Beyerdynamic Opus Drumset L Test

Zu den Mikrofonen der Firma Beyerdynamic verlieren sich Fach-Autoren gerne mal in höchsten Lobeshymnen – so ist zu lesen, dass die Produkte der Traditions-Firma aus Heilbronn immer noch „zur Referenzklasse“ gehören, den Opus Drumset-Mikros wird gar Mustergültigkeit bescheinigt, ideal, genial, sogar eine „klangliche Figur“ wird den „Schallschluckern“ angedichtet. Die deutsche Traditions-Firma nahm sich schon bei der Namensgebung der kleinen Mikro-Zusammenstellung relativ ernst, „Opus“ soll sie heißen, zu deutsch: Schöpferisches Werk eines Künstlers. Das macht natürlich mächtig Eindruck, die Erwartungen steigen ins Unermessliche. Vielleicht ist das Opus L-Set tatsächlich gar ein Meisterwerk und seine Schöpfer nicht bloß ordinäre Techniker, sondern vielmehr wahre Künstler?

Innovative Features lassen sich schon auf den ersten Blick in den Koffer entdecken. Wozu ist wohl die T-Förmige Stange gut? Diese Miniatur-„Straßenlaternen“ sollen Mikros sein? Auch wenn ich geneigt bin, die Mikrofone in eine Tasche zu verfrachten, um den Koffer für meine Profikiller-Ausrüstung zu benutzen, versuche ich, mich bis zum Ende des Artikels zu beherrschen und werde fein säuberlich schildern, was die Opus-Mikros können, wie sie verarbeitet sind, wie sie klingen, wozu die Stangen und Halterungen fähig sind und in welcher Liga man schon für einen Preis von 899 € (UVP) liegt.

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Details

Klassisch, stilvoll, hochwertig. Der erste optische Eindruck ist bei vielen Käufern der wichtigste,  und die Opus-Serie kann hier direkt Punkte sammeln. Könnte der Koffer noch von Obi sein, wirkt sein Inhalt eher wie das Inventar einer Klang-Boutique. Aber auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt, beziehungsweise nicht alles Metall, was silbern schimmert: Die Gusseisen verheißenden Overheads „Opus 53“ wiegen gerade mal 33 Gramm pro Stück und sind dementsprechend eben nicht aus Metall, sondern aus Kunststoff. Diese extrem leichte Bauweise hat aber ihre deutlichen Vorteile, denn die kleinen Mikrofone lassen sich problemlos auf Kopfhöhe über dem Set mittels Galgenständer positionieren, ohne dass das Eigengewicht der kleinen Silberlinge ein Gegengewicht braucht. Das gestaltet sich bei den mit 300 Gramm zehnmal schwereren Overheads des Konkurrenten Shure schon komplizierter. Das Kunststoffgehäuse ist außerdem carbonfaserverstärkt, das Mikro ist also trotzdem robust. Das Opus 53 ist – genau wie die Opus 88 Snare/Tom-Mikrofone – ein Kondensator-Mikro, die Richtcharakteristik ist eine Niere.

Ein erstes eindeutig einzigartiges Feature lässt sich beim Opus 88 bestaunen. Wir haben es hier mit Klemmen-Mikros zu tun, die Halterung zur Befestigung an einer Trommel ist fest mit dem Mikrofon verbunden. Das sieht bei Beyerdynamic zwar etwas klobig aus, ist aber gut und nachhaltig gelöst. Ein Spannmechanismus – ähnlich dem eines Messschiebers – presst mit der Kraft von Spannfedern eine Zange an den Rim der Trommeln. Die Spannung ist weder zu stark noch zu schwach, auch wummernde Trommeln übertragen den Schall nicht ungünstig auf das Mikrofon. Außerdem ist nicht – wie bei den Standard-Klemmen anderer Hersteller – davon auszugehen, dass das Material jemals ermüdet. Wenn doch, ließe sich die Federspannung verändern oder die Komponenten einfach austauschen. Außerdem ist der Mikrofonverstärker in die Halterung eingebaut, Phantomspeisung marsch! Das Opus 88 ist außerdem sowohl für die Snaredrum als auch für die Toms zuständig. Die Kapsel – an einem Biegegelenk befestigt – kann einfach in die jeweils gewünschte Position gebogen werden. Die eingangs erwähnte T-Stange ist ein Ständer! Das T-förmige Stück wird auf den Boden gelegt, eine weitere kurze Stange senkrecht aufgeschraubt und schon hat man ein ultrakompaktes Bodenstativ für das Bassdrum-Mikro Opus 99.

