Dass Audio-Technicas ATM-Reihe einen sehr guten Ruf unter Sound-Freunden genießt, ist kein Geheimnis, insbesondere die dynamischen Instrumentenmikrofone gelten als zuverlässig und neutral, ohne langweilig zu klingen.
Unser Testkandidat namens ATM250DE ist auch ein dynamisches Mikrofon, allerdings nicht nur. Genaugenommen haben wir es hier mit zwei Mikrofonen in einem zu tun. Unter seiner unscheinbaren Außenhülle stecken nämlich – wie schon beim teureren Vorgänger AE2500 – sowohl eine nach dem Kondensator-Prinzip arbeitende Kapsel als auch eine Tauchspulenmembran. Da stellt sich die Frage: Wozu das Ganze?
Laut Audio-Technica ist der Grund einleuchtend: Viele Tonleute verwenden an vielen Schallquellen nun einmal gerne zwei Mikros und dann oft jeweils ein dynamisches Modell und einen Kondensator-Typen. An Bassdrums werden damit ebenso gute Ergebnisse erzielt wie an Gitarren- und Bass-Amps und vielen anderen Instrumenten. Nicht selten kommen bei derartigen Mehrfachmikrofonierungen allerdings Phasenverschiebungen vor, die sich aus unterschiedlichen Laufzeiten des Schalls zur Membran ergeben. Dieses Problem soll beim ATM250DE der Vergangenheit angehören. In Kombination mit der Platz- und Stativ-Ersparnis hört sich die Idee ziemlich praxistauglich an. Ob das Konzept tatsächlich aufgeht, lest ihr in den folgenden Zeilen.
Details
Für zwei Kapseln kommt das ATM250DE erstaunlich leicht daher
Das größte Teil im flachen Karton fällt mir beim Auspacken zuerst in die Hände: Das fünf Meter lange Y-Spezialkabel, welches per 5-Pin-XLRM-Buchse auf der einen Seite mit dem Mikrofon verbunden wird und auf der anderen Seite zwei reguläre, männliche Stecker für die Preamp/Interface-Seite besitzt. Es folgt ein mit 320 Gramm Gesamtgewicht überraschend leichtes und auch kompaktes Mikrofon. Immerhin werkeln in diesem Mikrofon ja zwei Kapseln. Zum Vergleich: Das für die Bassdrum-Aufnahmen als Referenzmikrofon verwendete Shure Beta 52A wiegt satte 600 Gramm, besitzt aber nur eine Kapsel. Mehr als zwei Drittel der Gesamtlänge des ATM250DE nimmt ein abschraubbaren Korb ein, unter welchem sich die beiden in eine Alu-Gussform gebetteten Kapseln befinden. Seitlich am Gehäuse stoße ich auf zwei Schlitze, hinter denen sich ein -10-dB-Pad-Schalter sowie ein 80-Hertz-Low-Cut befinden. Beide Funktionen lassen sich nur mit einem spitzen Gegenstand wie beispielsweise einem Stift verändern, um versehentliches Umschalten zu verhindern. Am hinteren Gehäuseteil lässt sich das Mikrofon mithilfe der mitgelieferten Halterung an einem Stativ befestigen. Die Konstruktion ist nicht aus hartem Plastik, sondern einer Art Gummi gefertigt, welches als Shock-Absorber fungieren soll. Zuletzt finde ich in der Packung noch ein Reduziergewinde für Euro-Stative – aus Plastik. Von diesem einmal abgesehen ist alles sauber verarbeitet und wirkt robust.
