Behringer X32 Interview

Wir hatten die Gelegenheit, Behringers Marketing Manager Christian Stahl (links im Bild) zum neuen X32 einige Fragen zu stellen. Beim Interview ebenfalls zugegen war Dr. Thomas Zint, der von Willich aus nicht nur das neue Digitalpult entworfen hat. Der Physiker ist bei Behringer schon ein wahres Urgestein und schon so manches weltbekannte Produkt entwickelt.

Behringer_Stahl_Zint Bild

bonedo: Wir von bonedo konnten ja mittlerweile schon mehrmals einen Blick auf ein Vorserienmodell des X32 werfen. Wann kann der Kunde denn ein Serienpult im Laden erstehen?
Christian Stahl: Wir haben bereits mit der Auslieferung  des BEHRINGER X32 begonnen und denken, dass die ersten Geräte um den 27. Juli 2012 in den Läden stehen werden.  
bonedo: Die Marke Behringer ist ja Bestandteil der Music Group, zu welcher auch Klark Teknik und Midas gehören – zwei im Livebereich gewichtige Namen. Auf dem X32 ist zu lesen “Behringer, powered by Midas”. Wie viel Eigenentwicklung steckt eigentlich in dem Pult. Handelt es sich nur um ein abgespecktes und umgelabeltes Midas-Pult?
Christian Stahl: Im X32 stecken zu 90% Prozent Eigenentwicklung, das bedeutet, dass das Grundkonzept hier in Willich entstand. Nachdem MIDAS und KLARK TEKNIK zur MUSIC Group stießen, haben wir natürlich das Know-How der Ingenieure  von MKT genutzt, um das Konzept zu verfeinern und auf den Punkt zu bringen.
Die Preamps des X32 basieren auf einem MIDAS-Design. Wir alle wissen, dass MIDAS die besten Preamps baut und wir sind sehr stolz darauf, den besonderen MIDAS Sound mit unserem X32 einer breiten Masse von Anwender zur Verfügung stellen zu können. Durch die Implementierung der AES50 (SuperMAC) Technologie von KLARK TEKNIK konnten wir die beste Option für digitale Audiovernetzungen im X32 nutzen, durch welche die Performance des X32 im Verbund mit digitalen Stageboxen weit über dem Klassenstandard liegt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den man nicht auf den ersten Blick sieht, ist aber ebenfalls entscheidend. Wir haben den Produktionsprozess für das X32 durch die Beratung von MIDAS optimieren können. Durch die immense Investition von über 20 Millionen US$ in unsere Factory sind wir in der Lage, auf höchstem Niveau zu produzieren und die Qualität unserer Produkte akribisch zu überwachen. Wir sind von der Qualität des fertigen Produktes so überzeugt, dass wir 3 Jahre Garantie auf das X32 und auf jedes andere BEHRINGER und BUGERA-Produkt geben.