Allerdings ist die Positionierung sehr eingeschränkt, eine kicklastigere Position – bei der das Mikro durch ein Loch im Resonanz-Fell gesteckt wird – ist mit diesem Ständer nicht möglich. Die tiefen Frequenzen des dynamischen Tauchspulen-Bassdrum-Mikrofons sind deutlich angehoben, klare, hohe Frequenzen sollen für einen klaren Kick sorgen. Das Opus 99 und sein dazugehöriger Ständer sind schwer, hier wurde Metall verarbeitet, und das nicht zu knapp. Der Ständer wirkt robust, das mattschwarze und dicke Mikrofon ist sauber verarbeitet, der klassisch silberne Drahtgeflecht-Korb setzt sich von der schwarzen Schutzfassung aus Gusseisen chic ab und macht einen unverwüstlichen Eindruck.

Praxis

Die großen Erkenntnisse nehme ich vorweg: Das Opus L Mic-Set ist die feinfühligste Zusammenstellung unter den Budget-Paketen. Glasklar und ausgewogen, sehr fein und definiert in den Höhen erschließt sich einem der Zweck der Zusatz-Features automatisch. Es geht um Jazz und um hochwertigen Pop. Das schließt natürlich andere Musikstile nicht aus, allerdings wird es Opus-Mikrofonen leichter fallen, musikalisch flachere Gewässer zu bedienen, als es den anderen Sets gelingen wird, eben diese feine Definition zu transportieren. Dass die Konstruktions-Künstler aus der Beyerdynamic-Schmiede genau diesen Zweck im Sinn hatten, als sie diese Opus-Serie schufen, dafür sprechen vordergründig die eigenständigen Konstruktionsfeatures, allen voran der Ständer für das Bassdrum-Mikrofon. Das Mikrofon eben nicht in die Bassdrum zu stecken, ist mehr als nur ein Vorschlag, beschränkt man sich auf den mitgelieferten Ständer geht es schlicht nicht anders. Wenn man davon ausgeht, dass die Ingenieure  davon ausgingen, dass sich ein solches Loch gar nicht in der mikrofonierten Bassdrum befindet, dann wird es sich um eine offene und klangvolle Trommel handeln. Solche Trommeln findet man zum Beispiel im Bereich des Jazz oder eben in hochwertigen Pop-Produktionen. Das entspricht außerdem voll und ganz den herausstechendsten Eigenschaften des Opus 99, der Kick-Sound des Attacks liegt mittiger als bei vergleichbaren Mikrofonen, der Tiefbass ist deutlich angehoben, der Gesamtklang ist warm und akustisch und nimmt jede feine Klangregung genauestens auf – die Offenheit wird angenehm eingefangen.

Alles ist deutlich auf einen eher feinen Jazzklang abgestimmt. Für brachialere Soundanforderungen fehlt dem Opus 99 etwas Bauch, für Metal fehlen außerdem ein paar mehr hohe Frequenzen, die den Attack deutlicher in den Vordergrund stellen. Was jedoch während unserer Testsession gleich auffiel, war, dass die Opus-Mikros einen enormen Pegel anliefern. Dies ist natürlich auch gerade im Zusammenspiel mit günstigeren Preamps ein großer Vorteil, da man den Pegel nicht mehr extrem verstärken muss und somit der Signal-Rauschabstand eben auch bei schlechteren Vorverstärkern noch einigermaßen gut bleibt. Die positiven Eindrücke von der Opus-Serie überwiegen also weiterhin, und von denen gibt’s ab jetzt einiges zu berichten: Die Overheads, die Opus 53 Kleinmembran-Kondensatormikrofone haben die feinste Tonauflösung aller Overheads im Test.

Im XXL-Koffer der Opus-Serie gäbe es sogar noch zwei hochwertigere Overheads für das Drumset, ein Opus 53 könnte man dann über der Hihat montieren, wo es auch exzellent zur Geltung käme. Allerdings sind im L-Koffer nur zwei OH-Mics vorhanden, also hänge ich beide über das Drumset. Der Klang ist brillant  und ausgewogen, allerdings nicht komplett neutral, sondern speziell abgestimmt. Wie bereits erwähnt sind die beiden „Kunststoff-Satelliten“ extreme Leichtgewichte, schwächelnde Galgenständer haben praktisch keine Ausrede mehr, das muss halten. Mindestens genauso gut halten die Klemm-Mikrofone Opus 88 für Toms und Snare und lassen sich über nahezu jede erdenkliche Rim-Konstruktion stülpen. Die von mir in diesem Testmarathon  immer wieder nachdrücklich kritisierte Schallbrücke Tom-Klemme wurde hier pragmatisch von Herstellerseite ausgeschlossen. Die schon aus der 87er Serie bekannten patentierten Klemmen von Beyerdynamic sind nicht so hart gespannt wie die unflexiblen Hartplastik-Klemmen der Konkurrenz, übertragen also nicht jede kleinste Schwingung an die Mikrofon-Kapsel, sondern dämpfen diese vorher ab. Die Test-Tom stellt definitv den schlimmsten nur möglichen Härtefall für Klemm-Mikrofone dar: Sie schwingt und schwingt und wummert und tönt schier endlos lange vor sich hin, denn sie ist alt und groß und mit Remo Ambassador-coated Fellen und mit besonders schwingungsfördernden Füßen ausgestattet. Aber keine Angst, hier wummert nichts übers Mikro. Auch sehr sinnvoll ist, dass die Kapseln in gummierten Fassungen sitzen, die das feine Mikrofon vor Sticktreffern schützen. Die 88er Mikros bestechen außerdem durch brillanten Klang – man hat das Gefühl, direkt neben dem Drumset zu sitzen, die Snare klingt knackig und tatsächlich genau so, wie sie im Raum zu hören ist. Die Test-Snare – eine Craviotto Diamond-Series Snare aus Kupfer – bietet alles, was eine gute Snare auszeichnet, sie klingt knackig, überträgt den Teppich-Sound sehr deutlich, hat einem enormen Bauch, ist nicht zu laut und nicht zu leise, sondern äußerst angenehm ausgewogen. Diesen komplexen Klang ohne große Abstriche zu übertragen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe für Mikrofone, die dem Opus Schwanenhals-Mikrofon im Vergleich zu seinen Konkurrenten deutlich am besten gelungen ist. Auch der Tom-Sound ist nicht durch abgesenkte Mitten auf zu zweidimensionale Klangparameter beschnitten, sondern klingt voluminös und schön mittig. Alles ist fein aufgelöst.