Die Frequenzgänge ähneln sich stärker als vermutet
Der Blick auf die technischen Daten ist beim Testkandidaten besonders interessant, denn er zeigt, dass Zahlen und Kurven der beiden Mikrofone – so muss man es technisch betrachten – sich teilweise doch stärker ähneln als vermutet. So beginnt die Übertragung beider Kapseln bei 40 Hertz (-3dB-Punkt), der dynamische Teil hat seine obere Grenzfrequenz bei 15000, der Kondensator-Teil bei 20000 Hertz. Keines der beiden Kurvendiagramme weist krasse Überhöhungen oder Einbrüche auf, der dynamischen Kurve sieht man allerdings leichte Betonungen bei 80 Hertz und etwa 4000 Hertz an. Dazwischen liegt ein leichter „Smiley“, wie er eben charakteristisch ist für Bassdrum-spezifische Mikrofone. Auch die Kondensator-Kapsel zeigt eine kleine Erhöhung im Präsenzbereich ab 4000 Hertz, ansonsten verläuft sie unauffällig. Mit einer Empfindlichkeit von 3,5 mV/Pa zeigt besonders das Kondensator-Mikrofon seine Auslegung als Close-Mic, denn der Wert ist vergleichsweise niedrig. 2,2 mV/Pa beim dynamischen Part liegen für ein spezialisiertes Bassdrum-Mikrofon etwas über der Norm, allerdings vermarktet Audio-Technica das ATM250DE mittlerweile auch als Instrumentenmikrofon mit breiterem Einsatzgebiet. Damit ist es auch für Instrumente mit weniger brachialen Schalldrücken, als sie eine Bassdrum zu erzeugen vermag, geeignet.
1/4 Das Signale der Kondensatorkapsel kann mit üblichen Schaltungen verändert werden.
2/4 Der Halter gehört zum Lieferumfang.
3/4 Einen Großteil des Mikrofons nimmt der Korb ein – der Body selbst ist kurz.
4/4 Audio-Technica sind bekannt dafür, auch unübliche Wege zu gehen.
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Praxis
Die spezielle Konstruktion fällt im Einsatz nur durch die Verkabelung auf
Aufgrund des geringen Gewichts und der insgesamt immer noch kompakten Bauweise gestaltet sich der praktische Umgang mit dem ATM250DE als sehr unproblematisch. Etwas ungewohnt ist die Tatsache, dass man das Kabel als integralen Bestandteil des Mikrofons betrachten und gegebenenfalls hinter sein Rack krabbeln muss, wenn man ein anderes Mikrofon an den jeweiligen Kanälen verwenden möchte. Übersteigen die Abstände zu Preamp oder Interface die fünf Meter Kabellänge, sollte man entsprechende Verlängerungen zur Hand haben. Nicht so schön: Das Reduziergewinde aus Plastik geht direkt beim ersten Aufschrauben kaputt, sodass ich ein Metallmodell aus meinem eigenen Fundus für den Praxistest verwende.
1/4 Ein Mikro im Resonanzloch. Obwohl: Eigentlich sind es ja zwei.
2/4 Vorne links ein Mojave, dem man den deutlich höheren Preis auch anhört.
3/4 Audio-Technica-Mikro mit zusätzlicher Subkick
4/4 Hier sorgt das AT-Doppelmikrofon für zwei verschiedene Inner-Bassdrum-Sounds.
Klanglich gibt sich das ATM250DE flexibel, tendiert aber zur Neutralität
Bis zu den ersten Hörtests habe ich mich mit steigender Spannung gefragt, wie Audio-Technica die beiden Kapseln wohl klanglich ausgelegt hat. Den Kondensator-Teil brillant und höhenbetont und die dynamische Kapsel mittig und belegt? Die Antwort kann man schon aus den Frequenzdiagrammen ableiten und sie lautet ganz klar: nein. Eigentlich sind alle Audio-Technica-Mikrofone tendenziell eher der Neutralität verpflichtet, dementsprechend auch für unseren Testkandidaten. So muss man sich das dynamische Ich des ATM250DE als moderat vorgeformtes Bassdrum-Mikrofon vorstellen und die Kondensator-Kapsel als ein nicht zu scharf klingendes Kleinmembranmikrofon. Einen winzigen Ausschnitt der unendlichen Möglichkeiten, die sich aus der Kombination der beiden ergeben, habe ich für euch in den folgenden Review-Teilen aufgenommen.
2/3 Auch am Tom lieferte das Mikro natürlich zwei Signale.
3/3 Doppelmikrofonierung mit einem Mikrofon – dank ATM250DE
Natürlichkeit ist an der Bassdrum Trumpf
An meiner Yamaha Recording Bassdrum mit den Maßen 24×14 Zoll, wenig Dämpfung und offener Spielweise geben sich beide Kapseln von der natürlichen Seite. Dabei klingt die Kondensator-Seite naturgemäß etwas knalliger, aber untenrum auch etwas dünner als die dynamische Kapsel. Diese verfügt über ihren leicht angehobenen Bass- und Höhenbereich, bleibt dabei aber trotzdem eher moderat. Das merkt man besonders im Kontrast zum Vergleichsmikrofon Shure Beta 52A, welches deutlich aggressiver, aber eben auch künstlicher zu wWerke geht, und zwar sowohl im Attack als auch bei der Tiefbassanhebung. Hier hört ihr zunächst die Solo-Files; einmal ohne, einmal mit aktiviertem Low Cut beim Kondensator-Teil. Das vierte File stellt die Beta 52A Vergleichsaufnahme dar.
