Anzeige

Softube Chandler Germanium Compressor Test

Germanium ist nicht etwa der Albumtitel des neusten Rammstein-Albums, sondern ein erstmals in Deutschland entdeckter Halbleiter. Vor allem in den allerersten Feldeffekttransistoren (FET) fand er Verwendung, bevor er durch das Silizium fast vollständig abgelöst wurde. 


Vintage-Kisten von Neve, Telefunken und auch die EMI nutzten solche Germanium-Transistoren, allerdings höchstwahrscheinlich aus rein pragmatischen Gründen, da sie eben dem damals üblichen Angebot entsprachen. Hersteller dieser Post-Tube-Ära, insbesondere Neve, sagt man aber generell einen besonders smoothen, warmen und organischen Sound nach. Und wo sonst als in der Audiobranche nutzt man gern „überholte“ Materialien, weil sie „anders“ klingen?
Chandler Limited vollführte nun diese Renaissance und ist dennoch keine Esoterik-Bude, weil eben auch viele andere Designentscheidungen zum typischen Klang der puristischen Schaltungen von Wade Goeke beitragen – aber sind wir mal ehrlich, selbst ausgesprochen klingt „Germanium“ einfach geiler als JFET. Und wenn ich so weiter drüber nachdenke, versprüht selbst die Phonetik von „Chandler“, „Abbey Road“ und „EMI TG“ eine gewisse Erotik – und letztere hat Wade mit seinen Designs auch wieder aufleben lassen.
Besonders bekannt sind dabei die HE-Monster Zener Limiter (EMI TG12413) und Curve Bender (EMI TG12345). Beide gibt es seit einer Weile für die UAD-2 Plattform und bei beiden hat Softube mitgeholfen, sie zu modeln – bevor sie den Curve Bender auch native herausbrachten. Nun ist Softube ein Alleingang gelungen – und somit gibt es ab sofort den Chandler Germanium Compressor als Native-Plugin… und im folgenden Test!

Details

Matched Germanium-FET als Plugin

Der Chandler Limited Germanium Compressor ist eine eigenständige Entwicklung von Wade Goeke und kein EMI Nachbau wie der bekannte Zener Limiter oder Curve Bender. Es handelt sich hier um einen linkbaren Class-A FET Monokompressor auf einer HE und 19 Zoll, der auch gern als „Matched Pair“ für Stereo-Anwendungen verkauft wird. Und genau das Ganze hat Softube gemodelt – inklusive typischem „Germanium FET Sound“ versteht sich.

Fotostrecke: 2 Bilder Links ist oben, rechts wiederum unten u2013 aber auch M/S ist im Plugin mu00f6glich!

Rectifie this!

An sich also ein recht klassisches Design, wenn da nicht die vielfältigen Rectifier-Modes aka Comp Curve wäre, die aus verschiedenen Gleichrichter-Designs des Sidechains resultieren und sich damit durch unterschiedliches zeitliches Regelverhalten und Knees klanglich voneinader differenzieren – ähnliches kenne ich auch von meinem SPL Iron Compressor sowie der Plugin-Variante von Plugin Alliance, aber das nur am Rande.

„Comp Curve“ wählt aus verschiedenen Gleichrichtern im Sidechain, wodurch sich auch die Regelcharakteristik inklusive Knee verändert.

German Drive

Schlussendlich läuft alles in die finale Ausgangsstufe, die man auch härter anfahren kann, um mehr DRIVE zu provozieren. Außerdem lässt sich das Feedback der Gainstage einstellen, um so eine noch stärkere Färbung zu erhalten. Sprich: mehr Gain, mehr Distortion sowie mehr Tiefen/Mitten zu „Ungunsten“ der Höhen. In der Hardwarewelt quält man damit vor allem Nachfolgegeräte – hier sollte man nach dem Übertreiben mit dem “digitalen” Plugin-Gain dementsprechend wieder zurückrudern.

Noch mehr Farbe liefert die Ausgangsstufe mit Drive inklusive Feedback!

Last but not least gibt es einen weiteren Umschalter, der neben dem VU-Meter beheimatet ist, zwischen „CLEAN Comp“ und „DIRTY Comp“ unterscheidet und nochmals minimal das THD-Verhalten beeinflusst.
Und nun auf in die Praxis, hören, was das Alles bring!

