Chandler Ltd. Abbey Road TG Opto Test

Der TG Opto des US-amerikanischen Herstellers Chandler ist ein optischer Dynamikbegrenzer im API-500er-Modulformat.

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Also erwarte ich eine Steckversion eines Abbey-Road-Klassikers. Aber welchen? Auf der Website des Herstellers finde ich einen mittellangen Text über diese legendäre EMI-Konsole mit dem fantasievollen Namen TG12345, die zwar wegweisend war, aber keinen optischen Limiter enthielt. In der Pressemitteilung von Chandler ist das Design dann auch eher vage als “inspiriert von” oder “geht zurück auf” beschrieben.
Auf Nachfrage werde ich auf die Kompressorsektion des “Microphone Cassette“-Channel-Strips verwiesen, die offenbar für das 500er-Modul Pate stand. Deren Kleingedrucktes erwähnt, dass EMI-Techniker wohl mal darüber nachgedacht haben, eventuell einen optischen Limiter zu bauen. Gebaut wurde der allerdings offenbar nie. Könnte es also sein, dass der Bezug auf die Abbey Road Studios nicht ganz real ist? Nun hat Chandler in den vergangenen Jahrzehnten eindrucksvoll bewiesen, dass sich der “larger than life”-Sound der ehrwürdigen TG-Konsole nachbauen lässt, sodass ich beschließe, nicht so kleinlich zu sein. Am allgemeinen Anspruch und nicht daran, ob es sich wirklich um einen originalgetreuen Nachbau von irgendwas Altem handelt, möchte ich den TG Opto also messen. 

Details

Auspackspaß

Beim Auspacken begleitet mich wie immer, wenn ich ein 500er-Modul teste, eine gewisse Erinnerung an ferne Kindertage, als ich noch mit Schlumpf-Figuren in selbstgebauten Puppenhäusern spielte. Gar putzig mutet es an, wie der Hersteller Look-and-Feel der alten EMI-Konsolen auf ein Miniaturmaß skaliert hat – aber halt, der Vergleich ist ein bisschen gemein. Das ganze Chassis wirkt sehr werthaltig, die Potis lassen sich angenehm bedienen. Glücklicherweise hat man darauf verzichtet, alles auf einer einzigen Modulbreite unterzubringen, sodass auch ich bestens ohne Brille auskomme.

Fotostrecke: 3 Bilder Der Chandler Der TG Opto ist ein handgefertigter, vollständig diskret aufgebauter Einkanal-Kompressor.

Besonderheit: “normal” eingebautes Meter

Oben auf dem Panel ist die Anzeige der Pegelreduzierung untergebracht, wobei Chandler hier von der liebenswerten Marotte abweicht, VU-Meter wie beim Originalpult seitwärts anzubringen. Die Anzeige ist also ausnahmsweise von links nach rechts zu lesen. Mit den darunterliegenden stufenlosen Potis lassen sich Eingangs- und Ausgangslautstärke regeln sowie eine Etage tiefer die Werte für Attack und Release. Leider verzichtet das Handbuch komplett darauf, nähere Angaben zu den Regelzeiten zu machen und beschreibt diese nur als zwischen “schnell” und “langsam” einstellbar. Hier hätte ich mir ein bisschen mehr Information gewünscht. Es wäre zum Beispiel nützlich gewesen zu erfahren, welche Einstellung dem Regelverhalten bestimmter Klassiker entspricht. Zwischen den Potentiometern liegen Schalter für den Wechsel zwischen Rounded-Knee- und Hard-Knee-Charakteristik sowie True Bypass. Äußerlicher Eindruck: hervorragend. Sehr viel mehr Relevantes lässt sich, abgesehen vom Klang, über ein 500er-Modul selten sagen. 

Fotostrecke: 5 Bilder Die Front ist übersichtlich und klar strukturiert gehalten.

Ich sehe also zu, was ich an optischen Dynamikbegrenzern sonst so auftreiben kann und will mir zunächst ein Bild machen, wie der Kasten im Vergleich so dasteht. Natürlich ist so eine Beurteilung subjektiv. Hat man das aber im Hinterkopf, kann sie sicher hilfreich sein.