Im Verbund mit den anderen Mikrofonen überzeugen die beiden Kapseln jeweils einzeln mit offenen Bassdrum-Sounds, die gut zur Schallquelle passen und den natürlichen Ton der Birken-Bassdrum nicht zu stark verbiegen. Auch hier ist wieder der etwas schärfere Attack des Kondensator-Teils gut zu hören. Das aktivierte Low Cut im dritten File verschlankt den Bassdrum-Sound merklich.
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Bassdrum im Kit, ATM250DE dynamische KapselBassdrum im Kit, ATM250DE KondensatorkapselBassdrum im Kit, ATM250DE Kondensatorkapsel Low Cut
In einem dritten Durchlauf habe ich mein immer wieder gern verwendetes Subkick-Mikrofon vor die Bassdrum gestellt und euch jeweils zusammen mit dem dynamischen und dem phantomgespeisten Teil des ATM250DE aufgenommen. Ehrlich gesagt gefallen mir beide Ergebnisse ganz hervorragend, je nach Geschmack lassen sich so diverse Kombinationen realisieren. Zu guter Letzt wollte ich wissen, wie sich zwei getrennte Mikrofone im Vergleich zum ATM250DE schlagen und habe dafür mein Mojave MA-201 FET vor dem Resonanzfell positioniert. Im Loch befindet sich wieder das Beta 52A, welches ich per Low-Cut-Plug-in im Subbass-Bereich etwas ausgedünnt habe. Die Signale des ATM habe ich zusammengemischt, wobei auf dem Kondensatorteil das Low Cut aktiviert ist. Hier wird dann die Schwäche der Konstruktion deutlich, denn einerseits gibt es zwischen den Kapseln zwar keine Phasenprobleme, andererseits hängen sie eben fest zusammen und können nicht variiert werden, um dann die eindrucksvollere Basswiedergabe des Mojave zu erreichen. Dazu muss man allerdings auch sagen, dass dieses alleine fast doppelt so teuer ist wie das ATM250DE.
Zwei Mikros aneinanderkleben unnötig: An der Snare sind die beiden Kapseln besonders praktisch
Wer beim Aufnehmen der Snaredrum mehr Optionen haben möchte als nur ein Mikro am Schlagfell und vielleicht eines auf der Unterseite, klebt einfach zwei Mikros aneinander. Diese Praxis ist weit verbreitet und bringt oft gute Ergebnisse. Die Nachteile: Man muss die Mikrofone sorgfältig ausrichten, sie mit Klebeband umwickeln und mit etwas Pech trifft der Drummer die Konstruktion und die Phasenlage ist im Eimer. Mit dem ATM250DE gehören diese Sorgen der Vergangenheit an und die Ergebnisse bestätigen, dass dieses eigentlich auf Bassdrums spezialisierte Gerät auch an der Snare wirklich gut klingt. Dabei fällt zunächst auf, dass das dynamische Mikro etwas distanzierter und nasaler klingt als das Referenzmikrofon SM57. Im Kontext mit dem Kit klingt die Snare weniger fokussiert und lässt ein bisschen den Druck vermissen, den der Klassiker mitbringt. Aber es gibt ja noch eine zweite Kapsel – und die liefert sowohl alleine als auch im Kontext die Präsenz, die die meisten Tonleute und Drummer mögen. Zusammen lassen sich aus den beiden Kapseln abermals unendlich viele Möglichkeiten herauskitzeln ohne vorher mühselig ausrichten und kleben zu müssen.
