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Orange AD200B MK3 Test

Ich freue mich immer, wenn ich einen Verstärker der legendären britischen Firma Orange unter die Finger bekomme und schon alleine das knallige und psychodelische Seventies-Outfit sorgt bei mir für gute Laune. Spätestens seit Firmengründer Cliff Cooper die Fäden wieder in der Hand hält, nachdem er Orange 1980 nach einigen weniger erfolgreichen Jahren aufgab und Gibson die Amps Ende der 90er reanimierte, wird die Firma wieder ihrem Ruf als traditionsreiche Boutique-Ampschmiede gerecht. Der AD200B MK3 ist die neueste Inkarnation des von den Vintage Klassikern inspirierten, aber neuentwickelten Vollröhrenamps von Orange. Entsprechend „straight forward“ ist auch die Philosophie, die hinter diesem Produkt steht.

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In der Tat gibt es wohl kaum einen kompromissloser umgesetzten und puristischeren Bassamp als den AD200B: Gain, 3-Band-EQ, Master – fertig. Keine Presets, Effektwege, Stimmgeräte, Limiter, Kompressoren oder andere zweifelsohne zumindest teilweise praktische Features, mit denen sich einige Hersteller moderner Bassamps in neuerer Zeit sonst noch zu übertrumpfen versuchen. Nach so viel Vorschusslorbeeren muss der Brite nun aber beweisen, dass er auch soundmäßig ordentlich was auf der Pfanne hat, denn eine lustige Farbe allein haut heutzutage keinen mehr vom Hocker.

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Details

Die 200 Watt Röhrenpower gibt’s natürlich nicht im derzeit angesagten schlanken Fliegengewicht-Handtaschenformat, aber mit seinen 25 kg liegt der orangefarbene Brite immer noch deutlich unter dem Gewicht einiger anderer Vollröhrenamps dieser Leistungsklasse und ist relativ mühelos mit dem oben angebrachten Griff zu transportieren. Dabei ist das Gehäuse wirklich sehr solide und stabil, und die Qualitätsanmutung auch der anderen Komponenten hervorragend, um nicht zu sagen erstklassig. Allerdings sollte man das in dieser Preisklasse auch erwarten können.
Die Vorstufe arbeitet mit einer Doppeltriode des Typs ECC83 und einer ECC81, die Endstufe hingegen ist mit vier bewährten 6550 Endröhren ausgestattet. In der Röhrenbestückung hat sich also im Vergleich zum Vorgängermodell nichts geändert. Die zurückgesetzte, weiß lackierte Frontplatte ist durch zwei Chrombügel zusätzlich geschützt und beherbergt außer dem überdimensionierten „Orange“-Schriftzug nicht allzu viele Komponenten, was aufgrund des spartanischen Konzeptes des AD200 ja auch auf der Hand liegt.

Weil der Röhrenamp aus England kommt, herrscht auf der Frontplatte selbstverständlich strikter Linksverkehr: Sämtliche Bedienelemente sind spiegelverkehrt zur normalerweise gewohnten Anordnung angebracht. Ganz rechts sitzen also die zwei Inputs für aktive und passive Bässe, gefolgt von einem großen und sehr griffigen Gainregler, den drei EQ-Potis für Bass, Mid und Treble und einem ebenfalls großen Master-Volume-Regler. Die  Betriebslampe im Vintageformat, Standby und Powerschalter runden das übersichtliche Cockpit des AD200B ab. Wie bei Orange-Verstärkern üblich, zieren selbstverständlich auch den AD200 schmucke Piktogramme auf einem orangefarbenen Streifen – das Ganze natürlich zusätzlich zur Beschriftung, um jeglichen Missverständnissen vorzubeugen. Die Rückseite ist ähnlich schnell abgefrühstückt wie die Front, hier finden sich der Stromanschluss, diverse Sicherungen, ein Slave-Out und drei Speaker-Out-Klinkenbuchsen, fertig. Zwei der Speaker-Outs sind für 4 Ohm, der dritte für den Betrieb mit 8 Ohm Boxen vorgesehen. Man kann also bei Betrieb mit zwei 8 Ohm Boxen beide direkt in den Amp stöpseln, es ist also kein Durchschleifen einer Box notwendig. Der Line-Out ist wirklich nur zur Signalweiterleitung an eine weitere Endstufe geeignet, zum Aufnehmen oder zum Anschluss an die PA produziert er zu viele Nebengeräusche.

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Praxis

Na dann nichts wie ab ins Soundtestlabor, beziehungsweise in den Proberaum. Ich habe den AD200B an eine 15 Zoll und eine 4 x 10 Zoll Box angeschlossen und bin schwer begeistert von dem charakterstarken Sound, der mir aus dem Bassturm entgegenkommt. Der Brite ist eine echt eigenständige Soundmaschine mit einem ungeheuer satten Fundament und warmen, durchsetzungskräftigen Mitten, die sich aber keineswegs nur für Rock oder Metal eignet und durch die schönen, seidigen Höhen auch supertransparent klingen kann. Der AD200 ist einfach sehr britisch und hat auch bei niedrigem Gainpegel schon den leichten Zerranteil, den man (zumindest ich) von Vollröhrentops hören will und der den rauen und rotzigen Ton ausmacht. Der Orange geht bei höherem Gain verhältnismäßig schnell in den Overdrive und produziert bei Bedarf wirklich brutale Sounds, die dann schon eher für die Bassgrooves der härteren Gangart angesagt sind. Die passive Klangregelung arbeitet sehr geschmackvoll und effektiv und erlaubt innerhalb des starken Charakters des AD200 einige Soundvariationen. Wie bei einer Tonblende beim passiven Fenderbass reduziert der Treble-Regler den Höhenanteil und trimmt den Sound geschmackvoll in Richtung Vintage, und das, ohne die Durchsichtigkeit zu verlieren. Der Bassregler ist die Schubkraftwaffe, mit der ein immens wuchtiger Bass reingedreht werden kann, der ab einer bestimmten Schwelle leicht komprimiert und unglaublich smooth klingt.

