Genelec 8020D RAW Test

Praxis

Verarbeitung: top

Muss man eigentlich etwas über die Verarbeitungsqualität der Genelec 8020D RAW sagen? Nun, vielleicht für diejenigen, die Genelec nicht kennen: Sie ist so makellos wie eine Neuschneedecke auf der Eisschicht eines finnischen Sees im tiefsten Winter. Das gilt natürlich eingeschränkt für das RAW-Finish, denn hier sind bewusst die Herstellungs- und Bearbeitungsspuren zu erkennen, die ihren ganz eigenen, industriellen Reiz versprühen. Auch wenn es einem ästhetisch nicht ganz ins Konzept passt, ist es doch sinnvoll, diese Art zu wählen: Es spart zumindest ein wenig potenziell umweltschädigende Ressourcen bei der Herstellung. Dass dieses Verantwortungsbewusstsein kein reiner Marketing-Gag ist, zeigt übrigens auch die einfache Pappverpackung, in welcher die Boxen geliefert werden, denn es geht auch ohne Styropor-Formteile und ausufernden Gebrauch von Plastiktüten buntem Papierwerk und einem Lieferumfang-Wust, den oft kaum jemand benötigt. Und man kann sich recht sicher sein, mit einer 8020D eine Box zu kaufen, die lange hält und einen hohen Wiederverkaufswert besitzt. Doch was würde das alles helfen, wenn die Box nicht gut klänge?

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Für diese Größe: Respekt!

Wohl jeder, der das erste Mal eine kleinere Genelec der 8000er-Serie hört, ist erstaunt, wie bassstark sie auch bei wirklich ordentlichen Pegeln arbeiten. Das kennen ich von meinen 8010, die mir seit einigen Jahren treue Dienste als potente Kleinstbox erweisen und das gilt uneingeschränkt auch für die 8020. Bis hin zu erstaunlich hohen Pegeln überschlagen sich die Monitore im Bass kaum. Bedenkt man die geringe Größe des Treibers und das geringe Volumen, darf man mehr als zufrieden über Tiefgang, Pegel, aber auch „Zackigkeit“ sein. Dabei haben die kleinen Vierzöller eine Menge zu tun, das das Crossover doch eher weit oben stattfindet. Dennoch ist die Wiedergabe um diesen Punkt herum gut gelöst, Einbrüche oder auffallende Schwammig- oder Löchrigkeiten gibt es auch bei sehr nahem Abhören nicht.

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Ausgewachsene Arbeitswerkzeuge

Deutlich ist die Familienzugehörigkeit der 8020 erkennbar, sie spielen konkret und kernig und weisen explizit auf Mix-Unzulänglichkeiten hin. Mir gefallen die 8020 bei typischen Abhörabständen von etwa einem Meter besser, wenn die erfeulich schnellen und detaillierten Höhen mit dem Filter leicht zurückgenommen sind. Nicht, dass sie zu fisseligem Ton neigen würden, doch lassen sich durch die sanfte Absenkung des Air-Bands die Mitten und Hochmitten deutlicher beurteilen. Und darin liegt eine der klaren Stärken der 8020D: Sie sind hervorragend geeignet, im so wichtigen Mittenbereich Stimmen und ihre Bearbeitung einzuschätzen und diese zwischen anderen Instrumenten pegel- und dynamikmäßig zu positionieren. Ja, diese kleinen Alukugeln sind ausgewachsene Arbeitswerkzeuge für Tontechniker. Sicher würde man sich für komplette Mischungen außerhalb des Broadcast eine Bassunterstützung wünschen, wenn keine großkablibrigeren Abhören zur Verfügung stehen. Als Haupt-Arbeitsmonitore für die wesentlichen Arbeiten außerhalb des Tiefbassbereichs kann man die Speaker bedenkenlos empfehlen. Und wenn es die einzigen Speaker sein sollen: Subwoofer wie der Genelec 7040 APM lassen sich bei Bedarf und Budget irgendwann nachkaufen. Dann können sie nicht nur „tiefer“, sondern auch „lauter“: Durch die Zügelung des Basses mit einem Hochpassfilter sind LF-Treiber und Port-Konstruktion weniger gefordert, was ein wenig mehr Ruhe ins Klangbild bringt, die Präzision noch weiter erhöht und insgesamt höhere Pegel ermöglicht.

Zwar ohne SAM, aber mit sinnvollen Filtern

Was die Anpassung an den Aufstellungsort angeht, zeigen sich die rauen Alukistchen sehr pragmatisch: Die Filterungen im Bass ermöglichen von freier Positionierung im Raum bis zur Eckpositionierung das gesamte Spektrum, freilich ohne allzu feine Abstufungen vorzunehmen oder gar die SAM-Einmessfunktionalität einiger größerer Genelecs zu bieten. Bedenkt man aber, dass die 8020 üblicherweise im Nahfeld betrieben werden, wodurch die Raumeinflüsse etwas zurücktreten, ist die Welt mehr als in Ordnung. Andere Speaker dieser Größe haben genau null Einstellmüglichkeiten.

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Bei korrekter Lautsprecheraufstellung wird man belohnt durch ein präzises und klar definiertes Stereobild ohne Neigung dazu, Signale auf Links und Rechts zu stapeln oder sie schnell in die Phantommitte rutschen zu lassen, auch einen Lupeneffekte konnte ich im Test nicht ausmachen. Die Bühnentiefe ist ebenfalls erstaunlich hoch für Speaker dieser Baugröße.

Eine Nummer größer als die Genelec 8020D RAW ist die Genelec 8030C RAW, hier als Testbericht und im Thomann-Shop:

1. Platz
Genelec 8030C RAW Test
Neben dem RAW-Design ist die C-Generation der 8030 auch in anderen Farben erhältlich. Aber die ist nebensächlich.

Pro

  • linearer Klang und für die Größe sehr voller Sound
  • hohe Dynamik ohne Klangänderung
  • praxisnahe Raumanpassung
  • robustes und hochwertiges Gehäuse
  • hohe Lautstärkereserven

Contra

Artikelbild
Genelec 8030C RAW Test
Für 599,00€ bei
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Profilbild von Heinz

Heinz sagt:

#1 - 30.09.2022 um 17:19 Uhr

0

Hallo, wo befindet sich denn dieses 'analoge Pegel-Poti'? Doch nicht auf der Rueckseite, oder?

    Profilbild von Nick Mavridis

    Nick Mavridis sagt:

    #1.1 - 01.10.2022 um 10:42 Uhr

    0

    Hallo Heinz, stimmt, da könnte man meinen, dass das wie ein Pegelsteller fungiert, also 0 bis minus Unendlich. Dort, auf der Rückseite, kann die Eingangsempfindlichkeit mit einem Regelbereich von 12 dB verändert werden. Danke für das wachsame Auge, ich habe das im Text geändert. Beste Grüße, Nick Mavridis

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