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Aufnehmen bei 32 Bit Float: Vorteile und Nachteile der hohen Auflösung

Auf dem Markt erscheinen vermehrt Recorder, die bei 32 Bit Float aufnehmen. Vereinzelt finden sich mittlerweile auch Audiointerfaces, die bei der ultra-hohen Auflösung arbeiten. Alles nur Marketing-Hype? Nicht ganz! Dieser Artikel widmet sich sowohl den Vorzügen als auch den Grenzen der Aufnahme im 32 Bit Fließkomma-Format.

Für alle Leser, die schnelle Fakten bevorzugen: Die Vorteile von 32-Bit-Float-Recordern liegen darin, dass man vor der Aufnahme nicht aussteuern muss. Übersteuerungen durch zu hohen Pegel oder Qualitätsverlust durch zu geringen Pegel sind im Fließkomma-Format ausgeschlossen. Das gilt allerdings nur für den Schritt der Wandlung von analogem Audio in digitales Audio bzw. für das Dateiformat. Daran, dass elektronische Bauteile bei zu hohen Pegeln verzerren oder ein leises Signal im Grundrauschen verschwimmen lassen, kann keine noch so hohe digitale Auflösung etwas ändern.

Recording bei 32 Bit Float lohnt sich vor allem dann, wenn man z.B. Interviews führt, Ton zum Film aufnimmt oder allgemein mit unvorhersehbaren Schallereignissen rechnen muss, die sich nicht reproduzieren lassen. Im Studio-Bereich überwiegen die Nachteile durch den erhöhten Ressourcenbedarf. Eine grundsätzlich bessere Klangqualität ist durch die höhere Auflösung in der Praxis nicht zu erwarten.

32Bit-fp-Einleitung: Bei Audio alles beim Alten?

Im Bereich visueller Inhalte gab es seit den 1990ern enorme Entwicklungen. In Zeiten von modernen Flatscreens mit 4K-Auflösungen wirken die verpixelten Röhrenmonitore von anno dazumal wie ein Witz. Handykameras werben mit wahnwitzigen Auflösungen bis zu hunderten Megapixeln. Und auch wenn Marketing dabei oft eine Rolle spielt: Die 25 Jahre alte Digitalkamera wird man zu Recht nicht mehr für seine Urlaubsfotos nutzen wollen.

Bits
Ein Screenshout aus dem Spiel „The Secret of Monkey Island“. Anfang der 1990er-Jahre wurde eine Auflösung von 320×200 Pixeln bei 256 Farben als das Maß der Dinge empfunden. Die Auflösung von Audiodateien hat sich seitdem nicht nennenswert verändert.

Und was ist mit Audio? Nix! Nicht einmal ein Revolutiönchen, von dem es zu berichten gäbe – zumindest, wenn es um das Endformat geht, das beim Konsumenten ankommt. Seit der flächendeckenden Einführung digitaler Medien hören wir Musik im CD-Format – also bei 16 Bit/44,1 kHz. MP3 brachte sogar eher noch Einbußen bei der Klangqualität, wobei sich diese bei höheren Bitraten kaum oder gar nicht wahrnehmen lassen. Formate mit höheren Auflösungen wie DVD-Audio und die SACD gibt es zwar, wirklich durchgesetzt haben sie sich aber nicht. Manch einer hört sogar wieder Schallplatten oder Kassetten.

Aber halt! Im Bereich der Musikproduktion gibt es durchaus Entwicklungen – und zwar bei der Sample-Rate. Hier haben sich mittlerweile höhere Abtastraten bis 192 kHz eingebürgert. Viele Studios arbeiten allerdings auch heute noch bei 44,1 kHz oder 48 kHz. Der Standard von 24 Bit fürs Recording ist seit Jahrzehnten unverändert. Abgesehen von den reinen Auflösungen hat sich im Bereich der Wandler-Technologien aber natürlich grundsätzlich viel getan. Auch günstige Komponenten klingen mittlerweile weit besser als das in der Frühzeit von digitalem Audio der Fall war.

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Was bedeutet 32 Bit Float?

Bei der Auflösung digitaler Audio-Dateien gibt es zwei Faktoren. Während die Sample-Rate (auch Abtastrate) für die Anzahl der Datenpunkte pro Sekunde steht, geht es bei der Bittiefe (auch Wortbreite) um die Anzahl der Informationen pro Datenpunkt. Bei Audio betrifft das die Amplitude des Signals. Je höher die Bittiefe ist, desto größer ist also der Dynamik-Bereich, den eine Audiodatei abbilden kann.

Die Auflösung von digitalen Audiodateien hat zwei Dimensionen: Die Abtastrate in Hertz steht für die Anzahl der Datenpunkte in einem Zeitabschnitt (t). Die Wortbreite in Bit, das wäre die Auflösung der y-Achse, betrifft dagegen die Fülle der Informationen pro Datenpunkt.

