In den mittlerweile 25 Jahren ihres Bestehens entließen die Fertigungsstätten von Hughes & Kettner im saarländischen St. Wendel eine große Zahl richtungsweisender Entwicklungen auf die Bühnen und in die Proberäume und Studios dieser Welt. Mit Innovationen wie dem AS 64, dem ersten vollprogrammierbaren Gitarrenverstärker überhaupt, wurden schon vor 25 Jahren Maßstäbe gesetzt, die zum großen Teil bis heute Bestand haben. Schaut man sich die rasante Entwicklung an, die in dieser Zeit Technik und Elektronik nahmen, erschließt sich erst die unglaubliche Bedeutung dieser Innovationen und ihre Pionierfunktion. Was damals seinen Anfang nahm, findet bis heute seine Fortsetzung, wobei man es geschafft hat, den Fokus immer auf den Klang zu legen. Digitaltechnik ja, Digitalsound nein. Mit dieser Philosophie an Bord erschien vor einigen Jahren auch der Switchblade – ein Röhrenamp durch und durch, dessen digitales Regel- und Speicherwerk ausschließlich im Dienste des Tons steht und nicht in die klassische Klangerzeugung eingreift.
Der besonders in der Heavy-Szene beliebte Switchblade stand denn auch Pate für den brandneuen Coreblade, mit dem Hughes & Kettner die Pro Class Serie erweitert – ein vollprogrammierbarer Röhrenamp mit aufwendiger digitaler Effektsektion plus innovativem Röhren-Management. Schon der Switchblade steht mit seinen Eigenschaften recht allein auf weiter Flur, und mit den zusätzlichen Features, die man dem Coreblade mitgegeben hat, wird es schwer, Vergleichbares zu finden. Das jedenfalls konnte man aus den Informationen schließen, die vorab zu erhalten waren. Umso neugieriger waren wir auf das erste Exemplar, das den Weg in die bonedo Testlabors fand, um dort auf Herz und Nieren geprüft zu werden.
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Details
Vorderseite:
Bis auf die verchromten Potiknöpfe und das silbergraue Logo zeigt sich der Verstärker komplett in Schwarz. Im Gegensatz zum Switchblade, der mit einem silbernen Frontgrill ausgestattet ist, bietet beim Coreblade ein reichlich geschnittenes Gitter freie Sicht auf die glimmenden Röhren. Ein Design, das entfernt an den Kühlergrill eines getunten US-Boliden erinnert und sofort mit Kraft und Selbstbewusstsein assoziiert wird. Kunstlederüberzug und schwarz lackierte Metallecken komplettieren das bullige Erscheinungsbild. Unterhalb der breiten Gitterschlitze findet sich ein reichlich bestücktes Bedienfeld, das auf der rechten Seite von einem Zeigerknopf angeführt wird, über den mit Clean, Drive, Ultra 1 und Ultra 2 die vier Grundsounds des Amps anwählbar sind. Diese teilen sich gemeinsam nur einen einzigen Satz an Reglern, sodass die respektable Ansammlung von Potiknöpfen trotz allem übersichtlich bleibt.
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Von rechts nach links folgen die Regler für Gain, Bass, Mid, Treble, Resonance, Presence und Volume, wobei das Resonance-Poti im Vergleich zum Switchblade neu hinzugekommen ist. Dazu später mehr. Es folgt die digitale Effektsektion, aufgeteilt in Modulation, Delay und Reverb. Diese drei können beim Coreblade gleichzeitig und unabhängig eingesetzt werden, wobei die Modulationsabteilung jeweils einen aktiven Effekt ins Rennen schicken darf. Dort wählt ein “Type“-Drehwähler zwischen Tremolo, Phaser, Flanger und Chorus, links daneben findet man den “Intensity“-Regler. Beim Delay sind es die Parameter “Time“, “Feedback“ und “Volumen“, die sich individuell justieren lassen.
