Basics – Mastering #1

Geschafft! Eure Produktion ist fertig. Der Song ist klasse, die musikalische Performance stimmt, die Gitarren, Drums, Synthesizer und der ganze andere Kladderadatsch klingen wahnsinnig gut und sind in umfangreichen Sessions so gemischt worden, dass man beim Hören ein kleines, stolzes Grinsen auf den Lippen hat. Räume, Spektrum, Dynamik – alles 1a. Dann kann das Stück Musikgeschichte ja ab ins Presswerk oder auf die Internetplattform und los geht’s mit dem Berühmtwerden. Aber ist wirklich alles fertig? Sicher nicht: Schliesslich gibt es einen weiteren, wichtigen Produktionsvorgang nach dem Mixing: Das Mastering. Um das Mastering ranken sich zahlreiche Mythen. Dazu kommt, dass es schnell recht teuer werden kann. Doch was passiert eigentlich genau dabei? Kann der Mastering-Engineer anhand eines simplen Stereofiles überhaupt noch viel am Mix ändern? Kann ich das nicht auch einfach selbst an meinem Computer machen? Diese und viele weitere Fragen soll unser mehrteiliger Workshop klären und im Falle des Do-it-yourself Tips und Hinweise geben.

Volle Kraft voraus!
Schubkraftregler an Bord der MS Sassnitz


WAS IST MASTERING ÜBERHAUPT? UND WOZU IST DAS NÖTIG?
Bei der Definition des Begriffes Mastering scheiden sich schon die Geister. Streng genommen sind dies Vorgänge, die in Tonträger-Vervielfältigungswerken geschehen: CD-Pressungen benötigen ein so genanntes Glassmaster, mit dessen Hilfe in folgenden Schritten die eigentlichen Pressstempel hergestellt werden. Zur Vinylpressung muss eine Folie oder ein kupferbeschichtete Edelstahlplatte als Vorlage erzeugt werden. Dies sind im Regelfall sehr technische Arbeitsschritte. Der Begriff Mastering wird heute aber auch synonym mit dem eigentlichen Premastering gebraucht. Dies ist die Audio-Endbearbeitung, also alles was nach dem Mixdown auf Stereofile und vor der Herstellung der Matrizen im Presswerk geschieht. Bei professionellen Produktionen ist es ein auf diesen Vorgang spezialisiertes Studio mit einem nicht minder spezialisierten Engineer. Aber: Wenn der Mixdown doch so toll geworden ist, was hat dieser spezielle Mann in seinem speziellen Studio dann überhaupt zu tun? Manche (oft auch die Verantwortlichen bei Plattenfirmen) messen der Aufgabe des Masterings eine immer höhere oder sogar die ausschließliche Bedeutung zu, die Produktion im Vergleich mit anderen möglichst laut wirken zu lassen. Dafür gibt es zwar auch gute Gründe, jedoch ist dies mit anderen Zielen des Masterings oft nicht vereinbar.
WAS MACHT DER MASTERING-ENGINEER EIGENTLICH FÜR SEIN GELD?
Die Aufgaben des Mastering-Engineers sind äußerst vielfältig und beinhalten auch Schritte, die einem nicht sofort bewusst sind. Der erste Eintrag auf der To-Do-Liste des Mastering-Engineers ist es, mit frischen Ohren die Produktion technisch und kreativ zu bewerten. Das bedeutet: Da sitzt also jemand, hört eure Musik und bekommt alleine dafür einen Haufen Geld. Lohnt sich das? Oh ja, und dies ist etwas, was oft aus Geldmangel vernachlässigt wird. Vielleicht kennt ihr es: Nach dem siebzigsten Durchhören einer Produktion steckt man oft so tief drin, dass einem Vieles nicht mehr auffällt. Der Engineer hört aber die Produktion zum ersten Mal und kann daher kompetente Auskunft über musikalische Performance, technische Unzulänglichkeiten, Mischfehler und dergleichen machen. Im Idealfall ist er sehr erfahren und kann beurteilen, wie sich die Musik in den aktuellen Markt einfügt. 
Mastering ist also Bewertung, Verbesserung, eventuell Reparatur und das Vorbereiten für das Endmedium. Ein seriöser Mastering-Engineer wird auch abwägen, ob es sinnvoller ist, Reparaturen vorzunehmen, oder das Stück neu zu mischen. Er sollte nicht immer jede Herausforderung annehmen, um nachher mit seinem Können einen großen Unterschied zwischen “vorher” und “nachher” aufweisen zu können, sondern mit anpacken, das Endresultat gut werden zu lassen. Gerade heute, wo viele Mixes per Total Recall Wochen später im Originalzustand wieder aufgerufen werden können und nicht mehr durch das Resetten des Analogpultes unwiderruflich verloren gehen, ist es oft die einfachere Variante, die Sessiondatei zu öffnen, die Snare etwas leiser zu machen und erneut zu rendern.