Beim menschlichen Gehör liegt zwischen Hörschwelle und Schmerzgrenze ein Dynamikbereich von bis zu 140 dB (je nach Frequenzbereich). Das ist ein enormer Umfang, den aufgenommene, gemischte und gemasterte Musik nicht einmal ansatzweise ausnutzt. Auch die 96 dB umfassende Dynamik bei 16 Bit reicht längst aus, um selbst die kleinsten Details klassischer Musik wiederzugeben. Trotzdem liegt der Standard beim Aufnehmen und Mischen bei einer erhöhten Auflösung von 24 Bit. Diese entspricht mit ihrem Dynamikbereich von 144 dB in etwa unserem Hörapparat und bietet im Studio mehr Freiheiten beim Bearbeiten des Materials. Fun-Fact: Die Dynamik einer Schallplatte liegt bei 60-70 dB.

Vergleich der Dynamikbereiche bei verschiedenen Bittiefen bei 16 Bit integer bis 32 Bit integer

Eine Auflösung von 32 Bit Integer ist noch einmal deutlich höher und bietet eine Spanne von 192 dB. Mit der Fließkomma-Berechnung (Floating Point) potenziert sich der darstellbare Umfang dagegen in theoretische Bereiche jenseits von 1500 dB. In der Praxis ist die Dynamik also gefühlt „unendlich“ groß. Übersteuerungen sind ausgeschlossen, und auch sehr leise Anteile lassen sich ohne Qualitätsverlust abbilden. DAWs wie Cubase, Live und Logic nutzen das Format seit Jahren für ihre Audio-Engines. Manche DAWs arbeiten mittlerweile sogar bei 64 Bit Float.

Die Dynamik von 32 Bit Float übertrifft die Integer-Formate um ein Vielfaches.

Mit einer höheren Auflösung erhöht sich natürlich auch der Ressourcenbedarf. Gemessen an einer 16-Bit-Datei ist eine 24-Bit Datei 1,5 mal so und eine 32 Bit-Datei doppelt so groß. Zwischen 32 Bit Integer und 32 Bit Float gibt es keine Größenunterschiede.

Wie funktioniert Recording bei 32 Bit Float?

Bei traditionellen Aufnahmeverfahren in einem Integer-Format (z.B. 24 Bit) legt man beim Aussteuern den Dynamikbereich fest, in dem man eingehende Signale erwartet. Werden leise Signale aufgenommen, dann erhöht man die Vorverstärkung, um die Auflösung möglichst effektiv auszunutzen. Bei lauteren Signalen fährt man den Pegel dagegen zurück, um Übersteuerungen zu vermeiden. Der große Vorteil von 32-Bit-Float-Recordern ist nun, dass diese grundsätzlich einen sehr großen Dynamikbereich abdecken und kein Einpegeln mehr nötig ist. Unerwartet laute oder leise Schallereignisse lassen sich ohne Qualitätsverlust aufzeichnen. Insbesondere bei Video-Aufnahmen, bei denen man bereits mit mehreren Kameras hantiert, ist das ein echter Segen.

Audio-Interface
Eigentlich ein zentraler Schritt beim Aufnehmen: Beim Aussteuern verstärkt man das Eingangssignal so weit, dass es die Auflösung des Wandlers möglichst effektiv ausnutzt, ohne zu übersteuern.

Wie das funktioniert? Eigentlich über einen recht einfachen Trick: 32-Bit-Float-Recorder kombinieren mehrere Wandler, die dann jeweils für unterschiedliche Dynamikbereiche zuständig sind. So läuft z.B. ein Flüstern auf der anderen Seite des Raumes über Wandler 1, während für die Snare in Nahabnahme Wandler 2 zuständig ist. Die Ergebnisse werden dann in das große 32-Bit-Float-Format gegossen.

32-Bit-Rekorder
32-Bit-Float-Recorder wie der Zoom M4 kommen ohne eine Regelmöglichkeit für die Eingangsverstärkung aus.

Mit der Schlussfolgerung, dass 32-Bit-Recorder deshalb weniger rauschen und nie übersteuern würden, ist man allerdings auf dem Holzweg. Wenn an einem Recorder etwas hörbar rauscht, dann sind das in der Regel zuallererst Mikrofon und Vorverstärker. Und natürlich fangen alle elektronischen Bauteile ab einem gewissen Pegel an, zu verzerren. Dementsprechend reicht der Dynamikbereich auf der analogen Seite meist kaum aus, um selbst 24 Bit voll auszunutzen. Wer das besagte Flüstern auf der anderen Seite des Raumes aufnehmen möchte, der braucht also eher ein gutes Richtmikrofon und einen vernünftigen Vorverstärker als einen 32-Bit-Float-Wandler.

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Pegeln: Verschoben auf die Post

Spätestens dann, wenn es ans Weiterverwerten des aufgenommenen Materials geht, steht der Wechsel in ein Integer-Format von 16 Bit oder 24 Bit an. Und für diesen Schritt ist natürlich nach wie vor ein angemessener Pegel wichtig. Dabei geht es nicht nur darum, die geringere Auflösung möglichst effektiv auszunutzen, sondern auch darum, verschieden geartete Signale auf eine konsumentenfreundliche Lautheit zu bringen. Das besagte Flüstern auf der anderen Raumseite soll ja verständlich sein. Die Snare in Nahabnahme soll sich dagegen meist in einen Kontext einbetten und nicht zu laut sein.