Nach alter Väter Sitte hat man dem Verstärker auch einen Federhall spendiert, wenn auch „nur“ digital nachgebildet, der mit einem einzelnen “Reverb Volume“-Regler auskommt. Der Clou dabei ist, dass dieser über eine automatische Anpassung verfügt, was nichts anderes bedeutet, als dass der Hall immer länger wird, je weiter man das Poti aufdreht. Wichtig zu erwähnen, dass alle Effekte parallel zugemischt werden. Das heißt, dass das Originalsignal in jedem Fall unangetastet bleibt und komplett analog seinen Weg von der Eingangsbuchse bis zur Lautsprechermembran durchläuft. Die auf dem Bedienpanel folgende Mastersektion beinhaltet sechs Druckschalter, einen Master-Regler und einen USB-Anschluss. Das Master-Poti, verantwortlich für die Gesamtlautstärke des Amps, ist der einzige Regler, der nicht programmierbar ist. Deshalb entspricht seine optische Position auch der tatsächlichen Stärke des Ausgangssignals, und das ist auch gut so! Denn damit behält man immer die Kontrolle über die Lautstärke, was unter Umständen auch das eine oder andere Trommelfell retten kann, denn dieser Amp ist sehr, sehr laut!
In der Regel heißt mehr Gain auch mehr Rauschen – eine alte Röhrenweisheit, die man sich bei Hughes & Kettner zu Herzen genommen hat. Gerade im Hinblick auf die umworbene Metaller-Klientel und deren Vorlieben wurde dem Coreblade ein Noisegate implantiert. Eine sinnvolle Einrichtung, denn vom brachial verzerrten Riff zum Stopp meint nichts anderes als vom Inferno zur Totenstille, und letztere lässt sich kaum effektiver und einfacher als mit einem Noisegate verwalten. Selbstverständlich lässt es sich auch für jedes Preset programmieren. Bei geringer werdender Lautstärke schließt es und öffnet, sobald die Saiten der Gitarre angeschlagen werden. Das Reaktionsverhalten kann auf der Rückseite des Verstärkers mit dem Sensitivity-Regler eingestellt werden. Dank der „ITB- Technologie“ (Intelligent Dual Breakpoint) werden die üblichen Parameter-Attack (Geschwindigkeit) und Threshold (Empfindlichkeit) automatisch angepasst. Das Besondere an dieser Technologie ist, dass das Signal direkt an der Eingangsbuchse und nach dem Preamp, aber noch vor der Effektabteilung gemessen wird. Aus diesen beiden Werten wird das optimale Reaktionsverhalten für das Noisegate errechnet und Reverb- oder Delayfahnen werden nicht mehr unvermittelt gekappt.
Aber der Amp hält noch weitere Überraschungen bereit. Das “SmartLoop“ Effektrouting bietet einen von seriell auf parallel umschaltbaren Einschleifweg für Effektgeräte. Damit lässt sich für jedes Preset separat programmieren, ob der Einschleifweg an- oder ausgeschaltet oder seriell oder parallel betrieben werden soll. Natürlich kann man ihn zweckentfremden, wie bei jedem anderen Verstärker auch. So kann an die Return-Buchse ein zweites Instrument angeschlossen werden, die Send-Buchse kann auch eine zusätzliche Endstufe antreiben. Oder man verkabelt ein analoges Volumenpedal mit Send und Return und benutzt den Effektweg als Lautstärkeregler. Mit dem “Store“-Taster lässt sich das jeweilige Preset speichern. Als erster Amp besitzt der Coreblade einen USB-Anschluss. Eine sehr clevere Einrichtung, die nicht nur zeitgemäß, sondern auch überaus praktisch ist. Per USB-Stick lassen sich so alle Einstellungen einfach und schnell sichern, von Amp zu Amp übertragen oder sogar per Email verschicken. Es lassen sich „Best Of“ Setups erstellen und abspeichern und es bleibt sogar die Wahl, statt auf die Presets im Amp-Speicher direkt auf die des eingesteckten Sticks zuzugreifen.
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Rückseite:
Hier finden sich naturgemäß die Lautsprecheranschlüsse, die beim Coreblade keine Möglichkeit auslassen und für eine 4-Ohm-Box, oder jeweils eine oder zwei 8- oder 16-Ohm-Boxen ausgelegt sind.
Die beiden Taster Amp to Stick und Stick to Amp ermöglichen die komplette Sicherung der Amp-internen Presets auf einen USB-Stick oder das Zurücklesen vom Stick in den Amp-Speicher.
Effects On/Off: Schließt man an diese Klinkenbuchse einen Doppelfußschalter an, können mit dem ersten die internen und mit dem zweiten Schalter die externen, also die eingeschleiften Effekte an- oder ausgeschaltet werden. Eine simple, aber sehr effektive Lösung, die das aufwendige Programmieren unterschiedlicher Presets erspart, wenn derselbe Sound einmal mit und einmal ohne Effekte erklingen soll.