DURCH HÖHEN UND TIEFEN – DIE KLANGREGELUNG
Eine häufige Unzulänglichkeit einer Mischung bezieht sich auf das Spektrum und äußert sich in Löchern oder Überhöhungen im Frequenzgang. Der Grund dafür ist selten Unvermögen des Mixing-Engineers, sondern eher eine unausgewogene Abhörsituation. So zu mischen, dass es im Studio gut klingt, ist eine verhältnismäßig einfache Aufgabe. Die Kunst ist es, die Produktion sowohl im Autoradio, auf der Heimanlage, über Kopfhörer als auch in der Zappelkiste über die große Clubanlage gut klingen zu lassen. Dies gelingt im Regelfall beim Mix nicht. Ein kleines, vereinfachtes Beispiel: Zwischen parallelen Wänden verliert eine bestimmte Frequenz (die aufgrund der Schallgeschwindigkeit als Welle eine bestimmte räumliche Ausdehnung besitzt) weniger an Energie als andere Frequenzen. Dies führt zu einer Überpräsenz und somit dazu, dass der Tontechniker – um einen guten Sound zu erlangen – an genau dieser Stelle eingreift. Natürlich kann man mit diesen Gegebenheiten umgehen lernen, doch dies benötigt enorme Erfahrung (und ist nicht ganz so einfach, wie man vielleicht glaubt). Weil Mixes auch auf kleinen Anlagen, zum Beispiel aus Fernseherlautsprechern, dem Radiowecker oder im (“normalen”) Autoradio funktionieren müssen, muss die zu transportierende Emotion und Information des Signals im Mittenbereich liegen: Viele Systeme übertragen so gut wie keine Bässe und auch nur sehr schwache Höhen. Die Musik muss dort trotzdem “funktionieren”!

Ohne erstklassige Abhörsituation geht es nicht.
Ohne erstklassige Abhörsituation geht es nicht.

Aufgabe des Mastering-Engineers ist es, derartige Fehler aufzudecken und wenn möglich zu korrigieren. Dazu ist neben dem “geeigneten” Menschen natürlich auch eine Abhörsituation notwendig, die in der Lage ist, diese Fehler aufzudecken. Und da liegt schon der Hase im Pfeffer: Um dies zu erreichen, sind nicht nur teure Boxen und Endstufen notwendig, sondern auch ein entsprechend akustisch optimierter Raum. Schnell ist ein Mastering-Studio alleine für diese Ausstattung bei einem Budget, das jenes für so manches Eigenheim locker übersteigt.
Zur Beseitigung der Fehler wird ein hochwertiger Equalizer verwendet. Da EQs unterschiedlich arbeiten (und klingen), gibt es in der Mastering-Regie meist mehrere Geräte. Der Grossteil der nötigen Änderungen wird mit EQs gemacht, die nach dem vollparametrischen Prinzip arbeiten, also bei wählbaren Frequenzen mit einstellbarer Enge das Signal anheben oder absenken können. Seltener (und eher zum Absenken als zum Anheben) werden Shelving-Filter benutzt, die ähnlich wie die Klangregler an der Stereoanlage arbeiten – also ab einer gewissen Frequenz (HiShelf) oder bis zu einer gewissen Frequenz (LoShelf) anheben oder absenken. Bei den im Mastering verwendeten Equalizern lassen sich jedoch diese “Grenzfrequenzen” einstellen.  Die aus dem Live-Bereich bekannten grafischen Equalizer kommen aufgrund der mangelhaften Flexibilität der einzelnen Bänder und dem schlechten Rauschverhalten nicht zum Einsatz. Einfach, aber hilfreich ist die Verwendung von Filtern. Diese schneiden Frequenzbereiche gänzlich ab, anstatt sie abzusenken. Der absolute Subbass ist oft musikalisch nicht relevant und kann abgeschnitten werden. Dazu werden Hochpass-Filter benutzt, üblicherweise mit recht geringer Flankensteilheit, um nicht zu viel Unfug im unbearbeiteten Signal anzustellen.