Behringer_X32_Presseevent202-1014364 Bild

bonedo: Was uns aufgefallen ist, ist, dass ein prominenter Channelstrip zum Einsatz kommt. Wäre es beispielsweise nicht sinnvoller gewesen, alle EQ-Bänder mit Hardware zu versehen?
Thomas Zint: Das erste Konzept sah in der Tat vor, für jedes EQ-Band drei Encoder zur Verfügung zu stellen. Jedoch haben wir recht schnell erkannt, dass die Oberfläche dann sehr gedrängt bzw. überladen aussähe und der Workflow dadurch stark eingeschränkt werden würde. Bedienelemente für ein Band im Direktzugriff zu haben erschien uns in Kombination mit direkten Anwahltasten für die EQ-Bänder als geeigneter Kompromiss.
bonedo: Die vielleicht wesentlichste Frage im Interview: Wie schafft man es eigentlich, einen derartigen Funktionsumfang für diesen Preis anzubieten? Gibt es gravierende Fußangeln?
Christian Stahl: Als wir vor drei Jahren mit der Entwicklung des X32 begannen, war es unser Ziel den Workflow und das Feature-Set großer Touring-Konsolen , die oft über 20.000 € kosten, zu einem günstigeren Preis anzubieten. Wir haben das Glück, dass viele unserer Entwickler in Deutschland sehr erfahrene Live Sound Engineers sind und genau wussten, was einen modernen und professionellen Digitalmixer  ausmacht.
Nachdem wir unsere Wunschliste dann angesehen haben, mussten wir feststellen, dass diese Wünsche zu einem Preis von unter 5.000 € nicht umsetzbar waren. Anstatt jetzt die Features zusammen zu streichen, sind wir jedoch ganz bewusst einen anderen Weg gegangen und haben uns überlegt, wie wir unseren Traum von einem Digtalmixer zu einem bezahlbaren Preis trotzdem Wirklichkeit werden lassen können. Wir kamen schnell dahinter, dass wir uns dabei die Kosten einzelner Komponenten ansehen müssen und haben nach einer umfassenden Analyse begonnen, unsere eigenen Motorfader und die Displays, die in den Kanalzügen verbaut sind, zu designen und zu produzieren. Schon allein dadurch wird der Preis, den der Anwender im Laden für das X32 bezahlen muss, immens gesenkt. Durch die einzigartige Möglichkeit, in unserer eigenen Fabrik fertigen zu können, fallen auch keine weiteren Margen für externe Drittmanufakturen an, die bei vielen unserer Mitbewerber die Preise nach oben treiben. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir durch den Großeinkauf von elektronischen Bauteilen, Konnektoren, usw. auch günstiger an diese Komponenten kommen.
Zu guter Letzt hilft uns unsere effiziente Organisations- und Vertriebspolitik, zusätzliche Preisaufschläge zu vermeiden. Im Endeffekt kommt das alles dem Anwender zugute, der ein BEHRINGER Produkt mit 3 Jahren Garantie zu einem günstigen Preis kaufen kann.    
bonedo: Die Schnelligkeit, mit der Menüs umgeschaltet werden, wenn man den “View”-Button in einer Sektion drückt, ist beeindruckend. Wie wird das erreicht?
Thomas Zint: Sämtliche Software für das X32 einschließlich des Betriebssystems und aller Bibliotheken ist von uns selbst entwickelt worden und hoch optimiert. Hierbei wurde größter Wert auf Performance des User-Interfaces gelegt.
bonedo: Wie flexibel ist man eigentlich beim Routing? Und besonders: Ist das Pult surroundfähig?
Thomas Zint: Das Pult besitzt eine zweistufige Routingmatrix. Aus allen am Pult anliegenden Signalen (32 analoge Inputs, 2×48 AES50 Inputs, 6x Aux, 2x interner Player, 32x Erweiterungskarte) können in 8-er Gruppen 40 Signale zusammengestellt werden. Innerhalb des Pultes gibt es danach keine Einschränkung, welche Signale mit welchen Kanalzügen bearbeitet werden. Auch Mixbusse können zur Bildung echter Subgruppen auf Eingangskanäle zurückgeführt werden. Das Ausgangsrouting (16 analoge Ausgänge, 6x Aux, 2x AES/EBU, 2x interner Recorder, 16x P16) ist sehr flexibel und erlaubt den Abgriff an sehr vielen Stellen innerhalb des Signalflusses. Diese Signale können wiederum in 8-er Gruppen den AES50 Ausgängen und der Erweiterungskarte zugewiesen werden.Da das X32 hauptsächlich als Live-Pult konzipiert ist, unterstützt das Pult zur Zeit nur normales Stereo Panning mit zusätzlichem Mono Bus und LCR Panning. Mit den Mixbussen kann man sich natürlich bei Bedarf ein entsprechendes Setup zusammenstellen. Eine Erweiterung auf echtes Surround Panning wäre im Rahmen eines Softwareupdates bei entsprechender Nachfrage natürlich möglich.