Praxis

Verglichen mit dem trockenen Signal wird sofort deutlich, dass der TG Opto nicht dazu entworfen wurde, keine Spuren zu hinterlassen. Die eigentliche Aufgabe, also das Regeln der Lautstärke, spielt zwar eine Rolle, ebenso wichtig scheint mir aber eine spürbare charakterliche Veränderung zu sein. So klingt der “optical”-Modus eines Distressors vergleichsweise farblos. Auch bei zugeschalteter Distortion kann dieser dem TG-Opto nicht das Wasser reichen. Ein LA2A-Nachbau polnischer Herkunft bleibt ebenso spürbar hinter dem Eindruck von Fülle und Nähe zurück, den der Chandler zu zaubern vermag.
Im Vergleich mit meinem Vintage-LA2A wird dann doch deutlich, dass der TG Opto eine Transistor-Einheit ist. Die Disziplin der subjektiven Vergrößerung beherrscht die alte Dame immer noch weitaus besser. Im Gegenzug bewirkt der TG Opto eine Scharfzeichnung, die recht angenehm ist. Bei stärkerer Gain-Reduction verschiebt sich das Bild ein wenig: Während der alte LA2A auch dann noch große Anteile der oberen Mitten durchlässt, sorgt der Chandler dafür, dass dieser (bei weiblichen Stimmen manchmal unerwünschte) Bereich angenehm gedeckelt wird.

Auch der nächste Vergleichskandidat, eine Manley-Elop-Schaltung, verschiebt die Grundhaltung eines Gesangs stärker in Richtung “offen”, wohingegen das magische Feld des Chandler hauptsächlich in der Grundsubstanz liegt. Das bewirkt, dass die Farbe einer Stimme sich etwas in Richtung “intim” verschiebt, so wie es bei einem Nahbesprechungseffekt der Fall ist. Eine Änderung des Grundcharakters also, die schön, aber eventuell nicht immer erwünscht ist, weil sie ein bisschen auf Kosten der Leichtigkeit gehen kann. Die Stimme klingt sozusagen “erwachsener”.

Der Chandler TG Opto hat seine Stärken in der Veredelung von Aufnahmen.
Der Chandler TG Opto hat seine Stärken in der Veredelung von Aufnahmen.

Der Chandler TG Opto bietet eine Vielzahl von Lieblings-Einsatzgebieten

Bass klingt stabiler im tonalen Bereich. Hier ist das Modul eine kleine Wunderwaffe, wenn es gilt, Läufe unaufgeregt und trotzdem klar und deutlich im Mix zu platzieren. Allerdings kann es sein, dass, je nach Instrument, ein paar Obertöne etwas verschnupft herauskommen.
Klaviere provozieren bei schnellem Attack manchmal eine gewisse Ruckeligkeit in der Regelung. Hier empfiehlt es sich meines Erachtens, eher langsame Ansprechzeiten und dafür schnelle Release-Werte zu verwenden. Dann allerdings kann der Kompressor reichhaltig mit Wohlklang belohnen. Ein Traum ist das bei einem E-Piano.
Für Drums empfiehlt das Handbuch, den Hard-Knee-Modus zu verwenden. Ich finde allerdings durchaus auch die Soft-Betriebsart einen Blick wert. Spürbar besser als alle anderen optischen Kompressoren in meinem Testfeld vermag es der Kleine, Transienten gleichberechtigt zu betonen, ohne dass dabei irgendeine Zählzeit zu kurz kommt. Squashing, also die einer Verzerrung ähnliche starke Regelung mit sehr schnellen Zeiten, ist ja nicht unbedingt das primäre Einsatzgebiet optischer Begrenzer, aber auch hier schlägt sich das Ding gut. Die schnellste Ansprechzeit lässt zwar etwas mehr stehen, als für ein zünftiges Zerschroten nötig wäre, aber die schnellste Rücklaufzeit leistet gute Arbeit, wenn es darum geht, die räumliche Dimension eines Room-Mics hervorzuholen. Insgesamt zeigt der TG Opto eine Klarheit und Gleichmäßigkeit in der Betonung der Transienten, die ihresgleichen sucht. Gerade als Parallelkompressor für Schlagzeug sorgt er so für eine wunderbare Präsenz aller Details, ohne dabei viel Raum im Mix zu beanspruchen.

Die beiden Knee-Modi verwandeln das Gerät in jeweils ganz unterschiedliche Biester

Hier scheint mir eine Arbeitsteilung recht logisch. Fürs Tracking, also die Verwendung während der Aufnahme, halte ich Rounded-Knee für unbedingt geboten, weil sonst die Kompression gar zu sehr um Aufmerksamkeit buhlt. Im Mix, besonders bei paralleler Anwendung, kann auch Hard-Knee gar Hübsches anrichten. Allerdings sollte man hier erst recht keine unauffällige Arbeit erwarten. Auch schon bei minimaler Regelung scheint das Modul zu rufen “schaut her, was ich tu”. So kann es vorkommen, dass ein Signal bereits alle Artefakte von Kompression trägt, bevor die Dynamik überhaupt nennenswert eingegrenzt wurde. Zum Glück klingt das dann so schön, wie ein Chandler eben klingt.
Eine Sache kommt mir allerdings spanisch vor: Eine Veränderung der Dynamik ist erst ab sehr hohen angezeigten Werten spürbar. Das bringt mich auf den Verdacht, dass die Anzeige lügt – und wie sich bei der Messung herausstellt, ist das tatsächlich der Fall.