Mastering__5__01

Zu den edlen Analog-Entzerrern, die man in fast jedem Mastering-Studio findet, gesellt sich oft noch ein digitales Pendant (oder Plug-In), welches oftmals die bei der Bearbeitung entstehenden Phasenverschiebungen ausgleicht – und dadurch unauffälliger arbeitet. Im Mixdown wird den Einzelsignalen ihr Platz im Spektrum zugeordnet und der Pegel bestimmt. Mittels Equalizer kann der Mastering-Engineer nachträglich im Stereosignal Signale herausmodellieren oder ihren Charakter verändern. Beispiel: Klingt die Bassdrum zwar groß und mächtig, fehlt ihr aber die Durchsetzungskraft, kann durch gezieltes Hervorheben schmaler Frequenzbänder der Attackbereich verstärkt werden. Schliesslich ist ein EQ im Prinzip nichts weiter als ein frequenzabhängiger Verstärker.

Es liegt auf der Hand: Eine Summenbearbeitung ist immer eine Gratwanderung, denn natürlich wird man auch viele der anderen Signale ebenfalls verändern. Überlappen sich die Signale im Mix nur wenig, sind die Auswirkungen umso geringer. Viele EQs arbeiten vor allem dann besonders gut, wenn sie nur subtile Änderungen in der Frequenzdomäne vornehmen. Muss mit hohen Hüben gearbeitet werden, ist dies im Regelfall ein Hinweis darauf, dass ein eklatanter Fehler im Mix vorliegt. Selbstverständlich kann der Mastering-Engineer die Herausforderung annehmen und auch etwas tiefer in die Trickkiste greifen, doch heutzutage bietet sich oft die Möglichkeit, diesen Fehler im Mix nachträglich zu korrigieren. Wurde in einer DAW gemischt, sind es oft nur wenige Klicks, um im Mehrspurprojekt – bleiben wir beim oben genannten Beispiel – die Absenkung des Attackbereichs der Bassdrum zu deaktivieren und erneut zu bouncen. Manchmal müssen starke Eingriffe leider sein. Um die Artefakte durch den Equalizer gering zu halten, verwenden einige Engineers ein “Feathering”. Dies ist das Verteilen der Gesamtverstärkung auf mehrere unterschiedliche Geräte.

“PRESSWERK” – DAS ZUSAMMENDRÜCKEN MIT DEM KOMPRESSOR
Ebenfalls zur Standardbearbeitung gehört die Veränderung der Dynamik. Eine Erweiterung mittels Expander oder gar Gate ist im Grunde nur bei vorheriger Überkompression oder Problemen mit Störgeräuschen notwendig. Die Verringerung der Dynamik – besser bekannt unter dem Begriff Kompression – ist eine der Haupttätigkeiten des Mastering-Engineers und das, was der Kunde am ehesten wahrnimmt. Die Gründe für diesen Vorgang kann man in zwei Aspekte unterteilen: in technische und kreative Kompression.
 
