Genelec 8020D RAW Test

Wer sich mit der Anschaffung von Aktivmonitoren auseinandersetzt, hört zwangsläufig auch den Namen Genelec, jener finnischen Firma, die auch die Genelec 8020D RAW dieses Tests herstellen. Nachdem Genelecs „Shoebox“-Modelle mit klassichen, rechteckigen Holzgehäusen erfolgreich waren, haben nun die ikonischen Alu-Druckgussgehäuse ihren Siegeszug durch die Tonstudios, Bedroom-Producer-Studios, und Broadcast-Einrichtungen weltweit angetreten.

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Die Skalierung ist enorm, die 8020D sind nach den 8010 die „zweitkleinsten“ Speaker dieser Art. Ständig werden sie weiterentwickelt, die neueste Generation dieser Lautsprecher ist im „RAW“-Finish erhältlich. Dieses ist eigentlich keine Besonderheit, denn die beiden Gehäuseteile der Speaker sind schlicht und einfach so belassen, wie sie aus der Fertigung kommen – ohne Lackierung und Beschichtung.

Details

Zwei Wege, aktiv

Das Konzept der Genelec 8020D RAW ist bekannt und gar nicht sonderlich kompliziert: Zwei Wege teilen sich auf auf den Dreiviertelzoll-Metallhochtöner auf, der auch in anderen Speakern zum Einsatz kommt, sowie einen Vierzöller. Die Tiefen- und Mittenwiedergabe übernimmt ein 10,5cm-Konuslautsprecher mit dicker Gummisicke, welcher wie der Hochtöner mit einem Metallgitter vor Beschädigungen geschützt ist.
Als untere Grenzfrequenz (-6 dB) gibt Genelec für seine 8020D RAW 56 Hz an (also obere: 25 kHz). Mittels DIP-Switches ist die mehrstufige Anpassung im Bassbereich möglich, ferner gibt es eine Höhenrücknahme und ein Desktop-Filter mit 200Hz-Mittenfrequenz. Auch die Autostart-Funktion ISS kan hier aktiviert oder deaktiviert werden, ansonsten setzt man die Box per Drucktaster in Betrieb. Die Audioanschlüsse sind ausschließlich analog über XLR, ein Poti zur Einstellung der Empfindlichkeit (Regelbereich 12 dB) komplettiert die Ausstattung.

Zwei Wege sorgen für die Wiedergabe, getrennt wird bei 3 kHz.
Zwei Wege sorgen für die Wiedergabe, getrennt wird bei 3 kHz.

Verstärkt werden beide Treiber mit jeweils 50 Watt aus Class-D-Endstufen, das bedeutet also, dass die bei 3 kHz trennende Frequenzweiche vor dem Poweramp liegt und somit aktiv ist. Genelec gibt eine Total Harmonic Distortion von weniger als 0,05% des Amps bei Nominalinput an, die komplette Box zerrt mit unter 0,5% oberhalb von 200 Hz und 3% bei 50-200 Hz, wenn der Schallpegel in einem Meter bei 85 dB liegt. Wer jetzt glaubt, dass das viel ist, vergisst sicher, dass wir es hier mit einem wirklich kleinen Lautsprecher zu tun haben und diese Daten für „richtig, richtig laut“ angegeben werden. Mit Schutzlimitern wird übrigens in beiden Wegen verhindert, dass die Chassis Schaden nehmen. Das eingebaute Netzteil ist ein Allesfresser: Spannungen zwischen 100 und 240 Volt (plus einer 10%-Toleranz) und Wechselfrequenzen von 50-60 Hertz erlauben den weltweiten Betrieb. Im Standby nuckelt eine 8020D weniger als 0,5 Watt von ihrem Nahrungsmittel Strom, bei Vollast verspeist sie maximal 60 Watt.

Unten links ist zu lesen, dass das eingebaute Netzteil alle gängigen Spannungsarten aus der Steckdose akzeptiert. Das Foto zeigt weiterhin die Einstellmöglichkeitenfür die Wiedergabe und die Power-Settings.
Unten links ist zu lesen, dass das eingebaute Netzteil alle gängigen Spannungsarten aus der Steckdose akzeptiert. Das Foto zeigt weiterhin die Einstellmöglichkeitenfür die Wiedergabe und die Power-Settings.

RAW hat sinnvollen Hintergrund

Dass das Gehäuse so rund gelutscht aussieht, hat keine rein ästhetischen Gründe. Das wäre (für finnische Verhältnisse) schon etwas viel Desgin. Vielmehr ist es die Verringerung von Beugungseffekten durch Gehäusekanten und von stehenden Wellen durch parallele Innenwände, die zu dieser Form geführt haben. Auf der Front formt die vordere Schale zudem das Waveguide für den HF-Treiber, die rückseitige beinhaltet die Öffnung für den im Inneren weit geschwungenen Bassreflexkanal.

Fotostrecke: 7 Bilder In der Seitenansicht wirkt die 8020D RAW wie eine Skulptur.