Oben in Blau sieht man eine unbearbeitete 32-Bit-Float-Aufnahme von Gesang und Gitarre, wie sie in der DAW ankommt. Darunter in Orange ist die gleiche Datei mit 30 dB mehr Pegel.

Praxisbeispiel gefällig? Nach einer 32-Bit-Float-Aufnahme eines Singer-Songwriters mit dem Zoom M4 musste ich die Datei um ca. 30 dB anheben, um sie auf eine vernünftige Lautheit zu bringen. Ein Close-Mic an einer Snare musste ich dagegen um mehr als 20 dB absenken. Natürlich kann man solche Aufgaben auch über das Normalisieren einer Datei lösen. Solche Recorder haben häufig auch eine entsprechende Funktion an Bord. Für mehrere zusammengehörige Audio-Aufnahmen und insbesondere für Mehrspuraufnahmen ist das aber alles andere als ideal, denn so geht die gemeinsame Referenz verloren.

Bei lauten Quellen, wie hier einer Schlagzeugaufnahme, muss man den Pegel für eine sinnvolle Weiterverarbeitung verringern.

Um das Aussteuern eines Signals kommt man also nicht herum. Im Studio spricht man hier übrigens von Gain-Staging. Dabei geht es nicht nur um Lautstärke, sondern ggf. auch darum, Outboard-Equipment gezielt sanft oder heiß anzufahren, um gewisse klangliche Ergebnisse zu erzielen. Auch bei der Arbeit mit vielen Plugins spielt das eine Rolle.

Klangqualität: Vorteile von 32 Bit fp nur bei der Bearbeitung

Aus den bisherigen Informationen kann man sich zusammenreimen, dass eine sauber ausgesteuerte Aufnahme bei 24 Bit keine grundsätzlichen klanglichen Nachteile gegenüber einer Aufnahme bei 32 Bit Float haben kann. Prinzipiell sollte ein zuvor ausgesteuertes Signal beim Recording sogar einen geringfügig besseren Rauschabstand bieten, da es genau im Sweet-Spot des Wandlers sitzt. Ein Recorder, der zwei Wandler mit fester Aussteuerung für alle Dynamik-Bereiche kombiniert, arbeitet da natürlich ungenauer.

Wellenform eines Sinustons bei 1kHz übersteht bei 32 Bit Float auch extreme Bearbeitungen unbeschadet.
Die Wellenform des Sinustons, nachdem er bei 24 Bit um 100 dB abgesenkt, gespeichert und wieder um 100 dB angehoben wurde.
Die Wellenform des Sinustons, nachdem er bei 24 Bit um 20 dB angehoben, gespeichert und wieder um 20 dB abgesenkt wurde.

Einen direkten Klangvergleich zwischen den Auflösungen können wir hier nicht anbieten, da unser Web-Player keine 32 Bit Float wiedergeben kann. Die Vorzüge der hohen Auflösung liegen aber wie gesagt nicht in der grundsätzlichen Klangqualität, sondern in der Freiheit beim Bearbeiten. Und hier sind durchaus Klangbeispiele möglich.

Im Folgenden gibt es mehrere Audios zu hören, die um 100 dB abgesenkt, abgespeichert und wieder um 100 dB angehoben wurden. Während 32-Bit-Float-Files den Prozess unbeschadet überstehen, entsteht bei 24 Bit hörbare Quantisierungsverzerrung Um es noch einmal zu betonen: Es geht hier nicht um Files, die bei 32-Bit-Float aufgenommen wurden, sondern nur um die Bearbeitung.

Audio Samples
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1kHz Testton (Original) Testton -100 dB/+100 dB bei 32 Bit Float Testton -100 dB/+100 dB bei 24 Bit Integer Drums (Original) Drums -100 dB/+100 dB bei 32 Bit Float Drums -100 dB/+100 dB bei 24 Bit Integer

Das gleiche Spiel funktioniert natürlich auch in die andere Richtung. Alle Files wurden um 20 dB geboostet, gespeichert und wieder auf den ursprünglichen Pegel gebracht. Hier spricht man von digitalem Clipping.

Audio Samples
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Testton +20 dB/-20 dB bei 32 Bit Float Testton +20 dB/-20 dB bei 24 Bit Integer Drums +20 dB/-20 dB bei 32 Bit Float Drums +20 dB/-20 dB bei 24 Bit Integer

Bitte beachten: Es ist davon auszugehen, dass die Audio-Engine eurer DAW-Software bereits seit Jahren auf 32 Bit Float oder höher läuft. Man muss nicht in diesem Format aufnehmen, um Quantisierungsverzerrung oder Clipping zu vermeiden.

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32 Bit fp vs. 24 Bit – Workshop

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