Stageboard Channel Select: Hier lässt sich mit einem einfachen Fußschalter zwischen Clean und Ultra 2 umschalten. Im Notfall könnte auch der Vierfach-Fußschalter FS-4 von Hughes & Kettner zum Einsatz kommen, wie er beim Trilogy oder dem Attax zum Lieferumfang gehört, und alle vier Kanäle umschalten, falls das eigentliche Fußboard zuhause vergessen wurde.
MIDI In: Diese Buchse nimmt sieben Pins auf, also zwei mehr als ein normaler MIDI-Anschluss. Die zusätzlichen Kontakte dienen dem mitgeliefertem Fußboard FSM 432 als Stromversorgung, sodass ein einzelnes Kabel zum Verbinden reicht.
MIDI Thru: Alle eingehenden MIDI-Befehle werden hier weitergeleitet. Hat man zum Beispiel ein MIDI-fähiges Multieffektgerät eingeschleift und verbindet es mit der MIDI-Thru-Buchse, lässt es sich mit den Presets umschalten.
TSC: Mithilfe des “Tube Status Control“ wird kontinuierlich der Ruhestrom der Endstufenröhren gemessen und nötigenfalls korrigiert. Normalerweise wird die Einstellung des BIAS-Stroms spätestens nach einem Wechsel der Endstufenröhren fällig. Das ist notwendig, da jede Röhre durch ihre Bauweise eine andere “Kennlinie“ mitbringt. In Gitarrenverstärkern verwendet man normalerweise Röhren, die in ihrer Kennlinie übereinstimmen, also im sogenannten Matching liegen. Das garantiert für gleichmäßige Belastung aller Röhren, verlängert ihre Lebensdauer und sorgt für optimalen Klang. Die “TSC“ Technologie von Hughes & Kettner prüft beim Anschalten und in Spielpausen den Status Quo der Röhren und passt sie nötigenfalls an. Sogar solche mit unterschiedlichen Kennlinien werden gleichmäßig belastet. Sogar im Falle eines Röhrendefekts muss der Gig nicht abgebrochen werden: Eine LED zeigt den Übeltäter an und die Elektronik sorgt für seine Abschaltung. Zwar steht jetzt nur noch die halbe Lautstärke zur Verfügung – was beim Coreblade nicht unbedingt ein Problem ist – aber es kann weitergespielt werden!
Es lassen sich Röhren verschiedener Hersteller mit unterschiedlichen Kennlinien betreiben und es ist sogar möglich, 6L6GC und EL34 zu mischen! Allerdings ist der Amp und vor allem der Sound der Presets ab Werk auf EL34 eingerichtet, sodass bei einem Wechsel auf andere Typen unter Umständen einige Anpassungsarbeit wartet. Wichtig: Röhren immer paarweise einsetzen und matchen! Wer experimentieren möchte, dem öffnen sich natürlich jede Menge Schranken und völlig neue Soundwelten tun auf. Die Überprüfung der Kennlinien selbst ist denkbar einfach, denn alles, was benötigt wird, ist ein Plektrum. Das wird einfach in den vorgesehenen Schlitz gedrückt und löst so den Test aus. Trotzdem sollte ein Röhrenwechsel von qualifiziertem Fachpersonal vorgenommen werden, denn Röhrenverstärker arbeiten mit hohen Stromstärken und Unachtsamkeit und Fehler bedeuten Lebensgefahr.
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PRAXIS
Die mitgelieferte MIDI-Fußleiste beherbergt sieben Schalter und ein Display. Mit ihr lassen sich 128 Presets verwalten, aufgeteilt in 32 Bänke mit jeweils vier Presets, die über die mit A,B,C und D in großen Lettern beschrifteten Taster direkt aufgerufen werden können. Welches der vier gerade aktiv ist, zeigt eine LED über dem jeweiligen Taster an. Das Display wird rechts und links von zwei Tastern flankiert, die ebenfalls mit überdimensionalen Pfeilen auf ihre Up- und Down-Funktion hinweisen. Hier werden die Bänke ausgewählt. Das kann während des Spielens geschehen, denn auf ein neues Preset wird erst umgeschaltet, wenn einer der vier Preset-Taster betätigt wird. Der Tap-Taster auf der äußersten rechten Seite übernimmt mit dem Anschluss des Boards die Funktion des Time-Reglers auf dem Bedienfeld. Mit ihm lässt sich durch zweimaligen Druck die Verzögerungszeit des Delays bestimmen. Die Kanäle schalten sofort und knackfrei, das Board ist äußerst robust und das mitgelieferte Kabel hat eine für fast alle Fälle ausreichende Länge.