Ein Blick auf die Physik …

… fördert zutage, dass die Angaben über Gain-Reduction wie vermutet komplett irreführend sind. Der Vergleich mit der Messung anhand eines Sinustons in verschiedenen Frequenzbereichen ergibt, dass das VU-Meter etwa den doppelten Wert anzeigt. So entspricht die Anzeige “-5dB” einer gemessenen Gain-Reduction von nur etwa 1,5 dB, und eine tatsächliche Reduzierung um 8,5 dB wird als “-16dB” angezeigt.
Sowohl harmonische als auch unharmonische Verzerrungen treten im hörbaren Bereich nicht auf. Allerdings ist eine leichte Phasenverschiebung oberhalb von 10 kHz erkennbar, die über alle Kompressionsgrade relativ konstant bleibt. Sie ist zum Glück so geringfügig, dass sie einer gelungenen Parallelkompression nicht im Wege steht. Das ergibt auch der Hörtest.
Ein ganz wesentlicher Faktor bei der Klangfärbung scheint überhaupt die Phasenlage zu sein, also Veränderungen im Zeitverhalten unterschiedlicher Frequenzen. Dadurch lässt sich der Klangcharakter des Kompressors durchaus per Faltung extrahieren und anwenden. Ich habe das ausprobiert und würde zwar nicht behaupten, dass die gewonnene Impulsantwort dem Sound des Gerätes vollständig gerecht wird, ein bisschen erkenne ich ihn aber in der Faltung wieder. Das weist darauf hin, dass die klangliche Veränderung, die der TG Opto bewirkt, linear bzw. reversibel sind und nicht, wie es bei einer Verzerrung der Fall wäre, irreversibel.

Audio Samples
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Bass: Dry Bass: Softknee, Medium Attack, Fast Release Drumloop: Dry Drumloop: Hardknee, Medium Attack, Fast Release, Parallel Drumloop: Hardknee, Slow Attack, Fast Release Drumloop: Softknee, Medium Attack, Fast Release Piano: Dry Piano: Softknee, Slow Attack, Fast Release Vocals: Dry Vocals: Hardknee, Fast Attack, Fast Release Vocals: Softknee, Medium Attack, Medium Release Vocals: Softknee, Slow Attack, Slow Release

Fazit

Der Chandler TG Opto ist ein würdiger Träger seines Namens. Wie zu erwarten, liegt seine Stärke in der Veredelung von Aufnahmen. Eher nebenbei geschieht auch eine Dynamikbegrenzung, die in ihrer stets deutlichen Wahrnehmbarkeit so elegant und transparent ist wie kaum eine andere. Der TG Opto stabilisiert: Gerade im unteren tonalen Bereich verleiht er Stütze und eine angenehme Präsenz. Vocals werden souveräner und scheinen dabei gleichzeitig sowohl näher am Hörer als auch unaufdringlicher zu sein. Gesangsaufnahmen erfahren eine Art Konkretisierung. Der Chandler zeichnet hier nicht wie viele optische Dynamikbegrenzer auf Röhrenbasis das Signal feiner, sondern eher griffiger, gegenständlicher, dabei auf seine Art edel nach. Dabei kommt es zu keinerlei Substanzverlust, wohl aber ist die Regelung stets sehr deutlich zu hören.
Ein bisschen ärgerlich ist, dass die Anzeige wesentlich höhere Kompressionsgrade suggeriert als in Wirklichkeit vorliegen. Auch eine ungefähre Bezifferung der Regelzeiten hätte nicht geschadet. Es empfiehlt sich also, obwohl das Gerät so hübsch ist, nicht so genau hinzusehen.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • hervorragende Klangeigenschaften
  • gute Herstellungsqualität
Contra
  • irreführendes VU-Meter
Artikelbild
Chandler Ltd. Abbey Road TG Opto Test
Der TG Opto punktet mit hervorragenden Klangeigenschaften und guter Qualität.
Der TG Opto punktet mit hervorragenden Klangeigenschaften und guter Qualität.
Technische Spezifikationen
  • optischer Dynamikbegrenzer in Transistortechnik
  • diskret aufgebaut
  • Mono
  • ungerasterte Potis für Eingangs- und Ausgangspegel
  • ungerasterte Potis für Ansprech- und Abklingzeit
  • Hard-/Rounded-Knee-Schalter
  • True Bypass
  • API-500er-Format
  • 2 Modulbreiten
  • Stromversorgung +/-16V maximal +/-100mA
  • Preis: € 1399,– (Straßenpreis am 05.02.2018)
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Er ist im API-500er-Modulformat gefertigt und benötigt zwei Steckplätze in einem 500er Rack.

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