Lauten Oceanus LT-381 Test

Es gibt Hersteller, die das Äußere ihrer Produkte eher mit einem konsequenten Understatement designen. Dazu gehört die im kalifornischen San José ansässige Firma „Lauten“ ganz sicher nicht. Mit dem Oceanus möchte man offenbar gleich signalisieren, dass einen Großes erwartet – eben getreu der amerikanischen Devise „think big“. Diesem Grundsatz schließt sich auch die Tatsache an, dass dieses Röhrenmikro gleich zwei Glaskolben beinhaltet. Doch da wir uns bei bonedo ja nicht von solch profanen Äußerlichkeiten blenden oder gar beeinflussen lassen, musste auch unser Goliath im Test zeigen, ob er tatsächlich zu den „Großen“ zählt.

Waren wir uns beim Test im Studio noch nicht ganz sicher, ob sich der Name „Lauten“ nun englisch oder deutsch ausspricht, bin ich mir nach kurzer Recherche nun sicher, dass man mit der deutschen Variante definitiv nicht falsch liegt. Der Name Lauten ist nämlich vom Nachnamen des Gründers Brian A. Loudenslager abgeleitet, der eigentlich mal Lautenschlager war, durch jahrelange falsche englische Aussprache aber zu Loudenslager wurde. Ihr könnt mir noch folgen…? Der Name Lautenschlager tauchte erstmals 1552 in Gunterfurst, Erbach, Hessen (Good Old Germany!) auf und hat eine grundmusikalische Basis, gemeint war nämlich der Lautenspieler. So, hätten wir das also auch geklärt und können uns nun mit „Lauten und Trompeten“ dem eigentlichen Test widmen.

Details

GROSS-Membran Mikrofon

Als uns das Oceanus LT-381 erreichte, dachte ich zuerst, der nette Paketzusteller hätte den falschen Karton aus seinem Auto ausgeladen. Ich habe doch ein (!) Mikrofon geordert und nicht ein ganzes Set oder ein kleines Mischpult! Die Dimensionen des Pakets ließen aber eben nicht unbedingt auf ein Mikro schließen, sodass ich sofort den Absender kontrollierte. Ok, stimmt, hier steht der deutsche Lauten-Vertrieb, das wird wohl seine Richtigkeit haben. Also dann, danke lieber Paketmann! Nach dem Öffnen der Kartonage kommt aber tatsächlich nur ein großer Alu-Koffer zum Vorschein, der von seinem Volumen her auch locker mal für einen Kurztrip als „normaler Koffer“ zweckentfremdet werden könnte. Und wie es sich für einen vernünftigen „Reisekoffer“ gehört, ist auch das Lauten-Behältnis mit zwei Zahlenschlössern ausgestattet.

Fotostrecke: 4 Bilder Der mitgelieferte Koffer ku00f6nnte glatt als Reisekoffer durchgehen.

Mit zwei Röhren röhrt es sich besser

So, jetzt aber endlich die beiden Verriegelungen öffnen und ins Innere des Silberkastens schauen. Klack, klack…offen. Und siehe da, nicht wie sonst häufig üblich, viel Umverpackung um wenig Inhalt, hier erwartet einen „pralle Einlage“. Der Koffer beherbergt neben dem Mikrofon, das zusätzlich in einer edlen Holzschatulle steckt, ein Speisenetzteil nebst Stromkabel, eine Spinnenhalterung sowie ein 7-poliges XLR-Kabel.