Anzeige

Praxis

Warm ‘n nice

Attribute sind eine subjektive Sache und Begriffe wie „warm“, „dick“ und „dirty“ zwar hilfreich, aber eben auch etwas irreführend, weil sie wenig Aussagekraft bezüglich der Nuancierung haben. Der Germanium Compressor ist zuallererst – in Hard- wie auch Software – ein High-End-Kompressor mit sauberem Regelverhalten und präzisem Sound, der hochflexibel ist und sich dank vieler Comp Curves musikalisch nutzen lässt – insbesondere der sanfte R Soft Mode sei hier empfohlen. Fehlende Zeitangaben bei Attack und Release unterstreichen das – die umspannten Zeitbereiche sind allerdings durchaus groß und so aufgelöst, dass vom subtilen Spitzenschneiden bis hin zum „gemäßigten Slammen“ ziemlich viel geht. 
Und ja, grundsätzlich macht der Chandler untenrum dick, in den Extremen gibt es sogar deutlichere Färbungen, die vor allem für Rock und Pop zuträglich sind, aber auch Techno mit Punk-Attitüde schmeichelhaft sein dürfte. Bei ganz feinen Spielarten könnte er aber durchaus etwas zu dick auftragen. So war das eben damals – und das ist gut, selbst wenn der Chandler ein Gerät der Neuzeit ist. Und nochmal ja, bei hohen Gain-Settings rauscht der Germane auch ein wenig, aber das ist absolut nicht der Rede wert. „It has an analog sound“ und den fängt das Plugin entsprechend gut ein – viel mehr als andere „Vintage“-Plugins, wie ich finde. TippTopp, Softube!

Fein dossierbar

Für die unterschiedlichen Comp Curves muss man aber schon genauer hinhören. Wer die Axt im Walde sucht, ist dann eventuell enttäuscht – aber genau diese Nuancen sind es nun mal, die ein gutes Master bzw. Mix von Laienarbeit unterscheiden. Das Gleiche gilt auch für den Drive. Und entgegen meiner üblichen Herangehensweise gehen wir gleich in die Vollen, um einmal das Maximum auszuloten. Hier geht was – aber Verzerrung alá iZotope Trash ist das natürlich nicht ;-).

Audio Samples
0:00
Drums u2013 volle Möhre mit Zener, maximalem Gain und Feedback Drums u2013 DRY Drums u2013 Gritty (R Soft) Drums u2013 Huge (MS, Germanium Soft) Drums u2013 Punch (Silicone Medium) Drums u2013 Slam (Zener Diode)

Beim kleinen Stem-Mix des folgenden Demos hört man den subtilen Charakter deutlicher, weil er sich über alle sieben Spuren addiert – und ich mit dem Drive und Feebdack auf den einzelnen Spuren auch nicht gespart habe. Aber wie sagt man so schön: In der Übertreibung liegt die Darstellungskraft! In der Realtität hätte ich einzelne Spuren mit dem EQ wieder etwas ausgedünnt, aber das Ziel des Demo-Mixes war es ja, bestehende Spuren nur mit dem Germanium Compressor und nichts anderem oder weiterem zu bearbeiten.

Audio Samples
0:00
Song u2013 7-Stem Germanium Mix Song u2013 Dry

Germanium passt hervorragend zu Bass! Und auch Drums und Summen profitieren, wenn auch der Chandler dafür nicht unbedingt meine erste Anlaufstation wäre. Eine echte Paradedisziplin sind wiederum Gitarren: egal, ob elektrisch oder akustisch. Auf Keys und Synths überzeugt er ebenfalls, besonders beim Moog fällt mir auf, wie schön der Germanum Comp ihn abrundet, gleichzeitig aber auch weicher und edler macht. Instant Money, sozusagen. Die Acoustic Gitarre wiederum bekommt deutlich mehr Body und wirkt viel weniger blechern. Bei den Vocals hingegen sorgt der Chandler für eine ordentlich Portion Griffigkeit und Präsenz – und das bei nur relativ wenigen Dezibel GR.