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Auch Toms überträgt das ATM250DE mehr als passabel
Als Schallquelle dient mein Yamaha Recording Hängetom in 14×10 Zoll, ausgestattet mit der Standard-Befellung Ambassador coated oben und clear unten. Die Trommel klingt in natura sehr warm und voll, knallige Attack-Sounds sind nicht ihre Stärke. Beide Mikrofone des ATM erweisen sich als passender Partner, wobei die Kondensator-Kapsel noch etwas mehr Druck im Anschlag erzeugt, ohne dass dieser den Plastikcharakter einiger spezialisierter Tom-Mikrofone bekommt. Etwas belegter, aber trotzdem noch angenehm plastisch, wirkt das dynamische Mikrofon, welches wiederum etwas im Bass zulegt. Die Kombination beider Kapseln gefällt mir daher am besten, zumal hier unendliche Mix-Varianten möglich werden, die den Rahmen dieses Tests sprengen würden. Ich habe euch dazu natürlich wieder ein paar Files vorbereitet.
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Am Gitarren-Amp lässt sich das Signal schön verdichten
Dass die beiden Kapseln sich gut ergänzen, dürfte mittlerweile deutlich geworden sein. Daher überraschen die Resultate am Budda Superdrive 80 2×12 Combo wenig. Im Clean-Modus ähneln sich die Signale der dynamischen Kapsel und des SM57 Vergleichsmikrofons stärker als dies bei der Snare der Fall war, das Shure liefert jedoch ein etwas höhenreicheres und plastischeres Bild. Bauartbedingt klingt das ATM minimal distanzierter. Das liegt daran, dass die Kapsel nicht direkt hinter dem Korb sitzt, sondern mehrere Zentimeter zurückversetzt. Wer hier also ganz nah an die Quelle heran möchte, sollte das Drahtgeflecht abschrauben. Was dem dynamischen Teil fehlt, steuert die Kondensator-Kapsel bei: Griff- und Saitengeräusche werden klarer abgebildet, auch in den Mitten geht es detaillierter zu. In der Kombination entsteht ein verdichtetes Signal, welches jenem des einzelnen SM57 in der Klanggestaltung überlegen ist.
…jedoch schlägt sich der Testkandidat auch hier sehr respektabel. Alleine kann die dynamische Seite des ATM250DE nicht viel gegen den griffigen, fokussierten SM-Sound ausrichten, mit der Hilfe der Kondensator-Kapsel geht hier allerdings einiges. Denn schon solo liefert diese einen untenrum zwar dünneren Ton als das 57er, dies dürfte in vielen Produktionen aber gerade angesagt sein, wenn Bass und untere Mitten schon durch andere Instrumente belegt sind. Die gleichteilige Kombination führt, wie schon an den anderen Testquellen, zu einer Verdichtung des Signals; auch hier ergeben sich in der Nachbearbeitung wieder unendliche Möglichkeiten der persönlichen Klanggestaltung. Aber hört selbst:
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Fazit
Das Audio-Technica ATM250DE ist ein sehr interessantes Sound-Werkzeug. Als Bassdrum-Mikrofon überzeugt es mit tendenziell natürlichem, großem Klang, welcher der Quelle seinen individuellen Charakter lässt. Obwohl der dynamische Teil des Mikrofons auf Bassdrums zurechtgeschneidert ist, erzeugt besonders die Kombination mit der Kondensator-Kapsel auch an Toms, Snares und am Gitarren-Amp sehr ansprechende Ergebnisse. Allein durch den Mix der beiden Kanäle können diese anschließend in extrem viele Richtungen modelliert werden. Nicht geeignet hingegen ist das Testobjekt als vollwertiger Ersatz für räumlich stärker getrennte Mikrofonierungen wie beispielsweise an der Bassdrum. Für maximale Flexibilität führt weiterhin kein Weg am Einsatz zweier separater Mikrofone vorbei. Daher sollte das ATM250DE eher als eine praktikable Lösung für das Aufzeichnen von zwei Klangfarben an derselben Schallquelle betrachtet werden, deren großer Vorteil darin besteht, nicht mühsam ausgerichtet werden zu müssen oder zwei Stative zu beanspruchen. Wem das bewusst ist, der sollte dieses wirklich gut klingende Paket auf jeden Fall persönlich anchecken. Allerdings sollte Audio-Technica dem Mikrofon eine der übrigen Qualität angemessene Gewindeverkleinerung beilegen.
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
sehr guter, natürlicher Sound beider Kapseln
enorm viele klangliche Möglichkeiten
kompakte Bauweise mit praxistauglicher Halterung
robuste Verarbeitung
Contra
klanglich weniger flexibel als zwei einzelne Mikrofone
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