Beim Oceanus handelt es sich um ein Doppelgroßmembran-Röhrenkondensatormikrofon – welch geschmeidiges Wort, ungefähr so wie „Eiersollbruchstellen-Verursacher“. Die Besonderheit bei diesem Mikro ist jedoch, dass hier gleich zwei Röhren im Inneren ihren Dienst verrichten. In der Eingangsschaltung sitzt eine Pentode, ausgangsseitig wartet statt eines Übertragers (Trafo) eine Triode auf das Signal. Lauten haben hier noch einen weiteren Elektrik-Trick auf Lager – die Pentode ist nämlich wie eine Triode beschaltet. Dadurch möchte  man unter anderem ein verbessertes Rauschverhalten erreichen, da eine Pentode eine höhere Ausgangsspannung abgibt als eine Triode. Die Entscheidung für eine zweite Röhre statt einer Trafo-Schaltung kann man natürlich auch elektrotechnisch erläutern (ebener Frequenzgang, verbessertes Impulsverhalten, etc.), doch man kann es auch unter klangästhetischen Aspekten sehen, denn Röhrenverzerrungen werden definitiv als angenehmer und harmonischer empfunden als selbige eines Transformators. Im übrigen „färben“ zwei Röhren auch noch mal mehr als eine, und ich denke nicht, dass man mit dem Oceanus ein neutral klingendes Mikrofon schaffen wollte. Somit wirft man hier von Anfang an eben gleich noch ein bisschen mehr in die Waagschale.

Fotostrecke: 4 Bilder Understatement kann man dem LT-381 nicht vorwerfen!

Alles ein bisschen größer und von allem ein bisschen mehr

Apropos Waagschale, hier landen nicht nur soundspezifische Eigenschaften drin, sondern auch pures Material. Das LT-381 bringt nämlich die stolzen Maße 8,9 x 19,05 x 9,1cm und ein Gewicht von knapp 1,3 kg mit sich – hier sollte man schon einen etwas massiveren Mikrofonständer (z.B. Overhead-Stativ mit Gegengewicht) in Betracht ziehen, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Die Verarbeitung des Mikrofon-Körpers entspricht Größe und Gewicht und kann definitiv als massiv und solide bezeichnet werden. Hier wackelt und rappelt wirklich nichts – die Verschraubungen am Body wurden mit Inbus-Schrauben realisiert, der Mikrofonkorb ist sauber eingepasst und besteht aus massivem Drahtgeflecht, die 7-polige XLR-Buchse wurde fest verschraubt und ist von einem langen, sauber geschnittenen Gewinde umgeben, um das Mikro fest mit der Spinnenhalterung zu verbinden. Die Rückseite des Mikros ziert ein schwarzer Kühlrippenkörper, denn zwei Röhren entwickeln natürlich auch ein bisschen Wärme – so wirkt das Oceanus wie ein kleines Kraftwerk. Hinter dem Mikrofonkorb schimmert die goldbedampfte Doppel-Großmembran durch, die mit 16 Kreuzschlitzschrauben pro Seite eingespannt wurde. Natürlich hat man auch das Wort „Großmembran“ im Hause Lauten wirklich wörtlich genommen. Normalerweise haben wir es ja mit 1“-Membranen bei dieser Mikrofongattung zu tun, beim Oceanus lautet das Maß aber 1,23“ (31,25 mm). Alles eben ein bisschen größer und von allem ein bisschen mehr – und das natürlich konsequent. Die elastische Spinnenhalterung ist bei solch einem Boliden natürlich eine Vollmetallkonstruktion und verrichtet treue Dienste. Das Gelenk ist mühelos so festzuziehen, dass die 1,3 Kilo sicher in Position bleiben.

Fotostrecke: 3 Bilder Das massive Netzteil hinterlu00e4sst einen guten Eindruck.

Der Bolide kommt mit einem massiven Netzteil

Schauen wir uns das Netzteil mal genauer an. Auch hier hinterlässt das Stahlblechgehäuse einen grundsoliden und massiven Eindruck. Auf der Vorderseite finden wir zwei XLR-Buchsen – eine 7-polige, um das Mikrofon anzuschließen, und eine 3-polige, um das Signal ans Mischpult oder einen Preamp weiterzuleiten. Oberhalb dieser Anschlüsse sitzt ein großes Rasterpoti, um die Richtcharakteristik einzustellen. Hier stehen mit Kugel, Niere, Acht und sechs Zwischenpositionen insgesamt neun Pattern zur Verfügung. Ich persönlich frage mich an solchen Stellen zwar immer, wer unbedingt sechs „Zwischen-Nieren“ benötigt, aber lassen wir das mal dahingestellt sein. Die Rückseite beherbergt den Netzanschluss nebst Power-Schalter.