Genug der Theorie, aber wie klingt er denn nun?
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Clean Tele NeckClean Tele Steg
Kraftvolle und besonders in den unteren Mitten wuchtige Klänge machen sich breit. Akkorde füllen spielend den Raum und Pickings kommen satt und mit genügend “Fleisch“. Je lauter der Amp, desto schwieriger ist es, wirklich clean zu bleiben. Aber wenn die Endstufenröhren ins Spiel kommen, dann hat das durchaus seinen Reiz, denn es addiert dem Coreblade eine Farbe, die ihm ausgezeichnet steht. Es fällt allerdings auf, dass er im Clean-Mode nicht die Flexibilität seines Bruders, des Switchblade, hat. Aber das soll er auch nicht! Seine Trümpfe sollen ja gerade im verzerrten Bereich stechen. Trotzdem bietet der Coreblade für sämtliche Spielarten des Heavy-Genres absolut überzeugende Cleansounds. Angereichert mit Modulationseffekten wie Flanger, Chorus oder Phaser und mit einer Prise Delay und Hall entstehen dichte, atmosphärische Sounds.
Aber auch coole Crunch-Sounds sind dem Coreblade durchaus zu entlocken.
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Crunch
Kommen wir aber nun zu den wahren Stärken des Coreblade! Ich habe einen kleinen Song aufgenommen, bei dem sich zeigt, wie gut sich der Amp in einer Produktion macht. Auch Doppelungen vertragen sich ausgezeichnet. Denn während man gerade bei High-Gain-Settings oft das Problem hat, dass sich Frequenzen auslöschen, ist das beim Coreblade definitiv nicht der Fall.
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Coreblade-Song
Irre, was für ein Druck aus meinen Speakern kommt! Trotzdem bleibt der Ton kontrollierbar, er verändert einfach nur seine Charakteristik. Jeder, der einmal versucht hat, aus einem normalen Amp verschiedene Zerrsounds zu generieren, weiß, dass das im Grunde nicht möglich ist, da jeder Verstärker seinen eigene Grundsound hat. Den hat der Coreblade auch, trotzdem bleibt der Sound formbar, sei es das “normale“ Rockbrett mit harmonischer Endstufenzerre, die böse High-Gain-Wand oder sonores Achteln auf den tiefen Saiten. Sehr beeindruckend! Trotz aller Dichte und Zerre bleibt der Ton stabil und knickt nicht ein, was leider oft der Fall ist, sobald ein gewisser Zerrgrad erreicht wird. Der Coreblade lädt zum Experimentieren mit verschiedenen Boxen und Gitarren ein, denn wie wir wissen, spielt gerade die passende Box eine entscheidende Rolle bei der Tonformung.
Sämtliche Effekte kommen mit dem Minimum an Regelmöglichkeiten aus, trotzdem vermisse ich keine weiteren Eingriffsmöglichkeiten. Schnell kommt man zu einem guten Ergebnis und kann sich dem Spielen widmen.
Und als Zugabe zum Abschluss noch ein paar richtig heiße Riffs. Have fun!
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Riffing 1Riffing 2Riffing 3
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Ein für die Hard´n´Heavy Fraktion perfekt abgestimmter Amp. Es macht Freude, die verschiedenen Settings auszuprobieren, wobei gerade die Werkspresets eindrucksvoll zeigen, was mit dem Coreblade alles möglich ist. Besonders gut finde ich, dass er polarisiert. Er will nicht der Verstärker für alle Musikrichtungen sein, was sich gerade bei den Cleansounds zeigt. Ganz im Gegenteil, das Heavy-Genre ist sein Zuhause, da fühlt er sich pudelwohl und zeigt seine ganze Bandbreite. Die kinderleichte Bedienung und das gut durchdachte Konzept machen aus diesem Verstärker ein Heavy-Klangmonster. Unbedingt empfehlenswert!
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Chris sagt:
#1 - 20.10.2011 um 21:16 Uhr
Ein echt guter Bericht !
Danke dafür.
Ein echt toller amp der sich wohl gut in meinem Proberaum machen würde :P
Metalized sagt:
#2 - 27.07.2012 um 18:22 Uhr
Wie klingt der Coreblade mit 6l6GC Tubes ?Was ist mit den Vorstufenröhren bei einem Tubewechsel?