Dass die Studio Les Paul bei Gitarristen so hoch im Kurs steht, ist kein Wunder, denn hier bekommt man eine Original USA Gibson zu einem wirklich fairen Preis. Auch zu meinem Fuhrpark gehört ein Exemplar, das ich mir vor einigen Jahren zugelegt habe und mit dem sehr zufrieden bin. Und wenn ein Produkt so viele Freunde hat und es sich gut verkauft, dann hält man ein solches Eisen natürlich im Feuer, und genau das hat Gibson über die Jahre getan.
Die Studio-Reihe wurde immer mal wieder erweitert und eines dieser Instrumente, das die Tradition aufrechterhalten soll, steht heute zum bonedo-Test an. Von dem etwas lang geratenen Namen lassen wir uns natürlich nicht beeindrucken, denn die inneren Werte zählen. Trotzdem macht es mich neugierig, was bei der Les Paul Studio Pro Plus (LPSPP) eigentlich das Pro Plus bedeutet. Also ran an die Arbeit.
DETAILS
Korpus
Natürlich kommt unsere Kandidatin in der klassischen Les Paul Form mit einem Cutaway und einem Korpus aus Mahagoni mit aufgeleimter Ahorndecke. Von außen nicht sichtbar, aber als Gewichtsminimierung sehr beliebt, verringern kleine Hohlkammern im Inneren des Korpus dessen Masse. Der Fachausdruck für diese Bauweise lautet bekanntermaßen Chambered Body. Die LPSPP, die ich jetzt in den Händen halte, ist recht aufwendig in Red Velvet lackiert, aber auch in Antique Natural, Manhattan Midnight und Trans Black erhältlich. Ansonsten findet man auf den ersten Blick nichts Neues auf und um den Korpus herum, alles ist an seinem Platz, so wie es der gemeine Gitarrist bei einer Les Paul am Liebsten hat. Pickups, Toggle-Switch und die vier Regler sind schwarz, die Tune-O-matic Bridge mit Stop Tailpiece ist verchromt, genau wie die Strap-Buttons an der Zarge, und dort befindet sich auch die Anschlussbuchse. Eines allerdings fehlt im Vergleich zu den Standard Les Pauls: Die LPSSP hat kein Schlagbrett.
Pickups
Beim genaueren Hinsehen zeigt sich, dass die beiden Anhänger, die um die Volumen-Regler baumeln, mir etwas sagen wollen. Und zwar, dass es sich bei den beiden um Push-Pull Potis handelt. Damit nähern wir uns auch offensichtlich der Bedeutung der Pro Plus Bezeichnung, aber erst einmal der Reihe nach: Die Gitarre ist mit zwei unterschiedlichen Pickups (ohne Kappe) ausgestattet. An der Halsposition sitzt ein 490R Humbucker mit Alnico II Magneten und am Steg sorgt der Burstbucker Pro (Alnico V Magnete) für ordentlich Dampf. Jedem Pickup stehen ein Volume- und ein Tone-Regler (Black Speed Knobs) zur Verfügung.
Die Anwahl der Pickups erfolgt über den üblichen 3-Wege Toggle Switch, mit dem die Kombinationen Hals-, Hals- & Steg- und Steg-Pickup möglich sind. Mit dem jeweiligen Push/Pull-Poti kann der entsprechende Pickup gesplittet und somit ein singlecoilähnlicher Sound erzeugt werden. Das ist natürlich ein willkommenes Feature, das ein paar mehr Soundmöglichkeiten offenbart, als es bei den „normalen“ Les Pauls der Fall ist. Wie das Ganze klingt, erfahrt ihr später im Praxisteil.
Hals
Der Hals besteht aus Mahagoni und einem Palisandergriffbrett. Wie üblich ist die Hals-Korpus-Verbindung geleimt und handwerklich sauber ausgeführt. Ab Werk ist die Gitarre gut eingestellt, Halsneigung, Saitenlage und Oktavreinheit stimmen, man kann sofort loslegen. 22 gut abgerichtete und polierte Medium Jumbo Bünde zieren das Griffbrett zusammen mit den Trapez-Inlays, die wie die Punkteinlagen an der Halsleiste der Orientierung dienen. Der Hals selbst liegt gut in der Hand, das etwas schlankere Slim Taper Profil ist auch aus diesem Grund bei vielen Gitarristen sehr beliebt. Es ist genau das Mittelding zwischen Baseballschläger und Flachbrett, das zusammen mit dem Cutaway das Spiel in den oberen Lagen sehr komfortabel gestaltet. Die LPSPP hat einen weißen Kunststoffsattel, über den die Saiten zu den Mechaniken an beiden Seiten der Kopfplatte laufen. Der Sattel ist für die werkseitig montierte Saitenstärke von 010 bis 046 optimal ausgefeilt, hier bleibt bei Bendings oder Stimmen nichts hängen, die Stimmung ist sehr stabil. Auch die verchromten Grover Kidney Tuner verrichten ihre Arbeit sehr sorgfältig, leichtgängig und ohne tote Punkte. Die schwarz lackierte Kopfplatte im Standard Gibson Design trägt in klassischer Manier oben das Logo in Gold und die Typenbezeichnung „Les Paul Model“ senkrecht in der Mitte. Unten befindet sich die glockenförmige Abdeckung für den Halsstellstab.