Audio Samples
0:00
Moog u2013 Wet Moog u2013 Dry Acoustic u2013 Wet Acoustic u2013 Dry E-Guitar u2013 Wet E-Guitar u2013 Dry Vocals u2013 Wet Vocals u2013 Dry Bass u2013 Wet Bass u2013 Dry

Comp Curves

Im Folgenden möchte ich die unterschiedlichen Curves und ihre Regelvorgänge nochmal detaillierter am Beispiel Bass zeigen. Hier habe ich nur die Comp Curve geändert und alle anderen Parameter gleich gelassen.

Alles gleich – bis auf die Modes beim Bass-Beispiel!

Was könnte noch besser?

Am Chandler selbst hab ich wirklich nichts zu meckern, drei Dinge könnte man in der Software aber optimieren: Erstens „knallt“ mir der Chandler unter gewissen Bedingungen zu sehr rein, wenn man den Bypass der DAW nutzt, weil er sich erst „Einschwingen“ muss – und das stört. Zweitens würde ich eine automatische Gain-Kompensation begrüßen, die den Drive auch ohne irritierende Pegelanhebung spürbar macht.
Und zu guter letzt wäre für mich – neben dem L/R und M/S-Mode – auch ein Chain-Mode denkbar. So könnte man zwei Chandlers in Reihe nutzen, ohne das Plugin verlassen zu müssen, beziehungsweise umständlich zwischen zwei identisch aussehenden Instanzen innerhalb der DAW jonglieren zu müssen.

Anzeige

Fazit

Der Chandler Germanium Compressor ist ein sehr guter, umfangreicher und vor allem fein dosierbarer Compressor, und das wurde in der nativen Version von Softube gebührend eingefangen. Er macht insbesondere Einzelsignale schön warm, kräftig und fett und nimmt ihnen Schärfe bzw. Harshness. Er kann auch Abrunden und mehr Griffigkeit verpassen – je nach dem. Und das macht ihn superflexibel. Gerade, wer viel in the Box arbeitet, kann von seinem „etwas stärkeren analogen Sound“ profitieren und deswegen spricht meiner Meinung auch nichts dagegen, ihn auch als Go-to-Compressor zu benutzten. Und sollte er wirklich mal zu sehr färben, kann man ihn mit einem EQ auch durchaus wieder „entcolorieren“. Mein Fazit: 5 Sterne.

Pro
  • deutlicher „analoger“ Charakter
  • flexible Charakteristiken
  • gute Bedienbarkeit
  • Plugin-Extras
Contra
  • kein Contra
Features
  • Stereo-Compressor-Plugin
  • Germanium FET Sound
  • sechs verschiedene Comp-Curves
  • regelbarer Drive und Feedback
  • external Sidechain
  • M/S-Mode
Preis
  • EUR 199,- (Straßenpreis am 11.3.2020)
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • deutlicher „analoger“ Charakter
  • flexible Charakteristiken
  • gute Bedienbarkeit
  • Plugin-Extras
Contra
  • kein Contra
Artikelbild
Softube Chandler Germanium Compressor Test
Hot or Not
?
Chandler_Germanium_Compressor_Test Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Profilbild von Spankous

Spankous sagt:

#1 - 14.03.2020 um 17:37 Uhr

0

Sind wir schon so weit das 199 euro im angebot für ein einzelnes Compressor Plugin nichtmal eine erwähnung "verdienen" ? :-) Nicht schlecht. In zwei Jahren kosten Plugins 300+ einstieg aber nur die "guten". Ziffern und Bytes werden schliesslich jedes Jahr teuerer weil sie in der Natur schwer zu finden sind. Man muss tief in taschen graben.

    Profilbild von Felix Klostermann

    Felix Klostermann sagt:

    #1.1 - 17.03.2020 um 03:43 Uhr

    0

    Hallo Spankous, ich finde den Preis kein Schnäppchen aber gerechtfertigt, denn Entwicklungen auf dem Niveau kosten Geld und riesige Absatzzahlen dürfte dieser Spezialist auch nicht bringen. LG; Felix

    Antwort auf #1 von Spankous

    Antworten Melden Empfehlen
Profilbild von Marcus Morgan

Marcus Morgan sagt:

#2 - 17.12.2021 um 21:02 Uhr

0

exzellente Bewertung, ganz meine Meinung, ein fantastischer Kompressor, danke für den Test!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • dreadbox Artemis Sound Demo (no talking)
  • Arturia Astrolab 88 Review - Arturia's Flagship Stage Keyboard
  • Moog Messenger Sound Demo with Custom Presets