ausgestatteten Kanäle über die Front verteilt. Jede dieser Abteilungen besitzt mit Gain, High-/Low-Gain-Schalter, Signalinvertierung, Phantomspeisung und 120Hz-Hochpassfilter die gleichen Bedienelemente, ebenso verfügen alle vier Preamps über einen Instrument-Input und ein LED-Meter mit sieben Segmenten. 

Fotostrecke: 8 Bilder Vier identisch ausgestattete Preamp-Sektionen

300 V DC

Rückseitig findet man XLR-I/Os sowie den Anschluss für das interne Netzteil. Dieses transformiert unter anderem auf 300 Volt Gleichspannung hoch – eines der Hauptargumente für den Verstärker. Getreu der simplen Rechnung „höhere Spannung = höhere Dynamik“ lässt Manley im Force die Bauteile spannungsmäßig nicht verhungern, sodass die Doppeltrioden (12AX7WA) in Spannungsbereichen arbeiten können, die ihre Fähigkeiten auch vollkommen ausnutzen. Für den Klangcharakter des Force wird im Wesentlichen aber der speziell angefertigte, handgewickelte Eisenkern-Übertrager an jedem Input verantwortlich sein, dessen Aufdruck „Iron“ sogar durch die Lüftungsschlitze des geschlossenen Gehäusedeckels hindurch erspäht werden kann. 

Fotostrecke: 4 Bilder Blick von innen gegen die Frontplatte

Wenig Gain

Der Frequenzgang bewegt sich innerhalb der klassischen Grenzen (20 Hz bis 20 kHz) in einem nur geringen Abweichungsbereich von +/-0,4 dB, mit Rauschen hat man so gut wie nichts an den Füßen, wenn man bedenkt, dass es sich um ein Röhrengerät handelt: -85 dB im Low-Gain-Setting. Im Low-Gain-Modus beträgt die maximale Verstärkung nur 40 dB, im höheren Setting 50 dB. Das ist sehr wenig! Ein interner Jumper kann beide Werte um je zehn Dezibel erhöhen, aber dennoch bleibt das sehr gering im Vergleich mit manchen Preamps, die 76 oder gar über 80 dB Verstärkung ermöglichen. Die Eingangsimpedanz ist mit 1,25 kOhm nicht besonders hoch.

Man muss das Aussehen nicht mögen, übersichtlich ist der Force allemal.
Man muss das Aussehen nicht mögen, übersichtlich ist der Force allemal.

Optisches

Während der Massive Passive noch ganz gut aussieht, ist der Channel-Strip Manley Core aus europäischer Sicht eine Beleidigung des Ästhetikempfindens, vom Mikrofon Reference Gold ganz zu schweigen. Der Manley Force liegt irgendwo dazwischen, glücklicherweise ist er gestalterisch nicht weiter auffällig. Ich denke allerdings, dass der Verzicht auf die beiden Schwünge der schwarz abgesetzten Kanaleinheiten und auf die „total crazy“ abgeknickten Meter dem Force etwas Zeitloses gegeben hätte, was ihm nun fehlt. Gut, wir sind kein Magazin für Produktdesigner, sondern Musiker und Tontechniker.

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Praxis

Erst einmal Ruhe

Wenn man den Manley Force mit Strom versorgt, passiert klanglich Folgendes: nichts. Zumindest zunächst. Manley haben den Force nämlich mit einer automatischen Aufwärmfunktion ausgestattet, die dem Preamp zunächst eine halbe Minute Zeit gibt. Röhrengeräte sollten eher eine halbe Stunde bekommen, bis sie gut klingen (mein Tube-Tech benötigt diese Zeit de-fi-ni-tiv!), doch ist es sehr vernünftig, erst in Ruhe die Röhrenheizungen anzuwerfen und abzuwarten, bis die 300 Volt (und die anderen intern benötigten Spannungen) aufgebaut und vor allem stabil sind. 

Fotostrecke: 3 Bilder Power, und los geht’s – nach 30 Sekunden.