Die technische Kompression hat in erster Linie die Aufgabe, den Unterschied zwischen “leisen” und “lauten” Stellen im Material zu verringern. Kompression ist im Normalfall (der “Downward-Compression”) eine Verringerung des Pegels, die nachträglich durch das “Make-Up”-Gain wieder kompensiert wird. Dadurch ist nach der Bearbeitung mit einem Kompressor der Durchschnittspegel höher als vorher. Die positiven Effekte sind hierbei, dass auch leisere Passagen nicht in den Umgebungsgeräuschen untergehen. Hört man etwa im Auto Musik, könnte es sonst passieren, dass man, um diese Parts hören zu können, den Volume-Regler justiert. Käme dann aber der nächste Auf-die-Glocke-Part, könnte dieser einem aber die Schuhe ausziehen. Viele Mastering-Ingenieure geben es als Ziel an, dass der Kunde die einmal eingestellte Lautstärke beim Hören des ganzen Albums nicht mehr verändern muss – egal auf welchem System und in welcher Umgebung er hört. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass man durch Kompression die Grenzen, die durch digitale Systeme vorgegeben sind, besser ausreizen kann. Mit 0 dB FS ist bei allen Digitalsystemen die maximale Pegelgrenze erreicht. Es gibt einfach kein “Darüber” (deswegen haben dB FS auch immer ein negatives Vorzeichen). Mit einer geringeren Dynamik kann der Durchschnittspegel daher näher an dieses Maximum gebracht werden. Dies ist ein wichtiger Schritt im Kampf um die lauteste Produktion.
Was für den Dynamikverlauf eines ganzen Songs gilt, kann natürlich auch im “Kleinen” gelten. Oft haben Schlaginstrumente einen deutlich höheren Pegel als die anderen Signale. Dies ist selbst dann so, wenn sie gar nicht so laut empfunden werden. Lautheitsempfinden hat nämlich auch etwas mit der “Länge” von Signalen zu tun. Mit schneller arbeitenden Kompressoren kann man das Verhältnis der perkussiven Signale zu den “liegenden” verändern. Wenn der Mastering-Engineer also Stimmen und Gitarren etwas lauter haben möchte, kann er das mit einem Kompressor tun, der die Schlagzeugsignale etwas absenkt und dadurch das, was zwischen ihnen liegt, lauter erscheinen lässt. Im Gegensatz zur “Makrodynamik”, die ganze Songs behandelt, spricht man bei derartigen Betrachtungen entsprechend von der “Mikrodynamik”.

