Ableton Max for Live Test

“Musikalischer Freigeist sucht gefälligen DSP-Allrounder.“ So oder so ähnlich müssen sich die Kontaktanzeigen in den Firmenzentralen von Ableton und Cycling ´74 gelesen haben.

Aufmacher

Ein ungleiches Paar könnte man meinen – logische Konsequenz aber auch. Definitiv prallen hier zwei Welten aufeinander. Wir schauen im Detail nach!

DETAILS:

Der mittlerweile zur umfangreichen All-In-One DAW angewachsene Loop- Sequenzer Ableton Live 8 bietet alles, was man zum professionellen Musikproduzieren braucht, bleibt dabei aber weitestgehend intuitiv und auch für Einsteiger – in seinen Grundzügen – schnell begreifbar.

So kennt man Ableton Live - der Step Sequencer ist aber neu!
So kennt man Ableton Live – der Step Sequencer ist aber neu!

Auf der anderen Seite haben wir da Max. Max ist eine graphische Programmierumgebung zur Datenstrommanipulation. Mit Max können Patches erzeugt werden, das Grundgerüst sozusagen, mit dem Sensoren (Inputs) und Aktoren (Outputs) im weitesten Sinne mit anderen verschaltet, kombiniert und manipuliert werden können. Als Quellen dienen dabei z.B. Audiosignale, Videokameras, MIDI-Interfaces, Webservices oder ähnliches. Zur eigentlichen Manipulation stehen dann andere Objekte bzw. Module zur Verfügung. Diese Module bieten einfache Grundoperationen, wie “+” und “-“ , können aber auch ganze Patches beinhalten, welche wiederrum aus verschachtelten Patches bestehen dürfen, usw. Diese Container, auch Abstractions genannt, können deshalb ein sehr hohes Maß an Komplexität erreichen. Mit der Maus werden die Ein- und Ausgänge der Objekte durch Linien-Zeichnen verbunden – sie visualisieren den Datenstrom. Wer Signalflussdiagramme kennt, findet sich schnell zurecht.

In den zahlreichen Objekten und Erweiterungen finden sich auch ganze Synthesizer und Videogeneratoren. Darüber hinaus kann auch auf Socket-Ebene kommuniziert werden: RSS, Twitter, Shoutcast, alles kein Problem! Wenn das immer noch nicht reicht,der kann auch noch eigenen Code, über sogenannte Externals, in Max einbinden…

Der Step Sequencer im Patch Mode: Ist hier zufällig ein Ingenieur an Board ?
Der Step Sequencer im Patch Mode: Ist hier zufällig ein Ingenieur an Board ?

Eine dieser Erweiterungen ist zum Beispiel MSP für Real-Time Audiosynthese und Manipulation. Deshalb spricht man in Audiokreisen meist gleich von Max/MSP. Jitter hingegen erlaubt die Erzeugung und Manipulation von Bildern, Videos und 3D-Grafiken, soll uns hier aber nur am Rande beschäftigen. Dennoch, VJ ick hör dir trappsen…

Pluggo wiederum war eine Sammlung an fertigen Max/MSP Patches, welche direkt in VST-Umgebungen geladen werden konnten. Pluggo wird wie Mode, Hipno und UpMix allerdings nicht mehr weiter verkauft, da man sich – aus Kompatibilitätsgründen – nun ausschließlich auf Ableton Live konzentrieren möchte. Das könnte einige, ältere Max Kunden verärgern… Kommerziellen Anbieter von Pluggo-lauffähigen Plug-Ins könnte das richtig Ärger bringen. Wer also bereits mit Max/MSP arbeitet, sollte aufpassen.

Ich bin DSP-Entwickler, lassen sie mich bitte durch!
Ich bin DSP-Entwickler, lassen sie mich bitte durch!

So weit, so gut. Max for Live erweitert jetzt Max 5 (so nennt sich die aktuellste Version) um die Fähigkeit, Live direkt auf proprietärer Ebene anzusprechen. Somit wird es ein leichtes, eigene Modifikationen an Live vorzunehmen und Controller-Maps für MIDI-Geräte zu erstellen, die Launchpad, APC und Co mindestens das Wasser reichen können. Selbst Ableton Plug-Ins – so genannte Live Devices (Live-Geräte) – zu erstellen, wird möglich.

