Warum denn in die Ferne schweifen … Wer die Heimat eines Dual Drive schon wegen seines Namens in USA, UK oder wenigstens in Kanada vermutet, der liegt falsch: Ein Ort mit dem wohlklingenden Namen Leverkusen Opladen entpuppt sich in diesem Fall als sein Geburtsort. Und als Vater zeichnet Dirk Baldringer verantwortlich, der im Laufe der Jahre unzählige Marshall und Vox Amps unter seinen Fingern hatte und sie mit dem ausstattete, was ihre Besitzer an ihrem Sound vermissten.
Die Idee zu seinem Dual Drive wuchs in Dirk proportional zur abnehmenden Qualität mancher heute gefertigter Röhrenamps (-sounds). Das Ergebnis dieses Prozesses ist eine analoge Röhrensimulation auf der Basis einer völlig neuartigen Transistorschaltung.
Anzeige
KONZEPT UND AUFBAU Die analoge Röhrensimulation kam zunächst in einem selbst entwickelten Dreikanalamp zum Einsatz, von dem Baldringer nur drei Modelle baute. Der Verstärker besaß einen cleanen, Fender-typischen Kanal und zwei Kanäle, die sich im Sound an einen getunten JCM 800 anlehnten. Obwohl wir von einer Röhrensimulation reden, handelt es sich hier nicht um eine digitale Simulation a la Line6, sondern um ein voll analoges und superdirektes Gerät. Vorteil des Ganzen: im Gegensatz zu ihren gläsernen Pendants altern die emulierten Röhren nicht, noch gehen sie bei Erschütterung kaputt.
Der Dual Drive ist also kein normaler Verzerrer, sondern ein kompletter Preamp. Deshalb wird er auch vor einen absolut clean eingestellten Amp geschaltet, und nicht, wie viele andere Pedale, vor einen angezerrten Gitarrenverstärker. Das Gerät besitzt zwei Kanäle, die aus einem cleanen Verstärker (zählt man den cleanen Kanal hinzu) somit einen dreikanaligen Amp machen. Die beiden Kanäle werden mit den beiden Fußschaltern angewählt. Jeder Kanal besitzt neben Gain- und Volumeregler eine komplett autarke Klangregelung, bestehend aus Treble, Mid, Bass und Presence; etwas, was man so sonst nur von Gitarrenamps kennt.
Dazu kommt ein Miniswitch, mit dem sich die Klangreglung zwischen 70er und 80er Schaltung umschalten lässt. Dabei verändert sich vor allem der für die Gitarre so wichtige Mittenbereich. Der Dual Drive kann zusätzlich mittels interner Jumper und Trimmpotis an den persönlichen Geschmack angepasst werden – dies geht übrigens für jeden Kanal einzeln. Selbst die einzelnen Zerrstufen kann man hier für beide Kanäle separat justieren. Vielseitiger gehts kaum noch. Dem ersten Kanal könnte man beispielsweise nur eine Zerrstufe zuweisen, während Kanal B für das Solospiel mit zwei Zerrstufen mehr Gain und Lautstärke erhält. Mit den Jumpern für den Treble Boost wird für jeden Kanal einzeln eingestellt, ab welcher Frequenz die Höhen angehoben werden. Der Jumper mit der Bezeichnung „Warm“ kann dazu genutzt werden, die obersten Höhenanteile in Kanal B oder in beiden Kanälen abzusenken, und liefert dann sehr fette Sounds. Die beiden Trimmpotis für die Resonanzfrequenz reagieren ganz feinfühlig auf die individuelle Anpassung des Mittenspektrums, welches sich ja bei jedem Amp anders darstellt. Mit diesen Trimmern kann der Dual Drive auf den persönlichen Geschmack im Zusammenspiel mit dem eigenen Amp-Setup abgestimmt werden. Hier sind wir aber schon im Bereich des Graswachsenhörens angekommen.
Der Dual Drive besitzt neben Ein- und Ausgang natürlich einen DC-Netzteilanschluss, der von 9 bis18 Volt DC alles ohne Verdauungsprobleme frisst. Ein einfahrbares Batteriefach für eine 9 Volt Blockbatterie sorgt für Freiheit, wenn es einmal ohne Netzadapter zur Sache gehen soll. Ein weiterer Anschluss ist für die Fernbedienung des Dual Drive zuständig – falls dieser im Rack eingebaut ist und per Midi geschaltet wird. Wer noch mehr Sounds abrufen möchte, der hat die Möglichkeit, diese Buchse stattdessen als Kaskadenbuchse zu verwenden. So können zwei Dual Drives mit einem Stereo-Klinkenkabel zu einem Verbund geschaltet werden, wodurch sich die Schalterfunktionen untereinander perfekt verstehen und man so einen vierkanaligen Dualdrive erhält.