Mehrere Aufstellmöglichkeiten

Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Genelec 8020D RAW zu positionieren: Schält man sie aus ihrem Karton, ist bereits das IsoPod-Gestell bereits installiert. Damit steht die 8020D schwingungsgedämpft auf Schreibtischen oder Boxenständern. Wie bei den kleineren 8010 auch, besitzt jede 8020 auf der Unterseite ein Innengewinde. Damit lassen sich die Boxen auch auf Mikrofonstativen verwenden, und sei es als Personal Monitor für Musiker auf der Bühne oder im Studio. Eine dritte Möglichkeit ist es, die Innengewinde auf der Rückseite zu verwenden, um mit Zubehör die Speaker an Wände (z.B. mit Genelec Z8000-412B) oder sogar unter die Decke zu verfrachten. In Mehrkanal-Setups, beengten Ton-Arbeitsplätzen oder in der Gastronomie ist das eine hervorragende Möglichkeit.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Box lässt sich per ISO-Pod auf einen Tisch oder ein Stativ stellen.

Praxis

Verarbeitung: top

Muss man eigentlich etwas über die Verarbeitungsqualität der Genelec 8020D RAW sagen? Nun, vielleicht für diejenigen, die Genelec nicht kennen: Sie ist so makellos wie eine Neuschneedecke auf der Eisschicht eines finnischen Sees im tiefsten Winter. Das gilt natürlich eingeschränkt für das RAW-Finish, denn hier sind bewusst die Herstellungs- und Bearbeitungsspuren zu erkennen, die ihren ganz eigenen, industriellen Reiz versprühen. Auch wenn es einem ästhetisch nicht ganz ins Konzept passt, ist es doch sinnvoll, diese Art zu wählen: Es spart zumindest ein wenig potenziell umweltschädigende Ressourcen bei der Herstellung. Dass dieses Verantwortungsbewusstsein kein reiner Marketing-Gag ist, zeigt übrigens auch die einfache Pappverpackung, in welcher die Boxen geliefert werden, denn es geht auch ohne Styropor-Formteile und ausufernden Gebrauch von Plastiktüten buntem Papierwerk und einem Lieferumfang-Wust, den oft kaum jemand benötigt. Und man kann sich recht sicher sein, mit einer 8020D eine Box zu kaufen, die lange hält und einen hohen Wiederverkaufswert besitzt. Doch was würde das alles helfen, wenn die Box nicht gut klänge?

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Für diese Größe: Respekt!

Wohl jeder, der das erste Mal eine kleinere Genelec der 8000er-Serie hört, ist erstaunt, wie bassstark sie auch bei wirklich ordentlichen Pegeln arbeiten. Das kennen ich von meinen 8010, die mir seit einigen Jahren treue Dienste als potente Kleinstbox erweisen und das gilt uneingeschränkt auch für die 8020. Bis hin zu erstaunlich hohen Pegeln überschlagen sich die Monitore im Bass kaum. Bedenkt man die geringe Größe des Treibers und das geringe Volumen, darf man mehr als zufrieden über Tiefgang, Pegel, aber auch „Zackigkeit“ sein. Dabei haben die kleinen Vierzöller eine Menge zu tun, das das Crossover doch eher weit oben stattfindet. Dennoch ist die Wiedergabe um diesen Punkt herum gut gelöst, Einbrüche oder auffallende Schwammig- oder Löchrigkeiten gibt es auch bei sehr nahem Abhören nicht.

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Ausgewachsene Arbeitswerkzeuge

Deutlich ist die Familienzugehörigkeit der 8020 erkennbar, sie spielen konkret und kernig und weisen explizit auf Mix-Unzulänglichkeiten hin. Mir gefallen die 8020 bei typischen Abhörabständen von etwa einem Meter besser, wenn die erfeulich schnellen und detaillierten Höhen mit dem Filter leicht zurückgenommen sind. Nicht, dass sie zu fisseligem Ton neigen würden, doch lassen sich durch die sanfte Absenkung des Air-Bands die Mitten und Hochmitten deutlicher beurteilen. Und darin liegt eine der klaren Stärken der 8020D: Sie sind hervorragend geeignet, im so wichtigen Mittenbereich Stimmen und ihre Bearbeitung einzuschätzen und diese zwischen anderen Instrumenten pegel- und dynamikmäßig zu positionieren. Ja, diese kleinen Alukugeln sind ausgewachsene Arbeitswerkzeuge für Tontechniker. Sicher würde man sich für komplette Mischungen außerhalb des Broadcast eine Bassunterstützung wünschen, wenn keine großkablibrigeren Abhören zur Verfügung stehen. Als Haupt-Arbeitsmonitore für die wesentlichen Arbeiten außerhalb des Tiefbassbereichs kann man die Speaker bedenkenlos empfehlen. Und wenn es die einzigen Speaker sein sollen: Subwoofer wie der Genelec 7040 APM lassen sich bei Bedarf und Budget irgendwann nachkaufen. Dann können sie nicht nur „tiefer“, sondern auch „lauter“: Durch die Zügelung des Basses mit einem Hochpassfilter sind LF-Treiber und Port-Konstruktion weniger gefordert, was ein wenig mehr Ruhe ins Klangbild bringt, die Präzision noch weiter erhöht und insgesamt höhere Pegel ermöglicht.