Audio Samples
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Flat Mittensound Clean Gain 3/4

Das puristische Konzept hinter dem AD200B geht meiner Meinung nach vollkommen auf, der eigenständige, britisch rotzige Sound ist von allerfeinster Güte und alles, was man mit den zugegebenermaßen wenigen Reglern anstellt, klingt ebenfalls hervorragend. Ich vermisse bei dem Spartaner nur eines, und zwar die Di-Outs, falls man doch mal ohne Boxen aufnehmen oder das Signal zur PA schicken will. Zwar befinden wir uns hier nicht in einem Vergleichstest, für viele Interessenten wird sich allerdings die Frage stellen, ob sie nun mit einem Amp des Hauptkonkurrenten Ampeg, etwa einem SVT CL oder VR, besser bedient sind oder doch lieber zum Orange Top greifen sollen, weshalb ich trotzdem kurz auf die Problematik eingehen will. Kurz gesagt, der Orange ist einfach der kompromisslosere Röhrenamp. Er klingt schon bei niedrigerem Gainlevel schmutziger und grindiger, fängt wesentlich früher zu Zerren an als der SVT und kann ein wirklich brutales Fundament liefern. Die Ampegs bleiben viel länger clean und sind im Sound etwas kompakter, mit ihren Tiefmitten vielleicht auch etwas punchiger, und durch die Mittenfilter und EQ-Presets logischerweise universeller als der Orange. Letzten Endes ist es natürlich wie immer Geschmacksache, der AD200B ist für mich mit seinem puristischen Ansatz auf jeden Fall das kompromissloseste Vollröhrentop auf dem Markt.

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Der AD200B ist genau das Gegenteil einer modernen Hifi-Bassanlage mit Vollaustattung. Orange hat hier ein puristisches Vollröhrentop gebaut, das einen eigenständigen Charakter hat und vollkommen überzeugende Sounds in bester britischer Tradition liefert. Sounds, die Rockmusiker überzeugen, aber durchaus auch in anderen Musikstilen eine hervorragende Figur machen. Auch leistungsmäßig besteht kein Grund zur Sorge. Auch wenn sich 200 Watt im ersten Moment eher konservativ anhören, kann ich mir kein sinnvolles Einsatzgebiet vorstellen, bei dem der AD200B lautstärkenmäßig nicht mithalten könnte. Die Verarbeitung des orangen Kraftpaketes ist dazu noch erstklassig, was will man also mehr. Einen DI-Out vielleicht, das hätte der Kompromisslosigkeit des Tops keinen Abbruch getan. Ansonsten kann ich den AD200B MK3 allen Röhrenfans nur wärmsten ans Herz legen.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Großartiger Röhrensound
  • Verarbeitung / Konstruktion
  • Optik
Contra
  • Kein DI-Out
Artikelbild
Orange AD200B MK3 Test
Für 2.299,00€ bei
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Facts
  • Hersteller: Orange
  • Modell: AD200B MK3
  • Typ: Vollröhren-Basstop
  • Land: England
  • Röhren: 2 x ECC83, 1 x ECC81/12AT7, 4 x 6550/KT88
  • Leistung: 200 Watt RMS an 4 oder 8 Ohm
  • EQ: Bass, Mid, Treble
  • Regler /Schalter: Gain, Master Volume, Power, Standby
  • Eingänge/Ausgänge: 2 x Input, 3 x Speaker Out, Slave Out.
  • Masse: 55 x 24 x 28cm
  • Gewicht: 25 kg
  • Preis: 1938,00 Euro (UVP)
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Kommentieren
Profilbild von Pat

Pat sagt:

#1 - 10.04.2014 um 16:09 Uhr

0

Weil noch niemand kommentiert hat: Was für ein unfassbar geiler Gain-Sound! :-)

Profilbild von BonedoJulian

BonedoJulian sagt:

#2 - 15.04.2014 um 13:16 Uhr

0

Vielen Dank für deinen Kommentar! Das ist die Kraft der Röhre :)

Profilbild von Karl

Karl sagt:

#3 - 16.09.2014 um 22:56 Uhr

0

Danke für den feinen Test - die Sounds sind wirklich sehr überzeugend. Da das gute Stück nun ja keinen DI Out hat und der Line-Out nicht wirklich was hergibt - wie würdet ihr empfehlen das Signal vom Amp im Studio abzugreifen? Bzw. evtl. eine Frage an Hr. Wind - wie wurden die Samples für diesen Test aufgenommen?
Vielen Dank :-)

Profilbild von Rainer

Rainer sagt:

#4 - 17.09.2014 um 13:07 Uhr

0

Hallo Karl, danke für deinen Kommentar! Für die Audio-Beispiele habe ich eine Mischung aus dem Line-Out Signal und einer mikrofonierten Box (Epifani 3x10 + SM57) verwendet. Im Studio würde ich den Orange auch mit einer passenden Box aufnehmen und gleichzeitig das saubere Basssignal mitschneiden, damit man hinterher je nach Musikstil oder Soundvorstellung mischen kann. Beste Grüsse - Rainer

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