Glücklicherweise sind schon fertige Devices mit an Bord: Mit je einem exklusiven Gerät pro Gattung (Instruments: Loop Shifter – MIDI-Effects: Step Sequencer –  Audio-Effects: Buffer Shuffler) und jeweils ca. 25 Presets zeigt man sich spendabel, gibt sich – für meinen Geschmack – aber zu sehr dem experimentellen Glitch und Beat Repeat Sound hin.

Fotostrecke: 4 Bilder the big three #1: Buffer Shuffler: “Step-Slice-Player”

Die etlichen, aus der Pluggo-Sammlung bereits bekannten, Max/MSP-Effekte wurden für Ableton neu aufgelegt und stehen direkt über den Live-Geräte-Browser zur Verfügung. Man erhält so acht zusätzliche Instrumente, wie Additive Heaven, Analogue Drums, Bassline, Big Ben Bell, Flying Waves, Laverne, Shephard Tones und Vocalese sowie 39 weitere Audioeffekte. Und je Gerät gibt es wiederum bis zu acht Presets.

Eine kleine Bildmontage: Alle Standard Geräte und Presets. Man beachte die Legende unten links. - Zum Vergrößern bitte anklicken ! -
Eine kleine Bildmontage: Alle Standard Geräte und Presets. Man beachte die Legende unten links. – Zum Vergrößern bitte anklicken ! –

Und damit immer noch nicht genug: Im Unterpunkt Tools gibt es weitere kleine Helferlein, die vom einfachen EQ bis hin zum komplexeren MIDI-Effekt reichen. Hier finden sich auch die Building Blocks, die in ihrer Komplexitätt eher begrenzt sind und deshalb wunderbar als Ausgangspunkt für eigene Kreationen dienen. Einsteigern können sie helfen, die komplexe Materie zu durchdringen.

PRAXIS:

Der Vorteil der Ableton Devices liegt in der hervorragenden optischen, wie auch musikalischen Integration in Ableton Live. In der Spur-Ansicht kann die GUI von Max for Live-Patches wunderbar den eigenen Vorlieben und Vorstellungen nach angepasst werden. Ein Klick auf das zusätzliche Max-Symbol und das Re-Patchen kann losgehen: Ein neuer Regler, eine stärkere Value-Quantisierung oder ein weiterer Ausgang? Kein Problem, bedient euch!

Fotostrecke: 3 Bilder Der Loop Shifter in Live.

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt! Und wer doch einmal von Einfallslosigkeit geplagt wird, kann sich Kreativinput von www.maxforlive.com holen. Hier gibt es noch mal viele zusätzliche Instrumente zur freien Verfügung. Besonders gefallen hat mir hier die Video Beat Machine. Im Prinzip handelt es sich dabei um das Drum Rack, nur das Videos geladen werden könnnen. Gerne hätte ich das auch präsentiert, leider ließ sich davon aber kein Bildschirmvideo erstellen…

maxforliveDOTcom

Nichtsdestotrotz bekommt man aber auch von Ableton tolle “Goodies”. Wie den “Schwarzonator”, von ihrem Lieblings-Endorser Henrik Schwarz, zum Beispiel: Dieses kleine Tool ermöglicht es auch dem “Ein-Finger-Klaviatur-Akrobaten” überzeugende Chor-Variationen zu zaubern. Doch hört selbst!

Schwarzonator

Die Neuerungen in Max konzentrieren sich vor allem auf die Module, welche direkte Kommunikation mit den Live Sockets bieten. So lassen sich unendlich neue Möglichkeiten der Controller-Interaktion mit Live realisieren! Was AKAI und Novation unlängst ankündigten, kann also Wirklichkeit werden: Vollständig eigene Controller-Konzepte, basierend auf Standard-MIDI-Komponenten!? Für Frickler sollte das bald kein Problem mehr sein.