Die Verarbeitung des Gerätes ist erstklassig und vorbildlich. Im Inneren befindet sich eine sehr aufwändige Platine, die mit nichts zu vergleichen ist, was ich bisher in analogen Distortionpedalen gesehen habe. Die Geräte werden komplett in Deutschland gefertigt und eine chinesische Billigserie wird es nicht nur aus Qualitätsgründen nicht geben.
Dirk Baldringer bietet eine Reihe unterschiedlicher Modifikationen für den Dual Drive an, um das Pedal an den persönlichen Geschmack und das persönliche Setup anpassen zu können. Die Grundausführung, der UR – Dual also, könnte man als einen solide modifizierten Marshall bezeichnen, ausgestattet mit dem bekannten Klangcharakter, für den diese Gitarrenverstärker bekannt sind. Pate stand ein sehr gutes Topteil aus Dirks persönlicher Sammlung.
Es gibt eine Mesa Boogie Rectifier – Version, die ein fetteres und gemeineres Klangbild bietet und speziell auf die Belange von tiefer gestimmten Gitarren geeicht wurde. Die High Gain Bogner Variante erinnert an den Bogner Extasy und an Aerosmith und High-Gain Metal-Sounds a la Dimebag und Konsorten. Für Leute, die sich nicht zwischen diesen nachempfundenen Metal-Variationen entscheiden können, gibt es eine High-Gain-Universalschaltung ohne eigene Färbung. Sie eignet sich sehr gut dazu, den “eigenen“ Sound zu finden. Eine weitere Schaltung orientiert sich an Fender-Sounds, die sowohl den Sweet Spot eines cleanen oder leicht in die Knie gehenden Deluxe oder Bassman nachahmen können, als auch die volle Breitseite eines dampfenden Fender Verstärkers liefern. Die Modifkationen sind für jeden Kanal individuell, können also auch gemischt werden. Man kann also einen Dual Drive ordern, der im Kanal A wie ein Vox Ac 30 klingelt und im Kanal B wie ein High-Gain Rectifier Monster grollt.
Anzeige
PRAXIS UND SOUND Ich habe den Dual Drive in zwei unterschiedlichen Variationen vorliegen, die eine große Bandbreite gängiger Gitarrenzerrsounds abdecken. Das erste Pedal bietet zwei Marshall-Sounds. Kanal A ist mit einer Zerrstufe geschaltet, steht also auf Low Gain, während Kanal B im High Gain Modus zwei Zerrstufen bereithält.
Der A/B-Vergleich mit einem gut abgehangenen JCM 800 ist beeindruckend. Ich habe das Pedal vor einen JMP Marshall ohne Mastervolumen gehängt, einen 100 Watt Amp, den man so schnell nicht zum Zerren bringt – es sei denn, man riskiert ein Erdbeben. Klasse! Die Dynamik des Dual Drive ist einfach atemberaubend. Der Sound ist ebenso brachial und direkt, wie man es von einem guten JCM 800 her kennt. Kanal B des Dual Drive liefert dann die Performance eines modifizierten JCM 800. Von einem gewöhnlichen Verzerrer habe ich solch eine authentische und harmonische Verzerrung noch nie gehört. Selbst in Zimmerlautstärke wird das Klangbild nicht zum kleinen sirzenden Brutzeln, sondern bleibt fett und stabil. Ein tolles Arbeitsgerät also auch für Top 40 Leute, die authentische Marshallsounds auch bei moderaten Lautstärken abfeuern müssen.