Zwar ohne SAM, aber mit sinnvollen Filtern

Was die Anpassung an den Aufstellungsort angeht, zeigen sich die rauen Alukistchen sehr pragmatisch: Die Filterungen im Bass ermöglichen von freier Positionierung im Raum bis zur Eckpositionierung das gesamte Spektrum, freilich ohne allzu feine Abstufungen vorzunehmen oder gar die SAM-Einmessfunktionalität einiger größerer Genelecs zu bieten. Bedenkt man aber, dass die 8020 üblicherweise im Nahfeld betrieben werden, wodurch die Raumeinflüsse etwas zurücktreten, ist die Welt mehr als in Ordnung. Andere Speaker dieser Größe haben genau null Einstellmüglichkeiten.

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Bei korrekter Lautsprecheraufstellung wird man belohnt durch ein präzises und klar definiertes Stereobild ohne Neigung dazu, Signale auf Links und Rechts zu stapeln oder sie schnell in die Phantommitte rutschen zu lassen, auch einen Lupeneffekte konnte ich im Test nicht ausmachen. Die Bühnentiefe ist ebenfalls erstaunlich hoch für Speaker dieser Baugröße.

Eine Nummer größer als die Genelec 8020D RAW ist die Genelec 8030C RAW, hier als Testbericht und im Thomann-Shop:

1. Platz
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Genelec 8030C RAW Test
Neben dem RAW-Design ist die C-Generation der 8030 auch in anderen Farben erhältlich. Aber die ist nebensächlich.
Testergebnis 4,5 / 5

Pro

  • linearer Klang und für die Größe sehr voller Sound
  • hohe Dynamik ohne Klangänderung
  • praxisnahe Raumanpassung
  • robustes und hochwertiges Gehäuse
  • hohe Lautstärkereserven

Contra

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Genelec 8030C RAW Test
Für 599,00€ bei

Fazit

Sie können’s einfach, die Finnen: Die Genelec 8020D RAW zeigen einmal mehr, dass aus dem hohen Norden sehr gute Lautsprecher kommen. In Anbetracht dessen, dass diese Monitore dermaßen klein und nicht exorbitant teuer sind, gibt es nichts zu bemängeln, was eine technische Grundlage hätte. Über Optik und die generelle klangliche Grundausrichtung lässt sich immer streiten; die 8020 macht aber wirklich alles richtig. Wirklich professionelle Lautsprecher mit hohem Werterhalt und Made in Europe – besser kann man es zu diesem Preis kaum haben. Allenfalls kleine Neumann-Speaker sind technologisch, klanglich und ökonomisch gleichauf mit diesen Lautsprechern.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • hoher Pegel und tiefer Bass für diese Baugröße
  • präzise Wiedergabe
  • sinnvolle Filterungsoptionen
  • flexible Aufbau-/Installationsmöglichkeiten
  • besondere Optik mit sinnvollem Hintergrund
Contra
  • keins
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Genelec 8020D RAW Test
Für 489,00€ bei
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Features und Spezifikationen

  • aktiver 2-Wege-Nahfeldmonitor
  • 4“-Tief-/Mittentöner (10,5 cm)
  • 3/4″-Hochtöner (1,9 cm)
  • Aluminiumgehäuse
  • Frequenzgang: 62 Hz–25 kHz (±2 dB)
  • maximaler Schalldruck in 1 m Entfernung: 107 dB SPL
  • Endstufenleistung: 2×50 W
  • aktive Frequenzweiche
  • Schutzschaltungen
  • An-/Abschaltautomatik
  • Abmessungen: 23 cm x 15,1 cm x 14,2 cm (H x B x T, mit Iso-Pod)
  • Farben: RAW, Weiß, Schwarz, Anthrazit
  • Gewicht: 3,2 kg
  • Preis: € 488,– (Straßenpreis pro Stück am 18.8.2020)
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Profilbild von Heinz

Heinz sagt:

#1 - 30.09.2022 um 17:19 Uhr

0

Hallo, wo befindet sich denn dieses 'analoge Pegel-Poti'? Doch nicht auf der Rueckseite, oder?

    Profilbild von Nick Mavridis

    Nick Mavridis sagt:

    #1.1 - 01.10.2022 um 10:42 Uhr

    0

    Hallo Heinz, stimmt, da könnte man meinen, dass das wie ein Pegelsteller fungiert, also 0 bis minus Unendlich. Dort, auf der Rückseite, kann die Eingangsempfindlichkeit mit einem Regelbereich von 12 dB verändert werden. Danke für das wachsame Auge, ich habe das im Text geändert. Beste Grüße, Nick Mavridis

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