Mastering_b_2__1__01

Eher im Bereich der Mikrodynamik greift auch die kreative Kompression. Gerade bei schnellen Änderungen hat diese Bearbeitung auch klangästhetische Folgen, die durchaus bewusst eingesetzt werden. Ein “zusammengedrücktes” Material klingt auch kompakter, weniger luftig. Die Zeitkonstanten des Kompressors können so eingestellt werden, dass nicht nur die Signale zwischen den perkussiven Signalen, sondern auch diese Signale selbst beeinflusst werden. Attack und Release sind also gerade beim Mastering mächtige Regler! Gerade die Vorgänge der Gain-Reduction (also des Herunterregelns) und der Release (des wieder auf 1:1 zurückregelnden Vorgangs) sind oft auffällig und können zur Klanggestaltung genutzt werden. Wie Kompression auf Bassdrum und Snare eingesetzt werden kann, ist bekannt und gehorcht den gleichen Regeln wie oben erklärt: Die leiseren Teile des Signals erscheinen nach der Dynamik-Einengung lauter, im Falle der Schlaginstrumente wird die Sustainphase hervorgehoben. Dadurch klingen die Instrumente länger und “fetter”. Ausserdem gehen die Regelvorgänge nie ohne Klangänderung vonstatten. Nicht zuletzt deshalb werden verschiedene Kompressoren eingesetzt, die mit ihrer ganz eigenen Färbung dem Mix ihren Stempel aufdrücken können. Selten wird dabei mit der Brechstange gearbeitet, denn diese “Färbung” kann man vereinfacht auch anders ausdrücken: “Verzerrung”! Diese Art der Verzerrung ist für das Gehör in gewissem Masse angenehm, kann sogar ebenfalls den Lautheitseindruck erhöhen! Nicht umsonst gibt es im Mastering-Studio oft verschiedene Kompressoren. Sehr häufig ist darunter ein Röhrenkompressor, der – je nach Gerät – das Signal stark färbt. Ein etwas schüchternerer analoger Vertreter für die eher technische Kompression ist oft ebenfalls vorhanden, wird aber zunehmend von Plug-Ins verdrängt.
GRENZEN SETZEN – DER LIMITER
Ein Kompressor mit recht kurzen Regelzeiten und eine sehr hohen Ratio ist bekanntlich ein Limiter, zu deutsch: Begrenzer. Anders als die Kompressoren sollen diese in jedem Fall nicht zu hören sein. Wenn man einen Limiter wirklich arbeiten hört, dann sind es meistens die von ihm produzierten Artefakte: Knackser oder starke Verzerrungen, die auf den Attacks liegen. Die Aufgabe des Limiters ist es, kurze Pegelspitzen “abzufangen”. Wer Audioaufnahmen mit einer DAW macht, kennt es: Die Schwingungsform-Darstellungen mancher Signale zeigen weit herausstechende Spitzen im Bereich des Attacks. Diese verhindern natürlich, dass der Durchschnittspegel sehr hoch wird, denn bei 0 dB FS liegt ja in jedem Fall das Maximum. Um diese Spitzen abzusenken, sind Kompressoren oft zu träge oder knacksen, wenn sie schneller eingestellt werden. Und sollte beides nicht zutreffen, reicht ihr Hub (also die Gain Reduction) oft nicht aus. Damit der Limiter genügend Zeit hat, auf eine eingehende Signalspitze zu reagieren, wird das zu limitierende Signal um einige wenige Millisekunden verzögert. Der Detektorabgriff (der Bereich, in dem erfasst wird, ob sich der Eingangspegel über dem Threshold befindet), liegt jedoch vor diesem Delay. Mit dieser “Look Ahead”-Funktion ist der Limiter in der Lage, ein wenig in die Zukunft zu schauen und seinen Regelvorgang schon durchführen, bevor die Signalspitze passiert. Das Delay ist einer der Gründe, weshalb in Produktionen echte Limiter eigentlich nicht einsetzt werden. Die Limiting-Funktion ist der hauptsächliche “Lautmacher” in der Mastering-Kette. Im Regelfall entscheidet sich der Mastering-Engineer also für die Reihenfolge Kompressor – Limiter, damit der Limiter noch das “abschneidet”, was dem Kompressor entwischt ist. In der Schwingungsformdarstellung sieht das dann verglichen mit dem Vorher auch wirklich abgeschnitten aus. 
Den Standardbearbeitungen schliessen sich noch weitere Schritte an. Ein wichtiger Schritt ist dabei das Vorbereiten für das Endmedium. Was man da vorbereiten muss? Eine Audio-CD brennen kann doch jeder! Das ist zwar fast richtig, aber es gibt Sachen, die man gut und weniger gut machen kann. Der Mastering-Engineer kann sie gut machen. Wir werden uns in zu einem späteren Zeitpunkt mit dieser Thematik eingehend befassen.

LIEFERBEDINGUNGEN – WIE BEREITE ICH MEINE PRODUKTION FÜR DAS MASTERING VOR?
Schlimmstenfalls kümmert sich der Engineer nicht um das, was der Mastering-Engineer mit der Produktion anstellt, sondern schiebt bei sich zuhause einfach die fertige CD in den Player. Um eine Frage kommt er dennoch nicht herum: Auf welche Art und Weise soll der Mix eingereicht werden? Was sind die Do’s-And-Dont’s?