Ich hoffe vor allem aber auf die Hersteller von Launchpad, APC & Co: “Mögen sie uns bald mit exklusiven Patches verwöhnen!”  Momentan sieht das Angebot noch relativ mau aus, was aber auch daran liegen könnte, dass es noch keinen Modifikationsschutz für erstellte Patches gibt. Drittanbieter wird das noch bremsen, kommerzielle Projekte anzustreben, zumal sie fürs Erste mit der Einstellung von Pluggo und Co zurechtkommen müssen. Pläne für Distributionslösungen von Bezahl- und freien Plug-Ins will Cycling74 Ende 2010 präsentieren.

Novation Launchpad Step Sequencer für Max for Live

Üppiger sieht es da schon im Cycling74-Shop aus: Wer sich seinen eigenen Datenhandschuh bauen möchte, ist hier an der richtigen Adresse! Hier kann man, angefangen von fertigen Controllern, über Selbstbaukästen, bis hin zu den dazu passenden analogen Sensoren, alles finden. Helligkeitssensoren, Dehnungsmessstreifen, Wärmesensoren – alles eben, was das Herz des Steuerungs- und Messtechnikers beglückt.

MakingThings

Sicherlich ist das, für die meisten unter uns fernab von gut und böse – auf der anderen Seite kann eine so flache Eintrittsbarriere vor allem kleineren Marktteilnehmern eine echte Chance bieten. Ich bin überzeugt, dass frischer Wind in den Controller- und Plug-In Markt wehen wird – wir werden uns wieder sprechen.

Bis dahin kann man aber auch genügend Zeit mit bereits Vorhandenem verbringen. Die drei neuen, exklusiven Ableton Instrumente – The Big 3, wie Ableton sie nennt – bieten sich da an:

Step Sequencer
Der Step Sequencer ist ein 4-fach monophoner Step Sequencer mit umfangreichen Variationsmöglichkeiten je Step. Was soll man dazu noch sagen?! Die Details hört man sich am besten einfach mal an:

Loop Shifter
Mit diesem Instrument lässt sich im Zeitbereich eines geladenen Samples hin und herspringen, wobei für jeden einzelnen MIDI-Key Value ein anderer Loop-Punkt, sowie erweiterte Soundeinstellungen getroffen werden können. Hierzu zählen die Abspielgeschwindigkeit, Loop Parameter, Speed Legato, Filter Freq und Fiter Resonanz.

Kleinere Workflowbugs trüben allerdings den Spass: Samples können nicht – wie gewohnt – aus Live in den Loop Shifter “gezogen” werden. Das geht nur von Ordnern aus. Man muss sein Sample also erst exportieren, bevor man es wieder in Live laden kann… Ein Automatisieren der Loop Shifter Parameter ist innerhalb Lives per default nicht möglich.

Buffer Shuffler
Last but not least: Buffer Shuffler. Er ist dem bereits bekannten Beat Repeat vom Prinzip her ähnlich, bietet allerdings eine Step-Ansicht.

Ausgewählte Effekte

Insgesamt versorgt einen das Max for Live Update also mit 100 neuen Devices und 345 Presets. Nicht schlecht, zumal sich hierunter echtes Handwerkszeug für den Audioalltag findet, wenn auch der Schwerpunkt auf Klangverbiegung liegt und größtenteils aus der Pluggo-Sammlung stammt. Dennoch bietet allein die GUI-Integration einen echten Mehrwert, auch für Kenner.

Man mag sich vielleicht fragen, wo – außer im Preis – sonst noch ein Unterschied zwischen Max und Max for Live besteht? Nun, besitzt man Max, ändert sich nicht viel, außer, dass dies jetzt auch als Editor für Live-Geräte fungiert, sofern man Live sein eigen nennt. Da dies relativ unspektakulär ist, muss man dafür auch nur einen Upgradepreis von 79 Euro berappen.

Besitzt man keine eigene Max-Lizenz, muss man mit den folgenden Einschränkungen bei der, mit Max for Live mitgelieferten Max-Version, Vorlieb nehmen:
 

  • Keine eigenen Module für Audio und MIDI. Ableton übernimmt diese Aufgabe – der Handshake findet stattdessen über die neuen Live-Schnittstellen statt.
  • Beschränkungen innerhalb der Ausgabe von Jitter Images in Max. In Live ist Jitter allerdings vollständig verfügbar.
  • Und natürlich: Keine Entwicklung von Stand-Alone-Applikationen möglich.