PRAXIS
Wer bisher aus Respekt vor dem großen Gewicht die Anschaffung einer Les Paul nicht ins Auge gefasst hatte, für den kann ich bei diesem Modell auf jeden Fall Entwarnung geben. Mit 3,2 Kilo wiegt sie gerade einmal so viel wie eine SG – meine Les Paul Studio bringt satte vier Kilo auf die Waage. Zum Lieferumfang gehört auch ein stabiler Gibson Formkoffer, den man dank des geringeren Gewichts natürlich längere Strecken tragen kann, ohne dass man den Verlust eines Armes befürchten müsste. Allerdings scheiden sich die Geister, wenn es um das Gewicht einer Les Paul geht. Viele behaupten, nur eine schwere Les Paul könne wirklich einen fetten Ton von sich geben. Auch dieser Sache werden wir jetzt ganz neutral auf den Grund gehen und wie gewohnt erst einmal die unterschiedlichen Tonabnehmerkombinationen bei unverzerrtem Sound hören.
Clean
Und tatsächlich, schon beim Halspickup zeigt sich, dass die Gitarre im Vergleich zu den etwas schwergewichtigeren Modellen etwas dünner klingt. Die Bässe kommen eher knackig rüber. Aber soll ich ehrlich sein? Mir gefällts! Vor allem bei den Cleansounds, denn gerade der Bassbereich ist manchmal bei den fetten Les Pauls zu stark, besonders, wenn man mit zwei Gitarristen in der Band spielt. Hier kommt das Ganze recht ausgeglichen rüber, der 490R Humbucker am Hals bringt eine respektable Portion an Höhen mit und der Burstbucker am Steg ist noch eine Ecke schärfer, macht aber auch im Cleansound einen guten Job. Hier sind die drei Standardkombinationen.
Indem man den Poti-Knopf des jeweiligen Volume-Reglers hochzieht, splittet man die Pickups. Das erwartete Ergebnis ist ein wesentlich dünnerer Sound, der den Humbuckerton recht gut ergänzt. Die Bässe werden noch etwas mehr reduziert und das Ganze klingt wesentlich crisper. Hier sind die vorherigen Kombinationen im Split-Modus.
Damit kann man natürlich schon Einiges an Sounds einstellen, und wer gut mitgerechnet hat, der weiß, dass noch zwei weitere Kombinationen möglich sind, nämlich Hals Pickup und gesplitteter Steg-Tonabnehmer und umgekehrt. Vor allem für unverzerrte Rhythmus-Sounds bieten sich diese möglichen Kombinationen an. Hier ein Funk-Groove, bei dem ich alle vier Möglichkeiten mit beiden Pickups ausgeschöpft habe:
1. Beide Humbucker
2. Neck Split – Steg Humbucker
3. Neck Humbucker – Steg Split
4. Beide Split
Crunch-Mid Gain
Ganz so sauber geht es jetzt nicht mehr weiter, denn der Marshall Plexi lädt zu einem leicht angezerrten Sound ein, der sich bei entsprechender Amp-Einstellung bis zum amtlichen Brett steigern lässt. Der Burstbucker am Steg sorgt dabei für einen guten, präsenten Zerrsound, einsetzbar für alle Rockfacetten. Seine Ansprache kann man zwar nicht unbedingt als filigran bezeichnen, aber das macht der Halspickup wieder wett, der bei mittlerer Verzerrung sehr dynamisch auf die Anschlagsstärke reagiert. Beim Umschalten auf den Burstbucker zückt unsere Kandidatin allerdings die Rock-Keule.
Entspannte Blues-Sounds erzeugt der Hals-Pickup im Humbucker-Betrieb, und wenn es für Rhythmus-Sounds etwas crisper werden soll, wird er ganz einfach gesplittet. Im Humbucker-Modus liefert er einen angenehm warmen Sound, sehr gut für Leads und einen weichen Rhythmus-Ton, gesplittet kommt er sehr drahtig und mit einem absolut knackigen Bass aus dem Speaker und könnte glatt einer Strat Konkurrenz machen. Die Ansprache ist sehr direkt.
Hier sind beide Möglichkeiten des Hals-Pickups.