Mastering_b_2__2_

Die Summe des Mixes sollte unbearbeitet sein, denn diese Arbeit überlässt man besser dem Engineer, denn er hat dann alle Möglichkeiten offen. Ein Kompression kann man nur schlecht rückgängig machen. Ein falsch gesetzter EQ liesse sich zwar ausgleichen, jedoch wäre dies der Signalqualität bestimmt nicht zuträglich. Der Mastering-Engineer hat die besseren Werkzeuge und die grössere Erfahrung auf diesem Gebiet. Ausserdem kann er die Reihenfolge der Bearbeitungen bestimmen. Es ist zum Beispiel ein riesiger Unterschied, ob der Equalizer vor oder hinter dem Hauptkompressor im Signalweg liegt. Schliesslich sind beide Geräte Verstärker, der EQ ein frequenzselektiver, der Kompressor ein pegelabhängiger. Somit beeinflussen sie sich gegenseitig. Also: Selbst, wenn man weiss, dass man eine stehende Welle bei 60 Hertz hat, ist es keine gute Idee, diese ständig mit einem EQ zu kompensieren (Das funktioniert sowieso nur eingeschränkt). Wer glaubt, dem Engineer einen Gefallen zu tun, in dem er seinen Mixdown direkt in den für die Audio-CD notwendigen 16 Bit anfertigt, der irrt gewaltig! Der Mastering-Engineer möchte so lange wie möglich in einer möglichst hohen Qualität arbeiten können. Das Herunterrechnen von 24 Bit auf 16 ist kein einfacher Vorgang und einer der letzten Schritte, der mit dem Material gemacht wird. 24 Bit sind selbst dann sinnvoll, wenn man nur mit 16-Bit-Files gearbeitet hat, denn selbst bei jedem Fader werden Binärzahlen miteinander multipliziert und die Darstellung somit “genauer”!  Wird die Parallele zur Fotografie gezogen, wird es deutlicher: Selbst, wenn das Zielformat eines Fotos nur 100 x 150 Pixel sind, wird man es wohl kaum mit dieser Grösse in der Kamera aufnehmen, sondern es erst ganz am Schluss auf das Zielformat bringen. Schliesslich wird es nach dem Shot bearbeitet werden: Schärfe, Kontrast, Sättigung, perspektivische Verzerrungen. Wenn eine Helligkeitsänderung beispielsweise in einem Farbverlauf stattfindet, ist es sinnvoll, wenn möglichst viele Zwischenschritte vorhanden sind, deren Wert zu korrekten Errechnung notwendig ist. Ihr seht: Das “Bild” entspricht dem Mix, die “Bearbeitung” den EQs und weiteren Geräten, das “Verkleinern” dem Herunterrechnen auf 16 Bit. Erst, wenn das Bild komplett bearbeitet ist, wird es kleingerechnet. Bei der Audioquantisierung ist das eigentlich immer die Truncation von 24 auf 16 Bit mit dem so genannten Dithering und dem Noise-Shaping. 32-Bit-Floating-Point-Files sind im Regelfall – sofern sie von der DAW überhaupt gerendert werden können – mit anderen Systemen nicht kompatibel.