Fein und wuchtig gleichzeitig

Sind die Wege frei, zeigt der Manley sehr schnell, was für ein Typ er ist: Der Klang ist hochwertig und fein, aber gleichzeitig wuchtig und groß. Das muss sich nicht ausschließen: Offenbar sorgt das Design mit den hohen Spannungen dafür, dass auch mikrodynamisch alles in Butter ist. Um das Signal dichter zu bekommen, ist die Arbeit am oberen Ende des pegelmäßig Verträglichen nötig – und das ist schwer: Mit maximal 31 dB Output giert der Force geradezu nach hohem Eingangspegel! Dass die Maximalverstärkung gleichzeitig allerdings eher schwach ist, finde ich schade. Besonders vor dem Hintergrund, dass „amerikanischer Sound“ nicht zuletzt bei Vocals mit dynamischen Mikros, also Tauchspulen- oder Bändchenmikrofonen bewerkstelligt wird. Wie oft ist es die Kombination von Shure SM7B, Electro-Voice RE-20 oder AEA-Ribbon mit einem Röhrenamp, die die Stimme bis auf den Tonträger transportiert? Mit 50 dB Gain schaut man mit einem Übertragungsfaktor von um die 2 mV/Pa bei etwas leiseren Stimmen schnell in die Röhre. Fairerweise muss man sagen, dass der Force erstaunlich wenig rauscht, sodass man durchaus in einer nachfolgenden Stufe eine Line-Verstärkung nutzen kann, ohne sich das Signal zu ruinieren. Außerdem ist beim Coles 4038 (300 Ohm) die Impedanz schon ziemlich kritisch: Ein Preamp mit deutlich höherer Impedanz lässt das Signal merklich weniger leblos klingen. Der Manley Force ist also wohl nicht das „überall-sorglos-einsetzbare“ Arbeitspferd. Wie geschaffen scheint der Force aber für den Einsatz mit Großmembran-Kondensatormikrofonen. Sowohl Mojave MA-201Fet als auch Microtech Gefell UM 92.1S haben mit dem Vierfach-Pre einen Heidenspaß gemacht. Diese Kombination von Detailreichtum und kräftigem Andicken ist äußerst selten zu finden, der Tube-Tech ist im Vergleich ziemlich brav und freundlich. Besonders Stimmen sind mit dem Force verstärkt absolut durchsetzungsfähig. In den USA würde man den Begriff „In your face!“ für den Manley-Sound erfinden, wenn es ihn nicht schon gäbe. Der Grundcharakter erinnert deutlich an den Universal Audio 610, allerdings geht dieser deutlich „rüpelhafter“ zu Werke. Trotz des deutlich zu hörenden Eisenübertragers am Eingang des Force geht so gut wie nichts von der feinen Signalzeichnung verloren – das muss man Manley erst einmal nachmachen! Schade nur, dass der Instrumenteneingang diesen umgeht. Dementsprechend fehlt dem Direct-In ein wenig dieses Charakters. Eine kleine positive Randnotiz verdient sich das Hochpassfilter: Mit 120 Hz mutig hoch gewählt, kratzt es durchaus am Grundtonbereich vieler Stimmen, was durchaus zu begrüßen ist (bei Gitarrenaufnahmen aber vielleicht ein bisschen heftig ist), lässt aber das Passband weitestgehend in Ruhe. Von negativ auffallender Beeinflussung des Phasenfrequenzgangs kann nicht die Rede sein. 

Audio Samples
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Force mit Coles 4038 Force mit Beyerdynamic M88 Force mit Mojave MA-201FET Force mit Mojave MA-201FET, hot, später HPF Tube-Tech MP 1A mit M88 Tube-Tech MP 1A mit MA-201FET Heritage ’73 Jr mit 4038 Heritage ’73 Jr mit M88 Heritage ’73 Jr mit MA-201FET

Teuer?

Wer schon auf das Preisschild geschielt hat, wird sich vielleicht gedacht haben „Hui! Gut zweieinhalbtausend Ohren kostet der Amp ja!“ Das klingt nach viel. Aber ist es das? Pro Kanal liegt man damit noch deutlich unter den meisten Röhren-Preamps für das API-500er System. Und das Kassettenformat hat Mühe, derartige Spannungen zur Verfügung zu stellen. Eigentlich alle 9,5“- oder 19“-Röhrenamps für diesen Preis tun sich schwer, sich qualitativ mit dem Force zu messen. Insofern: Unter Berücksichtigung der Klangqualität ist der Preamp nicht besonders teuer.

Manley_Force_Preamp_20
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Fazit

Der Manley-Röhrenpreamp Force klingt hervorragend. Er schafft die Gratwanderung zwischen dickem, amerikanischen Röhren- und Übertragersound und Beibehaltung einer enormen Feinzeichnung des Signals. Allerdings kommt man in den vollen Genuss des Klangcharakters erst dann, wenn die verwendeten Mikrofone auch genug liefern: Während der Force für Kondensatormikrofone wie geschaffen erscheint, macht die Arbeit mit dynamischen Mikros und Schallquellen mit geringen Pegeln weniger Spaß. Nichtsdestotrotz gibt es eine klare Empfehlung, denn nicht jedes Gerät muss ein Alleskönner sein. Und noch etwas: Gut 2500 Euro sind wirklich nicht viel Geld für vier Röhren-Kanäle dieser klanglichen Güte!

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • hervorragende Detailzeichnung
  • dicker, „amerikanischer“ Röhren- und Übertragersound
  • straffer, konkreter Bass
  • durchsetzungsfähiger, gut mischbarer Klang
  • gute Verarbeitung
Contra
  • geringe Maximalverstärkung
Artikelbild
Manley Force Test
Für 2.699,00€ bei
Manley_Force_Preamp_21
Features und Spezifikationen
  • Vierfach-Röhren-Mikrofonvorverstärker
  • HPF: 120 Hz
  • Phantomspeisung
  • Phaseninvertierung
  • Eingangsimpedanz: 1250 Ohm
  • max. Gain: 50 dB
  • Siebensegment-Meter
  • Gehäuse: 19″/2HE
  • eingebautes Netzteil
  • Preis: € 3173,– (UVP)
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Profilbild von Cello Hertner

Cello Hertner sagt:

#1 - 21.02.2020 um 23:49 Uhr

0

Hallo zusammen,
Habe den Manley Forces eben frisch aus dem Kalifornischen erhalten.
Ich muss euch leider mitteilen, dass ich noch nie so einen Preamp gehört habe. Ich habe dir Directs ausprobiert und muss sagen, andere Dimensionen!!! Danach A Gitarre mit einem Neumann TLM 103 und Female Voclas, krass !!!Ich besitze mehrere high end preamps wie avalon m5, 737sp, neve 1073 dpa,
JEDER KLING HAMMER, keiner so wie der Force?

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