Für 249 Euro bekommt man also schon eine ganze Menge DSP-Spaß. Voraussetzung ist natürlich eine Ableton Live 8 oder Ableton Suite 8 Lizenz, die es momentan ab 349 Euro (Suite: ab 549 Euro) gibt. Für Max-Besitzer und Ableton Live Neulinge gibt es Live 8 und die Suite für den gleichen Preis, allerdings mit Max for Live Upgrade inklusive. Wer Max und Live besitzt zahlt nur 79 Euro für das Crossgrade. Da die Preismodelle sehr umfangreich sind, sollte man sich am besten selber auf den Websites des Herstellers informieren.

Kleinere Unterschiede zwischen den echten Live Devices und den neuen Max for Live Devices gibt es hin und wieder doch... Die kleine Bildmontage offenbart den fehlenden "Automation löschen" Eintrag im Kontextmenu... Bitte liebe Abletons, baut den noch mit ein!
Kleinere Unterschiede zwischen den echten Live Devices und den neuen Max for Live Devices gibt es hin und wieder doch… Die kleine Bildmontage offenbart den fehlenden “Automation löschen” Eintrag im Kontextmenu… Bitte liebe Abletons, baut den noch mit ein!

2,49 Euro pro neues Live-Device – das klingt nach Apple AppStore – wenn da nicht die Mindestabnahmemenge von 100 Stück wäre. Nichtsdestotrotz bekommt man für 249 Euro ein umfangreiches Arsenal an Effekten und die unglaubliche Möglichkeit, von Grund auf alles selber bauen zu können.

Max allein ist ein wahres Monster der Möglichkeiten und bekommt mit Live endlich einen wunderbaren Sequenzer hinzu, der helfen kann, alle Ideen zu verwalten, zu arrangieren und zu produzieren. Im Gegensatz zu Max besticht Live vor allem durch seine intuitive Benutzeroberfläche und macht es deshalb wahrlich zum perfekten Partner. Ich wünsche mir, dass diese Ehe ewig halten wird.

Allerdings hat ein so junges, komplexes Produkt natürlich noch mit ein paar Kinderkrankheiten zu kämpfen, die sich hoffentlich mit der Zeit legen werden. In der Tat hatte ich öfters mit kleineren Programmabstürzen zu tun, die zu 99% aber nur auftraten, wenn der Editor geöffnet war. Auf der Bühne wird das aber wohl keiner machen wollen, oder etwa doch?

www.cycling74.com | www.maxforlive.com

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Absolute Modularität
  • saubere Integration in Live
  • abartig, viele Möglichkeiten
  • umfangreiche Community mit kostenlosen Tutorials
Contra
  • Stabilität bei geöffnetem Editor
  • Kleinere “Workflow Bugs”
  • Unterschiede zwischen den “echten” Live Devices und “Max” Devices
Artikelbild
Ableton Max for Live Test
Technische Details
  • In Ableton integrierte Schnittstelle für die Entwicklungsumgebung MAX/MSP/Jitter
  • Komplexe Audio- , Video- und MIDI-Datenstromanipulation in Echtzeit
  • umfangreiche Library mit neuen “Live Devices”
  • Tiefgreifende Möglichkeiten zur Modifikation der Ableton Benutzeroberfläche ( Live Sets, Tracks, Clips, Geräte, Noten, Loops, Parameter, etc. )
  • Sammlung von Interface-Elementen aus Ableton Live für flexibles Designen
  • Spezielle Version von Max als Editor (kein Stand-Alone Betrieb) für die Devices
  • Geräte funktionieren auch während sie editiert werden
  • Video-Synthese und Animation mithilfe von Jitter-Objekten
  • Systemanforderungen (Ableton Live 8):
  • 1 GB bzw. 2 GB (empfohlen) RAM, DVD-ROM Laufwerk
  • MAC: mind. 1,25 GHz; G4, G5 oder Intel (empfohlen); ab Mac OS X 10.4.11
  • PC: mind. 1,5 GHz (Multi-Core empfohlen); XP, Vista, Win 7; ASIO
  • UVP: 249,- Euro für Live 8 Nutzer. 79,- Euro für Live 8 und Max 5 Besitzer.
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