Bei der Samplerate verhält es sich ähnlich. Auch hier ist ein höherer Wert natürlich “besser”. Dies gilt allerdings nicht zwangsläufig. Wenn etwa mit 44,1 kHz in der DAW gearbeitet wurde, bringt es keinen Gewinn, das Ergebnis mit 192 kHz zu rendern. Das wäre, als würdet ihr eine altersschwache Dampflok auf einer ICE-Hochgeschwindigkeitstrasse fahren lassen. Die Lok bleibt die gleiche.
Bei der Samplerate sollt man sich folgenden Sachverhalts bewusst sein: “Mehr” bedeutet manchmal nicht “besser”, sondern tatsächlich “schlechter”! Wer im guten Glauben etwa mit 48 kHz statt der für die Audio-CD notwendigen Samplerate von 44,1 kHz arbeitet, stellt sich selbst ein Bein. An irgendeinem Punkt des Produktionsprozesses müssen die 48 in die 44,1 kHz umgerechnet werden. Weil diese Werte so nah aneinander liegen, muss beim Umrechnen der tatsächliche Wert “erraten” werden. Bei 44,1 und 48 kHz liegt nur jedes dreihundertste (!) Sample auf dem gleichen Punkt (größtes gemeinsames Vielfaches), alle anderen Werte müssen interpoliert werden. In manchen Fällen bedeutet das, dass der 44,1-kHz-Zielsamplewert genau zwischen zwei 48-kHz-Werten liegt. Zwar sind die Interpolationsverfahren mittlerweile sehr gut, dennoch ist dies ein verlustbehafteter Vorgang. Dies erklärt auch, weshalb es bei CD-Produktionen sinnvoller ist, mit 88,2 statt mit 96 kHz respektive mit 176,4 statt mit 192 kHz zu arbeiten. Auch hier kann wieder das Bild mit dem Bild herangezogen werden: Verkleinerungen von Bildern gelingen dann sehr gut, wenn sie auf 50 % erfolgen, denn dann können einfach zwei benachbarte Pixel zusammengezogen werden (Das ist in Wirklichkeit komplizierter). Aus oben genannten Gründen sollte man auch auf Master-Fader vor dem Bounce verzichten. Und Fade-Outs sind – obwohl es einfach klingt –  komplizierte Angelegenheiten und werden aus mehreren Gründen ebenfalls erst im Mastering durchgeführt! Ist im Recording schon klar, dass gefadet werden soll, sollte das Material weit über den angedachten Schlusspunkt hinausgehen, denn Fades “sterben” oftmals viel später, als es einem auffällt. Bei Musikern aus Fleisch und Blut ist es zudem oft an ihrem Groove zu bemerken, wenn das Song-Ende bevorsteht: Sie spielen darauf zu, werden oft ein klein wenig schneller. Wenn nach dem letzten Refraindurchlauf der Fade einsetzen soll, ist es sinnvoll, den Refrain insgesamt vier- oder sogar achtmal zu spielen! Auch vor dem eigentlichen Signal sollte ein wenig “Fleisch” stehen bleiben.