Der Frequenzgang ist mit den obligatorischen 20 Hz – 20 kHz angegeben, der Dynamikumfang mit mind. 100 dB, der maximal verträgliche Schalldruckpegel mit 120 dB(SPL) (THD: 0,5%@1kHz), der äquivalente Eigengeräuschpegel mit

Praxis

Mehr als nur ein Mikrofon?

Unsere beiden Sangeskünstler Alice und Goldie staunten nicht schlecht, als wir ihnen mit dem Oceanus entgegentraten. Nach dem Motto: „Kann das noch mehr als nur Signale übertragen? Vielleicht Kaffee kochen, Brötchen aufknuspern, Starthilfe fürs Auto leisten…?“ Nein, kann es nicht – nur Signale übertragen. Und nun natürlich die Fragen aller Fragen: Wie macht es das denn? Wie klingt´s? Gibt´s was Besonderes zu berichten? Ok, fangen wir mal vorne an.

Fotostrecke: 2 Bilder Su00e4ngerin Alice

Das Rauschen des Oceanus

Ob bzw. wie viel das Mikro stärker mit einer „normalen“ Röhrenschaltung und Ausgangsübertrager rauschen würde, kann ich nicht sagen, definitiv ist allerdings, dass ein durchaus deutliches Rauschen wahrnehmbar ist. Ich sehe jetzt schon das kritische Stirnrunzeln vieler „Saubermänner und -frauen“ vor meinen Augen, bei denen einfach nichts rauschen darf. Ich sehe das ein wenig anders. Versetzt euch doch nur mal ein paar Jährchen zurück, als man noch mit Bandmaschinen und einem Haufen Analog-Technik aufgenommen hat. Demnach hätte es ja viele gekrönte Welthit-Produktionen niemals geben dürfen – da hat´s nämlich gerauscht, und das nicht zu knapp. Also, Beatles & Co alles Schrott oder was…? Natürlich nicht. Konzentrieren wir uns also lieber auf das Wesentliche, den Klang, und nicht auf einen kleinen Rauschteppich, der am unteren Ende eines angemessen lauten Signals sein Schattendasein fristet. Man muss ja mit diesem Mikrofon nicht gerade die leisesten Schallquellen vor dem Herrn aufnehmen – an dieser Stelle geht es ja sowieso um Gesang, und da passt´s schon.

Audio Samples
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10 cm, weiblich 30 cm, weiblich 10 cm, männlich 30 cm, männlich
Audio Samples
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Acht, weiblich Kugel, weiblich Acht, männlich Kugel, männlich