Behringer_X32_Presseevent208-1014367 Bild

bonedo: Zusätzlich zum X32 kann man ja noch einen Monitor-Controller und eine Stagebox erwerben, die mit AES50 angebunden werden. Es wird angegeben, dass die Systemlaufzeit unter einer Millisekunde liegt, also inklusive Wandlungen und Processing. Wie kann das sein?
Thomas Zint: Auf geringe Systemlatenz wurde ganz besonders viel Wert gelegt. Hier spielen viele Faktoren zusammen:
1) Die hochoptimierte DSP Engine arbeitet mit einer sehr kleinen Blockgröße von nur 8 Samples.
2) Die verwendeten Cirrus A/D und D/A Wandler besitzen interne Filter mit besonders geringer Laufzeit (12 bzw. 10.4 Samples).
3) Die AES50 Schnittstellen fügen pro Endpunkt nur eine Verzögerung von 3 Samples hinzu.
Das ergibt bei Verwendung der S16 Stagebox eine Gesamtlatenz von ziemlich genau 1ms bei 48 kHz Samplerate. Benutzt man die pulteigenen Ein- bzw. Ausgänge, liegt die Latenz sogar noch darunter. Dieser Wert ist technisch kaum noch zu unterbieten und in der Praxis nicht mehr wahrnehmbar.
bonedo: Mit welchen Zeit- und Wertauflösungen arbeitet das Pult?
Thomas Zint: Die Wandler arbeiten mit 24 Bit, das interne Processing arbeitet mit 40 Bit (EQs, Mix Engine) und 32 Bit (Effekte) floating point Arithmetik.Das X32 unterstützt 44.1 kHz und 48 kHz Samplerates. 
bonedo: Wieso gibt es denn keine Double- und Quad-Samplerates?
Thomas Zint: Höhere Samplerates spielen im Live Betrieb praktisch keine Rolle. Technisch würde das X32 96 kHz unterstützen. Da die Mix Engine bei 48 kHz aber nahezu voll ausgelastet ist, würde das nur mit erheblichen Einschnitten im Processing (z.B. reduzierte Kanalzahl) realisierbar sein. Einen entsprechenden Modus behalten wir uns eventuell für ein späteres Update vor.
bonedo: Wie sieht es mit der MIDI-Einbindung aus? Kann man Controller-Funktionen nutzen, sind ProgramChange/Bank Select, Dumps, MC-/SPP- oder MTC-Sync implementiert?
Thomas Zint: Die MIDI Schnittstellen am X32 und an der S16 können benutzerdefinierbare Program- und Controlchanges sowie Note-on/off Befehle senden sowie empfangen. Auch können X32 Szenen umgeschaltet werden, bzw. beim Szenenwechsel externe Geräte gesteuert werden. Der DAW Remote Control Modus des X32 unterstützt das Mackie Control und HUI Protokoll. Eine Anbindung an die DAW kann über die MIDI Schnittstelle des X32 oder über die X-UF USB/Firewire Erweiterungskarte erfolgen. Time Code wird nicht unterstützt, da das X32 keine Time Code Automation bereitstellt. Dumps können aufgrund der Datenmenge nicht über MIDI übertragen werden, der Datenaustausch erfolgt entweder über die USB Schnittstelle mittels USB Thumb Drive oder über Ethernet.
bonedo: Ist damit zu rechnen, dass es regelmäßige Updates geben wird? Ist die Hardware also entsprechend vorbereitet? Es wäre ja schön, einmal einen Feedback-Killer oder einen Analyzer mit an Bord zu haben oder weitere Effekte.
Thomas Zint: Updates (z.b. neue Effekte, Plugins, etc.) werden regelmäßig auf unserer Website zum Download zur Verfügung gestellt. Diese können vom Anwender einfach per USB Thumb Drive installiert werden. 
bonedo: Wird es auch “kleinere” oder “größere” Pulte auf dieser Basis geben?
Christian Stahl: Nach drei Jahren haben wir mit dem X32 eine Plattform für digitale Mixer erschaffen, die auf vielfältige Weisen weiter ausgebaut werden kann. Auch wenn ich weiß, dass natürlich der nächste mögliche Schritt schon von Presse und Usern heiß diskutiert und von unseren Mitbewerbern argwöhnisch beobachtet wird, bitte ich doch um Verständnis, dass wir über zukünftige Entwicklungen noch nicht sprechen wollen. Nur so viel: Man darf gespannt sein! 
Vielen Dank für das Interview!

Hot or Not
?
Behringer_Stahl_Zint Bild

Wie heiß findest Du diesen Artikel?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Für dich ausgesucht
Interview mit Brody Simpson 
Feature

Der australische Drummer Brody Simpson verbindet seine Qualitäten als Drummer mit den tontechnischen Fertigkeiten eines modernen Produzenten zu einer einzigartigen Mischung.

Interview mit Brody Simpson  Artikelbild

Neben dem Klang der Stimme gilt der Drumsound als wesentliches Merkmal einer Studioproduktion. Man denke an den stilprägenden Sound von Drums aus den Achtzigerjahren oder die Ära des Samplings und der Drum-Machines, deren Sound maßgeblich den Klang von elektronischer Musik und Hip-Hop und schließlich den Pop geprägt hat. Der australische Drummer Brody Simpson scheint all diese völlig unterschiedlichen Sounds aufgesaugt zu haben und verbindet seine Qualitäten als Drummer mit den tontechnischen Fertigkeiten eines modernen Produzenten zu einer einzigartigen Mischung.

Bonedo YouTube
  • LD Systems Mon15A G3 Review
  • iZotope Ozone 11 Advanced Sound Demo
  • Rupert Neve Designs Master Bus Transformer "MBT" – Quick Demo (no talking)