Da einige Sachen im Mastering eher einfach, andere eher schwierig zu realisieren sind, kann man sich folgendes merken: Die Einzelsignale sollten lieber eine etwas zu hohe als eine zu niedrige Dynamik haben, denn komprimiert wird sowieso. Drums oder Gesang im Mastering in den Mix “hineinzulegen” ist etwas einfacher, als diese herauszumodellieren, um sie vor dem Untergehen zu retten. Dies liegt vor allem daran, dass sie mit Sicherheit recht laut sind, und somit über den Kompressor-Threshold reichen (also komprimiert werden). Allerdings weiss jeder Mix-Engineer, dass gerade beim Gesang das Pegelfenster äusserst gering ist. Im Zweifel sollte man einen “Vocals Up”- und einen “Vocals Down”-Mix anfertigen, und den Mastering-Engineer entscheiden lassen, mit welchem er arbeiten möchte.

Mastering_b_1__1__01

Auf Datenreduktionen jedweder Art muss man beim finalen Mixdown verzichten. Finger weg von MP3 und Konsorten, dafür dreht euch der Mastering-Engineer den Hals um! Auch wenn ihr glaubt, dass man den Unterschied von PCM zu einem 384kBit/s-MP3 nicht hören kann: Der “Meister” tut es; vielleicht nicht sofort (denn er hat das Original ja nicht zum Vergleich), aber spätestens beim Einsatz eines Kompressors. Bei Reduktionen wird ja viel von dem entfernt, was der Algorithmus als sowieso nicht wahrnehmbar klassifiziert. Wenn aber genau dies hervorgeholt werden kann, gilt der alte Spruch: Wo nichts ist, kann auch nichts werden. Theoretisch könnte man Datenkompressionsformate verwenden, denn diese gelten als “lossless”. Allerdings ist nicht gesagt, dass das Mastering-Stuido zu diesen auch kompatibel ist und auch beim Verpacken und Entpacken können Fehler passieren. Wer eines der beiden PCM-Audioformate Wave oder AIFF verwendet, ist auf der sicheren Seite. Mac-User sollten PC-Suffixes anhängen, denn fast alle Mastering-DAWs arbeiten auf der Windows-Plattform. ProTools-User sollten darauf achten, “interleaved” zu bouncen, also linken und rechten Kanal in ein File zu schreiben. Und nicht zuletzt sollten die Files aussagekräftige Namen haben, etwa “BonedoAllStars_01HowToRockTheInternet.aif”. Bezüglich der Samplerate sollte man beim Mastering anfragen, ob Double- oder Quad-Rates auch wirklich angenommen werden können. Nur die Tatsache, dass maximal 48 kHz angenommen werden können, bedeuten im Übrigen noch lange nicht, dass es sich um ein “schlechtes” oder “billiges” Studio handelt!
Als Übergabemedium verbietet sich schon aus oben genannten Gründen eine selbstgebrannte Audio-CD, denn schliesslich arbeitet sie mit 16 Bit. Zudem ist die Datensicherheit bei Audio-CDs weitaus geringer als bei Daten-CDs. Schreibt die Audiofiles also auf (Joliet-)Daten-CDs. Natürlich sollten die CDs nicht unbedingt mit höchster Geschwindigkeit geschrieben werden, denn ein altes Computergesetz besagt, dass mit der Geschwindigkeit auch die Fehlerrate steigt. Und das kennt jeder von sich selbst! Wichtig ist vor allem, dass ihr alles vor der Übergabe noch einmal auf Fehler untersucht, wie es auch im Mastering vor der Übergabe an das Presswerk gemacht wird. Und das schreibt sich: Durchhören! Eine weiter Option umgeht den physikalischen Datenträger: Immer mehr Studios erlauben den Upload auf einen FTP-Server. Selbst, wenn ihr beim Mastering mit vor Ort seid, ist es sinnvoll, alles gut und ausreichend zu beschriften, um den Überblick nicht zu verlieren. Verschickt ihr die Sachen, sollte überall (wirklich überall) Euer Name, der der Produktion und eine Mobilfunknummer draufstehen. Vielleicht möchte euch der Mastering-Engineer fragen, ob der Knarz-Sound unter die künstlerische Freiheit fällt und gewollt ist, oder vielleicht ein Fehler. In jedem Fall ist es gut, vor dem Termin mit dem Menschen telefoniert zu haben – danach wissen meistens beide, wie der andere tickt und was er sich vorstellt. Kommunikation ist trotz aller Zahlenspiele wichtig, denn es geht hier ja schliesslich um Musik!

Alles klar? Hier eine kleine Checkliste für den Final Mix:

– keine Effekte in der Summe?
– keine Clips in den Channels, den Bussen oder im Master?
– keine Störgeräusche?
– kein Fade-Out, Material lang genug?
– Samplerate ist Zielsamplerate oder ein ganzzahliges Vielfaches?
– hohe Samplerates werden vom Studio akzeptiert?
– Wortbreite ist 24 Bit?
– .wav oder .aif interleaved?
– richtig beschriftet?

Wenn alles gut ist, gehen sie direkt auf LOS und ziehen sie 2000 Euro ein.
Bisher haben wir gesehen, was der Mastering-Engineer an Standardbearbeitungen macht: In erster Linie Equalizing und Kompression. Dies sind im Grunde Vorgänge, die dem Tontechniker mit Sicherheit schon aus der Produktion bekannt sind und die auch für viele Musiker keine böhmischen Dörfer sind. Im nächsten Teil dieses Workshops geht es dann ans Eingemachte: Welche Möglichkeiten hat der Engineer noch, Produktionen zu verbessern oder sogar zu retten? Eines kann ich verraten: Mehr, als man erst einmal denkt!

Mastering_b__2_
Hot or Not
?
Schubkraftregler an Bord der MS Sassnitz

Wie heiß findest Du diesen Artikel?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)
  • LD Systems ICOA Pro Series - All you need to know!
  • Watch THIS if you use analog gear! Everything you need to know about the Freqport FreqInOut FO1