Ebenso verhält sich auch die zweite mir vorliegende Variation des Dual Drive, die in Richtung des Soldano SLO 100 zielt. Wer schon einmal den JCM 800 und den SLO 100 im direkten Vergleich gespielt hat, weiß, dass der SLO 100 weitaus polierter klingt als der raubeinigere Marshall. Genau dieser Unterschied kommt auch beim Dual Drive zum Vorschein – und zwar auf Knopfdruck. Der Sound ist im Vergleich zum Marshall unten herum etwas schlanker und färbt den Ton in Richtung aalglatt – klasse für sahnige Sololinien und Fusionflitzefinger. Mich persönlich erinnert dieser Sound auch leicht an Mesa Boogie Sounds der 80er Jahre.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Marshall Mod mit einer BratstufeMarshall Mod mit zwei BratstufenRectifier ModKrank Mod
Aber kommen wir zur Rectifier-Variante. Hier geht es richtig brachial zur Sache. Der Sound steht mit beiden Füßen in einem massiven Bassfundament, ohne jedoch zu matschen oder zu mulmen. Ein Sound, der sich bestens für das richtig gemeine Brett eignet, jedoch nicht überbraten und plastikmäßig rüberkommt – was ja bei vielen High Gain Zerrern der Fall ist. Gainreserven sind ohne Ende vorhanden, und keine Sorge, mehr braucht kein Mensch! Wenn doch, bitte dringend Gitarrenunterricht nehmen! Ich bin jedenfalls begeistert vom Dual Drive. Die patentierte Schaltung bringt einen absolut hochwertigen Sound hervor, der herkömmliche Verzerrer im direkten Vergleich klein und gedrungen klingen lässt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der absolut clean eingestellte Gitarrenamp, denn vor einem angezerrten Kanal eingesetzt geht die Dynamik verloren und der Dual Drive kann sich nicht voll entfalten. Ebenso sollte der verwendete Verstärker mit dem Dual Drive nicht wie mit einem Booster überfahren werden. Die optimale Einstellung hat man, wenn die Zerrsounds lautstärkemäßig in etwa dem cleanen Sound bei ausgeschaltetem Pedal entsprechen. Der Baldringer Dual Drive ist ein absolutes Ausnahmegerät und der Brot-und-Butter-Zerrer schlechthin. Meine Empfehlung: Unbedingt antesten!
Anzeige
FAZIT
Der Dual Drive ist kein Verzerrer im herkömmlichen Sinn, sondern ein zweikanaliger Preamp, der auch international gesehen auf höchstem Niveau anzusiedeln ist. Je nach Ausführung bieten die Pedale alles: von leichtester, süßlicher Anzerre a la Fender oder Vox, bis zu erstklassigen Marshall JCM 800, Soldano oder Rectifier-Klängen, die keinen Vergleich zum Original scheuen müssen. Der Service und die angebotene Vielfalt von Amp- und Pedalguru Dirk Baldringer ist hervorragend und das Klangverhalten sowie die Direktheit der Pedale zählen zum Besten, was an Brot-und-Butter-Verzerrern derzeit auf dem Planeten Erde erhältlich ist.
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
Verarbeitung
Sound
Vielseitigkeit
Modifikationsmöglichkeiten
Contra
Baldringer Dual Drive Test
TECHNISCHE DATEN
Typ: Verzerrer/Preamp
Regler (pro Kanal): Gain, Master, Treble, Mid, Bass, Presence, zwei interne Trimmpotis und Jumper
Schalter: 2 Fußtaster, 2 Miniswitches
Anschlüsse: In/Out, Kaskade bzw. Fernbedienung, 9 – 18 Volt DC Netzteilbuchse
dem was hier geschrieben steht kann ich nur vollstens zustimmen. Überragende Begeisterung mir steht ein Marble Club Reverb und ein JTM 45 für diese Anwendung zur verfügung, letzterer wird gerade von Dirk gemoddet. Auch zusätzliche liebl. Zerrer arbeiten potimal zusammen, wenn man will, davor oder dahinter, was nochmal unterschiede für die Zusaätzlichen ausmacht,ich kann nur sagen Bingo, das Teil ist der absolute Knaller.
Kann ebenfalls den Autor bestätigen- 2 DD haben die jahrelange Suche nach dem perfekten sound ad acta gelegt; Dank der mods ist ALLES drin; Dirk ist ein guter Typ, der sich wirklich reinhängt, die persönlichen Vorlieben umzusetzen; An den Soundbeispielen fällt mir der etwas brazzelige Bass auf- ist wohl Geschmacksache des Autors- meine DD klingen offener und wesentlich tighter im Bass!
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Michael Boesen sagt:
#1 - 25.07.2011 um 16:36 Uhr
dem was hier geschrieben steht kann ich nur vollstens zustimmen. Überragende Begeisterung mir steht ein Marble Club Reverb und ein JTM 45 für diese Anwendung zur verfügung, letzterer wird gerade von Dirk gemoddet.
Auch zusätzliche liebl. Zerrer arbeiten potimal zusammen, wenn man will, davor oder dahinter, was nochmal unterschiede für die Zusaätzlichen ausmacht,ich kann nur sagen Bingo, das Teil ist der absolute Knaller.
Gerhard Mayer sagt:
#2 - 28.03.2013 um 15:05 Uhr
Kann ebenfalls den Autor bestätigen- 2 DD haben die jahrelange Suche nach dem perfekten sound ad acta gelegt; Dank der mods ist ALLES drin; Dirk ist ein guter Typ, der sich wirklich reinhängt, die persönlichen Vorlieben umzusetzen; An den Soundbeispielen fällt mir der etwas brazzelige Bass auf- ist wohl Geschmacksache des Autors- meine DD klingen offener und wesentlich tighter im Bass!