Angenehm warmes und edles Breathing

Wir erinnern uns, dass ich ja anfangs schon mutmaßte, das Oceanus wolle sicherlich kein neutral klingendes Mikro sein. Jetzt bekommen wir die Bestätigung: Das Oceanus klingt auf keinen Fall neutral – und das ist auch gut so. Besonders bei unserer Sängerin Alice, die ihre Phrase mit viel Luft gesungen hat, ist mir sofort dieses unglaublich angenehm warme und edle Breathing aufgefallen, das von dem Lauten-Mikro übertragen wurde. Das kann man mögen oder nicht – ich liebe es. Es hüllt die Vocals wie in Samt und Seide, ohne dabei einen benachbarten Frequenzbereich negativ zu beeinflussen. Es ist eben das Sahnehäubchen. Im Mittenbereich ist sowohl beim weiblichen als auch beim männlichen Gesang eine deutliche Färbung festzustellen, die aber relativ weit im oberen Mittenbereich liegt, sodass die Signale schön offen bleiben. Die oberen Mitten erhalten dadurch mehr Präsenz, was in einem späteren Mix durchaus die Arbeit erleichtern kann, weil die Signale eben von vornherein eine gute Durchsetzungskraft haben. Im Übergangsbereich zwischen oberen Mitten und Höhen ist uns eine Art Mikrofonierungseffekt der Röhre aufgefallen, der eine Art „Klingeln“ verursacht. Das ist nach meiner Meinung nichts Negatives, viel mehr etwas Besonderes. Diese Wahrnehmung ist in Worten ziemlich schwer bzw. unmöglich zu beschreiben – ich empfehle euch an dieser Stelle eindringlich, euch die unkomprimierten Wav-Files downzuloaden und über vernünftige Monitore abzuhören. Im MP3-Player über Laptop-Speaker werdet ihr das „Klingeln“ nicht hören. Die Höhen klingen angenehm offen und transparent, hier wird das Signal auch nur sehr verhalten gefärbt – vielleicht mit einer kleinen „Nase“ bei ca. 10 kHz. Generell bringen Röhrenmikros von Hause aus ja immer eine gewisse Kompression mit sich (das möchte man ja auch haben), so auch beim Oceanus. Diese Kompression ist zum einen nicht übertrieben, sie sorgt eben für eine angenehme Verdichtung und Kompaktheit des Signals. Zum anderen ist die Kompression hier aber auch ziemlich frequenzabhängig (was auch nicht ungewöhnlich ist) – bei Alices Gesang war das auch genau die richtige Dosis. Bei Goldie, unserem Sänger, war es aber im unteren Mitten- bis Bassbereich etwas zu viel des Guten. Passagenweise kam das Signal etwas „gequetscht“ und dröhnig rüber, eben etwas zu röhrig. Daran kann man wieder einmal gut erkennen, dass nicht jedes Mikro für jeden Sänger geeignet sein muss – Ausprobieren und dann eine Entscheidung treffen ist hier immer die richtige Herangehensweise. Im Gesamten kamen wir so zu dem Ergebnis, dass die Farbe, die das Lauten Oceanus den Signalen mitgibt, in unserem Test besser zu Alice passte. Doch hört selbst – wie so oft im Leben ist auch das zu einem Teil Geschmackssache.

Das Lauten Oceanus möchte definitiv nicht unauffällig daherkommen, weder optisch noch klanglich. Hier haben wir es mit einem Röhrenmikro zu tun, das auch als solches erkannt und gehört werden möchte. Wer neutralen Sound sucht, ist hier falsch. Wer aber ein Mikro mit Charakter und Farbe bevorzugt, könnte hier fündig werden. Die Färbung der Mitten liegt für ein Röhrenmikro relativ weit oben, so dass es nicht auf Kosten der Transparenz und Offenheit geht. Und wer auf „Breathing“ bei Vocals steht, dem könnte beim Oceanus das Herz aufgehen. Verarbeitungstechnisch gibt es bei diesem Test-Kandidaten absolut nicht auszusetzen.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Verarbeitung
  • edle Färbung der oberen Mitten
  • transparente Höhen
  • gute Präsenz der Signale
Contra
  • frequenzabhängige Kompression
  • je nach Signal zu starke Färbung der unteren Mitten
Artikelbild
Lauten Oceanus LT-381 Test
Für 1.999,00€ bei
Die elastische Vollmetall-Spinnenhalterung hält die 1,3 Kilo sicher in Position.
Technische Spezifikationen
  • Doppel-Großmembrankapsel 31,25 mm
  • Richtcharakteristik 9-fach variabel schaltbar: Kugel, Niere, Acht
  • Röhren im Ein- und Ausgang
  • Röhre: nach MIL Spezifikation
  • Kondensatoren mit hohem Auflösungsvermögen
  • Schaltungsdesign: Übertrager-freie thomann Vakuum-Röhre
  • Typ: Doppelmembran Kondensatormikrofon
  • Frequenzgang: 20 bis 20000 Hz
  • Richtcharakteristik: Niere, Kugel & Acht (variabel)
  • Dynamikbereich: 100 dB minimum
  • Impedanz:
  • Max. SPL: 0.5%THD@1000Hz
  • Eigenrauschen: 20dB(A)
  • Empfindlichkeit: 16mV/Pa OR -36±2dB 0dB=1V/Pa 1000 Hz
  • Speisung durch Netzteil
  • Lieferumfang: Spinne, 7-poliges Premium Röhrenmikrofon-Kabel, Aufbewahrungsbox aus Holz, Transportkoffer, Netzteil
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Die elastische Vollmetall-Spinnenhalterung hält die 1,3 Kilo sicher in Position.

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