HiGain
Bei den Hi Gain Sounds hat mich die Les Paul nicht so hundertprozentig überzeugt. Die Pickups bieten zwar eine hohe Ausgangsleistung und sorgen für gutes Zerrverhalten am Amp, aber der Ton ist doch recht crisp und es fehlt etwas die Fülle. Aber die Tonabnehmer übertragen den Sound recht transparent, sodass man es auch wagen kann, bei höherer Verzerrung Akkorde zu spielen, wie man im nächsten Beispiel hören kann.
Die Werte des Volume-Potis sind so eingestellt, dass sich damit wie üblich der Verzerrungsgrad herunterschrauben lässt. Aber auch in diesem Bereich habe ich mit Les Pauls und anderen Humbucker-Gitarren schon bessere Ergebnisse erzielen können. Bei Volume auf 3 ist der Ton noch leicht verzerrt und bei voll aufgedrehtem Volume gibt es das volle Zerrbrett.
Den scharfen Ton des Burstbuckers kann man natürlich mit dem Tone-Poti an der Gitarre etwas reduzieren, das effektiv ins Geschehen eingreift und den Höhenbereich ab ca. 3kHz entsprechend absenkt. Ihr hört im nächsten Beispiel zuerst das Tone-Poti komplett abgedreht, dann voll aufgedreht.
Zu guterletzt gibt es auch noch die übliche Metal-Zerre mit abgesenkten Mitten. Das funktioniert ganz gut, ist aber nicht unbedingt das Spezialgebiet unserer Kandidatin. Die Gitarre spricht sehr gut an, besonders das Tracking auf den tiefen Saiten funktioniert ausgezeichnet – oberstes Gebot bei Metal Riffs – aber dem Ton fehlt es ein wenig an tiefem Pfund, wenn ich ihn mit dem meiner Standard-Studio Les Paul vergleiche.
FAZIT
Die Gibson Les Paul Studio Pro Plus fällt zuerst durch ihr geringes Gewicht auf, das natürlich auch bei der Tongestaltung eine gewisse Rolle spielt. Die Gitarre hat einen eher knackigen Ton mit direkter Ansprache und einem sehr schlanken Bassbereich. Auch das Sustain ist im Vergleich zum Les Paul Klangideal etwas kürzer. Die Tonabnehmerbestückung mit 490R (Hals) und dem Burstbucker am Steg ist gut gewählt, die Pickups liefern einen soliden Pegel, wobei der Hals-Pickup etwas dynamischer reagiert als der Burstbucker. Die Pickups können gesplittet werden, was der Gitarre eine große klangliche Bandbreite beschert. Das Splitten von Humbuckern ist nichts Neues, funktioniert bei dieser Gitarre aber extrem gut und wertet das Instrument entsprechend auf. Auch handwerklich wurde gut gearbeitet, das etwas schlankere Slim Taper Halsprofil lässt sich einwandfrei spielen und die Hardware wird dem Gibson-Standard gerecht. Die Les Paul Pro Plus konnte am besten bei Clean- und Overdrive-Sounds überzeugen, vor allem durch den drahtigen Bassbereich. Bei Hi-Gain und Metal-Sounds ist der Ton etwas dünner, aber wer nicht hauptberuflich dem Metal-Handwerk verschrieben ist und eine Rock-Gitarre mit guter Ansprache sucht, sollte die Studio Pro Plus antesten. Um so mehr, als dass sie sich wegen ihres etwas schlankeren Sounds sehr gut mit einem zweiten Gitarristen in der Band verträgt. Das Preis-Leistungsverhältnis ist gut.
- Verarbeitung
- Schlanker Bassbereich
- Direkte Ansprache
- Clean- & Crunch-Sounds
- Split Funktion für beide Pickups
- Hi Gain Sounds


Technische Daten
- Model: Les Paul Studio Pro Plus
- Finish: Red Velvet
- Korpus: Mahagoni (Decke Ahorn)
- Hals: Mahagoni
- Profil: Slim Taper
- Griffbrett: Palisander
- Halsbr.Sattel: 43 mm
- Halsbr. 12.Bd.: 53 mm
- Mensur: 624 mm
- Bünde: 22 Medium Jumbo Frets
- Mechaniken: Grover Kidney Tuners
- Pickups: 490R Alnico II Humbucker (Hals), Burstbucker Pro Alnico V (Steg)
- Regler: 2x Volume, 2x Tone
- Brücke: Tone Pro Tune-O-Matic Bridge mit Stop Tailpiece
- Zubehör: Koffer
- Preis: 1298,- Euro
Anika sagt:
#1 - 16.05.2012 um 15:45 Uhr
Ich besitze diese Gitarre und sie ist wirklich sehr schön. Der Test beschreibt das ja auch sehr gut und urteilt durchweg positiv. Was mich nur wundert ist die dann am Ende relativ geringe Bewertung mit 4/5... .