Hier gibt es nun die Audio-Files im bewährten bonedo-Player (MP3-Format). Wer sich einen detaillierteren Eindruck verschaffen möchte, kann sich auf der Übersicht-Seite alle Audios auch als unkomprimierte Wav-Files downloaden.

Noch zwei Infos zu den Aufnahmen: Die Hi-Hat wurde mit einem KM84 von Neumann mikrofoniert, die Snare-Drum wurde zusätzlich bei den „Snare Bottom“Files mit einem SM 57 von unten versehen, als Raummikros kamen zwei Royer R-121 Bändchen-Mikros zum Einsatz.

Audio Samples
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Einzelsignale Groove 1 Clean Groove 1 Snare Bottom Groove 1 Snare Bottom Raum Groove 2 Clean Groove 2 Snare Bottom Groove 3 Clean Groove 3 Snare Bottom

Die Opus-Serie von Beyerdynamic ist im Vergleichstest das teuerste Set, allerdings auch das mit dem hochwertigsten Klangbild. Der Sound ist sehr ausgewogen, sehr fein, und sehr geeignet für akustische Musikstile mit vergleichsweise geringer Schallabstrahlung des Drumsets. In leiser Umgebung entfaltet sich der Opus-Sound dann hervorragend und ist gleichermaßen für den Live-Einsatz wie für das Studio zu empfehlen. Alle Mikrofone, besonders aber die Overheads, verfügen über die beste und feinste Auflösung im Test-Feld. Ein Mörder-Mikrofonkoffer! Was mich an meine Eingangs-Idee erinnert!

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • feine Auflösung
  • gute Verarbeitung
  • gute Features
Contra
  • etwas spezieller Sound, der sich nicht für jeden Musikstil eignet
Artikelbild
Beyerdynamic Opus Drumset L Test
Für 777,00€ bei
BeyerdynamicOpusDrumsetL_01FIN
Facts
  • Opus 53 (Overheads, Hihat):
  • − Kondensator-Mikrofon mit Nierencharakteristik
  • − Material: Plastik, Carbon-Verstärkt (Verkleidung)
  • − Farbe: Silber-Metallic
  • − Frequenzgang: 30-20.000 Hz
  • − Empfindlichkeit: – 46 dB (5.0 mV) re 1V at 1 PA
  • − Impendanz: 200 Ohm
  • − Phantomspannung: 12-48V,
  • − Ausgangsstecker: eingebauter 3-pin XLRM-Stecker
  • Opus 88 (Snare, Toms):
  • − Kondensator-Mikrofon mit Nierencharakteristik
  • − Material: Plastik, Gummi, Metall
  • − Farbe: Matt-Schwarz
  • − Frequenzgang: 30-20.000 Hz
  • − Empfindlichkeit: – 46 dB (5.0 mV)
  • − Impedanz: 200 Ohm
  • − Phantomspannung: 11-52 V,
  • − Ausgangsstecker: eingebauter 3-pin XLRM-Stecker
  • − Besonderheit: Klemm-Mikrofon mit eingebauter Klemme
  • Opus 99 (Bassdrum):
  • − dynamisches Mikrofon mit Hypernierencharakteristik
  • − Material: Metall
  • − Farbe: Mattschwarz, Metallic
  • − Frequenzgang: 30-18.000 Hz
  • − Impedanz: 280 Ohm
  • − Ausgangsstecker: eingebauter 3-pin XLRM-Stecker
  • − Zubehör: Ständer (Metall, schwarz)
  • Preis: EUR 899,- (UVP)
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